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IZ3W/352: Rezension zu "Landgrabbing - Landnahmen in historischer und globaler Perspektive"


iz3w - informationszentrum 3. Welt - Ausgabe 346 - Januar/Februar 2015

Wem gehört das Land?

von Janna Aljets



Landgrabbing, also großflächige Landnahmen durch finanzstarke Investoren, erfahren in den letzten Jahren erhöhte Aufmerksamkeit, sowohl in den Medien als auch in akademischen Kreisen. In den meisten Fällen wird Landgrabbing als neues Phänomen klassifiziert, das durch eine entfesselte Marktlogik und starke Liberalisierungstendenzen weltweit entstanden sei. Selten werden die neueren Landnahmen in einen historischen Kontext gestellt. So bleibt oft unklar, inwiefern sie Kontinuitäten gegenüber früheren Aneignungsformen und Inbesitznahmen aufweisen. Zudem bleiben die konkreten wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Auswirkungen der Landnahmen auf die LandnutzerInnen oft unterbeleuchtet.

Birgit Englert und Barbara Gärber setzen dem ihren Sammelband Landgrabbing entgegen. Sie haben Fallstudien zusammengetragen, die dieses Phänomen bewusst in breitere historische, geographische und politische Kontexte stellen. So wollen sie deutlich machen, dass Landnahmen kein rezentes Phänomen sind, sondern in den unterschiedlichsten Formen immer Teil historischer Prozesse von Aneignungen, Inbesitznahmen, Landreformen und dem Widerstand gegen diese waren. Die Auswirkungen auf bestimmte soziale Gruppen von LandnutzerInnen sind ein weiterer Schwerpunkt des Bandes, weshalb zahlreiche Untersuchungen die lokale oder sogar familiäre Ebene in den Blick nehmen. So entsteht durch die Befassung mit vermeintlichen Detailfragen ein umfassendes Bild aktueller und historischer Landnahmen.

Sechs Beiträge widmen sich dem afrikanischen Raum, drei dem asiatischen und drei weitere den beiden Amerikas. Zusätzlich werden gesondert theoretische Fragen und die Bedeutung von Geschlecht behandelt. Die Beiträge verdeutlichen, dass die Motive hinter den Landnahmen unterschiedlicher nicht sein könnten: Angefangen von kolonialen Eroberungen und totalitären Regimen über nationale Landreformen und Landaneignungen im Namen des Naturschutzes oder des Tourismus bis hin zu neueren treibenden Kräften wie den globalen Wirtschafts-, Finanz- und Ernährungskrisen.

Nichtsdestotrotz zeigen die verschiedenen Beispiele große Gemeinsamkeiten und somit Kontinuitäten auf: Die LandnutzerInnen werden meist als Hindernis für eine effiziente oder ökologisch sinnvolle Nutzung des Bodens betrachtet, womit ihnen der Anspruch auf Besitz oder Nutzung des Landes entzogen wird. Geheimhaltung und Intransparenz sind ebenfalls ein Kennzeichen der verschiedensten Landnahmeprozesse. So bleiben Mitspracherechte und die Möglichkeiten des lokalen Widerstands für die LandnutzerInnen oftmals sehr begrenzt.

Englert und Gärber machen in ihrem wertvollen Band deutlich, dass Landnahmen immer Ausdruck herrschender Machtverhältnisse sowohl auf (inter-)nationaler als auch auf lokaler Ebene waren und es noch immer sind. Deshalb müssen sie als politisches Problem im historischen Kontext gedacht werden.


Birgit Englert und Barbara Gärber (Hg.):
Landgrabbing
Landnahmen in historischer und globaler Perspektive.
New Academic Press, Wien 2014. 232 Seiten, 24,90 Euro.

