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POLITISCHE BERICHTE/136: Zeitschrift für linke Politik 5/10


Politische Berichte - Zeitschrift für linke Politik

Nr. 5 am 6. Mai 2010


INHALT

Aktuell aus Politik und Wirtschaft
Politische Berichte im Internet
EU-Notkredite an Griechenland
Zwei Suizide in Hamburger Abschiebehaft
"Die Zukunft ist nicht das Strahlen der Atomkraftwerke"
Die Wiederbesiedelung von Rongelap
Auslandsnachrichten

Regionales und Gewerkschaftliches
Aktionen ... Initiativen
Schwarze Blöcke, brauner Ungeist - wer sind die autonomen Nationalisten?
Die Kölner Bevölkerung setzt sich durch: Das Schauspielhaus wird saniert und nicht abgerissen
Kommunale Politik
Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die Beschäftigten
IG Metall und Alternative geeint: Faschisten erreichen zwei Sitze
Betriebsratswahlen: Listen gegen die IG Metall
Tarifabschluß in der chemischen Industrie
Banken: Tarifrunde beginnt
Wirtschaftspresse
Rezension: Theorie der Gesundheitspolitik
Lidl muss Werbung zurückziehen

Diskussion und Dokumentation
Spanien: Justiz und Franco-Zeit
Kirche: Auch der Nachwuchs fehlt
In & bei der Linken
Linke: Mit aller Kraft für den Politikwechsel in Ländern und Bund

Termine

Raute

AKTUELL AUS POLITIK UND WIRTSCHAFT

Politische Berichte im Internet: www.gnn-verlage.com


Schwellenländer erhalten mehr Einfluss bei der Weltbank

FAZ, 27.4. hav. Die Mitglieder der Weltbank haben sich darauf geeinigt, Schwellenländern künftig mehr Mitsprache einzuräumen. Die 186 Mitglieder stimmten in Washington dafür, dass die Schwellenländer künftig 3,13 Prozent mehr Stimmgewicht als bislang erhalten. China machte die Reform zum einflussreichsten Weltbank-Mitglied hinter den USA und Japan. Die Schwellen- und Entwicklungsländer haben künftig insgesamt ein Stimmgewicht von 47,19 Prozent. Brasiliens Finanzminister Guido Mantega kritisierte, dass die Schwellenländer gemessen an ihrer weltökonomischen Rolle weiterhin "erheblich unterrepräsentiert" seien. Neben China profitierten auch Brasilien und Indien von der Reform. Der Ko-Direktor des Center for Economic Policy and Research in Washington, Mark Weisbrot, sagte, trotz der Reformen hätten die Schwellen- und Entwicklungsländer jedoch auch weiterhin keine "maßgebliche Stimme". Japan büßte am meisten Mitsprache ein, bleibt aber nach den USA das Land mit dem zweitgrößten Einfluss in der Weltbank. Auch die Europäer, darunter Deutschland, gaben Einfluss ab. Die USA haben künftig ein Stimmgewicht von 15,85 Prozent, Japan kommt auf 6,84 Prozent. China verfügt künftig über 4,42 Prozent der Stimmen, was einem Zugewinn von 60 Prozent entspricht. 2015 will die Weltbank über eine weitere Reform entscheiden.


Gewerkschafter gegen EU-Freihandelspakt mit Kolumbien

Neues Deutschland, 23.4. hav. Obwohl Kolumbien für Gewerkschafter das gefährlichste Land der Welt ist, soll am 18. Mai während des EU-Lateinamerikagipfels in Madrid ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem lateinamerikanischen Land unterzeichnet werden. Von den kolumbianischen Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften wird das Freihandelsabkommen abgelehnt, weil sie eine Legitimierung der repressiven Politik gegen Gewerkschafter und die Missachtung der Arbeiterrechte befürchten. Unterstützung bekommen sie dabei von der Gewerkschaft IG Bauen Agrar Umwelt, die in einem Positionspapier wegen der schlechten Menschenrechtslage in Kolumbien den Stopp der Verhandlungen fordert. Auch im EU-Parlament regt sich Widerstand. Die grünen Europaabgeordneten Sven Giegold und Ulrike Lunacek bezeichnen das Abkommen als "Schandfleck für die Europäische Union, das weder menschenrechtlichen noch ökologischen Kriterien genügt". Die Armutsrate in Kolumbien liegt insgesamt bei ca. 50%, auf dem Land sogar bei 65%. Die Verteilung von Wohlstand und der Zugang zu Land klaffen extrem auseinander. Die arme Bevölkerung wird jedoch nicht von dem Abkommen profitieren. Denn Liberalisierung führt eben nicht automatisch zu Entwicklung. Stattdessen setzt die weltweite Liberalisierung des Handels einen immer härteren Wettbewerb in Gang - zu Lasten von Arbeitsund Umweltstandards.


