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MARXISTISCHE BLÄTTER/600: Die deutsche Besatzungspolitik in Griechenland 1941-1944


Marxistische Blätter Heft 4-15

"Hellas unterm Hakenkreuz
Die deutsche Besatzungspolitik in Griechenland 1941-1944

Von Martin Seckendorf


I. Eroberung einer Militärbasis

Die deutsche Besatzungspolitik in Griechenland zwischen 1941 und 1944 ist noch immer ein weitgehend "weißer Fleck" im öffentlichen Bewusstsein Deutschlands. Bestenfalls die Eroberung Kretas war einem Teil des Publikums in Erinnerung - als unvergleichliche Heldentat der Wehrmacht glorifizierte Luftlandeoperation. In Deutschland wird noch immer kaum zur Kenntnis genommen, dass während der deutschen Besetzung Griechenlands fortgesetzt und massenhaft Tötungsverbrechen an der Zivilbevölkerung begangen wurden, die sich allenfalls in der Zahl der Opfer, nicht aber in der, wie Juristen sagen, Begehungsweise von jenen Untaten unterscheiden, die Deutsche im Zweiten Weltkrieg in Polen, der Sowjetunion und Jugoslawien begingen. Meist unter dem Vorwand der Partisanenbekämpfung wurden Hunderte Dörfer geplündert, verwüstet und häufig alle Einwohner umgebracht. Alle Bundesregierungen und deutsche Gerichte verweigern bis heute den Opfern deutschen Terrors eine angemessene Entschädigung, ja sogar ernsthafte Gespräche zu dem Problem. Die bundesdeutschen Stellen begründen ihre Haltung mit dem Argument, die massenhaften Tötungen und Verwüstungen seien Folgen normalen Kriegsgeschehens. Die Zivilisten seien zwischen die Fronten geraten. Dabei wird verschwiegen, dass es in Griechenland bis auf etwa 4 Wochen im April/Mai 1941 keinen militärischen Großkampf gegeben hat. Die in oft unglaublicher Grausamkeit an meist völlig unschuldigen Zivilisten begangenen Massaker, die in aller Regel von Plünderungen und großflächigen Zerstörungen begleitet wurden, erfolgten, um die Griechen zur Duldung der durch einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg errichteten deutschen Herrschaft und zur Arbeit für die Deutschen zu zwingen. Die exzessiven Gewaltaktionen waren originärer, geplanter Bestandteil der Besatzungspolitik. Das offenbaren ein Blick auf die mit der Okkupation verfolgten Ziele und eine Analyse der Direktiven, die den deutschen Behörden in Griechenland erteilt worden sind. Von erheblichem Gewicht für die Beantwortung der Frage nach der Verantwortung für die Verbrechen ist die Feststellung, dass alle wichtigen Fragen der deutschen Besatzungspolitik in Griechenland von der Wehrmacht entschieden worden sind.

Heimtückischer Überfall

Seit der Niederlage Frankreichs im Sommer 1940 war Griechenland ins Blickfeld der Hitler-Regierung gerückt. Griechenlands Unterwerfung sollte ein wichtiger Schritt sein, um das im Mittelmeer noch immer vorherrschende Großbritannien aus dieser Region zu vertreiben. Das eroberte Griechenland hatte in den deutschen Plänen die Funktion zu erfüllen, Nachschub- und Absprungbasis für offensive Operationen in Nordafrika und gegen Nahost zu sein. Am 28. Oktober 1940 fiel das faschistische Italien, das im Mittelmeerraum eigene imperiale Ziele verfolgte, von Albanien aus in Griechenland ein. Als die italienische Aggression wegen der tapfer kämpfenden Griechen zu einem Desaster für das gesamte faschistische Lager zu werden drohte, wurden die deutschen Kriegsplanungen intensiviert. Man beschloss, Griechenland, dem inzwischen britische Truppen vertragsgemäß zu Hilfe geeilt waren, im Frühjahr 1941 mit überlegenen Kräften niederzuwerfen - nicht zuletzt, um die Südflanke des für den Sommer 1941 geplanten Überfalls auf die UdSSR zu sichern. Am Palmsonntag, dem 6. April 1941, drang die Wehrmacht ohne Kriegserklärung von Bulgarien aus in Griechenland ein. Am 27. April fiel Athen, am 30. April standen die deutschen Truppen an der Südspitze der Peloponnes. Zwischen dem 20. Mai und dem 1. Juni wurde die Insel Kreta erobert. Für die Griechen begann eine überaus drückende Besatzungszeit. Der unprovozierte Überfall war nach den Kriterien des Internationalen Militärgerichtshofes in Nürnberg von 1946 ein Verbrechen gegen den Frieden, eine schwerstkriminelle Handlung im Zusammenleben der Völker. Der deutsche Überfall war wesentliche Ursache und Voraussetzung für alle weiteren, den Griechen aufgebürdeten Lasten und zugefügten Leiden ...

