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OFFENSIV/100: Ausgabe Januar-Februar 2012 2/12


offen-siv 2/2012
Zeitschrift für Sozialismus und Frieden

Ausgabe Ausgabe Januar-Februar 2012 2/12


INHALT

Redaktionsnotiz

Nachrichten aus dem Niedergang
- Thomas Immanuel Steinberg: Libyen und die Kasseler Ratschläger

K. Liebknechts und R. Luxemburgs Vermächtnis
- Phil Ramcke: Erfahrungsbericht von der LLL-Demo in Berlin
- Benjamin L.: Erlebnisbericht LLL-Demo Berlin, 15. Januar 2012
- Phil Ramcke: Der Kampf Karl Liebknechts

Syrien
- Boris V.: Der Tod des Journalisten Gilles Jacquier in Syrien -
  Glatter Reinfall der französischen Geheimagenten in Homs
- Thierry Meyssan: Was geschieht gerade in Syrien?
  Wer steckt dahinter und mit welchen Absichten?

Italien
- Gerhard Feldbauer: EU-Spardiktat gibt Italiens Sezessionisten neuen Auftrieb
- Gerhard Feldbauer: Bereits im Dezember 1946 konnten die Mussolini-Faschisten ihre Partei wieder gründen.
  Wie konnte das geschehen?

Die Verfassung der Sowjetunion von 1936
- Dominik Gläsner: Zum 75. Jahrestag der Verabschiedung der Stalinschen Verfassung von 1936
- Verfassung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (Stalin-Verfassung) vom 5. Dezember 1936

Nachruf auf Kim Jong Il
- KI: Trauer um Kim Jong Il

Buchbesprechung
Erich Buchholz: Kurt Gossweiler "Kapital, Reichswehr und NSDAP.
Zur Frühgeschichte des deutschen Faschismus 1919 bis 1924"

Raute

REDAKTIONSNOTIZ

Wir bemühen uns in diesem ersten Zwei-Monats-Heft des Jahres 2012, möglichst viele Hintergrundinformationen über die Krisen- und Kriegsschauplätze zu bringen. Die Sicherheitskonferenz in München tagte leider nach Drucklegung dieses Heftes, was schade ist, denn sie verdient ein besonderes Augenmerk: Am Tag der Drucklegung dieses Heftes titelte die Hannoversche Allgemeine Zeitung: "Israel wird im Frühjahr angreifen" - gemeint ist der Iran bzw. dessen Atomanlagen. Wir leben in einer unmittelbaren Vorkriegszeit.

Die Lügen der bürgerlichen Medien sind unerträglich, und leider sind unsere linken Organe zerfressen von Äquidistanz, Pluralismus und Pazifismus. Beispielsweise gibt ein seit einigen Wochen zirkulierender, massenhaft unterschriebener Friedensaufruf keinerlei Aktionsorientierung, sondern appelliert an die Bundesregierung. An wen? Ja, tatsächlich, an die Bundesregierung! Und die Tageszeitung "junge Welt" kriegt es tatsächlich fertig, in Person von Karin Leukefeld einen "regime change" in Syrien für angesagt zu halten. Von solchen Kräften wird nicht viel zu erwarten sein.

Zu diesem Heft:

Es gibt Nachrichten aus dem Niedergang (hier: der Friedensbewegung) und Berichte von der LLL-Demo, die man eigentlich auch unter der Rubrik "Niedergang" einordnen muss, aber wir wollten nicht alles nur negativ bezeichnen und besetzen, deshalb lieber unter der Rubrik: "Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs Vermächtnis".

Ihr findet weiterhin wenig verbreitete Informationen über Syrien, interessante aktuelle und historische Analysen über Italien, einen Rückblick auf die Verfassung der Sowjetunion von 1936 und einiges anderes.

Der Jahres-Rechenschaftsbericht für 2011 muss bis zur nächsten Ausgabe warten, da wegen der vielfältigen politischen Aktivitäten noch kein Termin für eine Sitzung unseres Herausgebergremiums realisierbar war.

Und nun die leidigen Finanzen: Wir haben gleich zu Beginn des Jahres eine Menge Geld ausgegeben bzw. ausgeben müssen: Die Post verlangte über 800,00 Euro Grundgebühr für die Teilnahme am Vertriebssystem Pressepost. Die Broschüre zum Anti-Imperialismus kostet allein im Druck knappe 3.000,00 Euro, wie Ihr merkt, sind wir weiterhin auf Eure finanzielle Mithilfe angewiesen.

Für die Redaktion: Frank Flegel


Spendenkonto Offensiv:
Inland:
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Ausland: Konto Frank Flegel, Internat. Kontonummer(IBAN): DE 10 2505 0180 0021 8272 49,
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Raute

NACHRICHTEN AUS DEM NIEDERGANG

Thomas Immanuel Steinberg: Libyen und die Kasseler Ratschläger

Wie viele Menschenleben darf ein Nato-Krieg kosten?

Zuerst die gute Nachricht:

In gewohnter Klarheit erkennt Pepe Escobar: "BP, Total, Exxon, alle westlichen Ölriesen werden vom Übergangsrat [den libyschen Nato-Kollaborateuren, T:I:S] dankbar belohnt werden - zu Lasten der chinesischen, russischen und indischen Firmen."

Auch der Freidenker urteilt zutreffend: "Die Forderung 'Deutschland raus aus der NATO - NATO raus aus Deutschland' ist durch den Libyen-Krieg noch dringlicher geworden." Der Freidenker stützt seinen Appell unter anderem auf den kundigen Thomas C. Mountain ... und auf Jean Bricmont und Diana Johnstone, die schon den Nato-Feldzug gegen Jugoslawien als imperialistisches Unterfangen entlarvt hatten: "Dieser kleine Krieg [gegen Libyen, T:I:S] hat die NATO als kriminell und inkompetent bloßgestellt. Er stellt auch die organisierte Linke in den NATO-Ländern als völlig nutzlos bloß. Vielleicht gab es nie zuvor einen Krieg, gegen den so leicht Front zu machen gewesen wäre. Aber die Linke macht dagegen nicht Front."

Sowohl Amnesty International als auch Human Rights Watch hatten nach dem Aufstand im Osten Libyens monatelang jeweils einen ehrlichen Beobachter vor Ort - beide haben sämtliche Anschuldigungen widerlegt, mit denen die NATO den Krieg gegen Libyen gerechtfertigt hat.

Und nun die schlechte Nachricht:

Die Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag Lühr Henken und Peter Strutynski sondern am heutigen 23. August 2011 zu Libyen den Satz ab: "Der Krieg hat bisher schon zu vielen Menschen - auf allen Seiten - das Leben gekostet, Hunderttausende zur Flucht getrieben, große Teile der Infrastruktur des Landes zerstört."

Da drängt sich die Frage auf: Wie viele Leben hätte der Nato-Überfall auf Libyen denn kosten dürfen? Der Satz ist freilich keine Entgleisung. Weiter unten setzen Henken und Strutynski nach:

"Freude über den militärischen Sieg der NATO kann in den Reihen der Friedensbewegung nicht aufkommen. Dazu sind den Bombenangriffen der NATO eine zu große Zahl von Zivilpersonen zum Opfer gefallen, Häuser, Schulen, Rundfunkstationen und andere Infrastruktureinrichtungen zerstört worden... Aus all diesen Gründen weigert sich der Bundesausschuss Friedensratschlag, in die Jubelchöre des Westens einzustimmen. Der Preis, den das libysche Volk zahlen musste, ist hierfür zu hoch."

"Hierfür?" Wofür?

Der Freidenker kommentiert älteres Friedensgedröhne von Strutynski wie folgt: "Wieder einmal hörte man von 'Sprechern' der Friedensbewegung eine die Kriegpropaganda nachvollziehende kulturchauvinistische Diffamierung des angegriffenen Landes ("Die Friedensbewegung, obwohl entschieden in der Verurteilung des Gaddafi-Regimes,.... etc.")

Das Einknicken vor der "humanitären" Klassenmoral der bürgerlichen Interventionisten ist Ausdruck eines weitgehenden Verlusts eigener Klassenmoral, welche seit über 150 Jahren der Arbeiterbewegung gebietet, für ein Land, das vom Imperialismus angegriffen wird, ungeachtet seines Gesellschaftssystems, entschieden und mit allen gegebenen politischen Mitteln Partei zu ergreifen, und zwar in erster Linie gegen die Herrschenden des eigenen Landes. Antiimperialistischer Internationalismus gehört zu den höchsten Werten des Moralsystems der Sozialisten und Kommunisten. Inzwischen ist die grundsätzliche, systematische und anhaltende Konfrontation gegen die gesamte Orientierung der bürgerlichen Außenpolitik Deutschlands zu einem wesentlichen Element des politisch-moralischen Wiedererstarkens linker Kräfte geworden.

Zu den gemeinten linken Kräften gehören die Sozialdemokraten Henken und Strutynski nicht. Sie sind Tröpfe, und Diversanten dazu.

From: Thomas Immanuel Steinberg December 06, 2011; Bahar Kimyongür Die Rückeroberung Libyens und die Verrottung der europäischen extremen Linken / La reconquête de la Libye et la putréfaction morale de l'extrême-gauche européenne, Maghreb, 6. Dezember 2011

Raute

KARL LIEBKNECHTS UND ROSA LUXEMBURGS VERMÄCHTNIS

Phil Ramcke: Erfahrungsbericht von der LLL-Demo in Berlin

Am Treffpunkt Frankfurter Tor kam Thomas Hecker von der so genannten Kommunistischen Plattform als Ordner während des Aufbaus des KI-Transparentes (relativ groß, zu sehen: die vier Klassiker und die Aufschrift: Klarheit, Einheit, Sozialismus) auf uns zu und fragte nach dem Zuständigen. Ich nahm Kontakt mit ihm auf und er fragte, ob wir die Kommunistische Initiative seien, was ich ihm bestätigte. Er meinte, wir sollen uns "ganz hinten - hinter dem letzten Lautsprecherwagen - einordnen". Nachdem ich gefragt hatte, ob er für die Planung der Demo verantwortlich sei, meinte er nur "Wenn ihr das nicht macht, könnt ihr von der Demonstration ausgeschlossen werden!" Ich sagte ihm, dass wir seiner Anordnung folge leisten würden.

Danach war ich mit der Koordinierung der gleichmäßigen Aufrichtung des Transparentes beschäftigt. Als es aufgerichtet war, fragte ich die Genossen, ob es haltbar ist. Hinter mir hörte ich einiges "Gemecker" und ich drehte mich um und sah drei Personen.

Ellen Brombacher: "Mit so etwas dürft ihr nicht auf die Demo!", Thomas Hecker mit der Ordner-Binde ließ sie nicht zu Wort kommen.

Ich: "So, und was ist denn bitte hier jetzt los?"

Nina Hager: "Mit so einem Transparent dürft ihr auf keinen Fall an dieser Demonstration teilnehmen! Das muss weg!"

Ich musste mich (vor Lachen) zusammen reißen, weil die beiden richtig giftig wurden. Ich wandte mich an Thomas Hecker und fragte: "Worin besteht denn jetzt genau das Problem?"

Thomas Hecker: "Das Transparent ist zu groß und wir befürchten, dass es euch um die Ohren fliegen wird. Wir können deshalb nicht für die Sicherheit der Demo-Teilnehmer garantieren."

Ellen Brombacher: "Genau und so etwas kommt hier nicht auf die Demonstration!"

Die beiden Damen standen seitlich von mir, ich schaute sie mit einem sehr fragenden Blick an. Ellen Brombacher schaute weg. Nina Hager entgegnete mit einem Blick, den Lehrerinnen einem Schüler zuwerfen, wenn sie ihn ermahnen wollen: "Phiiiiiiiil! Das kommt hier nicht her!"

Ich schaute sie weiterhin an, sie schien verzweifelter zu werden, weil ich nicht auf sie reagierte. Thomas Hecker meinte: "Wenn ich euch nicht zum Zusammenrollen und Abbau des Transparentes bewegen kann, dann wird das die Polizei machen, die suchen momentan nur Gründe." Und Brombacher und Hager im Chor: "Ihr seid schuld, dass es mit der Demo nicht los geht!"

Ich vereinbarte mit Thomas Hecker, dass wir das Transparent bis zum Friedhof eingerollt lassen und dass er die Mitnahme des zusammengerollten Transparentes mit der Polizei klären soll, wo er doch einen solch guten Draht zu den staatlichen Ordnungskräften hat. Dagegen intervenierte Nina Hager: "Nein, das muss auseinander gebaut werden!"

Wir ignorierten sie.

Thomas Hecker ging zur Polizei. Dort besprach er die Situation und ergänzte gegenüber den Polizisten: "Man könne sie ggf. auch abräumen lassen!"

Wir folgten der Vereinbarung und man ließ uns in Ruhe. Am Friedhof haben wir das Transparent wieder entrollt.

Als wir am Schandstein für die "Opfer des Stalinismus" skandierten: "Es lebe Stalin, der Befreier Europas vom Faschismus", bekamen wir einen Platzverweis. Diese Leute müssen den Sozialismus hassen. Eine andere Erklärung habe ich nicht für ihr Verhalten.

Phil Ramcke

Raute

Benjamin L.: Erlebnisbericht LLL-Demo Berlin, 15. Januar 2012

"Was wäre die Folge, wenn es dem Kapital gelänge, die Republik der Sowjets zu zerschlagen? Eine Epoche der schwärzesten Reaktion würde über alle kapitalistischen und kolonialen Länder hereinbrechen, man würde die Arbeiterklasse und die unterdrückten Völker vollends knebeln, die Positionen des internationalen Kommunismus würden liquidiert." - Werke Band 9, S. 29, "Noch einmal über die sozialdemokratischen Abweichungen in unserer Partei, III. Die Meinungsverschiedenheiten in der KPdSU", Rede am 7. Dezember 1926 auf dem VII. erweiterten Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale.

Stalin hatte Recht. Sein ganzes Leben galt u.a. dem Kampf gegen die Konterrevolution. Schaue ich mir heute die Ereignisse der Demo an, so scheint wirklich ein Großteil des internationalen Kommunismus liquidiert. Am Sonntag fanden sich laut Presse 1.000 Menschen am Frankfurter Tor ein, um den Genossen Lenin, Liebknecht und der Genossin Luxemburg zu gedenken. Weit gefehlt. Diese Menschenmasse gedachte nicht der Ermordung. Schon zu Beginn ließ eine Sprecherin verlauten, dass dies "ein super Tag werde". Doch an einem Tag, an dem man der Ermordung von Revolutionären gedenkt, mutet so überhaupt nicht "super" an. Ein Trauermarsch entpuppte sich so zu einem Marsch von skandalierenden, schlechte Slogans brüllenden Konterrevolutionären. Nur wenige Genossen schienen sich der urtümlichen Bedeutung dieses Aufrufes bewusst zu werden, nämlich zu trauern. Und die Tage danach zu reflektieren: Wo stehen wir / wo wollen wir hin?

Das, was geschah, entsprach allerdings eher, sich auf die fetten Bäuche zu klatschen und sich selber zu lobpreisen. Es stank nach Eigenlob. Aber in Wahrheit sind jene dort Diener des Imperialismus gewesen, indem sie dazu aufriefen, Bildnisse Stalins mögen, wenn überhaupt, am Ende des Demonstrationszuges gezeigt werden. Manch einer, der sich dort blicken ließ, versuchte gar den Befreier der europäischen Völker vom Faschismus zu denunzieren.

Eine weitere Entgleisung war übrigens noch viel bemerkenswerter und zeigt, in wessen Legitimation die Entehrung unserer ermordeter Kommunisten steht. Das war die Tatsache, dass "Ordner" der organisierenden Gruppen (u.a. Thomas Hecker von der so genannten Kommunistischen Plattform der PdL) die staatliche Exekutive der BRD, dieses "Staates der Rechten" (Erich Honecker), vor uns, der Kommunistischen Initiative, warnten mit dem Hinweis, wir seien gewaltbereite Leute und man müsse jederzeit mit von uns ausgehenden Eskalationen rechnen. Infame Lügen! Gerade solche, die auf Verstrickungen von VS und NSU hinweisen, arbeiten nunmehr selbst mit staatlichen Behörden zusammen, um Kommunisten zu denunzieren. Herzlichen Glückwunsch!

Einerseits wird Stalin verbannt, andererseits prangen Bildnisse Trotzkis. Antideutsche Reaktionäre fielen auf der Demo durch ein Transparent auf, auf dem Lenin, Mao und Stalin zu sehen sein sollten, mit schwarzen Balken vor den Augen und dem Titel "Nein, nein, nein - das ist nicht der Kommunismus".

Dass einige wenige entschlossene Revolutionäre sich dem entgegenstellten, spricht für den fast einzigen Hoffnungsschimmer, der sich in mir noch regt. Es wurde polemisiert, dass Lenin mit Stolz auf diesen Demonstrationszug blicken würde, doch hätten sich jene glanzlosen Lichter mal die Mühe gemacht, Lenin zu lesen, so wäre ihnen klar gewesen, dass dieser 90 % der Teilnehmer zurück in die CDU etc. gejagt hätte. Würden Liebknecht und Luxemburg sich von ihren Gräbern erheben, sie würden euch beweinen, wie Homer Troja einst beklagte.

Nun denn Genossen, und damit meine ich solche, die den Kommunismus wissenschaftlich auf dem Marxismus-Leninismus begründen, es bleibt nur: Klarheit - Einheit - Sozialismus!