EU-Parlament: Lohndumping und Arbeitszeitverlängerung abgelehnt

Gue/Ngl Press, 28.4. hav. Im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Europäischen Parlaments wurde der Vorschlag der Kommission abgelehnt, für selbst fahrende Unternehmer eine erheblich höhere Arbeitszeit als bei angestellten Fahrern einzuführen. Mit der neuen Regelung sollten für Selbständige bis zu 86 Stunden statt bisher maximal 60 Stunden Fahrzeit möglich sein. Dazu erklärt Thomas Händel (Gue/Ngl, Die Linke), Mitglied im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten: "Lohndumping durch Verdrängung in die Scheinselbständigkeit sowie Arbeitszeitverlängerung und damit eine hohe Gefährdung der Straßenverkehrssicherheit wurden zunächst verhindert. Die Ablehnung durch eine Mehrheit der Ausschussmitglieder ist ein wichtiges politisches Signal: Unternehmer sollen nicht ermutigt werden, angestellte Kraftfahrer in prekäre Beschäftigungsverhältnisse und in die "Selbständigkeit" zu drängen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Durch diese Entscheidung wird die Arbeitszeitdebatte auf europäischer Ebene neu belebt. Die von der Kommission erwartete günstigere politische Situation zum Generalangriff auf die Arbeitszeit-, und damit Lebensgestaltung europäischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist offensichtlich nicht gegeben.


EAD wird "Militärischer Auswärtiger Dienst"

Die Linke, PM, 27.4. hav. "Europa braucht keinen neuen milliardenschweren militarisierten Dienst. Die Konzeption des EAD darf so nicht verabschiedet werden, erklärt Sevim Dagdelen, Sprecherin der Fraktion Die Linke für Internationale Beziehungen, anlässlich der Einigung der Außenminister der EU zum Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD). Dagdelen weiter: "Die EU-Außenminister haben sich auf einen Europäischen Auswärtigen Dienst mit einer starken militärischen Komponente geeinigt. Deshalb muss man von einem Militärischen Europäischen Auswärtigen Dienst sprechen. Damit wird ein bürokratischer Apparat in Brüssel geschaffen, der die Trennung von Diplomatie und Militär aufhebt. Auch die Entwicklungspolitik soll im EAD künftig einer militärischen Sicherheitspolitik untergeordnet werden. Ohne öffentliche Diskussion und gegen Friedensbewegung und Entwicklungsorganisationen, haben die EU-Außenminister damit ein Projekt auf den Weg gebracht, bei dem weder demokratische Kontrolle noch ordentliche Haushaltskontrolle gewährleistet sind.

Angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise ist es zudem einfach skandalös, dass die Öffentlichkeit über die zu erwartenden Mehrkosten für die 8000 Brüsseler Beamten schlicht im Unklaren gelassen wird."


Kritik an der Afrika-Strategie der EU

venro, 28.4. hav. Die gemeinsame Afrika-EU-Strategie hat wenig Aussicht auf Erfolg, wenn keine Nachbesserungen beim zweiten Aktionsplan durchgeführt werden. Geschlechtergerechtigkeit und ländliche Entwicklung müssten stärker in den Fokus der Partnerschaft rücken, so die Forderung des Verbandes Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (Venro) anlässlich des Treffens der Minister der EU und Afrikas in Luxemburg am 26. April. "Zu unserem Bedauern sind bei der Partnerschaft zu Handel, regionaler Integration und Infrastruktur keinerlei Fortschritte erzielt worden. Die Nahrungskrise 2008 hat deutlich gezeigt, dass vor allem die ländliche Entwicklung ein Schwerpunktthema sein muss. Die meisten Menschen in Afrika leben in ländlichen Gebieten", sagt Venro-Vorstandsvorsitzender Ulrich Post.

Venro kritisiert zudem, dass es keine eigene Partnerschaft zum Thema Gender gibt. "Ohne gleichberechtigte Teilhabe von Frauen hat die gemeinsame Afrika-EU-Strategie keine Aussicht auf Erfolg", so Post. In Luxemburg wurde ein Ausblick auf den zweiten Aktionsplan 2011-2013 präsentiert. "Die Vorschläge sind in keinster Weise zufriedenstellend. Es soll kaum Änderungen geben, während wichtige Themen für die afrikanische Bevölkerung ausgeklammert werden. Bereits die vergangenen zwei Jahre hätten deutlich gezeigt, dass die Strategie erhebliche Mängel aufweist. Hiermit müsste sich auch der Afrika-EU-Gipfel im November in Tripolis befassen."

Die gemeinsame Afrika-EU-Strategie wurde im Dezember 2007 auf dem Gipfel von Lissabon verabschiedet.


