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IZ3W/221: Rezension - Die Fußball-WM als Brennglas


iz3w - informationszentrum 3. Welt - Ausgabe Nr. 319 - Juli/August 2010

REZENSION
Die Fußball-WM als Brennglas

Von Rita Schäfer


Schon im Vorfeld sorgte die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika für einen heftigen Meinungsstreit. Während die BefürworterInnen lautstark die Wichtigkeit dieses Großereignisses für das Nation-Building und das Wirtschaftswachstum Südafrikas priesen, verbreitete die europäische Tagespresse eher Skepsis. Ihre negativen Einschätzungen bezogen sich vor allem auf Zweifel an den Fähigkeiten der SüdafrikanerInnen, die Stadien rechtzeitig fertig zu stellen und für die Sicherheit der ausländischen Fans zu sorgen. Schließlich ist Südafrika im weltweiten Vergleich Spitzenreiter in den Gewaltstatistiken. Der Sammelband Mega-Event und Stadtentwicklung im globalen Süden nimmt solche gegensätzlichen Einschätzungen unter die Lupe und ermöglicht einen differenzierten Überblick über aktuelle Forschungen zur WM. Die AutorInnen sind mehrheitlich junge GeographInnen, StadtplanerInnen und ArchitektInnen aus Deutschland und Südafrika. Das Buch bietet aus ganz unterschiedlichen Perspektiven Einblicke in zentrale Problemkomplexe, wie das erhoffte Wirtschaftswachstum, die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, die Interessenpolitik der FIFA und die Problematik von Sponsorenverträgen. Ausgehend von solchen übergreifenden Themen richten die AutorInnen ihren Fokus auf die Austragungsorte der WM, auf Kapstadt, Johannesburg, Durban und Mbombela (Nelspruit). Anhand einzelner Stadtteile werden Korruptionsskandale, Zwangsumsiedlungen und die Verdrängung informeller HändlerInnen analysiert. Hier finden auch die Widerstandsstrategien der Betroffenen Beachtung.

Einen großen Stellenwert haben infrastrukturelle Probleme, wobei die Verkehrsplanung besonders detailliert untersucht wird. Das betrifft die Sanierung des veralteten Eisenbahnnetzes und die Konflikte, die aus der Konkurrenz zwischen den mächtigen und teilweise mafiösen Betreibern der Minibusse (»Taxis«) und den neuen städtischen Bussystemen resultieren.

Neben Aspekten, die sich auf das Ereignis WM beziehen wie beispielsweise das Public Viewing in den Townships, thematisieren die AutorInnen immer wieder Fragen, die weit darüber hinaus gehen. So ist dieses umstrittene Sportereignis wie ein Brennglas, in dem sich Strukturprobleme bündeln - im Kontext der Stadtplanung, des sozialen Wohnungsbaus, des formellen und informellen Sektors, der hohen Arbeitslosigkeit, der Kriminalität und der Spaltungen der südafrikanischen Gesellschaft. Damit wird das faktenreiche Buch auch nach dem Ende der WM ein wichtiges Referenzwerk bleiben.


Christoph Haferburg / Malte Steinbrink (Hg.):
Mega-Event und Stadtentwicklung im globalen Süden.
Die Fußballweltmeisterschaft 2010 und ihre Impulse für Südafrika.
Brandes und Apsel Verlag, Frankfurt a.M. 2010. 258 Seiten, 24,90 Euro.


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Inhaltsverzeichnis iz3w Nr. 319 - Juli/August 2010


Themenschwerpunkt:
Independence Cha Cha - 50 Jahre postkolonoiales Afrika

2010 ist in Afrika nicht nur wegen der Fußball-WM ein ganz besonderes Jahr: 17 afrikanische Staaten feiern den 50. Jahrestag ihrer Unabhängigkeit und ziehen aus diesem Anlass eine vorläufige Bilanz der postkolonialen Ära. Doch wer glaubt, 50 Jahre Unabhängigkeit von den europäischen Kolonialisten würden in den jeweiligen Ländern durchweg euphorisch gefeiert, irrt. Zwar gibt es durchaus Versuche seitens der Regierungen, an den jeweiligen Independence Days groß angelegte Jubelfeiern zu lancieren. Doch sie schlagen fehl, da große Teile der Bevölkerung keineswegs zufrieden sind mit der Bilanz von 50 Jahren formaler Unabhängigkeit. Die postkoloniale Ära ist bis zum heutigen Tag außerordentlich bewegt. Afrika gilt als der Kontinent der failed states, der Genozide, der Warlords, der Armut und des Hungers - nicht immer zu Recht, aber auch nicht zu Unrecht.

