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GLEICHHEIT/7061: USA - Mehr als 50.000 Corona-Tote, Arbeiter streiken gegen Rückkehr zur Arbeit


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

USA: Mehr als 50.000 Corona-Tote, Arbeiter streiken gegen Rückkehr zur Arbeit

Von Shannon Jones und Andre Damon
27. April 2020


Am vergangenen Freitag überstieg die Zahl der Covid-19-Opfer in den USA die erschreckende Marke von 50.000. Obwohl die Population der Vereinigten Staaten nur fünf Prozent der Weltbevölkerung ausmacht, entfällt bereits ein Viertel aller weltweiten Toten der Coronavirus-Pandemie auf das Land.

Noch vor einem Monat gab es in den USA insgesamt weniger als 1.000 Todesopfer. Doch in den letzten zwei Wochen sind im Durchschnitt täglich 2.000 Menschen gestorben, sodass sich die Zahl innerhalb von zehn Tagen verdoppelt hat.

Es sind damit laut offiziellen Angaben mittlerweile mehr Amerikaner am Coronavirus verstorben als während des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs, des Vietnamkriegs und des Koreakriegs. In wenigen Tagen wird die Zahl der amerikanischen Todesopfer im Zweiten Weltkrieg überschritten sein.

Nichts deutet daraufhin, dass die Pandemie in den USA eingedämmt ist. Am Freitag verzeichnete das Land trotz der ständigen Behauptungen, dass sich "die Kurve abflachen" würde, mit 38.000 Neuinfektionen einen neuen Rekord.

In den Vereinigten Staaten gibt weder genug Testkits, noch umfassende Kontaktverfolgung oder ausreichende Quarantänemaßnahmen, um die Ausbreitung der Pandemie zu bekämpfen. Dennoch lassen Gouverneure im ganzen Land die Geschäfte und Betriebe leichtfertig wieder öffnen. Unterstützt werden sie dabei von der Trump-Regierung.

Ab Freitag war es in Georgia erlaubt, Friseursalons, Fitnessstudios, Nagel- und Tattoo-Studios wieder zu eröffnen. Ab Montag dürfen auch Restaurants wieder Gäste an Tischen bewirten.

In Florida wurde ebenfalls am Freitag damit begonnen, Strände wieder zugänglich zu machen. In South Carolina öffneten Geschäfte bereits am 20. April wieder ihre Türen. In Oklahoma durften einige Einzelhändler am Freitag ihre Pforten öffnen. Auch Texas und Tennessee haben angekündigt, die Einschränkungen für Geschäfte zu lockern. Der stellvertretende Gouverneur von Texas, Dan Patrick, erklärte dazu, es gäbe "wichtigere Dinge als nur zu leben".

Als staatliche Vorgabe für eine Wiedereröffnung galt ein Rückgang der Neuinfektionen innerhalb eines Zeitraums von zwei Wochen. Allerdings wurde das Kriterium in keinem der Bundesstaaten erfüllt. Das Vorgehen der Gouverneure entspricht damit vollends der Linie, die US-Präsident Donald Trump vorgegeben hat. Demnach sollen die Geschäfte "mit einem großem Knall" wieder eröffnen, egal in welchem Ausmaß die Krankheit tatsächlich eingedämmt ist.

Arbeitsstätten sind eine Hauptquelle für die Übertragung von Covid-19. In einem Werk von Tyson Foods in Iowa sind Hunderte Arbeiter erkrankt. Gleiches gilt für einen Standort in Washington wie für eine Niederlassung in Georgia.

Die in den USA rund um Detroit ansässigen Autokonzerne planen, die Produktion ab Anfang Mai wiederaufzunehmen. Fiat Chrysler und Toyota wiesen ihre Mitarbeiter an, sich auf eine Wiederaufnahme der Arbeit am 4. Mai einzustellen. General Motors hat die Arbeiter dazu aufgerufen, sich am 27. April freiwillig zu melden und sich ebenfalls auf die Wiederaufnahme der Produktion am 4. Mai vorzubereiten.

Im vergangenen Monat stieg die Anzahl der Arbeitslosen in den USA auf 26 Millionen. Um die Arbeiter zurück in die Betriebe zu zwingen, drohen die Unternehmen mit Entlassung, wodurch ein Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung entfällt.

Reuters erklärte dazu am Freitag: "Amerikanische Arbeiter, die aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus die Rückkehr in die Betriebe verweigern, dürfen nicht mit Arbeitslosengeld rechnen."

Arbeitsrechtler erklärten, dass die Verweigerung der Arbeitslosenunterstützung ein wichtiger Motor der "Back to Work"-Politik sei. Der Arbeitsrechtler James Radford erklärte gegenüber Reuters: "Ich glaube, Tom Kemp [Gouverneur von Georgia] ist es besonders wichtig, dass diese Arbeiter nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik auftauchen, und dass die Privatwirtschaft sie am Leben erhalten kann."

Das Wall Street Journal, das am lautesten gefordert hatte, Menschenleben für den Aktienmarkt zu opfern, verlangte, dass Unternehmen nicht haftbar gemacht werden dürften, wenn ihre Angestellte sich auf der Arbeit mit Covid-19 ansteckten.

In dem Artikel heißt es: "Anwaltskanzleien bereiten sich auch auf die Verteidigung von Arbeitgebern vor, wenn sich Arbeiter oder Kunden nach der Wiedereröffnung anstecken. Das Virus kann sich in engen Räumen unter den Mitarbeitern leicht ausbreiten. Einige Fleischverarbeitungs- und Lebensmittelbetriebe mussten wegen Infektionen bereits schließen ... Die Bundesstaaten müssen Rechtsschutz für sie leisten."