*


Afghanistaneinsatz: Bundesregierung entgrenzt Einsatzregeln

Nachdem am Freitag, den 2. April, weitere vier Angehörige der Bundeswehr in Afghanistan umgekommen waren, reagierten die politischen Spitzen der BRD darauf mit Rufen nach verstärkter Bewaffnung. Mitte April entschied das Verteidigungsministerium zwei Panzerhaubitzen nach Kundus zu verlegen.

Dies Waffensystem besteht aus einem schwer gepanzerten, stark motorisierten Kettenfahrzeug, das eine Haubitze trägt. Haubitzen eignen sich zum indirekten Schießen, das Rohr wird in steilem Winkel nach oben gerichtet und feuert so in hohem Bogen Granaten mit großer Sprengkraft auf bis zu 40 Kilometer entfernte Ziele.

Der Einsatz dieses Waffensystems wird die Zahl der zivilen Opfer erhöhen, denn die Trefferwirkung entsteht breitflächig, etwa wie bei einer Fliegerbombe. Luftunterstützung muss die Bundeswehr bei den höheren Kommandostellen der alliierten Streitkräfte anfordern, die Haubitzen könnte sie nach eigenem Ermessen feuern lassen.

Die Verlegung der Haubitzen kann deswegen auch als Zurückweisung der Kritik verstanden werden, die der Oberkommandierende der alliierten Streitkräfte in Afghanistan, der amerikanische General McChrystal, etwa anlässlich des Kundus-Massakers führte. Der dabei leitende Bundeswehroberst Klein musste dazu die Luftunterstützung anfordern, damit war das Oberkommando direkt involviert, und es wurde offenbar, dass die robuste Einstellung des Oberst Klein zur Afghanistan-Strategie der Regierung Obama nicht passt.

Am 19.4. wurde die Verfügung bekannt, mit der Generalbundesanwältin Harms die Ermittlungen gegen Oberst Klein einstellte. (http://www.generalbundesanwalt.de/de/aktuell.php, 19.4.) Ein für die weitere Entwicklung bedeutsamer Satz in Punkt 6 der ausführlichen amtlichen Erklärung lautet: "Der Beschuldigte Klein durfte davon ausgehen, dass keine Zivilisten vor Ort waren. Deshalb war er nicht verpflichtet, Warnhinweise vor dem militärischen Angriff zu geben." Die Nachrichtenlage vor dem tödlichen Befehl ist längst kein militärisches Geheimnis mehr. Wenn Klein damals davon ausgehen "durfte", dass keine Zivilisten vor Ort seien, ist künftig faktisch nur noch wichtig, ob Taliban im Zielraum vermutet werden können. Die Generalbundesanwaltschaft, geleitet durch Frau Harms, muss in ihrer Amtsführung den Weisungen des Bundesjustizministeriums, Ministerin Frau Leutheusser-Schnarrenberger, folgen. Wenige Tag vor Bekanntwerden der Einstellung des Verfahrens gegen Oberst Klein hatte das Verteidigungsministerium die Verhandlungen mit dem Bremer Rechtsanwalt Karim Popal über Entschädigungen für zivile Opfer des Luftschlags bei Kundus vom 4. September 2009 abgebrochen. Die Kanzlei habe nicht nachweisen können, dass sie tatsächlich Mandate von allen Personen habe, die sie zu vertreten angegeben habe, sagte Verteidigungsminister.

Am 21.4. besuchte General McChrystal die BRD zu Gesprächen mit der Regierung. Er bekräftigte, dass streng darauf geachtet werden müsse, zivile Opfer zu vermeiden. - Blickt man auf die langen Jahre des Einsatzes zurück, so entsteht der Eindruck, dass sich die Einsatzgrundsätze und -richtlinien der USA und der BRD überkreuzen. Während die USA von einer Strategie rücksichtsloser Demonstration militärisch-technischer Überlegenheit verbal abrücken, begibt sich die politische Führung der BRD faktisch auf diesen Abweg. Während McChrystal an einzelnen Aktionen der Bundeswehr Kritik übte, sagen die militärischen Fakten etwas anderes: Derzeit werden amerikanische Truppen in den Norden Afghanistans verlegt, die Kampfhubschrauber mitbringen. Panzerhaubitzen, Kampfhubschrauber, entgrenzte Einsatzregeln, - die aufgefahrenen Mittel zeigen, dass die westlichen Verbündeten im Norden Afghanistans das Gefecht mit aufständischen Kräften suchen. So sagte McChrystal nach Presseberichten, zwar habe die Bekämpfung der Aufständischen zunächst im Süden Priorität. Aber auch im Norden sei eine konsequente und effiziente Bekämpfung der Aufständischen ("Counter Insurgency") nötig.