Mit unserem Themenschwerpunkt wollen wir einige Schlaglichter auf die unvollkommen gebliebene postkoloniale Unabhängigkeit werfen - in der Hoffnung, dass die nächsten 50 Jahre zu einer Ära der Freiheit in Afrika werden.


Themen des Schwerpunkts:
Was ist neu am Neokolonialismus - Formelle und informelle Herrschaft im unabhängigen Afrika + Eine sanfte Plünderung - Gibt es einen "New Scramble for Africa"? + Mit den Füßen im Schlamm - Frankreich und seine subalternen Zöglinge + Im weißen Jeep durch Tansania - Was Entwicklungshelferinnen von der deutschen "Schutztruppe" unterscheidet + Feuer in seiner Spur - Ist die Krise in der DR Kongo eine Folge des (Neo-)Kolonialismus?+ Eine vitale Fehlkonstruktion - Nigerias Umgang mit kolonialem Erbe + Schlechte Aussichten für Autokraten - In Kenia soll eine neue Verfassung postkoloniale Strukturen überwinden + Radikalisierte Identitäten - Der Genozid in Ruanda und seine (post- )koloniale Vorgeschichte + "Not make us plenty trouble!"- Warum hängt der Tangué aus Kamerun im Münchner Völkerkundemuseum?


INHALTSÜBERSICHT

Hefteditorial: Party feiern oder Zeche zahlen?


Politik und Ökonomie

Chile: Stolz fühlen
Die Unabhängigkeitsfeiern schüren den Nationalismus
von Sebastian Sternthal

Namibia: Namibia at 20
Eindrücke von den Unabhängigkeitsfeiern
von Godwin Kornes

Iran: Eritrea: Gebrochene Versprechen
In Eritrea wurde die Hoffnung auf Freiheit enttäuscht
von Eva-Maria Bruchhaus und Gaim Kibreab

Thailand: Tumult in Thailand
Die doppelte Tragödie der oppositionellen Rothemden
von Oliver Pye

Zentralasien: Tal der Grenzen
Im Ferghana-Tal bestimmen Grenzziehungen das Alltagsleben
von Wladimir Sgibnev

Türkei: Licht im Herzen
Wie sich der türkische Staat unter Premier Erdogan seine Diaspora denkt
von Jan Keetman


DOSSIER: AFRIKA POSTKOLONIAL

Editorial: Afrika Postkolonial

Was ist neu am Neokolonialismus?
Formelle und informelle Herrschaft im unabhängigen Afrika von Reinhart Kößler

Eine sanftere Plünderung
Gibt es einen postkolonialen »New Scramble for Africa«?
von Henning Melber

Mit den Füßen im Schlamm
Frankreich und seine subalternen Zöglinge in Afrika
von Bernhard Schmid

Im weißen Jeep durch Tansania
Was EntwicklungshelferInnen von der deutschen »Schutztruppe« unterscheidet
von Wolf Kantelhardt

Feuer in seiner Spur
Ist die Krise in der DR Kongo eine Folge des (Neo-)Kolonialismus?
von Alex Veit

Eine vitale Fehlkonstruktion
Nigerias selbstbewusster Umgang mit seinem schwierigen kolonialen Erbe
von Axel Harneit-Sievers

Schlechte Aussichten für Autokraten
In Kenia soll eine neue Verfassung die verhärteten postkolonialen Strukturen überwinden
von Martina Backes

Radikalisierte Identitäten
Der Genozid in Ruanda und seine (post-)koloniale Vorgeschichte
von Kolja Lindner

»Not make us plenty trouble!«
Warum hängt der Tangué aus Kamerun im Münchner Völkerkundemuseum?
von der Gruppe »Transnationale Genealogien«


KULTUR UND DEBATTE

Postkolonialismus: Spurensuche light
ZDF-Historiker Guido Knopp scheitert an der deutschen Kolonialgeschichte
von Joachim Zeller

Film: Balkan Queer Pride
Das Frauenfilmfestival Dortmund/Köln 2010 hatte den Schwerpunkt Südosteuropa
von Ulrike Mattern

Dissidenz: Nicht immer ganz einfach
Ein »Nachruf« auf den chinesischen Aids-Aktivisten Wan Yanhai
von Dirk Reetlandt

Debatte: Der dritte Zauberkasten
Mit »Common Wealth« geben Negri/Hardt der Linken neues Futter
von Gerhard Hanloser

Rezensionen, Tagungen & Kurz belichtet


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Quelle:
iz3w Nr. 319 - Juli/August 2010, S.
Copyright: bei der Redaktion und den AutorInnen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juli 2010