Benjamin L.

Raute

Phil Ramcke: Der Kampf Karl Liebknechts

Zum 95. Mal jährt sich die Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs. Wieder werden einige Tausend Demonstranten an ihrem Grabe in Berlin-Friedrichsfelde vorbei ziehen und erneut werden wir wieder verschiedenste Losungen sehen: anarchistische, revisionistische, sozialdemokratische, trotzkistische, maoistische und einige wenige kommunistische. In einer Zeit, in der die imperialistischen Staaten einen Krieg nach dem anderen vorbereiten und damit die Gefahr eines erneuten Weltkriegs heraufbeschwören, gibt es keine nennenswerte Kraft, die sich entschieden, klar und geschlossen gegen die Imperialisten und den Krieg stellt.

Bürgerliche Historiker sagen: "Geschichte wiederholt sich immer wieder". Recht haben sie, aus ihrem Blickwinkel gesehen. Die Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus führen immer wieder zum Krieg um Rohstoffe und Absatzmärkte. Immer wieder gibt es Kriege, Korruption, Massenentlassungen, Armut und Elend.

Worin besteht der wahre Verdienst Karl Liebknechts? Er hat an der Frage von Krieg und Frieden die Entscheidung getroffen, nein zu sagen zur revisionistischen Abweichung und zum Einheitsgedusel der Zentristen in der alten SPD.

Um so erstaunlicher ist es, bei der Demonstration zu seinen und Lenins und Rosa Luxemburgs Ehren so viele Menschen zu sehen, welche gar nichts mit seinen und der anderen beiden Überzeugungen und Schlüsse zu tun haben.

Betrachten wir die Situation Karl Liebknechts genauer:

1903 verpasste die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) auf ihrem Parteitag den Ausschluss von Personen, die sich offen gegen den Marxismus wandten und damit die Ziele der Arbeiter verrieten. Anstatt für den Sozialismus zu kämpfen und die Arbeiter gegen Lohnraub, Armut, Krise und Krieg zu organisieren, wollten Kreise um Karl Kautsky (Zentrismus) und Eduard Bernstein (Revisionismus) den "parlamentarischen Weg" gehen. Bedeutet hat dies, dass sich diese Kräfte im Reichstag wieder fanden und über ihre dortige Fraktionstätigkeiten auch eine Fraktion in der Partei gebildet hatten.

Die revisionistischen Zirkel übernahmen nach und nach die gesamte Partei. Der "Vorwärts", Zentralorgan der SPD, vormals ein Sprachrohr für die werktätigen Massen, verkam zu einem Ort für wildeste bürgerliche Spekulationen. Anstatt den Charakter der imperialistischen Staaten und ihre Kriegsabsichten deutlich heraus zu stellen, eigentlich eine Notwendigkeit am Vorabend des Ersten Weltkriegs, konnte Bernstein mit seiner "Ultra-Imperialismus-Theorie" offen auftreten. Er behauptete, dass die Bedeutung der Nationalstaaten immer geringer werde und dass dafür die Bedeutung von "supranationalen Konzernen" immer weiter wachse, was, weil diese Konzerne in fast allen Ländern agierten und miteinander verflochten seien, zur Konsequenz habe, dass ein Krieg untereinander unmöglich werde(1).

Nur zwei Jahre nach ihrer Veröffentlichung bewies sich die Richtigkeit der Leninschen Imperialismustheorie: die große imperialistischen Staaten, allen voran Deutschland, England, Frankreich und Russland, führten Krieg gegeneinander.

Noch im Juli 1914 gab es überall in Deutschlands Massenkundgebung gegen den Krieg. Aber anstatt die Kapitalisten anzuprangern, bettelte man bei Ihnen, "dass doch jeder in der Regierung sein möglichstes tun solle, um einen Krieg zu verhindern". Sie forderten eine Verhinderung des Krieges bei denen, die den Krieg vorbereiteten(2). Auch die Führung der SPD war in die Kriegsvorbereitungen einbezogen. So wurde in der "Chemnitzer Volksstimme" vor einer offiziellen Erklärung der Regierung bereits die Mobilmachung und die nächsten Schritte der deutschen Kapitalisten beschrieben, das wisse die SPD Chemnitz "aus sicherer Quelle".

Im August 1914 war die SPD und die deutsche Arbeiterklasse nicht auf den Krieg vorbereitet, nicht weil es nicht genug Zeit und Möglichkeiten gegeben hätte, sondern weil die Revisionisten dafür gesorgt hatten. Karl Liebknecht kämpfte in der Fraktionssitzung der SPD gegen die Bewilligung der Kriegskredite. Die Revisionisten bildeten allerdings die überdeutliche Mehrheit und gewannen die Vorabstimmung. Des Weiteren beschlossen sie den "Fraktionszwang", also den Zwang, dass jedes SPD-Mitglied für den Antrag stimme soll. Sie begründeten es damit, dass man in der Not das "Vaterland" nicht im Stich lassen könne und dass die "Einheit der Partei" das wichtigste sei. Die SPD verbot jegliche Kommunikation mit der Parteibasis über diese Abstimmung, da die Mehrheit der Parteibasis und der deutschen Arbeiter natürlich gegen diesen Krieg waren. Die Zentristen spielten dabei die entscheidende Rolle revolutionäre SPD-Mitglieder unter dem Vorwand der "Einheit" an die Meinung der Revisionisten zu binden.

Der imperialistische Erste Weltkrieg brachte nicht nur unsägliches Leid über die Arbeiter vieler Länder, sondern verschaffte den Kapitalisten die Möglichkeit, offen gegen Kriegsgegner und Kommunisten vorzugehen. Karl Liebknecht stimmte im August 1914 im Reichstag für die Bewilligung der Kriegskredite, so wie es der Parteivorstand der SPD befahl. So sieht "Einheit um jeden Preis" aus!

Durch den Krieg wurden nicht nur die Arbeiter in den Schützengräben verheizt, sondern begann die Massenverelendung der deutschen Arbeiter: Aussetzung aller Sozialleistungen, Senkung der Löhne, rapide ansteigende Preise für Lebensmittel, Außerkraftsetzung der Verfassung, Militärverwalter statt Behörden, usw. Die SPD forderte die deutschen Proletarier dazu auf, "noch enthaltsamer" zu leben und den Klassenkampf "bis aufs äußerste einzuschränken", um "das Vaterland nicht im Stich zu lassen". Die sozialdemokratischen Gewerkschaften stellten ihre Arbeit ein. Die SPD verkaufte alle Instrumente für die Verteidigung der Interessen der Arbeiter an die deutsche Bourgeoise. Das ist das Handwerk der Revisionisten!

In solch einer Zeit fand sich Karl Liebknecht, ein aufrechter Verteidiger der Interessen des Proletariats, wieder. Über seine Zustimmung der Kriegskredite 1914 sagte er im Nachhinein: "Meine Bemühungen, die Minderheit zu einer Kundgebung ihrer abweichenden Meinung im Plenum zu veranlassen, misslang leider. Mich ganz allein von meinen engsten Freunden aus dem radikalen Lager zu trennen, schien mir damals nicht angezeigt - niemand konnte ja diesen Verfall der Partei vorausahnen (...). Wir (...) standen plötzlich vor einer völligen Zersprengung des radikalen Flügels (...). So fügte ich mich am 4. August mit Zähneknirschen der Mehrheit. Ich habe das selbst von Anfang an aufs tiefste bedauert (...)." - er gestand sich diesen Fehler also ein, dort geschwiegen zu haben und verurteilte das gewissenlose Handeln der "Linken" in der Fraktion, nicht den geringsten Widerstand geleistet zu haben, nur um die "Einheit" nicht zu gefährden. Auch sie verrieten damit das deutsche Proletariat und schickten sie damit in den Krieg gegen andere Völker und in den Tod!

Rosa Luxemburg bezeichnete es treffend: "Die deutsche Sozialdemokratie ist nach dem 4. August 1914 ein stinkender Leichnam."

Den linken Flügel der SPD zersprengte es vollkommen. Er hatte sich in der entscheidenden Situation nicht positioniert und hatte damit seine Existenz vor sich und der Arbeiterklasse überflüssig gemacht. Damit war eine organisierte Antikriegsarbeit vorerst nicht möglich, hinzu kam dann noch die massenhafte Verfolgung von Kriegsgegnern durch das Militär, die Zensur jeglicher fortschrittlicher Schriften und die Verfolgung von aufrechten Vertretern der Arbeiter innerhalb der SPD selbst!

Die deutschen Arbeiter fühlten sich von der SPD verraten und wendeten sich von ihr und ihren Gewerkschaften ab. Viele hielten den Sozialismus für "nicht mehr machbar". Nur einige wenige Gruppen an der Basis leisteten Widerstand, sie formierten sich u.a. in Stuttgart, Bremen, Braunschweig, Gotha, Duisburg, Nürnberg, Leipzig, Stendal, Halle, Berlin und Hamburg. Ihnen waren die Inhalte und Positionen, auf denen Widerstand gegen den Krieg organisiert werden konnte, wichtiger als die "Einheit" in der Verräter-SPD. Besonders viele prinzipientreue Kämpfer fanden sich in der SPD-Jugend. Das wahr kein Wunder, denn Karl Liebknecht engagierte sich bereits sehr lange in der marxistischen Bildungsarbeit unter den Jugendlichen.

Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg machten sich an die Arbeit und luden diverse, damals bekannte Linke der SPD ein. Zu ihnen gehörten u.a. Clara Zetkin, Wilhelm Pieck, Franz Mehring. Insgesamt waren es aber nur acht Funktionäre. Sie wollten trotz ihrer geringen Zahl in der SPD bleiben, eine konsequente Antikriegsarbeit aufnehmen und hatten durch ihre Klarheit sehr schnell Erfolg. Ihnen war es wichtig, den imperialistischen Charakter des Krieges aufzuzeigen, die Lügen der damaligen Medien zu widerlegen und in aller Öffentlichkeit den Verrat der SPD an den Arbeitern anzuprangern.

Doch viele SPD-Linke schlossen sich ihnen nicht an. Sie wollten die "Einheit" nicht gefährden. Sie behaupteten, innerhalb der SPD würden ihre Ideale immer stärker und man dürfe sich nicht durch Schaffung einer eigenen Organisation angreifbar machen(3), sondern müsse in der Partei wirken. Letztendlich würde der Parteivorstand der SPD so tief in die Regierung und den Staat eindringen, sodass er von "innen zerplatzen" würde. Sie fielen auf die Lügen der Zentristen um die Losung der "Einheit" der Partei herein und auch die der Revisionisten, dass ein Sozialismus "erwachsen" könne, bzw. dass der Parlamentarismus dazu führen würde. Die Linken in der SPD waren sich darüber klar, dass es sich um einen imperialistischen Krieg handelte. Allerdings führten ihre Positionen zu keinen Massenaktionen, da sie keine Klarheit über den Charakter der Allseitigkeit dieses imperialistischen Krieges hatten und sich somit in eine Diskussion über "Landesverteidigung" versus "Beendigung des Krieges" verstrickten.

Rückenwind bekamen die Kämpfer um Karl Liebknecht durch Lenins gerade erschienen Aufsatz "Der Krieg und die russische Sozialdemokratie". Er gab eindeutige Antworten auf alle Grundfragen der revolutionären Arbeiterbewegung, auf die Frage nach den Charakter des Krieges und auf die Frage nach der Strategie des Kampfes gegen den Imperialismus. Lenins Losung war: "Die Umwandlung des gegenwärtigen Krieges in den Bürgerkrieg ist die einzig richtige proletarische Losung". Er gab damit international den richtigen Weg an.

Karl Liebknecht formulierte eine treffende Analyse des deutschen Imperialismus: "Einen Wesenszug des Imperialismus, dessen Hauptträger auf dem europäischen Festland Deutschland ist, bildet das wirtschaftliche und politische Expansionsstreben, das immer stärkere politische Spannungen erzeugt." Er analysierte genau, welche Kreise der deutschen Bourgeoisie welche Interessen am Krieg hatten. Die deutsche Schwerindustrie plante schon seit Jahrzehnten die reichen Rohstoffgebiete von Belgien und Französisch-Lothringen einzunehmen. Das deutsche Finanzkapital interessierte vor allem das Osmanische Reich und Syrien. Des weiteren beabsichtigte das deutsche Bankenkapital, die deutsche Reichsmark als weltweite Leitwährung durchbringen.

Mit seiner Analyse widerlegte Karl Liebknecht die von den deutschen Kapitalisten und der SPD verbreitete Propaganda eines "Verteidigungskrieges ums Vaterland".

Lenin sagte über die Situation in Deutschland: "Vom Klassenkampf sprechen wurde verboten - die Klassengegensätze blieben bestehen. Der Befreiungskampf des Proletariats wurde entwaffnet - an der politischen Unterdrückung und wirtschaftlichen Ausbeutung wurde nichts geändert. Der höchst einseitige Burgfriede, den man verkündet, ist nichts als eine stilistische Umschreibung der Worte Belagerungszustand und politische Kirchhofsruhe. Das Postulat "Es gibt keine Parteien mehr!" bedeutet nur: Anerkennung des Proletariats als gleichberechtigtes Kanonenfutter. Was können wir von denen erwarten die nicht einmal in diesen Tagen sich auf ihre politische und soziale Pflicht gegenüber der Masse des Volkes besonnen haben?" (Lenin, LW Bd. 21, S. 248)

Je dringlicher die Situation und erfolgreicher die Gewinnung der Arbeiter im Kampf gegen den Krieg wurde, desto schärfer wurden die Verfolgungen seitens des Staates und der SPD-Führung gegen Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Mit den eigens herausgebrachten "Spartakusbriefen" begannen die aufrechten Vertreter des Proletariats, Klarheit auch in der Bevölkerung zu schaffen.

Karl Liebknecht sprach offen am 16. März 1916 im preußischen Abgeordnetenhaus: "(...) Ans Werk! Sowohl in den Schützengräben wie die im Lande - sie sollen die Waffen senken und sich gegen den gemeinsamen Feind kehren, der ihnen Licht und Luft nimmt." Dies war der Beginn des offenen Bruchs mit den Zentristen, die den Geist der Einheit mit den Opportunisten beschworen. Liebknechts Forderungen waren aber die Beendigung des Krieges und die Entfaltung des Klassenkampfes gegen die Kapitalisten - er gab damit den enttäuschten Arbeitern wieder Hoffnung.

Auf Grundlage dieser Klarheit konnten die Schulungen der verbliebenen linken SPD-Mitglieder und Arbeiter beginnen. Je erfolgreicher sie wurden, desto organisierter mussten sie werden und begannen mit dem Aufbau eigener Strukturen. Mit der Diskussion und Zusammenfassung der notwendigen Schritte entstand eine Art Aktionsprogramm. Damit war der Spartakusbund im März 1916 geboren. Überall in Deutschland entstanden Spartakusgruppen und wurden damit eine eigene Formation innerhalb der SPD.

Ab 1916 verschlechterte sich die wirtschaftliche und militärische Lage für das deutsche Reich deutlich. Die deutschen Militaristen versuchten, mit allem Druck eine Entscheidung herbei zu führen und verpulverten tausende Proletarier-Leben. "Die Dividenden steigen, die Proletarier fallen" so Rosa Luxemburg. Im Februar 1916 waren 670.000 Deutsche im imperialistischen Krieg dahingemordet worden und 1.641.000 verwundet. Die Dividenden stiegen in den zwei Jahren um 35 %, die Reingewinne der Rüstungskonzerne stiegen um mehrere Hundert Prozent!!!

"Erst Klarheit, dann Mehrheit!" wurde die zentrale Losung der Spartakusgruppe. Für sie bedeutete das die Zerschlagung der Lügen der Sozialchauvinisten und die konsequente Abgrenzung gegenüber der Scheinopposition der Zentristen. Mit den Erfolgen der Spartakusgruppe stieg auch die Massenverbundenheit der Organisation. Dies wiederum erhöhte den Druck auf die Opportunisten und diesen gingen die Argumente für ihre Lügen aus.

Am 1. Mai 1916 brachte Karl Liebknecht das berühmte Flugblatt heraus: "Heraus zur Maifeier! Arbeiter, Parteigenossen! Genug des Brudermordes! Der 1. Mai kommt als Mahner, er pocht an eure Herzen, an euer Gewissen (...) Lasst diesen zweiten Maifeiertag des Weltkriegs nicht vorübergehen, ohne ihn zur Kundgebung des internationalen Sozialismus, zum Protest gegen die imperialistische Metzele zu gestalten (...) Fort mit dem ruchlosen Verbrechen des Völkermordes! Nieder mit seinen verantwortlichen Machern, Hetzern und Nutznießern! Unsere Feinde sind nicht das französische, russische oder englische Volk, sondern das sind deutsche Junker, deutsche Kapitalisten und ihr geschäftsführender Ausschuss: die deutsche Regierung! Auf zum Kampfe gegen diese Todfeinde jeglicher Freiheit, zum Kampfe um alles, was Wohl und Zukunft der Arbeitersache, der Menschheit und der Kultur bedeutetet! Schluss mit dem Kriege! Wir wollen Frieden! Hoch der Sozialismus! Hoch die Arbeiter-Internationale! Proletarier aller Länder vereinigt euch!" - um 8 Uhr abends sollten Kundgebungen am Potsdamer Platz in Berlin und in vielen anderen Orten Deutschlands stattfinden. Die Zentristen lehnten eine Teilnahme ab "da nicht genug Massen dahinter stünden". 10.000 Berliner Arbeiter erschienen und formulierten zu ersten Mal in aller Öffentlichkeit "Nieder mit dem Krieg! Nieder mit der Regierung!" In Anbetracht des Belagerungszustandes und der nationalen Hetze ist dies eine beachtliche Leistung des Spartakusbundes.