Das Regionalkommando Nord und dessen deutscher Kommandeur trage dafür die volle und uneingeschränkte Befehlsgewalt. Er habe keinerlei Bedenken, amerikanische Truppen unter deutsches Kommando zu stellen, sondern höchstes Vertrauen, sagte Mc-Chrystal. (FAZ, 22.4.)

Martin Fochler


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Panzerhaubitze der niederländischen Armee im Afghanistan-Einsatz.

Raute

Merkels Hinhaltetaktik kommt teuer

EU-Notkredite an Griechenland

Mit Notkrediten bis zu 110 Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren will die EU gemeinsam mit dem IWF der griechischen Regierung helfen. 80 Milliarden Euro davon werden von der EU aufgebracht. Weitere 39 Milliarden Euro steuert der IWF bei. Das ist der Kern des "Hilfepakets" von EU und IWF, das nach hektischen Verhandlungen der griechischen Regierungen mit der Europäischen Zentralbank, dem IWF, der EU-Kommission und den europäischen Regierungen am letzten Wochenende beschlossen und auf den parlamentarischen (Eil)-Weg gebracht wurde.

Merkels Taktiererei wurde teuer

Dass es überhaupt zu dieser Ausnahmesituation gekommen ist, dafür ist nach allem, was man so hört, auch die Bundesregierung maßgeblich verantwortlich. Obwohl seit Wochen für jeden, der sehen und hören wollte, unübersehbar war, dass starke Akteure auf den Finanzmärkten sich auf die griechische Regierung eingeschossen hatten, hatte Bundeskanzlerin Merkel ein Hilfsprogramm an Griechenland an immer neue Bedingungen geknüpft und ein Inkrafttreten immer weiter verschoben. Gleichzeitig durften nationalistische Schreihälse aus der ersten und zweiten Reihe der Regierungsfraktionen mit immer neuen Einfällen (Griechenland raus aus dem Euro, alle raus aus dem Euro, griechische Insel verkaufen, - warum nicht gleich an die FDP-nahe Mövenpick-Hotelgruppe?) die Medien beschäftigen und die Gemüter aufwühlen.

Am Ende kam es, wie es kommen musste. Die Rating-Agenturen walteten ihres Amtes, beurteilten die entstandene Gesamtsituation zu Recht als riskant und lösten damit das kreditpolitische Erdbeben aus, das die Politik jetzt zum Handeln zwingt.

Denn die von den Agenturen vorgenommene Abstufung der Bonität griechischer Anleihen hat nicht nur der griechischen Regierung neue Anleihen im Grunde unmöglich gemacht. Ein solches "Rating" würde, wenn es bestehen bleibt, über kurz oder lang auch alle Schuldnerbanken Griechenlands, darunter nicht wenige hiesige Banken, dazu zwingen, ihre Bestände an Griechenland-Anleihen aus Gründen der "kaufmännischen Vorsicht" abzuwerten. Eine neue Verlustwelle der Banken wäre die Folge, mit allen negativen Folgen für das Kreditangebot, für die Wirtschaft usw. usf.

Merkel hat also Recht, wenn sie sagt, das Paket sei jetzt "alternativlos". Sie verschweigt aber: dass die Situation an den Märkten überhaupt so eskaliert ist, dafür trägt sie mit ihrer nationalistischen und dilettantischen Verzögerungspolitik maßgeblich Verantwortung. Es ist schon pikant und verdient festgehalten zu werden, dass erst die Überredungskunst von EZB, IWF, EU-Kommission und zahlreichen weiteren europäischen Regierungen in der Lage war, die deutsche Blockadeposition aufzulösen und das Hilfspaket auf den Weg zu bringen.


Wer zahlt wirklich?

Hier und da wird jetzt die Sorge geäußert, der deutsche Steuerzahler müsse für die griechische Regierung zahlen. Das ist nicht so. Die Kredite werden gegeben von der EZB, der EU und dem IWF. Die Bundesregierung bürgt nur entsprechend dem deutschen Anteil am Kapital der Europäischen Zentralbank. Diese Bürgschaft "lohnt" sich vermutlich sogar, denn Griechenland soll nach vorliegenden Berichten 5% Zins für diese Kredite zahlen. Dass sind 2% mehr, als die Kreditgeber an den Märkten für die Aufnahme der Geldsumme zahlen müssen, die sie an Griechenland leihen. 2 Prozent Ertrag im Jahr macht 6% in drei Jahren, das sind bei 80 Milliarden Euro "EU-Krediten" immerhin Erträge von 4,8 Milliarden Euro.