Kreta 1941

Bei der Invasion Kretas, die ab 20. Mai unter dem Decknamen "Unternehmen Merkur" erfolgte, stieß die Wehrmacht auf nicht für möglich gehaltenen Widerstand. Die Verluste der Deutschen auf Kreta waren höher als in den vorausgegangenen Feldzügen gegen Jugoslawien und das griechische Festland zusammen. In großer Zahl beteiligte sich die kretische Bevölkerung an der Verteidigung der Insel - ein von der Haager Landkriegsordnung vom 18. Oktober 1907 ausdrücklich gedecktes Verfahren. Zum ersten Male im Zweiten Weltkrieg wurde die Wehrmacht mit einem Volkskrieg und dessen speziellen Kampfesformen konfrontiert. Die deutschen Militärs sahen im Widerstand der Kreter an der Seite der griechischen und britischen Truppen eine kriminelle, todeswürdige Handlung. Noch während der Kämpfe ordneten Kommandeure Massenerschießungen an. Generalmajor Julius Ringel, Kommandeur der 5. Gebirgsdivision, befahl, "für jeden Verwundeten oder Gefallenen 10 Kreter zu erschießen, Gehöfte und Dörfer, in denen deutsche Truppen beschossen werden, niederzubrennen, in allen Orten Geiseln sicherzustellen". Am 31. Mai 1941, als die Kämpfe beendet waren, erließ Kurt Student, Kommandierender General des für Kreta zuständigen XI. Fliegerkorps, einen Grundsatzbefehl für die Handhabung von "Sühne- und Vergeltungsmaßnahmen" auf Kreta. Die bereits während der Kämpfe begangenen Massenmorde an Zivilisten wurden nachträglich als "Notwehr" legalisiert. Für künftige Hinrichtungen gälten keine Obergrenzen. Erschießungen seien bis zur "Ausrottung der männlichen Bevölkerung ganzer Gebiete" durchzuführen. Eine Anrufung der Wehrmachtjustiz verbot Student ausdrücklich. Auf der Grundlage dieses Befehls kam es zu furchtbaren Massakern und zur Zerstörung zahlreicher Dörfer. Nach griechischen Erhebungen wurden binnen weniger Wochen - bis August 1941 - mehr als 2.000 Zivilisten umgebracht.

Fortsetzung auf dem Festland

Die Erfahrungen auf Kreta bestimmten auch weitgehend das Vorgehen der deutschen Besatzungsmacht auf dem griechischen Festland. Am 9. Juni 1941 dekretierte Hitler in der "Weisung Nr. 31", dass die Niederwerfung innerer Unruhen Hauptaufgabe der deutschen Befehlshaber sei. In den deutschen Zonen wurde der verschärfte Ausnahmezustand verkündet und für die gesamte Dauer der Besetzung beibehalten. Die Befehlshaber erhielten die vollziehende Gewalt und die deutschen Zonen wurden zum Operationsgebiet erklärt. Denn auch auf dem Festland regte sich Widerstand. Schon im Mai 1941 verhängten Gerichte der 12. Armee gegen Griechen Todesstrafen wegen "Freischärlerei". Die ersten Unruhen wurden hauptsächlich durch Hunger ausgelöst - u.a. eine Folge der enormen wirtschaftlichen Ausbeutung des Landes seit Beginn der Besetzung. Sie führte ab Herbst 1941 in eine Hungersnot mit mehreren hunderttausend Toten. Die Säuglingssterblichkeit erreichte über achtzig Prozent. Die allgemeine Sterberate betrug zeitweise das Siebenfache des Vorkriegsstandes. Allein im Großraum Athen verhungerten fast 100.000 Menschen. Die gewaltige Ausbeutung durch deutsche Dienststellen und Unternehmen kommentierte der italienische Staatschef Benito Mussolini mit der sarkastischen Bemerkung, die Deutschen würden den Griechen auch noch den letzten Schnürsenkel davontragen.