Karl Liebknecht wurde daraufhin verhaftet.

An diesem Punkt soll die geschichtliche Betrachtung über Karl Liebknecht enden und seine Schlüsse und Inhalte festgehalten werden.

Karl Liebknecht wirkte ab 1914 also in einer offen opportunistischen Partei, in der es drei Flügel gab: Die Revisionisten, die Zentristen und die Parteilinke. Dadurch, dass der linke Flügel sich nie offen positionieren wollte, keinen Widerstand gegen die verräterische Politik der Revisionisten und Zentristen führen wollte, zerfiel er in die Bedeutungslosigkeit.

Die aufrechten Marxisten schufen sich eine lange Zeit über keine eigene Plattform, sondern ordneten sich den Beschlüssen der Revisionisten unter und begleiteten damit ihr zerstörerisches Handwerk. Ohne ein eigenes Sprachrohr, ohne eigene Bildung und ohne eigene Strukturen war die Linke in der SPD atomisiert.

Wer sich dem Verrat am Marxismus, den Verpflichtungen gegenüber den Arbeiter und seinem Gewissen nicht ergeben wollte, der leistete Widerstand, der hielt sich nicht an die Beschlüsse des Parteivorstands, der verwirklichte Marx' Weg weiter - trotz aller Angriffe, der schuf sein eigenes Organ, die Spartakusbriefe, verwirklichte die Bildung der Kader und der Massen, der kämpfte gegen die Lügen der eigenen Parteiführung und der Kapitalisten, der schuf letztendlich aus der Notwendigkeit die eigene proletarische Organisation.

Die "Einheit" mit den Revisionisten führte in den Untergang von 1914 und zum Sterben der SPD als Arbeiterpartei. Die Abgrenzung von Revisionismus und Opportunismus hingegen brachte Massenverbundenheit.

Die Gründung und das Wachstum der Organisation Spartakus in der SPD schaffte stärke und organisatorische Möglichkeiten, die Wahrheit zu verkünden. Das führte letztendlich dazu, dass es bei der Novemberrevolution 1918/19 in einigen Städten tatsächlich eine Führung und einen Erfolg der Revolution gab. Die treu ergebenen Revisionisten und Zentristen, denen die "Einheit" der "verschiedenen Kräfte" so wichtig war, führte die Arbeiter in die Irre und brachten sie wieder zurück in die SPD, zurück in den Sumpf, zurück in den Kapitalismus(4).

Ein Wirken in einer revisionistischen Partei ist also möglich, aber nur, wenn man umgehend versucht, eine eigene Fraktion zu bilden, sich gegen den "Zentralismus" und den Revisionismus wehrt, ihn ignoriert und übergeht, die Bildung entfaltet und offen Stellung zu allen Beschlüssen bezieht. Beschlüsse des Verrates sind für einen Kommunisten niemals bindend, seine Treue zum Marxismus hingegen immer.

Es ist Karl Liebknecht und selbstverständlich weiteren Genossinnen und Genossen wie Rosa Luxemburg, Clara Zetkin, Franz Mehring, Wilhelm Pieck und anderen zu verdanken, dass es einen Spartakusbund überhaupt gab und dass dieser zur Keimzelle der Kommunistischen Partei Deutschlands werden konnte, was eine Voraussetzung dafür war, dass die Kommunisten später in einem Teil Deutschlands tatsächlich den Sozialismus erkämpfen konnten. Dies alles wäre nicht möglich gewesen, hätte er alles erduldet und alle Beschlüsse der rechten SPD-Führung mitgetragen.

Ich frage mich, ob die Demonstranten im Januar 2012 in Berlin-Friedrichsfelde diesem Vermächtnis gerecht werden. Ja, ich frage mich tatsächlich, ob sie eventuell nur eine inhaltsleere Ikone verehren und nicht das Werk und die Konsequenz Liebknechts und Luxemburgs. Oder warum sonst wollen sie sein Vermächtnis nicht umsetzen und vollenden?

Phil Ramcke


Anmerkungen

(1) Man sieht heute bei Leo Mayer (DKP) den gleichen revisionistischen Unsinn, allerdings unter etwas anderem Namen: es heißt jetzt nicht mehr "Ultra-Imperialismus", sondern "Kollektiver Imperialismus" = alter Wein in neuen Schläuchen. Die verwirrende und den konsequenten Kampf der Friedenskräfte behindernde Funktion ist die gleiche.

(2) Auch hier finden sich aktuelle Parallelen - z.B. in dem kursierenden Aufruf an die Regierung der Bundesrepublik Deutschland, sich gegen eine militärische Intervention in Syrien auszusprechen.

(3) Auch in diesem Punkt sind die Parallelen zu den heutigen Verhältnissen nicht zu übersehen, z.B. in der PdL, aber auch in der DKP.

(4) Originalzitat Otto Bauer, zitiert nach: "Proletenpassion", Schmetterlinge, Wien 1977: "Die Regierung stand damals immer wieder den leidenschaftlichen Demonstrationen der Heimkehrer, der Arbeitslosen, der Kriegsinvaliden gegenüber. Sie stand der vom Geist der proletarischen Revolution erfüllten Volkswehr gegenüber. Sie stand täglich schweren, gefahrdrohenden Konflikten in Fabriken, auf den Eisenbahnen gegenüber. Und die Regierung hatte keine Mittel der Gewalt zur Verfügung: die bewaffnete Macht war kein Instrument gegen die von revolutionären Leidenschaften erfüllten Proletariermassen. Keine bürgerliche Regierung hätte diese Aufgabe bewältigen können. Sie wäre binnen acht Tagen durch Straßenaufruhr gestürzt, von ihren eigenen Soldaten verhaftet worden.

Nur Sozialdemokraten konnten diese Aufgabe von beispielloser Schwierigkeit bewältigen. Nur Sozialdemokraten konnten wild bewegte Demonstrationen durch Verhandlungen und Ansprachen friedlich beenden, die Arbeitermassen von der Versuchung zu revolutionären Abenteuern abhalten."

Raute

SYRIEN

Boris V.: Der Tod des Journalisten Gilles Jacquier in Syrien - Glatter Reinfall der französischen Geheimagenten in Homs

Der französische Journalist Gilles Jacquier ist anlässlich einer Reportage in Homs Mittwoch den 11. Januar 2012 getötet worden. Er war nach Syrien gekommen, um über die Ereignisse in Syrien für das Magazin Envoyé spécial (France2) zu berichten.

Überzeugt, dass es keine Terroristengruppen gäbe, sondern nur eine blutig unterdrückte Revolution, hatte er den Schutz des Sicherheitsdienstes verweigert und trug weder Helm noch kugelsichere Weste. Mit seinen Kollegen, die seine Auffassung teilten, hatte er drei Minibusse gemietet und Fixer gefunden, d.h. Einheimische, die im Stande waren, sie zu führen, ihnen zu helfen Termine auszumachen und als Übersetzer zu fungieren.

Gemeinsam hatten sie versucht, Verantwortlichen der Alauiten zu begegnen, bevor sie sich in die von den Aufständischen beherrschte Viertel Bab Amr und Bab Sbah begaben. Als sie im Hotel As-Safir angelangt waren, hatten sie durch Zufall einen Hauptmann getroffen, der ihnen vorschlug, sie mit seiner Abteilung bis zum alauitischen Viertel Najha zu begleiten, wo sie eine Stellvertreterin des Gouverneurs von Homs erwartete. Mit ihrer Hilfe konnten die Journalisten Persönlichkeiten treffen und Passanten befragen. Um 14.45 Uhr hatte die Gouverneursstellvetreterin die Journalisten gebeten, den Platz schnellstens zu räumen, da die Feuereinstellung in der Tat um 15 Uhr genau jeden Tag ihr Ende nahm. Da die Journalisten der belgisch-flämischen Radio-Television (VRT) sich jedoch weiter zu Privatleuten bis zum Viertel Akrama vorgewagt hatten, bewegte sich die Gruppe nur langsam.

Um 15 Uhr, wie jeden Tag, begann erneut die Schlacht. Ein Geschoss explodierte auf der Dachterrasse eines Gebäudes und zerstörte ein Heizölreservoir. Ein zweites Geschoss traf auf eine Schule, ein drittes auf pro-Assad Demonstranten und tötete zwei von ihnen. Die Journalisten stiegen auf die Terrasse, um die Schäden zu filmen. Gilles Jacquier dachte, das Gefecht sei zu Ende und ging mit seinem Kameramann hinunter, um die Leichen der Demonstranten zu filmen. Als er auf der Schwelle des Tores ankam, wurde er mit sechs pro-Assad Aktivisten durch eine vierte Explosion getötet.

In der allgemeinen Verwirrung wurden die Toten und die Verletzten per Auto in Spitäler evakuiert. Allein dieser Zwischenfall verursachte 9 Tote und 25 Verletzte. Die Schlacht von Homs ging mit zahlreichen anderen Zwischenfällen während des Abends und der Nacht weiter.

Auf dem ersten Blick scheint alles klar: Gilles Jacquier ist aus Zufall getötet worden. Er befand sich im schlechten Moment am schlechten Platz. Vor allem machten ihn seine Überzeugungen über die Natur der Ereignisse in Syrien glauben, dass er nur die Regierungskräfte fürchten müsste und er kein Risiko außerhalb der Anti-Regime Demonstrationen einginge. Er hatte daher die Eskorte ausgeschlagen, keinen Helm und kugelsichere Weste benützt, und die schicksalsvolle Stunde des Endes der Feuereinstellung ignoriert. Schließlich hat er die Lage nicht richtig einschätzen können, da er Opfer der Kluft zwischen der Propaganda seiner Kollegen und der von ihm verneinten Realität war.

Unter diesen Umständen versteht man nicht gut, warum Frankreich, das legitimer Weise um eine Untersuchung der Todesumstände seines Landsmannes nachgesucht hatte, plötzlich vorgab, Gilles Jacquier wäre von den syrischen Regierungstruppen ermordet worden und warum Frankreich verweigerte, dass die Autopsie vor Ort und in Gegenwart von Fachleuten stattfände.

Aber für die französische Presse sind die Tatsachen eben nicht so klar: ein Zweifel bleibt bei die Identifizierung der tödlichen Geschosse. Nach der Mehrzahl der Reporter handelt es sich um Mörserschüsse. Die syrische Armee hat übrigens vor Ort die Reste des 82mm-Geschosses gefunden und bestätigt, dass diese Waffe täglich von den Terroristen in Homs benützt wird. Nach gewissen Zeugen jedoch soll es sich bei dem Geschoss um eine von einem tragbaren Abschussgerät aus abgefeuerte Rakete gehandelt haben, und die private Fernsehstation Ad-Dounia hat die Flügel der Rakete gezeigt. In Frankreich glauben die Anti-Assad Leute an den Mörser und beschuldigen die syrische Armee, geschossen zu haben. Die Assad-Anhänger glauben die Raketenversion und beschuldigen die Anti-Assad-Terroristen. Aber letztendlich beweist dieses Detail nichts: natürlich benützt die syrische Armee Mörser, aber nicht von diesem Kaliber und die bewaffneten Gruppen Raketenwerfer, aber nichts hindert beide Parteien, ihre Waffen zu verändern.

Übrigens, falls es sich um Mörserschüsse handelt, haben die zwei ersten erlaubt, für den dritten Schuss die richtige Entfernung einzustellen und für den viertenm, die Demonstranten zu treffen, die ihr Ziel waren. Aber wenn es sich um Raketen handelt, ist es möglich, viel besser zu zielen und ganz genau eine bestimmte Person zu treffen. Die These des Mordes wird möglich.

Die Studie der Bilder und Videos zeigt, dass die Körper der Opfer nicht mit Blut bedeckt und durch Splitter durchlöchert sind, wie im Fall einer Explosion einer Granate, die explodiert, wobei eine Menge Granatsplitter herumfliegen. Die Körper der Toten sind aber intakt, Blut fließt je nach Fall aus der Nase oder den Ohren, wie es der Fall bei einer thermobarischen Rakete ist, deren Druckwelle die Organe zusammendrückt und innere Blutungen bewirkt. Gleichzeitig tragen die Einschläge auf dem Trottoir keine Spuren von Zersplitterung. Letzten Endes ist nur die Hypothese einer Druckwaffe (RPG oder Granate) zulässig, wenn man die auf den Fotos erkennbaren gerichtsmedizinischen Elemente ins Auge nimmt. Als die syrischen Fahnder und die Beobachter der arabischen Liga am Tatort ankamen, haben sie zwei Schwänze von 82 mm Mörsern und einen Raketenschwanz israelischer Herstellung gefunden.

Folglich haben die französischen Autoritäten Recht, wenn sie die Möglichkeit eines Mordes in Erwägung ziehen, - auch wenn es sich für sie eigentlich nur darum dreht, ein Drama auszunützen, um ihre Kriegsambitionen gegen Syrien zu rechtfertigen. Und die französischen Diplomaten haben offenbar die Weisung, sicherzustellen, dass, auch wenn sie selbst die Wahtheit aufdecken sollten, die Syrier sie nicht entdecken. So haben sie jegliche französisch sprechende Person daran gehindert, die Photographin Caroline Poiron zu kontaktieren, Lebensgefährtin von Gilles Jacquier, welche die ganze Nacht bei seiner Leiche wachte. Die junge Frau, im Schockzustand, war nicht mehr im Stande, sich zu beherrschen und hätte zuviel ausplaudern können. Dann haben sie die Autopsie vor Ort verboten und die Leiche schnellstens heimgeholt. Welche aber ist nun die Hypothese über die Ursache des Todes von Gilles Jacquier, die Frankreich für sich selbst prüfen, aber dem Publikum geheim halten will?

Hier beginnt nun unser Sprung in die Welt der westlichen Sonderdienste, die in Syrien "einen Krieg von schwacher Intensität" führen, ähnlich jenen in den 80er Jahren in Zentralamerika oder, viel näher noch, in Libyen, um eine NATO-Intervention vorzubereiten und zu rechtfertigen.

In einem Brief mit France-Télévisions-Briefkopf vom 1. Dezember 2011 hatten die Chefredakteurinnen des Magazins Envoyé spécial - die vom Land meist geschaute politische TV-Sendung - ein Visum beim syrischen Informationsministerium angefragt. Indem sie vorgaben, die Version der Ereignisse, wie sie die syrische Regierung darstellte, nach der "die Soldaten der syrischen Armee Opfer von Hinterhalt und bewaffneten Gruppen seien, die das Land verheere,", prüfen zu wollen, baten sie, dass Jacquier tagaus, tagein die Soldaten der von General Maher el-Assad (Bruder des Präsidenten) kommandierten 4. Panzer-Division, und die von General Wajih Mahmud kommandierte 18. Panzer-Division begleiten könnte. Die syrische Obrigkeit war über die Arroganz der Franzosen überrascht: mit einer Hand führen sie die bewaffneten Gruppen, die die loyalen Truppen angreifen, und mit der anderen versuchten sie, einen militärischen Nachrichtenagenten in ihre Truppen einzuschleusen, um die bewaffneten Gruppen über ihre Bewegungen zu informieren. Dem Antrag wurde nicht stattgegeben.

Nun versucht Gilles Jacquier einen anderen Weg. Er ersucht Hilfe bei einer griechisch-katholischen Schwester, die für ihre Offenheit im Reden bekannt, geschätzt und manchmal von der Obrigkeit gefürchtet war, Mutter Agnès-Mariam de la Croix, Äbtin des Klosters Saint Jacques von Intercis. Sie hatte die erste Pressereise für westliche Journalisten seit dem Anfang der Unruhen organisiert. Die berühmte Religiöse belagerte daher das Ministerium für Information, bis sie ein Visum für Jacquier und seinen Kameramann bekam.

Die Affäre beschleunigt sich am 20. Dezember. Was Gilles Jacquier betrifft, beantragte er ein anderes Visum für seine Gefährtin, die Photographin Caroline Poiron, und für die Reporterin Flore Olivier, die beide für die Zeitschrift Paris-Match arbeiten. Im Ganzen sollte es eine Gruppe von 15 französischen, belgischen, holländischen und schweizer Journalisten sein. Aller Wahrscheinlichkeit nach waren die meisten Franzosen und Holländer, wenn nicht alle, Agenten der DGSE [Direction Générale des Services Extérieurs (französischer Auslands-Geheimdienst)]. Die Zeit wurde für diese Mission knapp.

Kurzer zusammenfassender Rückblick: Um Syrien zu schwächen, unternehmen von der NATO bewaffnete Gruppen verschieden Sabotageaktionen. Obwohl das historische Zentrum der Muslimbrüderrebellion Hama ist, und nur zwei Viertel von Homs sie unterstützen, hat die NATO diese Stadt ausgesucht, um ihre geheimen Handlungen dort zu konzentrieren. Tatsächlich ist sie im Zentrum des Landes und bildet den Hauptknotenpunkt des Verkehrs und der Versorgung.