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Inhaltsverzeichnis iz3w Nr. 346 - Januar/Februar 2015

Ausbeutung der Meere
Kapital auf Kurs

Die Weltmeere sind für die Energie- und Rohstoffgewinnung sowie den globalen Transport von Gütern zentral. Ein Großteil der weltweiten Ölfördermenge stammt aus der Offshore-Gewinnung, und 90 Prozent des grenzüberschreitenden Warenhandels wird über See abgewickelt. Auf dem Industriestandort Meer werden jedoch nicht nur Rohstoffe und Energie gewonnen, sondern auch verbraucht. Zudem sind ihre Förderung und ihr Transport mit enormer Umweltbelastung verbunden. Diese rücksichtslose kapitale Verwertung der Ressourcen der Meere führt zum Schwinden der wichtigsten Ernährungsgrundlage von über einer Milliarde Menschen: dem Fisch.

Immer schon war das Meer nicht nur Gegenstand von Naturausbeutung, sondern auch Ort der Ausbeutung von Menschen - sowohl für die diejenigen, die auf dem Meer arbeiten müssen, als auch für die KüstenbewohnerInnen.

Der Kampf um die Meere entfacht sich an der Frage: Wem gehört das Meer? Die aktuelle iz3w wirft einen Blick in die keineswegs unerschöpflichen Tiefen des Blauen Kontinents.


Inhaltsübersicht aus dem Themenschwerpunkt:

Editorial: Die Ausbeutung der Meere

Das vorerst letzte Grenzland
Die nachholende Industrialisierung der Weltmeere wird intensiviert
von Kai Kaschinski

Verklappt, verdünnt, vergessen
Die Weltmeere sind zur Müllkippe geworden
von Martina Backes

Meeresmetaphern
Illusionen über unerschöpflichen Reichtum
von Cord Riechelmann

Land in Sicht?
Auf hoher See gibt es bisher kaum Arbeitsrechte für Seeleute
von Heike Proske

Gefährliches Wettfischen
Wer den Hunger abschaffen will, muss handwerkliche Kleinfischerei fördern
von Francisco Mari

Auswerfen der Netze
Europa beutet trotz Kritik weiterhin westafrikanische Fischgründe aus
von Philipp Kilham

Raubbau mit Raubfischen
Die Rechnung mit dem Thunfisch geht für die pazifischen Inselstaaten nicht auf
von Eberhard Weber

»Zertifizierte Garnelen sind ein Witz«
Interview mit Khushi Kabir über Shrimpsfarmen in Bangladesch

Schürfen in der Tiefsee
Der Wettlauf um die Lagerstätten am Meeresboden
von Stefan und Andreas Brocza

Die Ozeane versauern
Wie der Klimawandel die Weltmeere verändert
von Onno Groß


POLITIK UND ÖKONOMIE

Hefteditorial: Tod im deutschen Gefängnis

Burkina Faso: 27 lange Jahre sind vorbei
Blaise Compaoré ist gestürzt, die Zukunft des Landes bleibt ungewiss
von Martin Bodenstein

Libyen: Auf Gewalt folgt Gewalt
Das zerfallende Land ist weit von Demokratie und Stabilität entfernt
von Sören Scholvin

Asyl: Humanität statt Komplizenschaft
Marokko möchte neue Wege in der Flüchtlingspolitik beschreiten
von Franziska Dübgen

Peru: Gipfeltreffen im Andenland
Wird Peru als Gastgeber des Klimagipfels künftig eigene klimapolitische Ziele formulieren?
von Karen del Biondo

10 Jahre Tsunami I: Land unter
Auf die zerstörerische Flutwelle folgten politische Kämpfe um die Küsten
von Jürgen Weber

10 Jahre Tsunami II: Wiederaufbau mit Lücken
Wie die indonesische Provinz Aceh nach dem Tsunami politisch umgewälzt wurde
von Alex Flor


KULTUR UND DEBATTE

Erinnerungspolitik: Die »Geschichtslücke«
Die Türkei und der Genozid an den ArmenierInnen (Teil 1)
von Corry Guttstadt und Ragip Zarakolu

Film: Bitter enttäuscht
»Miners shot down« fordert Solidarität mit den Opfern des Marikana-Massakers
von Martina Backes

Street Art: Nobles Sprayen
Dakars Street-Art-Szene kämpft für gesundheitliche Aufklärung
von Sarah Böger

Rezensionen

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Quelle:
iz3w Nr. 346 - Januar/Februar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Januar 2015


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