Bewaffneter Widerstand - das Andartiko

Schon in den ersten Widerstandsaktionen trat nach Erkenntnissen der deutschen Militärs die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) als Initiator und Organisator auf. Das war umso erstaunlicher, als die in Griechenland seit August 1936 herrschende faschistische Diktatur die KKE mit ungeheurem Terror beinahe zerrieben hatte. Der Erste Generalstabsoffizier (Ia) der 12. Armee, Foertsch, notierte am 16. Juni 1941: "Die durch die Ernährungslage bedingte Missstimmung des Volkes bildet den Nährboden für kommunistische Propaganda." Am 16. Juli meldete der Wehrmachtbefehlshaber Südost dem OKW: "Kommunistische Einflüsse nehmen zu". Am 1. Juli 1941 beschloss die KKE ein Programm der nationalen Einheitsfront. Auf dieser Grundlage entstand am 27. September 1941 die Nationale Befreiungsfront (Ethniko Apeleftherotiko Metopo - EAM). EAM wurde die bis in die Gegenwart größte Organisation in der griechischen Geschichte. Im November 1944 zählte sie mehr als 1,6 Millionen Mitglieder (bei knapp sieben Millionen Einwohnern). Im Februar 1942 schuf EAM als ihren bewaffneten Arm die Griechische Volksbefreiungsarmee (Ellinikos Laikos Apeleftherotikos Stratos - ELAS). Beide wurden die entscheidenden militärischen und politischen Kräfte des Befreiungskampfes. Erst als der Masseneinfluss von EAM sichtbar wurde, beteiligten sich bürgerliche Gruppen am Kampf gegen die deutschen Besatzer. Zur größten bürgerlichen Gruppierung wurde die im September 1941 gegründete Nationale Republikanische Griechische Liga (Ethnikos Dimokratikos Ellinikos Syndesmos - EDES), die seit Ende Juli 1942 eine kleine, von den Briten exzellent ausgerüstete Partisanenarmee in Nordwest-Griechenland führte. Der Hauptstoß der deutschen Unterdrückungspolitik richtete sich von Anfang an und mit besonderer Brutalität gegen die Mitglieder der KKE, der EAM, gegen die Soldaten der ELAS und alle Menschen, die man linker Gesinnung verdächtigte. So berichtete die 164. Infanteriedivision, dass in der kleinen Gemeinde Nigrita bei Thessaloniki 97 Personen festgenommen wurden, weil "sie sich kommunistisch betätigt hatten". Der Befehlshaber Saloniki-Ägäis meldete im November 1941 "die Verhaftung und Einlieferung aller bekannten Kommunisten der Stadt Saloniki in das Konzentrationslager". Kurze Zeit danach wurden zwölf der Verhafteten "als Vergeltung" erschossen. Die deutsche Planung ging davon aus, die Massenhinrichtungen und eine besonders grausame Art der Tötung würden in weiten Kreisen des Volkes lähmendes Entsetzen erzeugen. Die damit erhoffte Abschreckung werde weitere Widerstandshandlungen verhindern. Trotzdem griff die Aufstandsbewegung in allen von Deutschland besetzten Balkangebieten weiter um sich. Am 16. September 1941 beauftragte Hitler den Wehrmachtbefehlshaber im Südosten, die Aufstandsbewegung rigoros niederzuschlagen und "im Gesamtraum mit den schärfsten Mitteln die Ordnung wieder herzustellen". Am gleichen Tag erließ Wilhelm Keitel, Chef des OKW, Richtlinien zur Ausführung des "Führerbefehls" und erklärte: "Bei jedem Vorfall der Auflehnung gegen die deutsche Besatzungsmacht muss auf kommunistische Ursprünge geschlossen werden." Er fuhr fort: "Um die Umtriebe im Keime zu ersticken, sind beim ersten Anlass unverzüglich die schärfsten Mittel anzuwenden, um (...) einem weiteren Umsichgreifen vorzubeugen. Dabei ist zu bedenken, dass ein Menschenleben in den betroffenen Ländern vielfach nichts gilt und eine abschreckende Wirkung nur durch ungewöhnliche Härte erreicht werden kann. Als Sühne für ein deutsches Soldatenleben muss in diesen Fällen im allgemeinen die Todesstrafe für 50-100 Kommunisten als angemessen gelten. Die Art der Vollstreckung muss die abschreckende Wirkung noch erhöhen." Im Verwaltungsbericht für Oktober 1941 beschrieb der Befehlshaber Saloniki-Ägäis, Generalleutnant von Krenzki, der sich in der Öffentlichkeit als "Herr über Leben und Tod aller Griechen" bezeichnete, den Vollzug des Befehls: "Durch entschiedenen Einsatz schneller Truppenstreifen wurden die Unruheherde im Keim erstickt. Hierbei wurde mit ausgesprochener Schärfe vorgegangen, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen." Im Oktober 1941 seien 422 Griechen erschossen und weitere zehn gehängt worden. "Hinzu kommen vier Vollstreckungen von Todesurteilen der Kriegsgerichte." Außerdem seien drei Dörfer völlig niedergebrannt und 63 Griechen als Todeskandidaten in das von der Wehrmacht errichtete und verwaltete Konzentrationslager - das erste nach deutschem Vorbild auf griechischem Boden errichtete KZ - eingeliefert worden. Nach einer Tagesmeldung des Wehrmachtbefehlshabers Südost, Wilhelm List, an das OKW vom 18. Oktober 1941 brannten Wehrmachteinheiten (vermutlich der 164. Infanteriedivision - ID) zwei Dörfer an der Strimonmündung nieder und erschossen 202 Personen. Am 25. Oktober 1941 haben Soldaten der 164. Infanteriedivision zwei Dörfer nordöstlich von Thessaloniki niedergebrannt und alle angetroffenen männlichen Bewohner im Alter von 16 bis 60 Jahren, insgesamt 67 Personen, erschossen. Frauen und Kinder seien umgesiedelt worden. In beiden Fällen erfolgten die Erschießungen, Plünderungen und Zerstörungen ausschließlich, weil die Deutschen den Verdacht hegten, die Dörfer hätten Partisanen als "Rückhalt" gedient. Zusammenfassend ergibt die Dokumentenlage, dass allein im Oktober 1941 in Thessaloniki und in einer Umgebung von knapp 80 Kilometern mehr als 800 Griechen umgebracht und mindestens 10 Dörfer total zerstört worden sind.

II. "Befriedung der Festung"

Mit der durch die Rote Armee erzwungenen, seit der Stalingrader Schlacht sichtbar gewordenen Kriegswende veränderte sich Anfang 1943 auch die strategische Einordnung Griechenlands in die deutsche Kriegführung. In Nordafrika besiegten die Westalliierten die deutsch-italienischen Truppen und errangen die strategische Initiative auch im Mittelmeerraum. In Jugoslawien und Griechenland erlebte die Partisanenbewegung einen gewaltigen Aufschwung. Am 8. September 1943 schied Italien, der wichtigste Verbündete Deutschlands und wichtige Besatzungsmacht im eroberten Griechenland, aus dem faschistischen Bündnis aus.