Auf einander folgend haben "Revoluzzer" die Pipeline zerstört, anschließend wurden die kanadischen Ingenieure, die die elektrische Zentrale führten, abgezogen und nach Hause transportiert. Zuletzt wurden fünf iranische Ingenieure, die mit der Wieder-Instandsetzung der Zentrale beauftragt waren, am 20. Dezember 2011 entführt.

Die Medien haben bezüglich der iranischen Geiseln eine Forderung einer mysteriösen "Brigade gegen die schiitische Ausdehnung in Syrien" bekommen. Dann hat die iranische Botschaft bestätigt, mit den Geiselnehmern Verhandlungen aufgenommen zu haben. Die Botschaft wartete auf einen "Lebensbeweis", z.B. eine datierte Fotographie der Geiseln in guter Gesundheit. Gegen alle Erwartung wurde diese nicht direkt an die islamische Republik geschickt, sondern von Paris-Match (Ausgabe vom 5. Januar) veröffentlicht. Eine Fotografin dieser Zeitschrift, sagte man, wäre geheim nach Syrien gereist und hätte dieses Foto machen können. Wie auch immer, die Meldung war klar: die Ingenieure sind am Leben und die Geiselnehmer werden von den französischen Behörden kontrolliert. Es gab keine offizielle Reaktion, weder auf der einen, noch auf der anderen Seite. Das heißt, die Verhandlungen gehen weiter.

Nun zurück zu Gilles Jacquier: In Damaskus angelangt, wurden die oben beschriebene Gruppe der französischen und niederländischen Medienvertreter durch die Autoritäten in verschiedenen Hotels untergebracht, aber Jacquier hat sie alle sofort im Fardos Tower Hotel versammelt. Die Managerin dieses Hauses ist niemand anderer als Roula Rikbi, Schwester von Bassma Kodmani, Sprecher des in Paris sesshaften Syrischen National-Rates. Das Hotel dient den französischen Geheimdiensten als Unterschlupf.

Kurz zusammengefasst: Ein französischer Militärnachrichtenagent, dessen Gefährtin eine Photographin ist, deren Kollegin mit den Geiseln in Kontakt kommen konnte, hat eine Gruppe von "Journalisten" gebildet, die eine mit den Geiseln zusammenhängende Mission haben, wahrscheinlich ihre Auslieferung durch die Franzosen an die Iraner. Sie haben sich nach Homs begeben, nachdem sie die Sicherheitsdienste abgeschüttelt hatten, aber der Chef der Mission wurde getötet, bevor er den vorgesehenen Kontakt aufnehmen konnte.

Man versteht, dass unter diesen Umständen der Botschafter Frankreichs nervös geworden ist. Er durfte mit Recht annehmen, dass Gilles Jacquier von Mitgliedern der bewaffneten Gruppen ermordet wurde. Der Botschafter Frankreichs bemühte sich also, die Syrier an einer Untersuchung des Todesfalls zu hindern. Wider die internationalen Normen verweigerte er, dass die Autopsie vor Ort und in Gegenwart von Fachleuten vorgenommen wurde. Die Syrier akzeptierten, die Regel nicht einzuhalten mit der Bedingung, eine Röntgenaufnahme machen zu können. In Wirklichkeit benützten sie die Situation, um die Leiche aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu fotografieren.

Dann nahm der Botschafter die französischen und niederländischen "Journalisten", und die sterblichen Überreste des Toten in seinem gepanzerten Wagen mit. Er fuhr mit ihnen ab, von einer großen Eskorte begleitet, und ließ die Oberschwester und einen Journalisten der AFP (Agence France Presse) sprachlos auf der Stelle: der eilige Diplomat hatte seine Agenten aufgelesen und die Zivilleute im Stich gelassen. Der Konvoi fuhr beim Hotel As-Safir in Homs vorbei, die persönlichen Sachen von allen einzusammeln, und erreichte die Botschaft in Damaskus. So schnell wie möglich gelangte er zum Flugplatz, wo ein Spezialflugzeug vom französischen Verteidigungsministerium die Agenten zum Flughafen von Paris-Le Bourget brachte.

Die Geheimagenten gaben nicht mehr vor, eine Reportage in Syrien zu machen, sie vergaßen, dass sie eine Visumverlängerung erhalten hatten, sie flohen einfach, bevor die Syrier der missglückten Operation auf die Spur kämen. In Paris angekommen, wurde die Leiche sofort dem Gerichtsmedizinischen Institut übergeben und noch vor der Ankunft der von Syrien beauftragten Fachleute seziert.

Um die französischen Journalisten (die wahren) zu hindern, ihre Nase in diese Affäre zu stecken, haben die "Journalisten" (die falschen), die Jacquier begleiteten, als sie in Frankreich angekommen waren, zahlreiche widersprüchliche Aussagen gemacht, indem sie unverschämt logen, um Verwirrung zu schaffen und einer klaren Antwort auszuweichen. Also, obwohl acht pro-Assad-Demonstranten getötet wurden, spricht Jacques Duplessy von "einem Hinterhalt, in welchen die syrischen Autoritäten sie gelockt hätten", um ihn mit seinen Kollegen zu eliminieren. Nach Überprüfung kam heraus, dass J. Duplessy niemals wirklich Journalist war, aber er lange Zeit für eine NGO gearbeitet hat, die bekannt ist, als Tarnung für ... die DGSE zu fungieren.

Für die Iraner und die Syrier ist der Tod von Jacquier eine Niederlage. Sie hatten gehofft, durch die Maßnahme, die Gruppe der französischen Spione frei laufen zu lassen und sie diskret zu überwachten, die Geiselnehmer zu finden und gleichzeitig die Geiseln zu befreien und die Kriminellen zu verhaften.

Seit einem Jahr stehen die französischen Geheimdienste im Dienste des US-Imperialismus. Sie haben den Beginn eines Bürgerkrieg in der Elfenbeinküste angezettelt. Nachher haben sie den Separatismus von Cyrenaika hervorgerufen, um eine Anti-Ghaddafi-Revolution vorzutäuschen und sich Libyens zu bemächtigen. Jetzt kommandieren sie gerichtlich verurteilte Kriminelle, von Katar und Saudi-Arabien angeheuert, um in Syrien Terror zu verbreiten, gleichzeitig die syrische Regierung zu beschuldigen und zu bedrohen, um einen Regime-Change vorzubreiten.

Es ist nicht sicher, dass das französische Volk es schätzt, dass Nicolas Sarkozy sein Land zu einem vulgären Geiselnehmer gemacht hat. Und man sollte sich nicht wundern, wenn ein Staat, der Terrorismus bei Anderen betreibt, eines Tages ihn auf eigenem Boden zu spüren bekommt.


Quelle: New Orient News (Libanon), Redaktion GEHEIM
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Thierry Meyssan: Was geschieht gerade in Syrien? Wer steckt dahinter und mit welchen Absichten?

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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ITALIEN

Gerhard Feldbauer: EU-Spardiktat gibt Italiens Sezessionisten neuen Auftrieb

Lega-Chef Bossi droht mit Abspaltung Padaniens

Das EU-Spardiktat gibt Sezessionisten in Italien neuen Auftrieb. Die römische »Repubblica« publizierte am Dienstag Drohungen des Lega-Chefs Umberto Bossi und warnte: Mit eigenem »Parlament, Armee und Währung. Die separatistische Lega kehrt zurück«.

Die Entwicklung findet vor dem Hintergrund der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise statt, deren Hauptlasten den arbeitenden Menschen, den Ärmsten und den Rentnern aufgebürdet werden. Ein Teil wird aber auch auf das Budget der Verwaltungen der Regionen und Kommunen abgewälzt. Die Immobiliensteuer trifft auch unterschiedliche Kapitalkreise.

Historisch bedingt konzentriert sich bis heute das Industrie- und Finanzkapital im Norden des Landes, während der Süden seit der Nationalstaatbildung 1860/70 als Reservoir von Agrarprodukten und billigen Arbeitskräfte in bitterster Armut das Dasein eines Entwicklungslandes fristet, abhängig von den Almosen, die Rom ihm aus dem Norden zukommen lassen muß. In hanebüchner Umkehrung der Tatsachen soll der Süden jetzt für den Staatsbankrott verantwortlich gemacht werden.

Mit einflußreichen Kapitalkreisen im Hintergrund wollen sich die wohlhabenden Regionen Norditaliens dem Spardiktat entziehen. Der Landtag des Alto Adige (Hohe Etsch/Südtirol) will sich den »finanziellen Belastungen« durch die Sparmaßnahmen widersetzen. In Wien, das Südtirol nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg an Italien verlor, verkündete die FPÖ im Nationalrat, Österreich müsse »Südtirol die Möglichkeit geben, sich dem italienischen Abwärtstrudel zu entziehen«. Als erster Schritt soll Südtirolern die österreichische Staatsbürgerschaft gewährt werden.

Die Lega Nord, die bei den letzten Parlamentswahlen 2008 im Norden teilweise 25 und mehr Prozent der Stimmen erzielte und auch in zwei Regionen, mehreren Provinzen sowie Städten und Gemeinden regiert, hat angekündigt, die neue Immobiliensteuer zu boykottieren. Legachef Umberto Bossi, unter Berlusconi Vizepremier, will mit der Einführung einer eigenen Währung die Bildung eines norditalienischen Separatstaates Padanien einleiten. Lega-Abgeordnete wollen ein eignes Parlament bilden, die »Camice Verde« (Grünhemden), eine bewaffnete Miliz der Lega, soll Grundstock einer eigenen Armee werden. Führende Militärs, so Bossi, zeigten Interesse an dem Projekt.

Das ist durchaus ernst zu nehmen, entstand die Lega doch 1991 unter dem Slogan »Weg vom Rom« - und hin zu Deutschland. Den Hintergrund bildete die im Ergebnis des Zusammenbruchs der sozialistischen Länder Europas vor allem von der BRD-Regierung favorisierte Zerstückelung Jugoslawiens, die Spaltung der Tschechoslowakei und die nach der Einverleibung der DDR wiedererwachende deutsche Großmachtrolle. Die Lega entstand im Februar 1991 aus den sechs regionalen Ligen der Lombardei und des Veneto (beide einst Teile des Habsburger Reiches), Piemonts, Liguriens, der Emilia Romagna und der Toskana. Sie propagierte von Anfang an die Bildung eines Separatstaates, als dessen historische Wurzeln sie die Zugehörigkeit der Norditaliener zu Langobarden, Kelten und Franken anführte.

Durch dieses Konzept schimmerte die berüchtigte faschistische Blut- und Boden-Ideologie, an deren Stelle lediglich die etwas weniger diskreditierten ethnischen und kulturellen Differenzen traten. Zum Programm der Lega wurde ein offener Rassismus, auch gegenüber den Süditalienern. Er gipfelte beispielsweise in der Hetze gegen den Fußballclub von Neapel, der in Mailand von Lega-Anhängern mit Spruchbändern empfangen wurde, auf denen stand: »Was Hitler mit den Juden gemacht hat, wäre auch das Richtige für Napoli« oder »Keine Tierversuche - nehmen wir Neapolitaner«.

Zu den Kritikpunkten gehörte schon damals die Subventionierung des armen Mezzogiorno durch den »reichen Norden«. Die Forderungen der Lega, die streckenweise »abgeschwächt« wurden auf regionale Autonomie bis hin zu föderalen Strukturen, entsprachen schon damals den ökonomischen Interessen der großen Konzerne, sich am supranationalen »Alpengroßraum« der EU zu beteiligen. Unter diesen Gesichtspunkten zählte FIAT zu den Protegés der Lega.

Das Lega-Konzept ordnete sich in den neu entbrannten Kampf des europäischen und US-amerikanischen Kapitals um Einflußsphären ein. Das wurde an der Position des damaligen deutschen Außenministers Genscher sichtbar, der in Bezug auf Italien betonte, sein nördlicher Teil werde entdecken, »daß er mehr gemeinsame Interessen mit Süddeutschland als mit Süditalien hat«. Die »International Herald Tribune« gab die Meinung aus Washington wider und warf Deutschland eine Ausdehnung seines Einflusses über Österreich nach Süden bis Mailand vor. Der Mailänder »Corriere della Séra« sprach ebenfalls unverblümt einer Politik »der Neuaufteilung des europäischen Raumes und der Eroberung neuer Einflußsphären«, die innerhalb eines »historischen Raumes« stattfänden.

Diese Aspekte haben sich im Zusammenhang mit der von Berlin forcierten Rettungsschirmpolitik der EU und der daraus resultierenden enorm vorangetriebenen deutschen Vorherrschaft noch mehr verstärkt. Unter dem Interimspremier Mario Monti sucht das italienische Kapital Anschluß an Deutschland, die führende europäische Wirtschaftsgroßmacht. Dabei wollen die italienischen Kapitalisten das eigene Gewicht stärken und den »Ballast des Südens« loswerden.

Gerhard Feldbauer

Raute

Gerhard Feldbauer: Bereits im Dezember 1946 konnten die Mussolini-Faschisten ihre Partei wieder gründen. Wie konnte das geschehen?

Ihren vorläufigen Abschluss fand die Etappe der Reorganisation des Faschismus in Italien mit der offiziellen Wiedergründung der faschistischen Partei am 26. Dezember 1946. Dazu versammelten sich in Rom im Büro des ehemaligen Leiters der faschistischen Parteizentrale der Hauptstadt, Arturo Michelini, führende Mussolini-Faschisten mit dem früheren Staatssekretär des "Duce", Giorgio Almirante, an der Spitze. Dieser war ein führender Rassenideologe, unter anderem Mitherausgeber der faschistischen Tageszeitung "Tevere" und des Rassenhetzblattes "Difesa della Razza", der noch kurz vor Kriegsschluss einen "Genickschusserlass gegen Partisanen" unterzeichnet hatte. Die Gründer tauften die Partei auf den Namen Movimento Sociale Italiano, was eine Beziehung zur Repùbblica Sociale Italiano und - durch die Abkürzung MSI - zum Namen Mussolinis herstellen sollte. Zum Parteisymbol wählte die "Sozialbewegung" einen schwarzen Sarg, über dem eine Flamme in den Farben der italienischen Trikolore loderte. Es sollte, wie die MSI offen propagierte, darstellen, dass "Mussolinis Seele aus dem Sarg emporsteigt, um seine Nachfolger zu ermutigen".(7)


Der Faschismus wurde gebraucht

Wie konnte es dem italienischen Faschismus nach Kriegsende 1945 gelingen, sich weitgehend intakt über seinen politischen und militärischen Zusammenbruch hinwegzuretten und den neuen Bedingungen anzupassen? Sucht man nach den Ursachen dieser Kontinuität, stößt man auf die Fortdauer seines Gebrauchtwerdens. Hauptverantwortlich für diese Entwicklung waren die USA, die sich zur Verhinderung einer antifaschistisch-demokratischen Umwälzung von Anfang an auch auf die faschistischen und andere mit ihnen gemeinsam handelnden reaktionären Kräfte stützten. Die Publizisten Roberto Faenza und Marco Fini schrieben in ihrem Buch "Die Amerikaner in Italien": "Während es das State Department und die amerikanischen Gewerkschaften waren, die direkt den 'demokratischen' Parteien von den Christdemokraten bis zu den Sozialdemokraten halfen (also sie finanzierten), wurden hauptsächlich die Militär- und Geheimdienste beauftragt, die Rechten zu unterstützen (also sie zu bewaffnen und zu besolden) (...)". Die Autoren heben hervor, dass seitens der Geheimdienste James Angleton, Chef des Office of Strategic Services, des Vorläufers der CIA, in Rom, die Fäden der Verbindungen persönlich in der Hand hielt.(8) Giuseppe Gaddi, Mitglied der IKP-Leitung, schrieb, dass die gewährte Unterstützung sich direkt auch auf die bereits im August 1945 an die Öffentlichkeit getretene Sammlungsbewegung der Mussolini-Faschisten Uomo Qualunque erstreckte. Die westlichen Alliierten, "die sich anschickten, den Kalten Krieg gegen die UdSSR zu entfesseln, lehnten den Beitrag derjenigen, die sich mit gutem Recht als die Vorkämpfer im Kampf gegen den Kommunismus bezeichnen konnten, in keiner Weise ab."(9) Bezeichnend war, dass die USA während der Pariser Friedensverhandlungen, die zum Abschluss der Verträge vom 10. Februar 1947 führten, für Italien die von der UdSSR geforderte Klausel ablehnten, jemals wieder faschistische Organisationen zu erlauben und Kriegsverbrechen nicht ungesühnt zu lassen, während sie diese für die im sowjetischen Einflussreich liegenden Staaten Finnland, Rumänien, Ungarn und Bulgarien akzeptierten.(10)


USA verhinderten Entfaschisierung

Ein schwer wiegender Aspekt für die Kontinuität des italienischen Faschismus nach seiner Niederlage 1945 war, dass die USA im Bündnis mit den Kräften der inneren Reaktion eine Säuberung des Staatsapparates und des politischen Lebens von Faschisten verhinderten. Vor allem dadurch war es den Kräften des faschistischen Regimes - soweit sie nicht zur DC oder zu anderen bürgerlichen Parteien übergingen - möglich, sich unmittelbar nach Kriegsende neu zu sammeln, sich politisch und organisatorisch wieder zu formieren, sich als Bewegung weit gehend intakt über die Niederlage hinwegzuretten und sich den veränderten Bedingungen anzupassen. Der Schwerpunkt des Vorgehens der äußeren und inneren Reaktion lag auf der Verhinderung von Reformen im Staatsapparat, so in der Verwaltung, der Justiz, dem Bildungswesen und in den bewaffneten Kräften sowie im wirtschaftlichen Bereich, die einen entscheidenden Bestandteil einer Entfaschisierung hätten bilden müssen. So blieb der staatliche Verwaltungsapparat größtenteils in den Händen entweder direkt faschistischer oder profaschistischer Kräfte. Bereits nach der Besetzung Süditaliens im Sommer 1943 hatten die westlichen Alliierten in den Städten und Gemeinden lediglich die faschistischen Präfekten und Bürgermeister ihres Amtes enthoben, den übrigen örtlichen und zentralen Staatsapparat jedoch voll aufrecht erhalten. In Norditalien wurden mit dem Amtsantritt der Regierung De Gasperi die Verwaltungen des CLN,(11) die bis dahin Organe der Regierung waren, größtenteils durch die alte faschistische Administration ersetzt und der gesamte exekutive Machtapparat mit vorwiegend alten Beamten aus der Zeit des Faschismus restauriert.(12)

Im militärischen Bereich ordnete die Militärregierung die Auflösung der Partisanenarmee an. Die Furcht vor dem antifaschistischen Geist ging so weit, dass sie selbst die unter ihrem Kommando während des Krieges in Süditalien aufgestellten regulären italienischen Truppenteile demobilisierte. Für den Aufbau der bewaffneten Kräfte der Italienischen Republik (Armee, Polizei, Geheimdienste) wurden aus diesen Einheiten nur die hohen Offiziere aus der Zeit des Faschismus verwendet sowie solche, die sich dem Restaurationskurs der reaktionären Kräfte unterordneten. Darüber hinaus wurden auch Militärs der Salò-Republik(13) in Dienst behalten.


