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LICHTBLICK/243: Zählt zur Freiheitsstrafe auch, den Kontakt zur Außenwelt zu begrenzen?


der lichtblick - Gefangenenzeitung der JVA Berlin-Tegel
Heft Nr. 381 - 4/2019

Zählt zur Freiheitsstrafe auch, den Kontakt zur Außenwelt zu begrenzen?


"Handyblocker" in Haftanstalten sind anscheinend immer noch ein Thema. Die Inhaftierten haben zu den strengen Vorschriften zur Außenkommunikation eine ganz andere Sicht. Ein gestörter Empfang läuft der technischen Entwicklung aber hinterher.

In den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen steht: "Die Freiheitsstrafe ist allein durch den Entzug der Freiheit eine Strafe". Was das heißt ist demnach Auslegungssache. Die Inhaftierten meinen: "Ein Internetzugang sollte schon möglich sein". Aber der Strafvollzug hinkt schon immer den gesellschaftlichen Entwicklungen hinterher. Als es noch keine Telefone in den Gefängnissen gab, mussten die Insassen etwa den Gefängnispfarrer fragen, ob sie seinen Anschluss benutzen dürfen.

Der eine oder andere mag sich noch erinnern, wie es war, als der Inhaftierte noch im Stationsbüro telefonieren musste. Als wäre das Leben im Vollzug auf Knien die einzig angemessene Position für Insassen. Nunmehr haben viele Gefangene die Haftraumtelefonie (außer die JVA Tegel), die natürlich zeitlich unabhängiger macht.

Im Koalitionsvertrag des Senats heißt es unter Kapitel "Justizvollzug und Resozialisierung": "Die Installation der Mobilfunk-Blocker in der Justizanstalt Moabit wird in dem bisher geplanten Kostenrahmen realisiert". Die Unterdrückung von Gesprächen mit Handys wurde im Entwurf für den Doppelhaushalt 2020/2021 festgehalten. Die Kosten für Einrichtung und Unterhalt sind mit 2,325 Millionen bis 2022 veranschlagt (lt. Tagesspiegel vom 01.09.2019) und lt. Auflistung sind 2018 für die Vorbereitung der Maßnahme bereits 371.000 Euro ausgegeben. Das Geld hätte man sich aber sparen können und stattdessen in eine bessere psychologische Betreuung der Inhaftierten investieren können.

Die Ansichten, ob die Handyblocker etwas bringen, sind höchst unterschiedlich. Die Senatsverwaltung spricht von "zwiespältigen Erfahrungen" und meint, dass über Moabit hinaus diese Einrichtungen nicht geplant sind. Es gibt scheinbar nur den politischen Willen hierzu. Man möchte den Anreiz für den Besitz eines Handys reduzieren.

Die Realität sieht natürlich wieder ganz anders aus, weil die "Ortungsbemühungen der eingeschleusten Geräte" nicht übermäßig erfolgreich sind. Der Ortungsbereich umfasst mehrere Hafträume und erfordert somit umfangreiche Kotrollmaßnahmen. Die abschreckende Wirkung der Handy-blocker kann noch nicht garantiert werden und der wirtschaftliche Nutzen ist nicht akzeptabel. Berliner Abgeordnete sprechen in diesem Zusammenhang von "ganz großer Geldverschwendung" und mit Blick auf die Einführung der 5G-Lizenzen greifen die Blocker dann auch nicht mehr umfänglich. Vielleicht sollten die Verantwortlichen kostengünstigere Lösungen prüfen, indem einfache mobile Geräte an Inhaftierte abgegeben werden (siehe Offener Vollzug). Die Handyblocker laufen damit der technischen Entwicklung hinterher und bringen so kaum etwas.

Der hohe präventive Charakter der Blocker und die Ortung von Geräten ist nicht mehr als ein schöner Nebeneffekt, der teuer erkauft wird. Trotz aller Sicherheitsbemühungen twittern die Inhaftierten munter weiter. "jvaberlintegelleaks" und "Gefängniscuisine" sind nur zwei Beispiele für provokante Kommentare der Insassen. Handy und Internet sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Im Knast sind sie allerdings (noch) verboten und entgegen der Bemühungen der Berliner Justizverwaltung manifestiert sich der Trend zur mobilen Kommunikation auch im Strafvollzug. Diverse Blogs werden aus dem Knast gefüttert.

Der Zugang zum Web ist ein offensichtliches Beispiel dafür, dass das Internet sehr zur Resozialisierung der Inhaftierten beitragen kann. Nie zuvor drangen so viele Informationen aus deutschen Gefängnissen nach draußen. Die wenigsten Insassen haben dabei einen Missbrauch im Kopf, sondern wollen nur den Kontakt nach Hause erhalten, der durch die unterschiedlich hohen Telefontarife (sogar innerhalb Berlins !) erschwert wird. Logisch, dass sich so viele Inhaftierte für eine preiswertere Variante entscheiden. Die hohen Kosten der Handyblocker überzeugen jedenfalls nicht und die Experten sind sich über Lösungen unschlüssig. "In jedem Fall nutzt es dem Anbieter, der damit sehr viel Geld verdient", sagt Justizsprecher Sebastian Brux. Die eingeschränkten Kontakte zur Außenwelt und die Social-Media-Offensive der Inhaftierten werden wohl darunter nicht leiden.

N. K.

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Quelle:
der lichtblick, 51. Jahrgang, Heft Nr. 381 - 4/2019, Seite 22-23
Unzensierte Gefangenenzeitung der JVA Berlin-Tegel
Herausgeber: Redaktionsgemeinschaft der lichtblick
(bestehend aus Insassen der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel)
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Telefon: 030/90 147-23 29
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. März 2020

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