Gefahr an der Südostflanke

Die deutsche Führung ging davon aus, dass die Westalliierten im Frühjahr 1943 ihre operativen Möglichkeiten im Mittelmeer zu einer Großlandung in Griechenland nutzen werden. Galt Griechenland im strategischen Kalkül der deutschen Führung bisher als Absprung- und Nachschubbasis, sollte es jetzt in eine Festung verwandelt werden, um die militärisch wie kriegswirtschaftlich immer wichtiger werdende Südostflanke des Nazi-Imperiums zu decken. Wegen des Ausscheidens der Italiener als Besatzungsmacht dehnte die Wehrmacht die deutsche Herrschaft auch auf die italienische Zone in Griechenland aus. Die deutschen Truppen wurden von 75.000 auf 250.000 Mann verstärkt und erhielten eine neue Befehlsführung. Oberste Kommandobehörde für Griechenland wurde die neu aufgestellte Heeresgruppe E unter Generaloberst Alexander Löhr. Die Heeresgruppe konnte über alle bewaffneten Kräfte der Eroberer, einschließlich der Verbände der Bulgaren und der Waffen-SS sowie der Kollaborateure in Griechenland, verfügen. Für die Okkupationsverwaltung wurde die Dienststelle Militärbefehlshaber Griechenland unter General Speidel geschaffen. Er erhielt in ganz Griechenland die vollziehende Gewalt. Damit entschied die Wehrmacht auch in der neuen Etappe der Besatzungspolitik alle für die Griechen und das Land wichtige Fragen. Dem Militärbefehlshaber war auch der ebenfalls neu berufene Höhere SS- und Polizeiführer (HSSPF) unterstellt. Dieser sollte im Auftrag des Militärbefehlshabers den polizeilichen und geheimpolizeilichen Bereich, einschließlich jenen der Kollaborationsverwaltung, leiten, ausbauen und gegen die Widerstandsbewegung, vornehmlich in den Städten, führen.

Massenterror als militärische Hauptaufgabe

Hauptaufgabe des umgestalteten, personell erheblich verstärkten Besatzungsapparates war die rigorose Bekämpfung der Partisanenbewegung, vor allem der EAM und der ELAS. Hauptkampfmittel sollten ausufernde kollektive Gewaltmaßnahmen gegen die Zivilbevölkerung sein. Zur Abwehr der erwarteten Invasion der Alliierten sei es notwendig, die inneren Verhältnisse der besetzten Südostgebiete "mit starker Hand zu ordnen", heißt es in einer Denkschrift des Führungsstabes der Wehrmacht vom 10. Dezember 1942. Der Chef des OKW, Keitel, fügte hinzu, "der griechische Raum ist heute als ein Kriegsschauplatz erster Ordnung zu bezeichnen". Die "Befriedung" der Festung Griechenland war nicht mehr nur ein okkupationspolitisches, gewissermaßen innenpolitisches Problem. Angesichts der erwarteten Invasion war sie Teil der Vorbereitungen auf den militärischen Großkampf. Die Widerstandsbewegung sollte noch vor der Landung alliierter Truppen endgültig vernichtet und die Bevölkerung durch terroristische Maßnahmen derart eingeschüchtert werden, dass sie im Invasionsfall nicht wage, sich gegen die Deutschen zu erheben. Damit erhoffte man, alle Truppen zur Abwehr der erwarteten Invasion an der Küste einsetzen und die rückwärtigen Verbindungen offen halten zu können. Die präventive, vorbeugende Funktion des Massenterrors gegen die Zivilbevölkerung trat noch stärker als in der vorangegangenen Periode hervor. Hauptkraft des bewaffneten Widerstandes und seit Herbst 1943 einziger militärischer Gegner der Deutschen in Griechenland war die ELAS. Die bürgerliche Organisation EDES spielte militärisch keine Rolle mehr. Ihre Führer kollaborierten seit Herbst 1943 mit den Deutschen und führten unter deutscher Kontrolle Aktionen gegen den linken Widerstand durch. Bereits im April 1943 hatte der Militärbefehlshaber Süd-Griechenland die politische Struktur des Widerstandes mit "etwa 90 Prozent rein kommunistisch, 10 Prozent nationalistisch" angegeben. Die griechische Volksbefreiungsarmee ELAS fügte den deutschen Truppen nach einem Bericht des Militärbefehlshabers Griechenland vom 19. Oktober 1943 "erhebliche Verluste an Menschen und Material" zu.

"Mit den allerbrutalsten Mitteln"