11.800 verurteilte führenden Faschisten freigelassen

Weitgehend unangetastet wechselte der faschistische Justizapparat in den Dienst des bürgerlich-parlamentarischen Systems über. Bereits im Juni 1945 löste die Militärregierung das "Hohe Kommissariat zur Verfolgung von Regimeverbrechen" auf. Das führte unter anderem dazu, dass die meisten der aktiven Faschisten, die in der eingeleiteten - aber bald abgebrochenen - Phase der Entfaschisierung vor Gericht gestellt worden waren, freigesprochen bzw. die Urteile aufgehoben oder die Betroffenen amnestiert wurden. Das betraf den Großteil von 11.800 führenden Faschisten, die von "mit ihrer Ideologie eng verbundenen Richtern, vor allem Berufungsrichtern, freigelassen wurden. Darunter befand sich fast der gesamte Stab der Salò-Republik".(14) Heftig umstritten war unter der Basis der Arbeiterparteien und den Partisanen die 1947 beschlossene Amnestie der "nationalen Befriedung", die unter Togliatti als Justizminister zustande kam. Der Erlass sah vor, die Faschisten, die "wichtige öffentliche, politische oder militärische Führungsfunktionen" innegehabt hatten, von der Amnestie auszuschließen. Nach den Prozessakten jener Jahre, schrieb der kommunistische Jurist und Verfolgte des Faschismus, Alberto Malagugino, "hat jedoch kein Faschist je wichtige politische oder öffentliche Funktionen innegehabt, selbst die Minister der sozialen Republik nicht".(15) Zu den Freigelassenen gehörte beispielsweise der Chef der berüchtigten Decima Maas, der zur Partisanenbekämpfung eingesetzten 10. italienischen Torpedoboot-Flottille, Fürst Valerio Borghese, der wegen wenigstens 800-fachen Mordes verurteilt worden war. Bei Kriegsende war Borghese, wie zahlreiche weitere Salò-Verbrecher auch, vor der Erschießung durch ein Partisanenkommando von amerikanischen Offizieren gerettet worden.(16) Zu beträchtlichen Teilen übernahm die Italienische Republik auch die faschistische Gesetzgebung.(17)


Antifaschisten und Partisanen vor Gericht gezerrt

Während der weit gehend intakt gebliebene faschistische Justizapparat die eigenen Gesinnungsgenossen von ihren Verbrechen freisprach oder außerordentliche Milde walten ließ, zerrte er bereits unmittelbar nach Kriegsende unzählige Antifaschisten und Partisanen vor Gericht und verurteilte sie wegen "Übergriffen" zu langjährigen Haftstrafen. Selbst den Oberst der Partisanenarmee, Walter Audisio, der das Exekutionskommando befehligt hatte, welches an Mussolini und seiner Begleitung das vom Befreiungskomitee verhängte Urteil vollstreckte, wollte die Justiz vor Gericht stellen, weil dabei auch Clara Petacci, die Geliebte des Duce, auf die sich das Todesurteil nicht erstreckte, ums Leben kam. Audisio entging der Verurteilung nur, weil er als Parlamentarier Immunität genoss, welche die Abgeordnetenkammer nicht aufhob.

Ebenso wie die politische blieb auch die ökonomische Macht des Großkapitals, die über 20 Jahre die Basis des Faschismus gebildet hatte, unangetastet. Dank des Eingreifens der USA wurden alle Versuche der revolutionären Kräfte, die Macht dieser Basis einzuschränken, sabotiert und zu Fall gebracht. Ein typisches Beispiel dafür war die Sabotage einer antifaschistisch-demokratischen Finanzpolitik und der Währungsreform, mit denen die Konzerne zusätzlich besteuert, die Regime- und Kriegsgewinnler finanzpolitisch verfolgt, spekulative Gewinne konfisziert, damit eine inflationäre Entwicklung gestoppt und die Lasten des Wiederaufbaus primär auf die besitzenden Klassen verteilt werden sollten.(18) Die US-Militärbehörden halfen, faschistische Industrielle vor der Strafverfolgung durch das CLN in Sicherheit zu bringen. So wurde beispielsweise der faschistische Betriebsleiter des FIAT-Konzerns und damit des größten Kriegsproduzenten, Vittorio Valletta, der in der Salò-Republik aktiv an der Niederhaltung des Arbeiterwiderstandes beteiligt war, von amerikanischer Militärpolizei vor der Festnahme durch das CLN in Sicherheit gebracht.(19) Auf Anweisung der Militärregierung wurden die Fabrikräte aufgelöst, die das CLN in Norditalien in vielen Unternehmen, die von ihren Besitzern zunächst verlassen worden waren, eingesetzt hatte. Die abgesetzten Direktoren wurden vorübergehend durch konzerntreue kommissarische Leiter ersetzt, bis die Unternehmer bzw. ihre Manager selbst auf ihre Posten zurückkehrten. Der antifaschistische Publizist Vittorio Foa fasste den Prozess der Restauration des Monopolkapitals so zusammen: "So wurden mit der ersten Regierung De Gasperi die von den Befreiungskomitees gewählten Präfekten und Polizeipräsidenten ab- und die alten Karrierebeamten wieder eingesetzt, die Entfaschisierung liquidiert, die schlimmsten faschistischen Folterer begnadigt, der Verfassungsgebenden Versammlung keine Gesetzesbefugnisse zugestanden und so jedem demokratischen und Volkseinfluss der Weg versperrt."(20)


MSI - Die Wiedergründung der Mussolinipartei

In diesem Klima wagten sich die alten Mussolini-Faschisten, die sich unmittelbar nach Kriegsende aus Angst vor einer Bestrafung zunächst ruhig verhalten hatten, wieder an die Öffentlichkeit. Parallel zu der offen als ihre Sammlungsbewegung agierenden Uòmo Qualunque entstanden eine Vielzahl halblegaler und zumeist paramilitärisch aufgebauter faschistischer Organisationen. Sie nannten sich "Stoßtrupps Mussolinis", "revolutionäre Aktionsbünde der Liktoren", "antibolschewistische Front", "nationale Arbeiterpartei", sozialistische republikanische Partei", "nationale Einheitspartei" und führten ähnliche mehr oder weniger offen an den Antikommunismus und die faschistische Demagogie anknüpfende Namen.(21) Nationalistische "Einheits- und Befreiungslosungen" wiesen bereits auf den Kampf gegen den "Verzichtsfrieden", auf den Revanchismus und innenpolitisch auf einen "klassenlosen" und "überparteilichen" Zusammenschluss hin. Gemeinsamer Nenner der faschistischen Gruppen war ein extremer Antikommunismus, seit jeher das Kernstück jeder faschistischen Ideologie. Bezeichnungen wie "Stoßtrupps", "Kampfbünde", "Sturmabteilungen", "Front" oder "Geheimarmee" propagierten die Beibehaltung des faschistischen Terrors, des "Untergrundkampfes" und der "Subversion", die in der Folgezeit zu den hervorstechenden Wesensmerkmalen des italienischen Nachkriegsfaschismus gehörten.(22)

Neben der Verbreitung seiner Propaganda demonstrierte der Faschismus sofort nach Kriegsende durch Terror und spektakuläre Aktionen seine Kontinuität, um damit breite Bevölkerungsschichten einzuschüchtern, progressive bürgerliche Kräfte unter Druck zu setzen und die rechten Kreise der führenden bürgerlichen Partei, der Democrazia Cristiana, bei der Bremsung und Verhinderung eines antifaschistischen Demokratisierungsprozesses zu unterstützen. Besonderes Aufsehen erregende Aktionen waren die Entführung des Leichnams Mussolinis vom Mailänder Friedhof am 23. April 1946, dem Vorabend des 1. Jahrestages seiner Hinrichtung, und der Überfall auf den römischen Rundfunksender Monte Mario und die Ausstrahlung der faschistischen Hymne "Giovinezza".(23) Die Aktionen des Faschismus zeigten, dass dieser auch nach der Beseitigung der Mussolini-Diktatur von einflussreichen Finanzkreisen unterstützt wurde. Allein Uòmo Qualunque konnte eine gleichnamige Tageszeitung mit über 100.000 Exemplaren, eine Wochenzeitschrift "La Rivòlta ideale" sowie massenweise Broschüren und Flugblätter verbreiten.(24)


30 Faschisten zogen in die Nationalversammlung ein

Die Faschisten konnten so kurz nach Kriegsende eine wichtige Schlussfolgerung ziehen: Sie durften nicht nur Kommunisten, Sozialisten und die antifaschistische Widerstandsbewegung mit ihrem Gedankengut, sondern auch die neuen bürgerlich-demokratischen Institutionen ohne ernsthaften Widerstand seitens des Staates oder Konsequenzen der Besatzungsmacht angreifen und diffamieren. Der Faschismus demonstrierte dem Großkapital inner- und außerhalb des Landes, dass er, obwohl er seine Funktion als staatsbeherrschende Partei verloren hatte, eine ernst zu nehmende politische Kraft blieb, die in der Lage war, beträchtliche Bevölkerungsschichten und damit die Nachkriegsentwicklung zu beeinflussen. Das zeigte sich offen sichtbar an den Wahlergebnissen zur Verfassungsgebenden Versammlung. Die Jedermann-Bewegung konnte ungehindert kandidieren, erreichte mit über 1,2 Millionen Wählern 5,3 Prozent der Stimmen und zog mit 30 Vertretern in die Konstituierende Versammlung ein. Zusammen mit den Monarchisten, die auf 6,8 Prozent kamen, und anderen reaktionären Splittergruppen stellte sie in der Konstituante eine wichtige Reserve der DC und anderer bürgerlicher Parteien bei der Verteidigung der Machtpositionen des Kapitals in der Verfassung dar. Kontinuierlich erhielt der Faschismus so seinen Platz und seine Funktion unter der bürgerlich-parlamentarischen Herrschaftsform des italienischen Kapitals.


Kriegsverbrecher wurde MSI-Vorsitzender

Mit Uomo Qualunque und anderen Organisationen testeten die Mussolini-Faschisten den Zeitpunkt der Neu- bzw. Wiedergründung ihrer Partei. Der Altfaschist Pino Romualdi, ein unehelicher Sohn Mussolinis, beschrieb die Rolle von Jedermann bei der Vorbereitung so: "Uòmo Qualunque, dessen Aktionen zum größten Teil von unseren Leuten unterstützt wurden und oft auch unter ihrer direkten Teilnahme und Anleitung stattfanden, deckte einmal die Vorbereitung unserer wirklichen Partei, in welche die Kräfte von Uòmo Qualunque dann eingingen, und erprobte zum anderen, wie die Italiener auf eine hämmernde und intelligente Propaganda reagierten, die bereits damals die kleinmütigen Bestrebungen, das niedrige moralische und politische Niveau der Parteien, ihrer Führer und der anderen wichtigen Männer der kurzatmigen, alten und falschen italienischen Demokratie entlarvten."(25)


Bekenntnis zur ununterbrochenen faschistischen Kontinuität

Zu den Grundlagen ihres Wirkens erklärte die Sozialbewegung das faschistische Parteiprogramm von 1919 und die unter dem Namen "Manifest von Verona" bekannt gewordene Erklärung Mussolinis anlässlich der Gründung der RSI. Mit der Festlegung im Parteistatut, "die soziale Idee in der ununterbrochenen historischen Kontinuität fortzuführen", legte die MSI ein weiteres Bekenntnis zum Mussolini-Faschismus ab. Kontinuität auch in Personalfragen: Zum Nationalsekretär wurde Giorgio Almirante und zum Parteivorsitzenden der bereits erwähnte Kriegsverbrecher Valerio Borghese gewählt. Die MSI wurde so, wie die Nummer Zwei der Bewegung, der RSI-Kämpfer Pino Rauti, später einschätzte, dank derer gegründet, "die weiter glaubten" und "unbeugsam Rache" forderten.(26) Mit der Sozialbewegung entstand eindeutig die verbotene faschistische Mussolinipartei wieder, was gegen eine Übergangsbestimmung der Verfassungsgebenden Versammlung verstieß, die lautete: "Wer die aufgelöste faschistische Partei in irgendeiner Form, sei es als Partei, Bewegung oder paramilitärische Organisation, wieder gründet und militärische oder paramilitärische Gewalt als Mittel für den politischen Kampf anwendet sowie die Ziele der aufgelösten faschistischen Partei verfolgt, wird mit Gefängnis von zwei bis 20 Jahren bestraft."(27) Die MSI entstand als eine "Partei traditionell faschistischen Typs, deren Grundstock (...) Kader der faschistischen Bewegung aus Hitlers und Mussolinis Zeiten, die persönlich mit den faschistischen Regimes verbunden waren", bildeten.(28)

400.000 MSI-Mitglieder

Von dieser Kontinuität ausgehend, schätzte die Féderation Internationale des Résistants ein: "In Italien ist der Neofaschismus keine neue Erscheinung. Einige Monate nach dem Ende des Krieges war er bereits da. Man kann sagen, dass die Kontinuität eigentlich kaum eine Störung aufwies." Die FIR hielt es deshalb für angebracht, von "Faschismus" und nicht von "Neofaschismus" zu sprechen.(29) Die italienischen Faschisten sahen das selbst auch so. Die MSI-Zeitschrift "La Legione" stellte 1973, ausgehend von der "verdienstvollen" Zugehörigkeit der Altfaschisten zum Mussolini-Regime und besonders zur RSI sowie dem Bekenntnis der MSI dazu, klar: "Wir sind keine Neofaschisten, sondern Faschisten".(30)

Binnen weniger Wochen strömten der MSI Zehntausende alte Mussolini-Anhänger zu und sicherten ihr eine bestimmte Massenbasis. Auf öffentlichen Versammlungen und Kundgebungen konnten die alten Mussolini-Faschisten ungehindert auftreten. Vor allem in den Arbeiterregionen Nord- und Mittelitaliens provozierten sie schwere und blutige Zusammenstöße. Im Oktober 1947 wurde MSI-Führer Almirante wegen Verherrlichung des Faschismus in der Öffentlichkeit zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, jedoch sofort amnestiert. 1947 war die Partei in fast allen Regionen(31) organisiert und schuf bereits Jugendgruppen, Verbände der RSI-Kämpfer und andere faschistische Zweigorganisationen. Allein ihre Gewerkschaft CISNAL zählte rund eine Million Mitglieder. Insgesamt verfügte die MSI aufgrund ihrer Organisationsstruktur, ihrer straffen Disziplin und ihres Befehlssystems schon bald über einen gut funktionierenden und für Straßenaktionen jederzeit einsetzbaren Apparat. Bereits in den 60er Jahren zählte die Partei rund 300.000 Mitglieder und verfügte über 4.335 Sektionen (Basisorganisationen). Nach ihrem Zusammenschluss mit der Monarchistischen Partei 1972 stieg ihre Mitgliederzahl auf 400.000 an.(32)


Bürgerlicher Staat und Faschismus

Die späteren Versuche, die faschistische Gefahr zu verneinen oder zu verharmlosen, fanden vor allem deshalb Gehör, weil die Faschisierungsprozesse im parlamentarischen Rahmen vor sich gingen und von rechten bürgerlichen Kräften mitgetragen wurden, was ihnen ein demokratisches Aushängeschild verschaffte. Das hat bereits Mussolini nach dem "Marsch auf Rom" praktiziert, als er mit dem Parlament und an der Spitze einer Koalition mit bürgerlichen Parteien regierte, ehe er 1926 zur offenen Diktatur überging. Von diesen Erfahrungen ausgehend, agierten die Mussolini-Faschisten nach 1945 ebenfalls sofort als terroristische Aktionspartei und gleichzeitig im Rahmen des bürgerlichen Parlaments, um "innerhalb des politischen Systems Einfluss ausüben zu können".(33) Das funktionierte, weil die DC-Rechte sich von Anfang an zu diesem Paktieren mit den Faschisten hergab. Schon damals wurde die These von der Wahl der MSI ins Parlament als Argument ihrer "demokratischen Legitimität" geboren. Einige Beispiele, wie die MSI so salonfähig gemacht wurde: 1950 empfingen Staatspräsident Einaudi und Ministerpräsident De Gasperi eine MSI-Delegation mit ihrem Parteiführer an der Spitze. 1953 stützte sich die Regierung von Giuseppe Pella, eines zur DC gewechselten ehemaligen Mussolini-Faschisten, auf die Stimmen der MSI, um die erforderliche Mehrheit bei der Vertrauensabstimmung zu erhalten. 1957 bediente sich die Regierung Adone Zoli und danach die von Antonio Segni der Stimmen der Faschisten. 1960 versicherte sich Fernando Tambroni, ein früherer Hauptmann der Miliz der RSI, seit 1926 Mitglied der faschistischen Partei und nunmehriger Ministerpräsident der DC, der Unterstützung seiner faschistischen Kumpane. Zweimal wurden die Bewerber der DC nur dank der faschistischen Stimmen zum Staatspräsidenten gewählt: 1962 Antonio Segni und 1972 Giovanni Leone. Der einflussreiche Don Luigi Sturzo, 1919 Gründer der katholischen Volkspartei, rief 1952 die DC und die anderen bürgerlichen Parteien auf, zusammen mit der MSI und den Monarchisten einen Einheitsblock gegen die "rote Machtübernahme" zu bilden.(34)


So wurden die MSI-Faschisten salonfähig gemacht

Die DC zeigte sich erkenntlich. Pella empfing 1953 eine Delegation der faschistischen CISNAL-Gewerkschaft, und Zoli genehmigte der MSI, den Leichnam Mussolinis in den Heimatort des "Duce" nach Predapio zu überführen und dort in einem Ehrenhain beizusetzen. Die Feiern der MSI gestalteten sich zu einer Verherrlichung Mussolinis und der unter seinem Regime begangenen Verbrechen. Noch heute ist Predapio ein Wallfahrtsort der Faschisten. Die Witwe des Diktators erhielt eine Rente bewilligt, während sie Antifaschisten und Verfolgten des Mussoliniregimes in unzähligen Fällen verweigert wurde. Das MSI-Blatt "Sècolo d'Italia" bekam offizielle Staatszuschüsse.