Wirklich "teuer" ist das Programm dagegen für die griechischen Bevölkerung. In der Presse ist zu lesen: 4% höhere Mehrwertsteuer (von 19 auf 23%), Anhebung des Rentenalters um bis zu 5 Jahre bei gleichzeitiger Senkung der Rentenhöhe, Gehaltssenkungen im öffentlichen Dienst (das 13. Gehalt soll um 30% gekürzt werden, das 14. Gehalt um 60 Prozent, schreibt etwa die "Rheinpfalz"), Einstellungsstopp, Abbau des Kündigungsschutzes auch in der Privatwirtschaft (was hat das mit Abbau der Neuverschuldung zu tun?), Anhebung der Tabaksteuer, der Alkoholsteuer, der Benzinsteuern. Gleichzeitig berichtete die "Frankfurter Zeitung am Sonntag" kürzlich, allein eine griechische Reederfamilie (nicht die Onassis-Gruppe, nicht die Niarchos-Gruppe, sondern eine "kleinere" reiche Familie) besäße über ihre privaten Fondsgesellschaften griechische Staatspapiere von 60 Milliarden Euro. Wer also in Griechenland am Ende wirklich wie viel zahlt, darüber tobt jetzt dort der - von außen schwer überschaubare - Kampf. Absehbar ist aber auch: bei einer so massiven Änderung der griechischen Steuer- und Staatspolitik werden es nicht nur "die Reichen" sein, die am Ende zahlen müssen, sondern auch ziemlich viele kleine Leute.


Lehren aus der Griechenland-Krise

Es ist sicher richtig, wenn jetzt allenthalben nachgedacht wird über Lehren aus der Griechenland-Krise.

Eine davon ist sicher: Die EU braucht ein Krisenregiment für solche Krisen. Bisher hat sie keins. Die nationalistische Hinhaltepolitik der großen EU-Mächte, allen voran der Bundesregierung, die von Anfang der weltweiten Finanzkrise an meinten, solche "Krisen am Rande der EU" könne man den Märkten und dem IWF überlassen, ist gescheitert. Regeln müssen her, und zwar europaweit gültige, faire Regeln, die von allen getragen werden.

Zu diesen Regeln wird auch gehören, dass eine rücksichtslose Exportförderpolitik, wie sie hierzulande viele Jahre betrieben wurde, keinen Bestand haben kann in einer großen EU. So geht es nicht weiter. Das dämmert vielen. Aber wie es weiter gehen soll, ist auch nicht klar.

"Europäische Anleihen", wie sie hier und da jetzt ins Gespräch gebracht werden, könnten ein Hilfsmittel sein. Anleihen der EU sind sicherer als Anleihen einzelner Staaten und also auch zinsgünstiger. Sie können aber keine neue Finanzierungsquelle für die Fortsetzung von Misswirtschaft und Verschwendung auf einzelstaatlicher Ebene sein. Sie müssten also mit strikten Regeln für die Finanz- und Haushaltswirtschaft der Einzelstaaten verbunden sein. Wie die aber aussehen sollen, darüber steht die Debatte noch ganz am Anfang. Fest steht nur eins: Die sträfliche Vernachlässigung von Europa, wie sie sich auch Gewerkschaften und Linke lange geleistet haben, muss aufhören. Europapolitik geht alle an.

Dritter Punkt: Regulierung der Finanzmärkte. Die muss kommen. Es wird vermutlich sogar knüppeldick kommen für manche Finanzmarktakteure. Nicht nur in den USA, auch in der EU wächst der Groll über die Geschäftssitten von Banken, Fonds, Rating-Agenturen usw. Ein Gegenschlag ist also sicher. Es wird spannend, wo und wie dieser Gegenschlag kommt.

Letzter Punkt: die Zeit der flotten Staatsschuldenmacherei ist vorbei. Die vielen Alt-Keynesianer, die nach dem Ausbruch der Weltfinanzkrise ihre ideologische Auferstehung wähnten, werden erneut enttäuscht werden. Denn nun steht wirklich fest: Staatsschulden sind nicht nur unsozial, weil jede Staatsschuld Zinserträge für den vermögenden Teil der Gesellschaft bedeutet, finanziert durch Steuern der weniger vermögenden Teile. Staatsschulden sind auch ein hohes Risiko. Je höher, umso mehr wächst die Erpressbarkeit von Staaten.

Selbst die deutsche Bundesregierung, die im ersten Quartal 116 Milliarden Euro neue Staatsanleihen (Tagesspiegel, 2.5.10) ohne Probleme aufgelegt hat, muss vorsichtiger werden. Denn wer garantiert, dass sich Krisen wie in Griechenland nicht an anderer Stelle wiederholen? Die Debatte um die Begrenzung der Staatsschuld, bei der sich die Linke bisher nicht mit Ruhm bekleckert hat, bekommt durch die griechische Krise einen neuen, unerwarteten Akzent. Und das ist vermutlich ganz gut so!   (rül)

Raute

Im Januar starb auf den S-Bahn-Gleisen zwischen Hamburg-Harburg und Wilhelmsburg der 23 Jahre alte Wadim.

