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GLEICHHEIT/6742: UN-Bericht warnt vor katastrophalen Folgen des Klimawandels in den nächsten 20 Jahren


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

UN-Bericht warnt vor katastrophalen Folgen des Klimawandels in den nächsten 20 Jahren

Von Bryan Dyne
11. Oktober 2018


Am Montag veröffentlichte der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen der Vereinten Nationen (IPCC, Weltklimarat) einen Sonderbericht [1], in dem er "schnelle, weitreichende und beispiellose Veränderungen in allen Aspekten der Gesellschaft" fordert, um die anthropogene Erderwärmung auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu halten.

In dem Bericht heißt es: "Wenn sich die Erderwärmung in diesem Tempo fortsetzt, wird sich die Temperatur durch menschliche Einflüsse bis 2040 um 1,5 Grad Celsius erhöht haben." Um die katastrophalen Folgen des Klimawandels zu verhindern, müsste die Weltwirtschaft in einer Weise umgestaltet werden, für die es "keinen dokumentierten historischen Präzedenzfall gibt".

Der Bericht wurde von 91 Wissenschaftlern aus 44 Staaten vorbereitet und ist das jüngste UN-Dokument, das die wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Klimawandel und seine aktuellen und prognostizierten Folgen auf alle Ökosysteme der Erde auswertet. Er stellt die Umweltveränderungen bei einer auf 1,5 Grad begrenzten Erderwärmung einem Szenario mit einer Erwärmung von zwei Grad Celsius gegenüber.

Menschliche Aktivität hat die Temperatur bereits um etwa 1 Grad Celsius erhöht. Die letzten drei Jahre - 2015, 2016 und 2017 - waren die drei wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1880. Seit dem Jahr 2000 gab es 17 der 18 wärmsten Jahre.

Die Erderwärmung hat zu einer Reihe von Umweltkatastrophen beigetragen, u. a. zu größeren Waldbränden, längeren Hitzewellen, stärkeren Hurrikans und sintflutartigen Taifunen. Der jüngste davon ist Hurrikan Michael, der sich momentan der Küste von Florida nähert und vermutlich einer der stärksten Stürme sein wird, die je über die Region gefegt sind.

Selbst wenn das Klima nur geringfügig wärmer wird, hätte dies weitreichende Folgen. Laut dem Bericht würde ein Anstieg um 1,5 Grad zu Lebensmittelengpässen führen, die in allen Ländern die Armut verschärfen werden. Das Nordpolarmeer würde mindestens einmal pro Jahrzehnt vollständig eisfrei sein, sodass eine Vielzahl der Tiere, die dieses Eis zur Flucht vor Raubtieren und dem Aufzug ihrer Jungtiere brauchen, aussterben würde.

Die Korallenriffe würden um ca. 70 bis 90 Prozent zurückgehen, sodass etwa ein Viertel der Meerestiere ihr lebenswichtiges Habitat verlieren würden. Das Wetter wird weltweit mehr Schaden anrichten und tödlichere Konsequenzen haben. Laut Schätzungen in dem Bericht würde die Erderwärmung weltweit Schäden zwischen 54 und 69 Billionen Dollar verursachen, wenn sie das prognostizierte Niveau erreicht.

Um die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, müssten die Kohlendioxidemissionen bis 2030 auf 45 Prozent des Niveaus von 2010 gesenkt und bis 2050 vollständig eingestellt werden, d.h. in nur drei Jahrzehnten. Dazu müsste die globale Energieproduktion und die Verkehrsinfrastruktur jedoch komplett verändert werden.

Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe III des IPCC, Jim Skea, erklärte in der Pressemitteilung zum Bericht: "Die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, ist nach den Gesetzen von Chemie und Physik möglich, würde aber beispiellose Veränderungen erfordern."

Die immer unheilvolleren Warnungen der Wissenschaftler stehen im deutlichen Gegensatz zur Reaktion der Regierungen weltweit. In den USA zweifelt die Trump-Regierung offen an der Realität des menschengemachten Klimawandels. Auf Fragen nach dem UN-Bericht am Dienstag spielte er dessen Bedeutung herunter und erklärte: "Ich will sehen, wer ihn geschrieben hat. Sie wissen schon, welche Gruppe ihn geschrieben hat. Ich kann Ihnen fabelhafte Berichte zeigen und welche, die nicht so gut sind."