Bedeutend stärker als auf zentraler Ebene konnte die MSI in den Parlamenten der Regionen und Provinzen sowie in Städten und Gemeinden vor allem im Mezzogiorno, dem Süden des Landes, Fuß fassen. Ihre Wahlergebnisse wuchsen 1972 in vier Regionen auf 15 und mehr Prozent an. In 47 von insgesamt 100 Provinzhauptstädten war sie in den Parlamenten mit Ergebnissen zwischen zehn und 35 Prozent vertreten. In den Regionen Kampanien, Apulien, Sizilien und Sardinien regierte die DC mehrere Legislaturperioden mit den Faschisten oder erhielt deren parlamentarische Unterstützung. In fast allen Provinzstädten sowie in 1.500 Städten und Gemeinden war die MSI mit etwa 40.000 Ratsmitgliedern vertreten. In über 100 Städten und Gemeinden stellte sie die Bürgermeister, und in zahlreichen weiteren wurden die Stadtoberhäupter mit ihren Stimmen gewählt.(35)

Nachhaltig stieg der Einfluss der faschistischen Bewegung und ihrer Führungszentrale MSI nach der Vereinigung mit der Monarchistischen Partei. Seit 1953 mit Stimmenanteilen zwischen fünf und knapp sechs Prozent im Parlament vertreten, wurde sie 1972 mit 8,7 Prozent in der Abgeordnetenkammer und 9,2 Prozent im Senat viertstärkste Partei. Das waren, wie Giuseppe Gaddi schrieb, "drei Millionen Stimmen für eine offen faschistische Bewegung. Und was die gewählten Parlamentarier betrifft, so handelte es sich zum großen Teil um Personen, die der Verurteilung als Kriegsverbrecher entgangen waren, oder um Leute, die in Verbrechen der jüngeren Zeit verwickelt waren."(36) Von 1976 bis 1992 hielt die MSI dann zwischen 5,9 und 6,8 Prozent der Wählerstimmen und blieb konstant viertstärkste Parlamentspartei, ehe sie 1994 sprunghaft auf 13,4 Prozent anstieg und den dritten Platz belegte. Die Präsenz im Parlament bedeutete keineswegs, dass die MSI das parlamentarische System anerkannte. Sie nutzte es nach den Regeln, die schon Goebbels für die Hitlerfaschisten festgelegt hatte, als er sagte: "Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. Wir werden Reichstagsabgeordnete, um die Weimarer Gesinnung mit ihrer eigenen Unterstützung lahm zu legen. Wenn die Demokratie so dumm ist, uns für diesen Bärendienst Freikarten und Diäten zu geben, so ist das ihre eigene Sache. (...) Wir kommen als Feinde! Wie der Wolf in die Schafsherde einbricht, so kommen wir".(37) Almirante erklärte nach den Wahlen 1972 diesbezüglich ebenso unmissverständlich: "Wir sind der Faschismus, der keine Gesten macht, sondern lacht, über die Dummheit seiner Feinde."(38)


MSI bildete Kern von Gladio

Durch den Zusammenschluss mit den Monarchisten stellte die MSI aber nicht nur ein Bündnis mit konservativen Parlamentariern alten Schlages her, sondern auch - was für ihren Einfluss von noch größerer Bedeutung war - mit dem ultrarechten Militärklüngel, einer unvergleichlich wichtigeren Gruppierung, die führende Positionen in der Armee, der Polizei und den Geheimdiensten innehatte. Gleichzeitig wurden damit die Verbindungen der MSI zur NATO entscheidend gestärkt. Personeller Ausdruck dessen war unter anderem, dass der ehemalige Befehlshaber der NATO-Seestreitkräfte Europa Süd, Admiral Birindelli, einer der stellvertretenden Führer der MSI wurde. Nach dem Zusammenschluss nahm die MSI den Beinamen Nationale Rechte (Destra Nazionale) an.

Die geheime Nato-Truppe stay behind, die in Italien Gladio hieß, rekrutierte ihre rund 12.000 Mitglieder vorwiegend aus den Terrorbanden der faschistischen Bewegung. In der Zeit der so genannten Spannungsstrategie, die den Weg für einen Obristenputsch nach griechischem oder später chilenischem Vorbild ebnen sollte, verübten die von der CIA geführten Gladio-Einheiten Tausende Terrorakte, die Hunderte Tote und Tausende Verletzte forderten. An den faschistischen Verschwörungen der Nachkriegszeit, die 1964, 1970, 1973 und 1978 inszeniert wurden, waren breite Kreise der bewaffneten Kräfte mit führenden Generälen und hohen Offizieren beteiligt. Zu den entscheidenden Organisatoren gehörten ebenso westliche Geheimdienste mit der CIA an der Spitze. Seit Anfang der 70er Jahre bildete die von dem Altfaschisten Licio Gelli in Zusammenarbeit mit der CIA unter dem Deckmantel einer Freimaurerloge gebildete P2 die Putschzentrale der Umsturzstrategen. In die Staatsstreichpläne waren höchste NATO-Stäbe eingeweiht. Truppenteile und Verbände des Paktes standen jeweils zum Eingreifen bereit.(39)


Weg in die Berlusconi-Regierung geebnet

Die subversiven, auf den Sturz der verfassungsmäßigen Ordnung gerichteten Aktivitäten der Faschisten hinderten die rechten Kreise der DC und anderer bürgerlicher Parteien keineswegs, die Kollaboration mit diesen fortzusetzen. Sie wuchs im Gegenteil eher noch an. Lange vor der ersten Aufnahme der Faschisten 1994 und danach 2001 und 2008 in die Regierung unter dem Mediendiktator und Mitglied des Dreierdirektoriums der P2 Silvio Berlusconi wurde die italienische Öffentlichkeit so daran gewöhnt, den Faschismus als "Normalität" im politischen Leben zu sehen.


Grußbotschaft Staatspräsident Cossigas an MSI-Führer

Um der Öffentlichkeit einen Rest von antifaschistischem Konsens vorzuführen, einigten sich die bürgerlichen Parteien mit den Kommunisten und Sozialisten stillschweigend darauf, die MSI auf zentraler Ebene an keiner Regierung zu beteiligen. Man sprach von den Parteien des Arco Costituzionale, des Verfassungsbogens, von dem die MSI ausgeschlossen blieb. Das änderte nichts daran, dass beispielsweise die jeweiligen Staatspräsidenten nach Parlamentswahlen oder den häufigen Regierungskrisen und Kabinettsneubildungen auch den MSI-Führer zu Konsultationen empfingen.

1984 schockierte der sozialistische Staatspräsident Sandro Pertini, ein angesehener Führer der Resistenza, die Öffentlichkeit, indem er MSI-Chef Almirante offiziell empfing. Pertinis Haltung hatte Signalwirkung. Christdemokraten und Liberale hatten danach gegenüber den Faschisten kaum noch Hemmungen. MSI-Abordnungen wurden von nun an regelmäßig zu Parteitagen eingeladen. Sozialistenchef Bettino Craxi sprach sich als Ministerpräsident (1983-87) für eine Aufnahme der MSI in die Regierung aus.

Der zweimalige Ministerpräsident Francesco Cossiga traf sich als Staatspräsident häufig offiziell mit MSI-Führer Gianfranco Fini, seit 1987 Nachfolger Almirantes, empfing Abordnungen der Partei und übermittelte 1992 zu einer faschistischen Kundgebung in Mailand eine Grußadresse, der die Teilnehmer bei der Verlesung stehend mit Führergruß und Duce-Rufen applaudierten.(40)

Der Arco Costituzionale erwies sich so - lange, bevor er im April 1994 mit der erstmaligen Aufnahme der MSI in eine italienische Nachkriegsregierung auseinanderbrach - als ein brüchiger Konsens, der dazu diente, die Gefahr des Faschismus zu verdecken.

Diese Gefahr stellte seit 1945 einen außerordentlich bedrohlichen Bestandteil der politischen Struktur der italienischen Gesellschaft dar. Die faschistische Bewegung bildete unter den ökonomischen Voraussetzungen und angesichts der immer wieder ausbrechenden politischen Krisen sowie der strategischen und machtpolitischen Erwägungen des Imperialismus und seiner Politik des "roll back" des Sozialismus eine wichtige politische Reserve und ein antidemokratisches Potenzial, besonders der reaktionärsten bürgerlichen Vertreter.

In Etappen der Zuspitzung der Klassenauseinandersetzung wurde sie als Druckmittel eingesetzt und auch als Macht ausübender Faktor nicht ausgeschlossen.

Einmal mehr zeigt diese Tolerierung des Faschismus, wie gültig unverändert ist, was Lenin zum eingeschränkten Charakter der bürgerlichen Demokratie sagte: dass ihr die "politische Reaktion" wesenseigen sei, die Bereitschaft, eine "Wendung von der Demokratie zur politischen Reaktion" zu vollziehen.(41)

Gerhard Feldbauer


Anmerkungen

(7) MSI-Zeitschrift "La Rivòlta ideale", Rom; Dezember 1946.

(8) Roberto Faenza/Marco Fini: Gli Americani in Italia, Mailand 1975, S. 261 ff.

(9) Guiseppe Gaddi: Neofascismo in Europa, Mailand 1974, S. 14.

(10) Friedenskonferenz in Paris, ND. 9./10. Febr. 2002.

(11) Der Comitato di Liberazione Nazionale (CLN, "Komitee der nationalen Befreiung") wurde in Rom am 9. September 1943 - einen Tag nach dem Waffenstillstand Italiens mit den (West-)Alliierten - gegründet.
Es war ein politisches Gremium der Widerstandsbewegung in Süd- und Mittelitalien gegen den italienischen Faschismus. Im Norden schlossen sich die Partisanengruppen zum CLNAI (CLN Oberitaliens) zusammen, das zunächst unabhängig vom CLN agierte. Im CLN fanden sich PCI, PSI, Pd'A, DC, PDL und PLI zusammen. Der Zusammenschluss verstand sich als provisorische Regierung, die bis zur Befreiung ganz Italiens bestehen sollte. In den Augen der sechs Parteien hatten sich die Regierung Badoglio und das Königshaus durch ihre Flucht "illegitimiert". Nach der "Wende von Salerno" trat der CLN allerdings in das Kabinett Badoglio ein. Hieran hatte insbesondere der PCI unter Palmiro Togliatti großen Anteil.

(12) Italia 1945-1975. Fascismo, Antifascismo. Resistenza. Rinovamento. Mailand 1975; S. 335 ff.

(13) Unter dem Besatzungsregime der Hitlerwehrmacht im Oktober 1943 gegründete Repubblica Sociale Italiano (RSI). Nach ihrem Sitz am Gardasee kurz Salò-Republik genannt.

(14) Daniele Barbieri: Agenda néra, Trent'anni di neofascismo in Italia, Rom 1976, S. 8 f. und 18 f.

(15) Italia, S. 427.

(16) Romano Canossa: Storia dell' Eppurazione in Italia, Mailand 1999, S. 142 ff. Der Autor führte zahlreiche Fälle der Freilassung von faschistischen Kriegsverbrechern an.

(17) Darunter fiel der Paragraf 113 des faschistischen Gesetzes über die öffentliche Ordnung aus dem Jahre 1931.

(18) Sofia G. Alf: Leitfaden Italien. Vom antifaschistischen Kampf zum Historischen Kompromiss, Berlin 1977, S. 61 ff.

(19) Macella u. Mauricio Ferrera: Cronache di Vita italiana 1944-1958, Rom 1960, S. 124 f.

(20) Zit. In Italia, S. 340.

(21) Mario Giovanni: Le nuove Camice nére, Turin 1966, S. 23 f.

(22) Gaddi, S. 14.

(23) Barbieri, S. 11.

(24) Giovanni, S. 14 ff.

(25) MSI-Zeitung "Italiano", Nr. 2/1972.

(26) MSI-Parteiblatt "Sècolo d'Italia", Rom; 23. Januar 1972.

(27) Zit. in Barbieri, S. 24 f.; Costituzione italiana, Turin 1975; S. 101.

(28) Der gegenwärtige Faschismus, in: Probleme des Friedens und des Sozialismus, Prag; 4/1973, S. 477.

(29) FIR: Die neofaschistische Gefahr in Italien, Wien 1971, S. 9.

(30) "La Legione", Rom; 24. März 1973.

(31) Die italienische Verwaltungsgliederung umfasst Regionen (den deutschen Bundesländern vergleichbar), Provinzen, Städte und Gemeinden.

(32) Ausführlicher zur MSI-Gründung und ihrem weiteren Werdegang G. Feldbauer: Von Mussolini bis Fini. Die extreme Rechte in Italien, Berlin 1996.

(33) Luigi Vittorio, Graf Ferraris u. a. (Hg.): Italien auf dem Weg zur zweiten Republik?, Frankfurt/Main, S. 181.

(34) I Giorni della Storia d' Italia, Dal Risorgimento a Oggi. Novarra, 1991/97, S. 555.

(35) Ebenda, ab S. 520 passim.

(36) Gaddi, S. 21.

(37) Graubuch, Berlin (DDR) 1967; S. 355.

(38) Gaddi, S. 21.

(39) G. Feldbauer: Agenten, Terror, Staatskomplott. Der Mord an Aldo Moro, Rote Brigaden und CIA. Köln 2000, S. 112 ff.

(40) Gofredo Locatelli/Daniele Martini: Duce adio. La Biografia di Gianfranco Fini, Mailand 1994, S. 117.

(41) W.I. Lenin in: Staat und Revolution, Bd. 25, Berlin (DDR) 1960, S. 425.

Raute

DIE VERFASSUNG DER SOWJETUNION VON 1936

Dominik Gläsner: Zum 75. Jahrestag der Verabschiedung der Stalinschen Verfassung von 1936

Wer heute die 1936 verabschiedete Verfassung der Sowjetunion zur Hand nimmt, glaubt sich vor einem Lehrbuch des Marxismus-Leninismus. Dieses Werk ist nicht nur im Hinblick auf das Staats- und Verfassungsrecht sozialistischer Staaten, sondern vor allem in Bezug auf die Theorie des Aufbaus des Sozialismus in einem Land wegweisend. Und tatsächlich, um die Konturen eines neuen Sozialismus des 21. Jahrhunderts zu umreißen, lohnt es sich, den Charakter und die inhaltlichen Komponenten der Stalinschen Verfassung in Erinnerung zu rufen.


Auf dem Außerordentlichen VIII. Allunionsrätekongress, der vom 25. November bis 5. Dezember 1936 stattfand, äußerten sich sowohl der Vorsitzende der Verfassungskommission, J. W. Stalin, als auch sämtliche weitere Redner einmütig zu den wichtigsten Fundamenten des Sozialismus in der Sowjetunion: 1. die Beseitigung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, und 2. die alleinige Existenz des sozialistischen Eigentums an Produktionsmitteln. Gerade diese unerschütterlichen Prinzipien legten die Grundlage für ein Wirtschaftssystem, das weder Krisen noch Arbeitslosigkeit kannte.