Kaum noch verschlüsselt befahlen alle Führungsebenen der Wehrmacht, vom OKW bis zur Kreiskommandantur in Griechenland, den Massenmord an Zivilisten beiderlei Geschlechts und jeden Alters. Hitlers "Weisung Nr. 47" vom 28. Dezember 1942 bestimmte als Hauptaufgabe des Oberbefehlshabers Südost die "endgültige Befriedung des Hinterlandes und Vernichtung der Aufständischen und Banden aller Art". Er forderte am 16. Dezember 1942, die Befehle zur Partisanenbekämpfung noch weiter zu verschärfen. Den deutschen Kräften dürften auch gegenüber Frauen und Kindern keinerlei Beschränkungen bei der Tötung und der Vernichtung von Sachwerten auferlegt werden. jedem Soldaten müsse generell Straffreiheit zugesichert und jene Soldaten als "Verräter am deutschen Volk" gebrandmarkt werden, die nicht mit der geforderten Rücksichtslosigkeit vergingen. Der Chef des Führungsstabes der Wehrmacht, Jodl, versicherte, nach diesem Befehl könnten die Soldaten auch mit Frauen und Kindern "machen, was sie wollen: Sie dürfen sie aufhängen, verkehrt aufhängen oder vierteilen". Der Befehl richtete sich nicht nur gegen die Partisanen, sondern auch gegen "Mitläufer", was den zu vernichtenden Personenkreis beträchtlich ausweitete. Der Chef des OKW befahl: Der Kampf muss "mit den allerbrutalsten Mitteln geführt" werden. "Die Truppe ist berechtigt und verpflichtet, in diesem Kampf ohne Einschränkung auch gegen Frauen und Kinder jedes Mittel anzuwenden, wenn es nur zum Erfolg führt." Auf dieser Grundlage erließ am 14. Juli 1943 der Oberbefehlshaber Südost, Löhr, einen speziellen Befehl. Nach der inzwischen erfolgten alliierten Landung auf Sizilien (9./10. Juli 1943) ordnete er noch direkter den Massenterror gegen die Bevölkerung als Prävention und Vorbereitung auf eine alliierte Landung an. Partisanen und "Mitläufer" spielten im Befehl keine Rolle, die gesamte Bevölkerung sollte getroffen werden. Es heißt dort: "Bei feindlichen Landungsangriffen ist mit weitest gehender Beteiligung aufsässiger Bevölkerungsteile auf Seiten des Feindes zu rechnen Ich ermächtige und verpflichte alle Kommandeure, von sich aus, ohne vorherige Genehmigung der vorgesetzten Stelle, bei offensichtlich feindseliger Haltung der Bevölkerung schärfste Maßnahmen zu ergreifen." Auch bei anderen Grundsatzbefehlen des OKW nutzten die Militärbehörden im Südosten ihren Handlungsspielraum und verschärften die zentralen Direktiven. Wegen des Arbeitskräftemangels in Deutschland wies Hitler am 7. Juli 1943 an, Partisanen und "Mitläufer" nicht mehr generell und sofort zu töten, sondern die Arbeitsfähigen als militärische Zwangsarbeiter nach Deutschland zu deportieren. Die Behörden im Südosten machten in den Ausführungsbefehlen die Einschränkung, dass es dabei keine Abstriche am Konzept der massenhaften Tötung von Zivilisten zur präventiven Bekämpfung der Partisanenbewegung geben dürfe. "Sühnemaßnahmen" seien "wie bisher mit den härtesten Mitteln durchzuführen". Der Grundsatz, "die gesamte männliche Bevölkerung" eines Dorfes bei Verdacht auf "Teilnahme oder Unterstützung der Banden zu erschießen oder zu erhängen", müsse unbedingt beibehalten werden. Erst in zweiter Linie sei die Deportation zur Zwangsarbeit zu erwägen. Am 18. August 1943 bestätigte der Chef des OKW diese Linie. Er schrieb, bei besonderen Umständen könne angeordnet werden, "dass keine Gefangenen gemacht werden bzw. dass Gefangene und im Kampfraum ergriffene Bevölkerung erschossen werden dürfen". Mit der Kriegswende wurde auch das terroristische Methodeninventar erweitert. Neben Luftangriffen gegen "verdächtige" Ortschaften wurde die Beschießung der Dörfer mit schwerer Artillerie befohlen. Bei Partisanenaktionen seien die "in der Nähe" liegenden Ortschaften durch Feuerschläge ohne Vorwarnung zu vernichten. Eine besonders brutale Neuerung war die Einführung fahrbarer Geisellager. Am 15. Juli 1943 wurde befohlen, bei jedem Transportzug einen verriegelten Güterwagen mit Geiseln mitzuführen. Bei einer Partisanenaktion, "ob sie gelingt oder nicht", so der Chef des Generalstabs des OB Südost, seien die Geiseln durch Zündung vorsorglich angebrachter geballter Ladungen und durch das zusammengefasste Feuer der Begleitkommandos "sofort" zu töten. Für Kreta, wo es keine Eisenbahn gab, wurde angeordnet, bei Kfz-Kolonnen "in größerer Zahl" junge Mädchen als Geiseln mitzuführen. Die nach der Kriegswende in die italienische Zone einrückenden deutschen Divisionen erhielten die Anweisung, unter Umgehung der italienischen Behörden selbständig gegen die griechische Bevölkerung nach den deutschen Grundsatzbefehlen vorzugehen. Damit wurde schon vor der italienischen Kapitulation am 8. September 1943 die bis dahin nur in den deutschen Zonen praktizierte Terrorpolitik auch auf die italienische Zone übertragen, denn die italienischen Behörden hatten sich bis dahin geweigert, in ihrer Zone nach dem deutschen Muster gegen die Bevölkerung zu verfahren.