Als Reaktion auf die Forderungen der Arbeitgeber, die Arbeit unter unsicheren Bedingungen wieder aufzunehmen, verlangen nun Arbeiter in den USA und auf der ganzen Welt sichere Arbeitsbedingungen.

Am Freitag meldeten sich mindestens 300 Amazon-Arbeiter verschiedener Standorte krank, um gegen die fehlenden Schutzmaßnahmen in den Warenlagern zu protestieren. Das Unternehmen hat während der Pandemie den Betrieb aufrechterhalten. In den letzten Wochen hat Amazon sechs Arbeiter fristlos entlassen, die bessere Schutzmaßnahmen gefordert hatten.

An der Columbia University sind Hunderte Studenten in den Streik getreten. Sie fordern, dass alle Studierenden während der Pandemie keine Mieten zahlen müssen sowie die Aussetzung der Rückzahlung von Studiengebühren.

Am Freitag stimmten außerdem 130 Beschäftigte des Pflegeheims Santa Monica Center for Rehabilitation & Healthcare in South Philadelphia für einen Streik. Sie fordern ein Ende der unsicheren Bedingungen, durch die Covid-19 sich in der Einrichtung in verheerender Weise ausbreiten konnte.

Eine Arbeiterin bei Fiat Chrysler in Detroit erklärte der World Socialist Web Site: "Ich habe nichts dagegen, wieder an die Arbeit zu gehen, aber ich will mir keine Sorgen machen müssen. Ich habe einen Mann und Kinder. Ich will sie nicht anstecken."

Sie fügte hinzu: "Die Tische werden wie im Gefängnis, Zellenblock B, aussehen. Wir werden weiterhin Ellbogen an Ellbogen arbeiten. Früher oder später wird dir jemand ins Gesicht husten."

Über die Autokonzerne sagte die Arbeiterin: "Ihnen ist es egal, wenn wir sterben. Sie denken einfach: 'Wir haben genug Arbeitslosenunterstützung gezahlt, jetzt ist es Zeit, dass sie wieder arbeiten'."

Der Flugzeugbauer Boeing hat letzte Woche die Produktion in seinen US-Werken wieder aufgenommen, was als Präzedenzfall für die Wiederaufnahme der Industrieproduktion gilt. Ein beträchtlicher Teil der Boeing-Arbeiter boykottierte diese Entscheidung.

Am Freitag demonstrierten Hunderte Menschen vor dem Anwesen des Gouverneurs von Georgia. Auf ihren Schildern war zu lesen: "Bleibt zu Hause! Für eine Öffnung ist es noch zu früh!" und: "Es ist zu früh, um Georgia wieder zu öffnen!" Im Verlauf der letzten Woche stellten sich Pflegekräfte und weitere Beschäftigte im Gesundheitswesen in Arizona, Virginia und anderen Bundesstaaten rechtsextremen Demonstranten entgegen, die eine Rückkehr zur Arbeit unter unsicheren Bedingungen forderten.

Derartige Szenen beschränken sich dabei keineswegs auf die USA, sondern spielen sich überall auf der Welt ab.

In Mexiko gibt es weiterhin Widerstand gegen die Wiederaufnahme nicht-systemrelevanter Produktionen. Letzte Woche streikten Arbeiter der Autozuliefererindustrie in Ciudad Juarez, darunter Hunderte Arbeiter in Werken von Electrical Components International. Sie forderten eine häusliche Quarantäne mit voller Lohnfortzahlung.

In Frankreich haben Lehrkräfte offiziell einen Streik angemeldet. Sie fordern von der Macron-Regierung die Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen, bevor die Schulen im Mai planmäßig wieder geöffnet werden.

Auch in Leeds im Norden Englands wächst der Widerstand. Beschäftigte in psychiatrischen Abteilungen des Nationalen Gesundheitsdienstes verweigern die Arbeit, solange sie keine angemessene Schutzausrüstung erhalten. Die 46-jährige Psychiatrie-Pflegerin Khulisani Nkala aus Leeds ist letzte Woche am Coronavirus gestorben. Eine Kollegin von ihr erklärte der Yorkshire Post: "Die Regierung behauptet, chirurgische Masken würden vor einer Ansteckung durch das Virus schützen, aber das stimmt nicht. Genauso gut könnte ich mir ein Taschentuch vors Gesicht binden."

Die Trump-Regierung, die für die Finanzoligarchie spricht, macht klar, dass die Corona-Pandemie von Anfang an in der Bourgeoisie nur eine Sorge ausgelöst hat: Wie können die Aktienkurse und die Profite für Großkonzerne weiter wachsen.

Der Widerstand der Arbeiter gegen die Forderungen der Trump-Regierung und den Arbeitgebern, zu unsicheren Bedingungen an die Arbeit zurückzukehren, steht mit der Auffassung führender Wissenschaftler und Gesundheitsdienstleister im Einklang. Ihnen zufolge ist es unverantwortlich, Unternehmen in einer Situation wieder zu eröffnen, in der das Virus nicht im Geringsten unter Kontrolle ist.

Der Kampf zur Verteidigung der Arbeiter sowie der ganzen Bevölkerung ist untrennbar mit dem Kampf gegen das kapitalistische System verbunden, und muss zur sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft führen.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 27.04.2020
USA: Mehr als 50.000 Corona-Tote, Arbeiter streiken gegen Rückkehr zur Arbeit
https://www.wsws.org/de/articles/2020/04/27/work-a27.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. April 2020

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