Er war 2005 als 18-Jähriger nach Lettland abgeschoben worden. Bei der Abschiebeaktion, die der ganzen Familie galt, hatte seine psychisch kranke Mutter einen Suizid-Versuch begangen. Nur weil die Ärzte des Krankenhauses, in das sie eingeliefert wurde, protestierten, wurde sie nicht abgeschoben. Der Vater kam in Abschiebehaft und beging dort ebenfalls einen Suizidversuch. Er wurde trotzdem abgeschoben und konnte erst später zu seiner Restfamilie zurückkehren. Der abgeschobene Wadim, dem nicht einmal der unmittelbar bevorstehende Abschluss seiner Ausbildung ermöglicht wurde, war der lettischen Sprache nicht mächtig. Er hatte keine Kontakte und lebte in Lettland als Obdachloser. Nach einer Irrfahrt durch Europa kam 2009 illegal nach Hamburg zurück, um seine Familie zu sehen. Er hätte legal nur einreisen können, wenn er zuvor die ca. 5000 Euro Kosten seiner Abschiebung bezahlt hätte. Aber weder er noch seine Familie, die außerdem ebenso viel für die Abschiebung des Vaters zu zahlen hatte, hatten das Geld. Von Entdeckung und erneuter Abschiebung bedroht, sah Wadim keinen Ausweg mehr und wählte den Tod.


*


Zwei Suizide in Hamburger Abschiebehaft

Zweimal innerhalb weniger Wochen sah ein Mensch in Hamburger Abschiebehaft keinen anderen Ausweg, als seinem Leben ein Ende zu setzen. Am 7. März hatte sich der junge David M. nach einem Hungerstreik im Zentralkrankenhaus des Untersuchungshaftgefängnisses erhängt. Am Morgen des 16. April fanden Bedienstete die 34-jährige Indonesierin Yeni P. tot in ihrer Zelle in der Frauenabteilung der JVA Hahnöfersand. Auch sie hatte sich erhängt.


Die beiden Suizide werfen viele Fragen auf: nach konkretem Behördenversagen, nach den Bedingungen der Abschiebehaft. Aber sie stellen vor allem die Abschiebehaft und die Politik der Abschiebungen selbst in Frage.

Zumindest im Fall David M. hat die Justizbehörde die Alarmsignale nicht wahrgenommen, die in einem mehrwöchigen Hungerstreik sich äußernde Verzweiflung ignoriert. Wie kann es sein, dass der Anstaltspsychologe, der zunächst Suizidgefahr nicht ausschloss, nach mehreren "in einfachem Englisch" geführten Gesprächen mit dem Georgier Entwarnung gab? Sowohl im Fall David M. wie im Fall Yeni P. haben Linksfraktion und SPD die Vorlage der Akten beantragt, um eventuelles Behördenversagen restlos aufzuklären oder gegebenenfalls auszuschließen.

Doch mit der Aufklärung der konkreten Todesumstände sind die Ursachen nicht angegangen. Zu Recht weist Fluchtpunkt, eine kirchliche Stelle für Flüchtlinge, darauf hin: "Die beiden Suizide der vergangenen Wochen korrespondieren mit zahlreichen Suizidversuchen in der Abschiebungshaft und sehr vielen Suizidversuchen und Suiziden im Vorfeld der Abschiebung. In jeder Sprechstunde treffen wir auf verzweifelte Menschen, deren Angst vor einer drohenden Abschiebung so groß ist, dass sie einen selbst herbeigeführten Tod als einzige Möglichkeit formulieren, den Ausgang ihres Lebens noch mitzubestimmen. Wir vermitteln diese Menschen in Psychotherapie, aber was sie wirklich bräuchten, wäre Sicherheit und Anerkennung. Wie viele Flüchtlinge sich nach einer Abschiebung das Leben nehmen, hat noch niemand untersucht."

Nach dem Suizid von David M. reagierte die Innenbehörde auf die öffentliche Kritik mit der Ankündigung, ab sofort Minderjährige nicht mehr in Abschiebehaft zu nehmen. Der Georgier war, wie sich nach seinem Tod herausstellte, älter als 18, aber er war als vermeintlich 17-Jähriger in Abschiebehaft genommen worden. Obwohl die UN-Kinderrechtskonvention dem Kindeswohl absoluten Vorrang zumisst und obwohl § 42 SGB VIII vorschreibt, dass minderjährige unbegleitete Flüchtlinge durch das Jugendamt in Obhut zu nehmen sind, hatte die Ausländerbehörde dieses Gebot nicht einmal als Möglichkeit in Betracht gezogen. Stattdessen war David M. unter Berufung auf das Dublin-II-Abkommen in Haft genommen worden, um ihn nach Polen zurückzuschieben. Überhaupt warf das Auftreten des Behördenleiters im Ausschuss ein grelles Licht auf die Ausrichtung der Ausländerbehörde, gesetzliche Handlungsspielräume grundsätzlich zum Nachteil der Flüchtlinge auszugestalten.