Edelweiß-Division

Im Zusammenhang mit den Plänen für die Abwehr einer alliierten Invasion wurde die 1. Gebirgsdivision nach Griechenland entsandt. Der wegen seines taktischen Zeichens auch "Edelweiß-Division" genannte Verband kam aus Jugoslawien, wo er nach Divisionsberichten mehr als 10.000 "Banditen", sprich Tito-Partisanen und "Mitläufer", meist jedoch unschuldige Zivilisten vernichtet hatte. Für das Vorgehen dieser Elitedivision in Griechenland erging am 7. Juli 1943 folgender Befehl: "Alle Ortschaften, die den Banden als Zuflucht dienen können, sind zu zerstören, die männliche Bevölkerung ist, soweit sie nicht wegen Verdachts der Teilnahme am Kampf oder Unterstützung der Banden erschossen wird, restlos zu erfassen und als Gefangene abzuschieben. Bei Sabotagefällen ... sind strengste Sühnemaßnahmen gegen die Bevölkerung zu treffen." Der Erste Generalstabsoffizier (Ia), Thilo, dessen Aufgabe u.a. die Vorbereitung der Einsatzbefehle war, baute nach 1945 die "Gebirgstruppe" der Bundeswehr auf, führte jahrelang als Kommandeur die 1. Gebirgsdivision der Bundeswehr - ebenso "Edelweiß-Division" genannt - und schied nach Erreichung der Altersgrenze in allen Ehren und mit gut dotierter Pension als Generalmajor aus den westdeutschen Streitkräften aus. Im Juli 1943 brannten Einheiten der Edelweiß-Division bei "Säuberungsunternehmen" im italienisch besetzten Gebiet Griechenlands mehrere Dörfer nieder und erschossen über 100 Zivilisten. Am 16. August 1943 vernichteten die Gebirgsjäger die im italienisch besetzten Epiros liegende Ortschaft Kommeno und metzelten 317 Bewohner jeden Alters und beiderlei Geschlechts auf unbeschreiblich grausame Weise nieder. In einer Ermittlungsakte des Bayerischen Landeskriminalamtes vom 16. April 1969 heißt es, dass sich unter den Opfern "schwangere Frauen befunden haben. Viele Frauen seien vor der Ermordung vergewaltigt worden, Leiber von Frauen aufgeschnitten und die Kinder in der Weise verbrannt, dass sie ihnen mit Benzin getränkte Watte in die Münder stopften und die Watte dann anzündeten. Auch seien Personen die Augen ausgestochen worden." (Das Verfahren wurde eingestellt, da es sich nach Meinung des Landgerichts München I um normale Kriegshandlungen gehandelt habe.) ... Selbst dem griechischen Kollaborations-Ministerpräsident Rallis ging das massenhafte und flächendeckende Töten vor allem der Gebirgsjäger zu weit. Er fürchtete, sein ohnehin geringes Ansehen bei den Griechen restlos zu verlieren. In einem Schreiben an den deutschen Militärbefehlshaber wies er darauf hin, dass unter dem Vorwand, Sühne- und Vergeltungsmaßnahmen für Partisanenaktionen durchzuführen, "die Vernichtung Griechenlands" im Gange sei. Allein im Oktober 1943 habe man im Epiros, dem Operationsgebiet der 1. Gebirgsdivision, über 1.000 Griechen umgebracht. Seit dem Einmarsch der Wehrmacht in das relativ kleine Gebiet im Juli 1943 seien mehr als 100 Dörfer zerstört worden.

Erneute Fehleinschätzung

Ende 1943 stellten die deutschen Militärs fest, dass ihre Erwartung, mit den Truppenverstärkungen und exzessiver Terrorpolitik die Partisanenbewegung vernichten zu können, auf einer eklatanten Fehleinschätzung beruhte. EAM und ELAS hatten inzwischen ein großes politisches und militärisches Gewicht gewonnen. Im September 1943 stellte der Militärbefehlshaber fest, dass "Griechenland nur zu einem kleinen Teil wirklich in deutscher Hand" ist. Hinzu kam, dass in den deutschen Vorstellungen die alliierte Landung immer wahrscheinlicher wurde, weitere Truppenverstärkungen aber wegen der Gesamtkriegslage unmöglich waren. Hermann Neubacher, "Sonderbevollmächtigter des Auswärtigen Amtes für den Südosten", kam zu dem Schluss, die Wehrmacht sei nicht in der Lage, die ihr gestellte doppelte Aufgabe zu lösen: die Invasion zu verhindern und zuvor, gewissermaßen als Voraussetzung einer Invasionsabwehr, die Partisanen zu vernichten. In einem erneuten Schwenk ihrer Okkupationspolitik versuchten die Deutschen nunmehr, das für sie immer ungünstigere Kräfteverhältnis mit politischen und propagandistischen Mitteln, insbesondere mit "zielgenauerem" Antikommunismus auszugleichen. Im Zentrum der deutschen Überlegungen stand eine zuvor nicht beabsichtigte Ausweitung der Kollaboration. Vor allem im bewaffneten Bereich versuchten sie, die Kollaboration erheblich auszuweiten und einen Bürgerkrieg zu entfachen. In einem Vernichtungskrieg sollten die Träger und Sympathisanten des Widerstands ausgerottet und dabei unter deutscher Leitung künftig immer mehr Griechen von Griechen umgebracht werden. Ab Herbst 1943 gingen Neubacher und die Militärs daran, dieses Konzept zügig umzusetzen. Dabei kam es 1944 zu einer nochmaligen Steigerung der Opfer unter der Zivilbevölkerung.