Der Kongress konstatierte, dass der Sozialismus die breitesten Möglichkeiten für die Bildung und die Festigung des sowjetischen Vielvölkerstaates biete. Das Misstrauen zwischen den Nationen und den Völkerschaften verschwindet nicht durch Zauberei, sondern seine Beseitigung ist das Resultat der Vernichtung der Allmacht des Kapitals, der Säuberung der Kommandozentralen von Wirtschaft und Politik von bourgeoisen Elementen, die als Hauptorganisator der internationaler Konflikte fungierten. Gerade vor dem Hintergrund aktueller rassistischer Tendenzen in den westlichen kapitalistischen Staaten erscheint jene Erkenntnis vorbildhaft. Rassismus entsteht als Folge von kapitalistischer Konkurrenz und kann nur durch eine Liquidierung eben jener beseitigt werden.

Auf dem Fundament des sozialistischen Eigentums und der Liquidation der Ausbeuterklassen bildete sich nunmehr die Möglichkeit, jedem Bürger das Recht auf Arbeit, auf Bildung, auf Schutz der Gesundheit und Erholung zu garantieren. Dazu wurden große Mittel gefordert, die von der Festigung des gesellschaftlichen Eigentums und der gewissenhaften Arbeit all jener geschaffen wurden, die fähig waren, zu arbeiten. In der Verfassung von 1936 heißt es dazu: "Jeder nach seinen Fähigkeiten - jedem nach seiner Arbeit" und "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen." Aber der Charakter des Sozialismus bestand nicht nur in der Arbeitspflicht eines jeden, sondern der neuen Lebensweise wohnte das Moment der Harmonisierung persönlicher und gesellschaftlicher Interessen inne, die fortan keinen Gegensatz mehr darstellen. Arbeit galt fortan als wichtigstes Bedürfnis des Menschen, der in ihr die Quelle seiner persönlichen Entfaltung sieht. Die Praxis des sozialistischen Aufbaus trug bekanntlich dazu bei, die Normen der Stalinschen Verfassung in die Realität umzusetzen. Gerade das machte den Sozialismus für Millionen Menschen attraktiv.

Die aktuelle weltweite Krise des Kapitalismus kann daher nur eine Lösung haben: das Vorbild der Stalinschen Verfassung sollte zur Orientierung der arbeitenden Massen werden, die nunmehr einen neuen Anlauf zur Wiederherstellung des Sozialismus in Europa wagen sollten, einer Gesellschaft also, die die soziale Gleichheit ihrer Mitglieder endgültig und unwiderruflich verwirklicht.

Lang lebe Stalin! Lang lebe die Stalinsche Verfassung - die Verfassung des siegreichen Sozialismus!

Dominik Gläsner


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Verfassung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (Stalin-Verfassung) vom 5. Dezember 1936

(bestätigt durch den VIII. außerordentlichen Sowjetkongress der UdSSR)

Kapitel 1 - Der Gesellschaftsaufbau

Artikel 1. Die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken ist ein sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern.

Artikel 2. Die politische Grundlage der UdSSR bilden die Sowjets der Deputierten der Werktätigen, die im Ergebnis des Sturzes der Macht der Gutsbesitzer und Kapitalisten und der Eroberung der Diktatur des Proletariats gewachsen und erstarkt sind.

Artikel 3. Alle Macht in der UdSSR gehört den Werktätigen in Stadt und Land in Gestalt der Sowjets der Deputierten der Werktätigen.

Artikel 4. Die ökonomische Grundlage der UdSSR bilden das sozialistische Wirtschaftssystem und das sozialistische Eigentum an den Produktionsinstrumenten und -mitteln, gewachsen und erstarkt im Ergebnis der Beseitigung des kapitalistischen Wirtschaftssystems, der Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsinstrumenten und -mitteln und der Abschaffung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen.

Artikel 5. Das sozialistische Eigentum in der UdSSR hat entweder die Form von Staatseigentum (Gemeingut des Volkes) oder die Form von genossenschaftlich-kolletivwirtschaftlichem Eigentum (Eigentum einzelner Kollektivwirtschaften, Eigentum genossenschaftlicher Vereinigungen).

Artikel 6. Der Boden, seine Schätze, die Gewässer, die Wälder, die Werke, die Fabriken, die Gruben, die Bergwerke, der Eisenbahn-, Wasser- und Lufttransport, die Banken, das Post- und Fernmeldewesen, die vom Staat organisierten landwirtschaftlichen Großbetriebe (Sowjetwirtschaften, Maschinen-Traktoren-Stationen und dergleichen) sowie die Kommunalbetriebe und der Wohnungsgrundfonds in den Städten und Industrieorten sind staatliches Eigentum, das heißt Gemeingut des Volkes.

Artikel 7. Die gesellschaftlichen Betriebe in den Kollektivwirtschaften und den genossenschaftlichen Organisationen mit ihrem lebenden und toten Inventar, die Erzeugnisse der Kollektivwirtschaften und der genossenschaftlichen Organisationen ebenso wie ihre gesellschaftlichen Baulichkeiten bilden das gesellschaftliche sozialistische Eigentum der Kollektivwirtschaften und der genossenschaftlichen Organisationen.
Jeder Kolchosbauernhaushalt hat außer dem Grundeinkommen aus der gesellschaftlichen kollektiven Wirtschaft ein kleineres Stück Hofland in persönlicher Nutzung und als persönliches Eigentum eine Nebenwirtschaft auf dem Hofland, ein Wohnhaus, Nutzvieh, Geflügel und landwirtschaftliches Kleininventar - entsprechend dem Statut des landwirtschaftlichen Artels (Kollektivwirtschaft).

Artikel 8. Der Boden, den die Kollektivwirtschaften innehaben, wird ihnen zu unentgeltlicher und unbefristeter Nutzung, das heißt für ewig, zuerkannt.

Artikel 9. Neben dem sozialistischen Wirtschaftssystem, der in der UdSSR herrschenden Wirtschaftsform, ist die auf persönlicher Arbeit beruhende und die Ausbeutung fremder Arbeit ausschließende kleine Privatwirtschaft von Einzelbauern und Gewerbetreibenden gesetzlich zugelassen.

Artikel 10. Das Recht des persönlichen Eigentums der Bürger an ihren selbst erarbeiteten Einkünften und Ersparnissen, am Wohnhaus und an der häuslichen Nebenwirtschaft, an den Gegenständen der Hauswirtschaft und des Haushalts, an Gegenständen des persönlichen Bedarfs und Komforts ebenso wie das Erbrecht am persönlichen Eigentum der Bürger werden durch das Gesetz geschützt.

Artikel 11. Das Wirtschaftsleben der UdSSR wird durch den staatlichen Volkswirtschaftsplan im Interesse der Mehrung des gesellschaftlichen Reichtums, der stetigen Hebung des materiellen und kulturellen Niveaus der Werktätigen, der Festigung der Unabhängigkeit der UdSSR und der Stärkung ihrer Verteidigungsfähigkeit bestimmt und gelenkt.

Artikel 12. Die Arbeit ist in der UdSSR Pflicht und eine Sache der Ehre eines jeden arbeitsfähigen Bürgers nach dem Grundsatz: "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen". In der UdSSR gilt der Grundsatz des Sozialismus: "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung".


Kapitel 2 - Der Staatsaufbau

Artikel 13. Die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken ist ein Unionsstaat, der auf der Grundlage der freiwilligen Vereinigung gleichberechtigter sozialistischer Sowjetrepubliken gebildet wurde:

der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik;
der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik;
der Weißrussischen Sozialistischen Sowjetrepublik;
der Usbekischen Sozialistischen Sowjetrepublik;
der Kasachischen Sozialistischen Sowjetrepublik;
der Georgischen Sozialistischen Sowjetrepublik;
der Aserbaidschanischen Sozialistischen Sowjetrepublik;
der Kirgisischen Sozialistischen Sowjetrepublik;
der Tadshikischen Sozialistischen Sowjetrepublik;
der Armenischen Sozialistischen Sowjetrepublik;
der Turkmenischen Sozialistischen Sowjetrepublik.

Artikel 14. Zur Kompetenz der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken in Gestalt ihrer höchsten Organe der Staatsgewalt und der Organe der Staatsverwaltung gehören:

a) die Vertretung der UdSSR im internationalen Verkehr, der Abschluss und die Ratifizierung von Verträgen mit anderen Staaten;
b) die Fragen von Krieg und Frieden;
c) die Aufnahme neuer Republiken in die UdSSR;
d) die Kontrolle über die Durchführung der Verfassung der UdSSR und die Gewährleistung der Übereinstimmung der Verfassung der Unionsrepubliken mit der Verfassung der UdSSR.
e) die Bestätigung von Grenzänderungen zwischen den Unionsrepubliken;
f) die Bestätigung der Bildung neuer Autonomer Republiken in den Unionsrepubliken;
g) die Organisation der Verteidigung der UdSSR, die Leitung der Roten Armee der Arbeiter und Bauern;
h) der Außenhandel auf der Grundlage des Staatsmonopols;
i) der Schutz der staatlichen Sicherheit;
j) die Aufstellung der Volkswirtschaftspläne der UdSSR;
k) die Bestätigung des einheitlichen Staatshaushaltsplanes der UdSSR sowie der Steuern und Einkünfte, die dem Unionshaushalt, den Republik- und örtlichen Haushalten zugeführt werden;
l) die Leitung der Banken, industriellen und landwirtschaftlichen Institutionen und Betriebe sowie der Handelsunternehmungen, die den Unionsorganen unterstellt sind;
m) die Leitung des Verkehrswesens und des Post- und Fernmeldewesens;
n) die Leitung des Währungs- und Kreditsystems;
o) die Organisation der staatlichen Versicherung;
p) die Aufnahme und Gewährung von Anleihen;
q) die Festlegung der Grundsätze für die Bodennutzung sowie für die Nutzung der Bodenschätze, der Wälder und der Gewässer;
r) die Festlegung der Grundsätze auf dem Gebiet des Bildungswesens und des Gesundheitsschutzes;
s) die Organisation eines einheitlichen Systems der volkswirtschaftlichen Rechnungsführung;
t) die Festlegung der Grundlagen der Arbeitsgesetzgebung;
u) die Gesetzgebung über die Gerichtsverfassung und die Rechtspflege sowie die Zivil- und Strafgesetzgebung;
v) die Gesetze über die Staatsbürgerschaft der UdSSR; die Gesetze über die Rechte von Ausländern;
w) der Erlass von Amnestien für den Gesamtbereich der UdSSR.

Artikel 56. Der Oberste Sowjet der UdSSR bildet in gemeinsamer Sitzung beider Kammern die Regierung der UdSSR - den Rat der Volkskommissare der UdSSR.


Kapitel 5 - Die Organe der Staatsverwaltung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken

Artikel 64. Das höchste vollziehende und verfügende Organ der Staatsgewalt der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken ist der Rat der Volkskommissare der UdSSR.

Artikel 65. Der Rat der Volkskommissare der UdSSR ist dem Obersten Sowjet der UdSSR und in der Zeit zwischen den Tagungen des Obersten Sowjets dem Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR verantwortlich und rechenschaftspflichtig.

Artikel 66. Der Rat der Volkskommissare der UdSSR erlässt Verordnungen und Verfügungen auf der Grundlage und in Ausführung der geltenden Gesetze und kontrolliert ihre Durchführung.

Artikel 67. Die Verordnungen und Verfügungen des Rates der Volkskommissare der UdSSR sind auf dem gesamten Territorium der UdSSR verbindlich.

Artikel 70. Der Rat der Volkskommissare der UdSSR wird vom Obersten Sowjet der UdSSR gebildet und besteht aus dem Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare der UdSSR; den Ersten Stellvertretern des Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare der UdSSR; den Stellvertretern des Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare der UdSSR; den Volkskommissaren der UdSSR.
Dem Rat der Volkskommissare der UdSSR gehören die Vorsitzenden der Räte der Volkskommissare der Unionsrepubliken von Amts wegen an.

Artikel 71. Die Regierung der UdSSR oder ein Volkskommissar der UdSSR sind verpflichtet, an sie gerichtete Anfragen eines Deputierten des Obersten Sowjets der UdSSR in der betreffenden Kammer spätestens in drei Tagen mündlich oder schriftlich zu beantworten.

Artikel 72. Die Volkskommissare der UdSSR leiten die zur Kompetenz der UdSSR gehörenden Zweige der Staatsverwaltung.

Artikel 73. Die Volkskommissare der UdSSR erlassen im Rahmen der Kompetenz der betreffenden Volkskommissariate Anordnungen und Instruktionen auf der Grundlage und in Ausführung der geltenden Gesetze sowie der Verordnungen und Verfügungen des Rates der Volkskommissare der UdSSR und kontrollieren ihre Durchführung. (...)


Kapitel 9 - Gericht und Staatsanwaltschaft

Artikel 102. Die Rechtsprechung wird in der UdSSR vom Obersten Gericht der UdSSR, von den Obersten Gerichten der Unionsrepubliken, den Regions- und Gebietsgerichten, den Gerichten der autonomen Republiken und autonomen Gebiete, den Kreisgerichten, den besonderen Gerichten der UdSSR, die auf Beschluss des Obersten Sowjets gebildet werden, und von den Volksgerichten ausgeübt.

Artikel 103. Die Gerichtsverhandlung wird in allen Gerichten unter Beteiligung von Volksbeisitzern durchgeführt, ausgenommen die durch Gesetz besonders vorgesehenen Fälle.

Artikel 104. Das Oberste Gericht der UdSSR ist das höchste Gerichtsorgan. Dem Obersten Gericht der UdSSR obliegt die Aufsicht über die gerichtliche Tätigkeit aller Gerichtsorgane der UdSSR sowie - innerhalb des durch Gesetz festgelegten Bereichs - der Gerichtsorgane der Unionsrepubliken.

Artikel 105. Das Oberste Gericht der UdSSR wird vom Obersten Sowjet der UdSSR auf die Dauer von fünf Jahren gewählt. (...)

Artikel 109. Die Volksrichter der Rayon- (Stadt-) Volksgerichte werden von den Bürgern des Rayons (der Stadt) auf der Grundlage des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechts in geheimer Abstimmung auf die Dauer von drei Jahren gewählt.

Artikel 110. Das Gerichtsverfahren wird in der Sprache der Unionsrepublik bzw. der Autonomen Republik oder des autonomen Gebiets durchgeführt, wobei Personen, die dieser Sprache nicht mächtig sind, volle Akteneinsicht mit Hilfe eines Dolmetschers sowie das Recht, sich vor Gericht der Muttersprache zu bedienen, gewährleistet werden. (...)

Artikel 114. Der Staatsanwalt der UdSSR wird vom Obersten Sowjet der UdSSR auf die Dauer von sieben Jahren ernannt. (...)


Kapitel 10 - Die Grundrechte und Grundpflichten der Bürger

Artikel 118. Die Bürger der UdSSR haben das Recht auf Arbeit, das heißt das Recht auf garantierte Beschäftigung mit Entlohnung nach Quantität und Qualität ihrer Arbeit.
Das Recht auf Arbeit wird gewährleistet durch die sozialistische Organisation der Volkswirtschaft, das stetige Wachstum der Produktionskräfte der Sowjetgesellschaft, die Beseitigung der Möglichkeit von Wirtschaftskrisen und Liquidierung der Arbeitslosigkeit.

Artikel 119. Die Bürger der UdSSR haben das Recht auf Erholung. Das Recht auf Erholung wird gewährleistet durch die Festlegung des achtstündigen Arbeitstages für Arbeiter und Angestellte und die Verkürzung des Arbeitstages auf sieben Stunden für eine Reihe von Berufen mit schweren Arbeitsbedingungen; durch Festsetzung eines vollbezahlten jährlichen Urlaubs für Arbeiter und Angestellte und durch das in den Dienst der Werktätigen gestellte umfassende Netz von Sanatorien, Erholungsheimen und Klubs.

Artikel 120. Die Bürger der UdSSR haben das Recht auf materielle Sicherung im Alter sowie im Falle von Krankheit und Invalidität.
Dieses Recht wird gewährleistet durch die umfassende Entwicklung der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten auf Staatskosten, durch unentgeltliche ärztliche Hilfe für die Werktätigen, durch das den Werktätigen zur Verfügung gestellte umfassende Netz von Kurorten.

Artikel 121. Die Bürger der UdSSR haben das Recht auf Bildung.
Dieses Recht wird gewährleistet durch die allgemeine Grundschulpflicht, durch die Unentgeltlichkeit der Bildung, durch das System staatlicher Stipendien für die überwiegende Mehrheit der Hochschulstudenten, durch Erteilung des Schulunterrichts in der Muttersprache, durch Organisierung unentgeltlicher Produktions-, technischer und agronomischer Schulung der Werktätigen in den Betrieben, auf den Sowjetgütern und in den Kollektivwirtschaften.

Artikel 122. Der Frau stehen in der UdSSR auf allen Gebieten des wirtschaftlichen, staatlichen, kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Lebens die gleichen Rechte wie dem Manne zu.
Die Möglichkeit zur Ausübung dieser Rechte wird der Frau dadurch gewährleistet, daß sie dem Manne gleichgestellt ist im Recht auf Arbeit, auf Entlohnung, auf Erholung, auf Sozialversicherung und Bildung, ferner durch staatlichen Schutz der Interessen von Mutter und Kind, durch Gewährung eines vollbezahlten Schwangerschaftsurlaubs, durch das umfassende Netz von Entbindungsheimen, Kinderkrippen und -gärten.