Die Ankündigung des als Hardliner berüchtigten CDU-Innensenators Ahlhaus, auf Abschiebungshaft für Minderjährige zu verzichten, ist sicher ein Erfolg. Aber dass ohne öffentliche Kontrolle sie nicht sehr weit trägt, wurde schon bald nach Davids Verzweiflungstod bekannt. Ein 16 Jahre junger ägyptischer Flüchtling wurde erst nach einigen Wochen Abschiebehaft dem Jugendamt übergeben. Er hatte "Glück", in seinem Fall hatte die rechtsmedizinische Untersuchung seine Altersangabe bestätigt. Generell zieht die Ausländerbehörde die Altersangaben von jugendlichen Flüchtlingen in Zweifel und lässt ihr Alter fiktiv festsetzen. Leider beteiligen sich die Ärzte des Rechtsmedizinischen Instituts daran, obwohl der 110. Deutsche Ärztetag 2007 "jegliche Beteiligung von Ärztinnen und Ärzten zur Feststellung des Alters von Ausländern mit aller Entschiedenheit" abgelehnt hatte. So waren in Hamburg 2009 226 von 402 minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen mit wissenschaftlich und ethisch mehr als bedenklichen Methoden für "mindestens 18" erklärt und deshalb nicht dem Jugendamt in Obhut gegeben worden.

Nach dem zweiten Suizid forderte die Fraktion Die Linke im Innenausschuss die sofortige Aussetzung der Abschiebehaft. Obwohl die Behörden verpflichtet sind, Abschiebegefangene strikt von Strafgefangenen zu trennen, war die Indonesierin in die Frauenabteilung der JVA Hahnöfersand gelegt worden. Da in der Regel im Stadtstaat gleichzeitig höchstens ein bis zwei Frauen in Abschiebehaft sind, wäre die Alternative die Totalisolation gewesen, so der Justizsenator. Wenn aber die Alternativen die Missachtung internationaler Rechtsnormen oder folterähnliche Haftbedingungen sind, dann darf Abschiebehaft eben nicht vollstreckt werden, argumentierte die Linke. Als Sofortmaßnahme müsse die Ausländerbehörde nicht nur bei Minderjährigen, sondern auch bei Frauen, Eltern minderjähriger Kinder, Kranken und Alten darauf verzichten, Abschiebehaft zu beantragen.

Die Innenbehörde lässt bisher jedoch jeden Willen vermissen, über die bisherige Ankündigung hinaus Abschiebehaft zu vermeiden, und erst recht, die restriktive Abschiebepolitik zu ändern. Im Zusammenhang mit den beiden Suiziden machte eine Anfrage der Linksfraktion öffentlich, dass eine unter Schill 2001 erlassene Dienstanweisung weiterhin gilt. Danach missachtet die Ausländerbehörde bei Flüchtlingen grundsätzlich Atteste über psychische und somatische Krankheiten, lässt sogar amtsärztliche Zweitgutachten nicht mehr zu und ignoriert Abschiebehindernisse wie Suizidalität. Unter der schwarz-grünen Koalition hat sich an der Abschiebepolitik nicht viel geändert.

Hatten die Regierungsfraktion unter dem Schock des zweiten Suizids einen "Runden Tisch" unter Beteiligung von Regierung, Parlament, Flüchtlingsorganisationen und Wissenschaftlern angekündigt, um die Abschiebepraxis zu überprüfen, wollten sie schon wenige Tage später von einer Beteiligung des Parlaments nichts mehr wissen. Immerhin hat der GAL-Justizsenator im Ausschuss zugesagt, die Abschiebehaftbedingungen grundlegend zu überprüfen, etwa die Einschlusszeiten (derzeit 18 Stunden täglich) zu verkürzen oder angemessene Besuchsmöglichkeiten sicherzustellen. Hier hatte eine Tagung "Abschiebungshaft und Seelsorge" vor einem Jahr Forderungen erhoben, etwa nach umfassenden Telekommunikationsmöglichkeiten, größtmöglichen Bewegungsmöglichkeiten, freier Arztwahl, gesunder Ernährung, ständiger Rechts-/Verfahrensberatung, psychologischer Eingangsuntersuchung. Auch hatten die Seelsorger gefordert, dass keine Haftkosten erhoben und keine Pfändung der Barmittel erfolgen dürfte. Yeni P., die vermutlich zumindest zeitweilig unter Bedingungen von Zwangsprostitution in Hamburg gelebt hatte, hatten die Behörden 1.900 Euro abgenommen. Damit hätte sie ihre Haft- und Abschiebungskosten selbst bezahlen müssen und wäre mittellos in ihrem Herkunftsland abgesetzt worden.