III. Vernichtungskrieg

Im Verlauf des Jahres 1943 geriet das deutsche Besatzungsregime wegen der für Deutschland verschlechterten militärischen Gesamtlage, dem durch die rücksichtslose Ausbeutung verursachten Zusammenbruch von Wirtschaft und Wahrung sowie wegen der immer stärker werdenden Widerstandsbewegung in eine Krise. Eine Verstärkung der Truppen war wegen der Niederlagen der Wehrmacht an der Ostfront nicht mehr möglich. Jetzt sollte eine Mixtur aus Propaganda und politischer Taktik die Griechen dafür gewinnen, die deutsche Herrschaft im Lande zu dulden, für sie zu arbeiten und gegen die eigenen Landsleute im Widerstand, im Andartiko zu kämpfen. Als Gegenleistung für Kollaboration sicherte das faschistische Deutschland Griechenland einen ehrenvollen Platz im künftigen Europa zu. "Jeder Grieche, den wir dahin bringen, in uns die Vertreter einer besseren und gerechteren Zukunft zu sehen, wird zunächst nicht auf unsere Männer schießen und keine Sabotageakte begehen", schrieb im August 1943 der stellvertretende Leiter der Informationsabteilung im Auswärtigen Amt, Rudolf Rahn. Es müsse gelingen, die kollaborierenden Gruppen "so zu binden, in unserem Sinne zu kompromittieren und gegen die uns feindlichen Organisationen kämpferisch einzusetzen, dass sie nicht mehr zurück können". "Mit politischen Mitteln die Verhältnisse zu verbessern", nannte der Sonderbevollmächtigte des Auswärtigen Amtes, Neubacher, das Ziel der "neuen Politik".

Bürgerkrieg entfacht

Am 29. Oktober 1943 erließ Hitler auf Initiative von Neubacher die Weisung über "die einheitliche Führung des Kampfes gegen den Kommunismus im Südosten". Neubacher sollte die antikommunistischen Kräfte organisieren und ihren Einsatz gegen die Partisanen politisch lenken, die Versorgung der Bevölkerung "auf die antikommunistische Aktion ausrichten" und Einfluss auf die "Sühnemaßnahmen" nehmen. Die erste Maßnahme der Spaltungskonzeption, wie die Generalität die "neue Politik" zutreffend nannte, war die Bewaffnung der Kollaborateure. Unter Leitung des Höheren SS- und Polizeiführers wurde die griechische Polizei auf 27.000 Mann verstärkt und erstmals seit der Besetzung bewaffnet. Neun "Sicherheitsbataillone" wurden aufgestellt und gegen die Widerstandsbewegung eingesetzt. Die Wehrmacht bildete zusätzlich mehr als 20 griechische Freiwilligeneinheiten in Kompaniestärke. Die bis dahin unbedeutende griechische Nazi-Partei, Ethniki Enossis Ellados, erhielt von Neubacher beträchtliche finanzielle Mittel zur "Aufstellung antikommunistischer Kampfverbände".

Die Kollaborateure

Die deutsche Politik konnte sich bei der Schürung des Bürgerkriegs auf Teile der griechischen Oberschicht stützen. Diese, obwohl traditionell eher britisch orientiert, unterstützten die deutschen Maßnahmen gegen die Nationale Befreiungsfront (EAM) und die Griechische Volksbefreiungsarmee (ELAS), weil sie damit die bürgerlich-kapitalistische Nachkriegsentwicklung gesichert glaubten. In einem kürzlich aufgefundenen Schreiben der Heeresgruppe E vom 15. Juli 1944 heißt es: "Die führende griechische Oberschicht (Vertreter der Industrie, des Handels, Bankwesens, der hohen Geistlichkeit, Spitzen der Beamtenschaft und des ehem. Offz.-Korps)" sieht in dem "immer mehr anwachsenden Kommunismus die einzige ihre Interessen und besitzbedrohende Gefahr". Sie sei "gewillt, eine nationale Organisation mit militanten Formationen aufzubauen". Es wird mitgeteilt, in Nord-Griechenland arbeite seit Sommer 1943 "eine Art nationales Verteidigungskomitee, das sich aus Vertretern der griechischen Oberschicht zusammensetzt". Die von der Wehrmacht in Nordgriechenland aufgestellten griechischen Verbände würden "von diesem Komitee in jeder Hinsicht unterstützt". Ein wesentlicher Aspekt der "neuen Politik" war der allenthalben gelungene Versuch, antikommunistische ("nationale") Widerstandsgruppen dazu zu bewegen, den Kampf gegen die Deutschen einzustellen und nunmehr ausschließlich die EAM/ELAS militärisch zu bekämpfen. Besonderes Gewicht hatte der Übertritt der Einheiten der EDES auf die Seite der Deutschen im Herbst 1943. Sie war die größte Gruppierung des nichtkommunistischen Widerstands. Die Heeresgruppe E beschreibt in einem Bericht die bürgerkriegspolitischen, auf die Nachkriegszeit gerichteten Motive der EDES-Führung Diese "sucht nach wie vor die deutsche Besatzungsmacht ihrer Loyalität zu versichern, um sich so unangetastet auf den kommenden militärischen und politischen Machtkampf vorzubereiten". Gegen die ELAS habe EDES in Nordwestgriechenland eine militärische Offensive begonnen. Für die Bemühungen der Okkupanten, die Kollaboration auszudehnen, erwies sich die bisherige Terrorpraxis als Hindernis. Die undifferenzierten Massaker unter der Zivilbevölkerung und flächendeckenden Zerstörungen, wie sie bis dahin kennzeichnend waren, trieben auch Griechen in den Widerstand, die nicht mit der ELAS sympathisierten. Wie die Propaganda sollte nun auch der Terror zielgenau gegen Links eingesetzt werden. Der Generalstabschef der Heeresgruppe E, Generalmajor Winter, erläuterte Anfang Dezember 1943 vor deutschen Kommandeuren und Stabsoffizieren, es gehe "leider(!) nicht an, alle Leute zu köpfen" und "völlig unbeteiligte Ortschaften dem Erdboden gleichzumachen", da dies "nur zur Vermehrung des Bandenwesens" führe. Die "antikommunistische Aktion" sollte nicht weniger, aber die richtigen Griechen töten, die "wahrhaft Schuldigen". Am 22. Dezember 1943 erging ein Grundsatzbefehl des Oberbefehlshabers Südost für die Handhabung des Terrors. Darin heißt es: "Das Verfahren, nach einem Überfall oder Sabotageakt aus der näheren Umgebung des Tatortes wahllos an Personen und Wohnstätten Sühnemaßnahmen zu vollziehen, wird verboten." Zunächst seien die "Täter" und deren Angehörige zu töten. Sollten die "Täter" nicht gefasst werden, was üblicherweise der Fall war, so wären alle Personen, die einer "offenen oder versteckten Mitwirkung" verdächtigt werden oder die "ein bewusst passives Verhalten" zeigten, als "Banditenhelfer zu erschießen und deren Wohnstätten zu vernichten". Der Befehl beschreibt dann die Hauptgruppe der zu Tötenden: "Lassen sich derartige Mitschuldige nicht finden, so muss auf Personen zurückgegriffen werden, die, ohne mit der einzelnen Tat in Verbindung zu stehen, trotzdem als mitverantwortlich anzusehen sind. Mitverantwortlich sind in erster Linie solche Personen, die sich zum Kommunismus bekennen." Damit war der Umfang des klassenideologischen Vernichtungskrieges definiert. Todeskandidaten waren alle 1,6 Millionen Mitglieder der EAM und ihrer Massenorganisationen, die Soldaten der ELAS sowie deren Angehörige. Um den Spaltungseffekt zu verstärken, wurde jenen Griechen, die sich zur Kollaboration bereitfanden, eine Überlebensgarantie gegeben. "Nicht zu Sühnezwecken zu verwenden", so der Befehl, "sind Feinde des Kommunismus". Mit dem Dezemberbefehl wurde die "neue Politik" für alle Soldaten, Polizisten und SS-Männer bindend. ...