Artikel 123. Die Gleichberechtigung der Bürger der UdSSR auf sämtlichen Gebiete des wirtschaftlichen, staatlichen, kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Lebens, unabhängig von ihrer Nationalität und Rasse, ist unverbrüchliches Gesetz.
Jede wie immer geartete direkte oder indirekte Beschränkung der Rechte oder umgekehrt eine Festlegung direkter oder indirekter Bevorzugung von Bürgern mit Rücksicht auf ihre Zugehörigkeit zu einer Rasse oder Nationalität ebenso wie jegliche Propagierung eines rassenmäßigen oder nationalen Ausschließlichkeitsanspruchs oder eines Rasse- oder Nationalitätenhasses und der Missachtung einer Rasse oder einer Nationalität werden gesetzlich geahndet.

Artikel 124. Zur Gewährleistung der Gewissensfreiheit für die Bürger sind in der UdSSR die Kirche vom Staat und die Schule von der Kirche getrennt. Die Freiheit antireligiöser Propaganda und die Freiheit der Ausübung religiöser Kulthandlungen werden allen Bürgern zuerkannt.

Artikel 125. In Übereinstimmung mit den Interessen der Werktätigen und zur Festigung der sozialistischen Ordnung werden den Bürgern der UdSSR durch das Gesetz garantiert:

a) die Redefreiheit;
b) die Pressefreiheit;
c) die Kundgebungs- und Versammlungsfreiheit;
d) die Freiheit der Durchführung von Straßenumzügen und -demonstrationen.

Diese Rechte der Bürger werden dadurch gewährleistet, daß den Werktätigen und ihren Organisationen die Druckereien, Papiervorräte, öffentlichen Gebäude, Straßen, das Post- und Fernmeldewesen und andere materielle Bedingungen, die zur Ausübung dieser Rechte notwendig sind, zur Verfügung gestellt werden.

Artikel 126. In Übereinstimmung mit den Interessen der Werktätigen und zur Entwicklung der organisatorischen Selbsttätigkeit und politischer Aktivität der Volksmassen wird den Bürgern der UdSSR das Recht gewährleistet, sich in gesellschaftlichen Organisationen zu vereinigen: in den Gewerkschaften, genossenschaftlichen Vereinigungen, Jugendorganisationen, Sport- und Verteidigungsorganisationen, Kulturvereinigungen, technischen und wissenschaftlichen Gesellschaften; die aktivsten und bewusstesten Bürger aus den Reihen der Arbeiterklasse, vereinigen sich freiwillig in der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, die der Vortrupp der Werktätigen in ihrem Kampf für den Aufbau der kommunistischen Gesellschaft ist und den leitenden Kern aller Organisationen der Werktätigen, der gesellschaftlichen sowohl wie der staatlichen, bildet.

(...)

Artikel 129. Die UdSSR gewährt den Bürgern ausländischer Staaten, die wegen Verfechtung der Interessen der Werktätigen oder wegen wissenschaftlicher Betätigung oder wegen Teilnahme am nationalen Befreiungskampf verfolgt werden, das Asylrecht.

Artikel 130. Jeder Bürger der UdSSR ist verpflichtet, die Verfassung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken einzuhalten, die Gesetze zu befolgen, die Arbeitsdisziplin zu wahren, seinen gesellschaftlichen Pflichten ehrlich nachzukommen, die Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens zu achten.

Artikel 131. Jeder Bürger der UdSSR ist verpflichtet, das gesellschaftliche sozialistische Eigentum als heilige und unantastbare Grundlage der Sowjetordnung, als Quelle des Reichtums und der Macht der Heimat, als Quelle des wohlhabenden und kulturvollen Lebens aller Werktätigen zu hüten und zu festigen. Personen, die sich am gesellschaftlichen sozialistischen Eigentum vergreifen, sind Feinde des Volkes.

Artikel 132. Die allgemeine Wehrpflicht ist Gesetz. Der Militärdienst in den Reihen der Roten Armee der Arbeiter und Bauern ist Ehrenpflicht der Bürger der UdSSR.

Artikel 133. Die Verteidigung des Vaterlandes ist heilige Pflicht eines jeden Bürgers der UdSSR. Vaterlandsverrat - Verletzung des Fahneneides, Überlaufen zum Feind, Schädigung der militärischen Macht des Staates, Spionage - wird als schwerste Freveltat mit aller Strenge des Gesetzes geahndet. ...

Raute

NACHRUF AUF KIM JONG IL

Die Kommunistische Initiative in Deutschland veröffentlichte Ende Dezember folgenden Nachruf auf Kim Jong Il, dem sich die Redaktion offen-siv anschließt:

KI: Trauer um Kim Jong Il

Am Sonnabend, dem 17.12.2011, verstarb Kim Jong Il, der Vorsitzende der Obersten Nationalen Verteidigungskommission, Generalsekretär der Partei der Arbeit Koreas und Oberste Befehlshaber der Koreanischen Volksarmee.

In führender Position hatte er insbesondere seit 1994 wesentlichen Anteil daran, daß die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK) nicht in den Sog der Konterrevolutionen in den früheren sozialistischen Staaten gerissen wurde. Unter den schwierigen Bedingungen des Zusammenbruchs fast aller Wirtschaftsbeziehungen, weltweiter Embargos und ständiger militärischer Bedrohung und Provokation, vor allem durch den US-Marionettenstaat Südkorea und Japan, überwand und überwindet das nordkoreanische Volk die ökonomischen Probleme der 90er Jahre einschließlich Mangel an Nahrungsmitteln, Treibstoff und Energie. Mit erfolgreichen Tests von Nuklearwaffen und Satellitenstarts bewies der Staat seinen hohen technologischen Stand sowie die Fähigkeit und Bereitschaft, den Sozialismus gegen jeden Aggressor zu verteidigen.

Diese Leistungen und Errungenschaften des nordkoreanischen Volkes und Staates waren und sind ohne die klare und konsequente Führung durch die kommunistische Partei undenkbar. Sie unterstreichen damit auch die persönliche Bedeutung des Genossen Kim Jong Il.

Noch deutlicher wird das durch die Reaktion der imperialistischen Mächte auf seinen Tod. Die USA ließen offen militärisch-aggressiv die Streitkräfte ihres Marionettenstaates Südkorea in Alarmbereitschaft versetzen - unter dem unsinnigen Vorwand "Aus Sorge vor einer Provokation des Nordens" (Focus online, 19.12.2011). Die Hauptmacht des Euroimperialismus BRD setzt hingegen auf die Strategie der tödlichen Umarmung, welche in der Vergangenheit als "Wandel durch Annäherung" ihre konterrevolutionäre Wirksamkeit bewies. Welche Arroganz des Auswärtigen Amtes, dessen Sprecher auf einer Bundespressekonferenz am 19.12.2011 äußerte: "Wichtig ist für uns vor allem, dass wir klare Erwartungen an Nordkorea haben." Die nennt er dann auch: Aufgabe des Atomprogramms und Öffnung in Politik und Wirtschaft. Begleitet wird diese Propaganda von der Wiederholung der üblichen Lügen über die Lebensverhältnisse in der DVRK: da ist immer wieder von verzweifelter Lage und gar Hunger die Rede, von Folter und Christenverfolgung (laut www.igfm.de).

Kurz gesagt: Die Imperialisten schäumen und geifern wie schon immer über jeden konsequent sozialistischen Staat, dessen Bürger sich der Diktatur des Finanzkapitals, Ausbeutung und Unterdrückung entziehen. Gleichzeitig hoffen sie, daß nach dem Tod des Genossen Kim Jong Il Richtungsstreitigkeiten ausbrechen und proimperialistische oder wenigstens revisionistische Kräfte Einfluss gewinnen.

Als Kommunisten stehen wir selbstverständlich solidarisch an der Seite des nordkoreanischen Volkes und seiner Führung im Kampf gegen Destabilisierung und Aggression. Bisher haben sie - im Unterschied zu fast allen ehemals sozialistischen Staaten - den Sozialismus erfolgreich verteidigt und seinen Aufbau fortgesetzt. Und das nicht, wie die imperialistische Propaganda, z.B. DER SPIEGEL glauben machen will, aufgrund einer quasi-religiösen Ideologie fernab des Marxismus. Nicht nur, daß die plötzliche Liebe des SPIEGEL zum Marxismus unglaubwürdig ist, auch die Behauptung einer quasi-religiösen Ideologie wird durch Kim Jong Il selbst Lügen gestraft:

"Der Prozess der Korruption und des Zerfalls des Sozialismus begann, als der moderne Revisionismus sein Haupt erhob und anfing, die Führer und die revolutionären Vorkämpfer zu diffamieren sowie die revolutionäre Ideologie der Arbeiterklasse zu entstellen und ausarten zu lassen. Der Sozialismus ist durch die modernen Revisionisten von seiner Bahn abgekommen und hat sich allmählich von innen her zersetzt. Infolge der "Reform"- und "Perestrojka" Politik der Verräter am Sozialismus brach er zusammen, weil die historischen Errungenschaften des Sozialismus allseitig verneint und vernichtet wurden. Die Opportunisten und die Verräter am Sozialismus würdigten die Führer der Arbeiterklasse herab, sie verunglimpften den heiligen revolutionären Kampf der revolutionären Vorkämpfer und ihre großen Verdienste um die Revolution [...] Unsere Partei und unser Volk verehren Marx, Engels, Lenin und Stalin als Führer der Arbeiterklasse und schätzen ihre Verdienste hoch ein. [...] Marx, Engels, Lenin und Stalin waren zu ihren Lebzeiten die Vertreter des Strebens und Anliegens der unterdrückten werktätigen Massen. Das Werk des Sozialismus war mit ihren Namen untrennbar verbunden.[...] Stalin setzte das Werk Lenins fort, entwickelte den jungen ersten sozialistischen Staat zu einer Großmacht der Welt, führte die Armee und das Volk und schützte das sozialistische Vaterland vor der faschistischen Aggression." (Kim Jong Il: "Die revolutionären Vorkämpfer verehren - eine heilige moralische Pflicht der Revolutionäre", 1996)

Wir sprechen dem nordkoreanischen Volk unser tief empfundenes Beileid zum Verlust seines großen Führers aus und versichern es für die Verteidigung und den weiteren Aufbau des Sozialismus unserer Solidarität.

Kommunistische Initiative Deutschland

Raute

BUCHBESPRECHUNG

Erich Buchholz: Kurt Gossweiler "Kapital, Reichswehr und NSDAP. Zur Frühgeschichte des deutschen Faschismus 1919 bis 1924"

Eine persönliche Bemerkung

Genau zur rechten Zeit erschien jetzt im PapyRossa-Verlag ein Reprint des Buches von Kurt Gossweiler "Kapital, Reichswehr und NSDAP. Zur Frühgeschichte des deutschen Faschismus 1919 bis 1924", das bereits 1982 vom Akademie Verlag der DDR und vom Pahl-Rugenstein-Verlag herausgebracht worden war.

Bereits der Titel ist eine Erkenntnis. Kapital und Reichswehr werden - vom Autor so gewollt - im Titel des Buches als Grundlagen und Voraussetzungen des deutschen Faschismus markiert.

In der Tat, wer ein klein wenig die jüngere deutsche Geschichte kennt oder in Teilen selbst wahrgenommen hatte bzw. durch seine Eltern vermittelt bekam, weiß - auch aus überreichlich vorhandenem Schrifttum -, dass viele ideologische Verkündungen des deutschen Faschismus bereits seit langem im deutschen Volk, namentlich in seinen tonangebenden Kreisen, bestimmend waren, so der deutsche Nationalismus, dann vor allem der "Großdeutschen", besonders nach der Besiegung Frankreichs im Jahre 1871 und der Ausrufung eines deutschen Kaiserreiches mit Kaiser Wilhelm I, dem alsbald folgend der deutsche Militarismus, besonders gefördert von Kaiser Willem II, und der zunehmend deutlicher gewordene Antisemitismus und Antikommunismus.

Die Naziideologie hat dies alles "nur" aufgegriffen, ausgebaut und dann mit der Führerideologie abgerundet und in wenigen Jahren zum beispiellosen Resultat gebracht.

Warum ist daran zu erinnern?

Wer irgendwann nach 1945 einmal gemeint haben mag, es genüge, das Hakenkreuz wegzulassen und die braune Farbe der Nazis mit Schwarz oder ähnlichen Farben zu übertünchen, erlag nicht nur seinem Irrtum, sondern tat sich selbst etwas Schlimmes an.

Bekanntlich wurde in den Westzonen, unter maßgeblicher Rolle Adenauers und mit Stützung der westlichen Alliierten, besonders der USA, keine konsequente, an die Wurzeln gehende Überwindung des deutschen Faschismus angestrebt, obwohl das Potsdamer Abkommen, von Truman, Attlee und Stalin unterschrieben und von Frankreich später ausdrücklich gebilligt, eine Ausrottung des deutschen Faschismus im Gefolge seiner militärischen Niederschlagung vorschrieb.

Der dem Potsdamer Abkommen ins Gesicht schlagende und es grundsätzlich in Frage stellende Umgang mit den Nazis, vor allem den Nazi- und Kriegsverbrechern in den Westzonen, musste zwangsläufig früher oder später, in dieser oder jener Form, in diesen oder jenen Dimensionen, ein Wiederauferstehen des deutschen Faschismus nach sich ziehen.

Demgegenüber hatten bekanntlich die maßgebenden antifaschistischen Politiker und Parteien in der sowjetischen Besatzungszone mit Unterstützung ihrer Besatzungsmacht dem deutschen Faschismus hier ein buchstäbliches Garaus gemacht, vor allem die Auflösung seiner ökonomischen, historischen und politischen Grundlagen bewirkt - durch Enteignung der Nazi- und Kriegsverbrecher und durch die Bodenreform mit der ökonomischen Liquidierung des den preußischen Militarismus tragenden preußischen Junkertums.

Hier und später in der DDR wurde dem Faschismus kein Raum gelassen, gab es keine Wiedergeburt des deutschen Nationalismus und Militarismus. Die DDR war - wie heute 20 Jahre nach ihrer Beseitigung weltweit noch viel deutlicher wurde - der deutsche Friedensstaat.

Dass die Nazi-Partei, gerade nach ihrem "Putsch im Bürgerbräu" in München recht bald eine ansehnliche Dimensionen erlangen konnte, war nicht nur der vorgenannten Anknüpfung an bekanntes nationalistisches, militaristisches, antisemitisches und antikommunistisches Denken geschuldet, sondern zunehmend der massiven, auch finanziellen Unterstützung durch das deutsche Kapital, durch die Rüstungsindustrie und andere der Aufrüstung und Kriegsvorbereitung dienstbare Kapitalisten.

Deshalb ist es überaus wertvoll, dass durch einen Reprint des genannten Buches Lesern, die heute nach dem Warum fragen, handfestes, quellengestütztes, beweiskräftiges Material an die Hand gegeben wird.

In den letzten Wochen berichteten die Medien immer wieder über "rechten Terror", mit Mordtaten, die bereits vor 20 Jahren begangen wurden. Die maßgeblich verantwortlichen bundesdeutschen Politiker jammern darüber, vergießen "Krokodilstränen" und beklagen Aufklärungsdefizite in ihren Landesbehörden. Sie verschweigen aber absichtsvoll, was sie und ihre Vorgänger über sechs Jahrzehnten zur Aufrechterhaltung jener Kräfte getan haben, denen jetzt "rechter Terror" vorgeworfen wird.

Wie bekannt und üblich in dergleichen Fällen von unübersehbaren Defiziten der Sicherheitsbehörden wie auch beim Beklagen der vielfältigen erheblichen Kriminalität - fragen die Verantwortlichen der BRD niemals nach den Gründen und Ursachen - obwohl solche (so bezüglich der Kriminalität) in den heutigen sozialen Verhältnissen auf der Hand liegen.

Auffallend ist auch, dass ein Zusammenhang zur jahrzehntelangen Duldung, ja Förderung der NPD nicht gesehen wird.

Da sie - absichtsvoll - nicht nach den Ursachen des "rechten Terrors" in der BRD fragen, bekunden sie damit (absichtlich oder ungewollt), dass sie diese nicht antasten wollen. Mehr noch: sie nehmen die vorgenannten Vorkommnisse und unbestreitbar gewordene Ermittlungspannen zum Anlass, zum Vorwand, das bundesdeutsche Sicherheitssystem vorbeugend gegen eventuelle Kämpfe der Arbeiterklasse und natürlich gegen die Kommunisten mit einem vergrößerten Sicherheitsapparat auf Kosten der Rechte der Bürger auszubauen, ohne vorrangig gegen "Rechts" vorzugehen.

Sie beeilen sich, Strukturen zu schaffen, die an die Zentralisierung des antikommunistischen und antijüdischen Naziterrors erinnern - wie das Reichssicherheitshauptamt.

Gossweilers Buch hilft dem interessierten und politisch wachen Leser, hinter die Zusammenhänge und Hintergründe einer gefährlichen Politik der BRD zu schauen.

Erich Buchholz

Raute

IMPRESSUM

offen-siv, Zeitschrift für Sozialismus und Frieden

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Quelle:
Offensiv Nr. 2/2012 - Zeitschrift für Sozialismus und Frieden
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2012