Die Vertreter der anderen großen kapitalistischen Staaten reagierten mit Selbstzufriedenheit. In Deutschland äußerte sich nur der stellvertretende Umweltschutzminister Jochen Flasbarth zu dem Bericht. Er lenkte von Fragen nach Deutschlands steigenden Kohlenstoffemissionen ab, indem er für die deutsche Umwelttechnologiebranche warb.

Medien wie die New York Times und der Guardian haben den jüngsten Bericht als Gelegenheit genutzt, um Trump und andere Politiker anzugreifen, die den Klimawandel leugnen oder sich öffentlich gegen "Kohlendioxidsteuern" stellen, darunter der australische Premierminister Scott Morrison und der brasilianische Präsidentschaftskandidat Jair Bolsonaro. Die Times schrieb von der "Verzweiflung, die herrscht, seit Trump letztes Jahr angekündigt hat, die Vereinigten Staaten würden sich aus dem Pariser Klimaschutzabkommen zurückziehen".

Das Pariser Klimaschutzabkommen, das im Jahr 2015 von 195 Ländern ratifiziert wurde, ist nur ein unverbindlicher Vertrag. Die Regierungen der Welt werden darin aufgerufen, sich freiwillig zu verpflichten, ihre Kohlenstoffemissionen zu reduzieren, um die Erderwärmung bis 2100 auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Dies wurde als "Meilenstein" dargestellt, doch in Wirklichkeit ermöglicht es Ländern und Unternehmen wie ExxonMobil durch Emissionshandel und Kohlendioxidsteuer-Systeme ihre Profite zu maximieren, während sie gleichzeitig ihre Emissionen nur symbolisch verringern.

Der jüngste Bericht der UN macht zudem deutlich, dass die im Pariser Abkommen festgelegten Grenzen dennoch zu massiven Schäden auf der ganzen Welt führen würden. Eine Temperaturerhöhung um zwei Grad würde die Korallenriffe vollständig zerstören, möglicherweise auch das Plankton, das die Grundlage der weltweiten Nahrungskette bildet. Selbst im besten Fall würden auf der Welt, die das Pariser Klimaabkommen vor Augen hat, katastrophale Bedingungen für die Menschheit und das Leben auf der Erde herrschen.

Im Kampf gegen den Klimawandel sind Sofortmaßnahmen nötig, die in Konflikt mit den beiden grundlegenden Widersprüchen des kapitalistischen Weltsystems geraten: dem Widerspruch zwischen der globalen Ökonomie und der Aufteilung der Welt in rivalisierende Nationalstaaten, und dem Widerspruch zwischen vergesellschafteter Produktion und der Unterordnung des wirtschaftlichen Lebens unter das private Profitstreben.

Das bedeutet, die globale Koordination und wissenschaftliche Planung, die für die notwendige Umgestaltung der Energiebranche und der Infrastruktur notwendig wäre, wird durch die Tatsache verhindert, dass jeder kapitalistische Staat rivalisierende herrschende Eliten vertritt. Zudem wird die Wirtschaft als Ganzes von der Wirtschafts- und Finanzelite kontrolliert.

Die Entwicklung der Produktivkräfte der Menschheit hat nicht nur Folgen für die Umwelt, sondern sie ermöglicht es auch, diese Folgen auf rationale Weise zu bewältigen. Allerdings erfordert die Entwicklung der Mittel zum Kampf gegen den Klimawandel - ebenso wie gegen Armut, Krieg und Ungleichheit - eine vollständige sozialistische Umgestaltung des Wirtschaftslebens. Die Wirtschaft muss der demokratischen Kontrolle der Arbeiterklasse unterstellt werden, die als einzige gesellschaftliche Kraft eine Gesellschaft auf der Grundlage der menschlichen Bedürfnisse errichten kann. Dazu gehört auch eine gesunde globale Umwelt.


Anmerkung:
[1] https://www.ipcc.ch/report/sr15/

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Quelle:
World Socialist Web Site, 11.10.2018
UN-Bericht warnt vor katastrophalen Folgen des Klimawandels in den nächsten 20 Jahren
http://www.wsws.org/de/articles/2018/10/11/clim-o11.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Oktober 2018

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