Absprachen mit dem Feind

Ende August 1944 durchbrach die Rote Armee in einer gewaltigen Schlacht bei Jassi-Kischinjow, dem Cannae des 20. Jahrhunderts, den Südteil der deutschen Ostfront. Der Weg nach Belgrad und Wien war frei. Von Westen marschierte die Volksbefreiungsarmee Titos auf die jugoslawische Hauptstadt. Rumänien und Bulgarien wurden vom Verbündeten zum Kriegsgegner Deutschlands. Den beiden deutschen Heeresgruppen auf dem Balkan drohte die Einschließung, ein "Superstalingrad". Um eine neue Front im Norden aufzubauen, befahl Hitler die Räumung Griechenlands. In der Räumungsphase kam es zu einem im Zweiten Weltkrieg einmaligen Abkommen. Das Oberkommando der Wehrmacht und zentrale britische Stäbe vereinbarten, die Deutschen sollten mit Blick auf die Nachkriegsentwicklung Griechenlands die ELAS weiterhin rücksichtslos bekämpfen und ihre ausgebauten Stellungen vor allem an den Küsten gegen die ELAS solange halten, bis britische Truppen anlandeten. Als Gegenleistung garantierte man den Deutschen militärisch unbedrängten Abzug zum Aufbau einer neuen Front gegen die Rote Armee - damals der Verbündete der Briten. Das Abkommen wurde von beiden Seiten eingehalten. Trotz drückender britischer Überlegenheit zu Wasser und in der Luft konnten die Deutschen verlustlos von den Inseln evakuiert werden und ab 10. Oktober 1944, von den Briten wiederum unbedrängt, auch das Festland räumen. ELAS durchkreuzte die deutsch-britische Vereinbarung. Die griechischen Soldaten lieferten den fliehenden Deutschen schwere Kämpfe und unterstützten damit wirkungsvoll den Kampf der Tito-Verbände und der Roten Armee an Save und Donau. Die deutschen Verbände kamen nicht nur verspätet, sondern auch abgekämpft, personell stark geschwächt und fast ohne schwere Waffen in Jugoslawien an. In der Nacht vom 2. zum 3. November 1944 verließen die letzten deutschen Einheiten Griechenland. Auf einigen Inseln blieben etwa 20.000 deutsche Soldaten zurück, die meist erst am 8. Mai 1945 kapitulierten. Viele hundert Dörfer und Kleinstädte waren total zerstört, eine Million Griechen obdachlos, das Eisenbahnwesen nur noch zu einem Viertel brauchbar. Alle für das Land so wichtigen Häfen waren stark zerstört. Schätzungsweise 70.000 Griechen wurden Opfer von Geiselmorden und anderen "Strafaktionen". Die Gesamtverluste betrugen 7,2 Prozent der Vorkriegsbevölkerung. Damit lag Griechenland in der Statistik über die Gesamtverluste im Zweiten Weltkrieg hinter der Sowjetunion, Polen und Jugoslawien an vierter Stelle.


Martin Seckendorf, Dr., Berlin, Historiker, Vorsitzender des Vorstandes der Berliner Gesellschaft für Faschismus- und Weltkriegsforschung

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Quelle:
Marxistische Blätter, Heft 4-15, 53. Jahrgang, S. 47-59
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Oktober 2015

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