Christiane Schneider

Raute

"Die Zukunft ist nicht das Strahlen der Atomkraftwerke, sondern der Sonne - Abstimmung in Gorleben im Herbst 2010 mit den Füßen!"

Diese Forderungen wurden von allen Rednerinnen/Rednern auf der Kundgebung in Krümmel am 24. April erhoben.

Die Katastrophe von Tschernobyl ereignete sich am 26. April 1986 im Kernkraftwerk Tschernobyl nahe der Stadt Prypjat, Ukraine, als Folge einer Kernschmelze und Explosion im Kernreaktor Tschernobyl Block 4. Sie gilt als die schwerste nukleare Havarie und als eine der schlimmsten Umweltkatastrophen aller Zeiten.

Das Datum 24. April als Aktionstag war auch aus diesem Anlass gewählt worden. In dem Aufruf zum Aktionstag heißt es: "Mit Zehntausenden Menschen wollen wir am 24. April eine große Aktions- und Menschenkette gegen eine Aufkündigung des Atomausstiegs entstehen lassen - vom Pannenreaktor Krümmel über Hamburg bis zum AKW Brunsbüttel. Zum richtigen Zeitpunkt: Nach der NRW-Wahl Anfang Mai gehen die Atom-Verhandlungen zwischen Regierung und Konzernen in die heiße Phase. Unterstützen Sie die Aktion!" Diesem Aufruf sind 146.000 Menschen gefolgt. In Ahaus protestierten 6.000 Menschen, am AKW Biblis umzingelten 20.000 Menschen das dortige AKW und 120.000 bildeten die Menschenkette von Krümmel nach Brunsbüttel.

Zuvor hatten am 10. April zur Mobilisierung in 51 Städten Menschenkettenaktionen stattgefunden. Es wird oft behauptet, junge Leute hätten kein Interesse an Politik. Davon konnte in Krümmel keine Rede sein, unter den Teilnehmerinnen/Teilnehmern waren mindestens die Hälfte junge Leute.

Nach Krümmel hatten vor allem die Bürgerinitiativen aus dem Wendland mobilisiert. Mit der Treckerparade und Tausenden von Atomkraftgegnerinnen/Atomkraftgegnern bot sich ein buntes Bild des Widerstands. Dass den Leuten der Atomausstieg ein wirkliches Anliegen ist, war an den phantasievollen Aktionen, Spruchbändern und der Bekleidung zu sehen. Riesentransparente waren in unmittelbarer Nähe des Atomkraftwerks aufgehängt, u.a. mit der Forderung: "Sofortige Stilllegung aller Atomanlagen und der herrschenden Klasse".

Auf der Kundgebung sprachen keine Vertreter von Parteien.

Bei der Eröffnung der Kundgebung durch eine BI-Vertreterin aus Krümmel nach Abschluss der Menschenkette wurde gefordert: "Probleme erkennen, anpacken sich bewegen, Atomausstieg bleibt auch weiter Handarbeit und sollte nie einer Regierung überlassen bleiben."

In einem weiteren Redebeitrag wurde über das Cluster Leukämiefälle in Krümmel informiert. Statistisch gibt es 2 Fälle in 50 Jahren, in Krümmel gibt es 20 Fälle in 20 Jahren. An allen 17 Standorten gibt es auffällige Zahlen. Die Teilnehmenden wurden aufgefordert, zum nächsten Castortransport nach Gorleben zu kommen, und die Rede endete mit der Aussage: "Mit uns wird es kein Endlager in Gorleben geben, keine billige Lösung in Gorleben."

Der Vertreter der Bäuerlichen Notgemeinschaft bezeichnete die Anwesenheit der Protestierenden als Kraftpaket aus Menschen und Maschinen in der dritten Generation. Er führte aus: "Gorleben ist politisch, nicht geologisch ausgesucht worden. Gorleben ist dünn besiedelt, und hat eine konservative Bevölkerung, dies waren Kriterien für den Standort" und fuhr fort: "Wir hängen an unserer Heimat, und die wollen wir nicht aufgeben." Er kritisierte Bundeskanzlerin Merkel, die auf ihrer letzten USA-Reise über den verantwortungsvollen Umgang Deutschlands mit Atomkraft sprach und das angesichts von Asse und Morsleben.

Er führte weiter aus: "Es hat noch nie geklappt, dass eine Regierung eine Bevölkerung auf Dauer unterdrückt. Die Zukunft ist nicht das Strahlen der Atomkraftwerke, sondern der Sonne." In Hinblick auf die anstehenden Castortransporte im Herbst 2010 sprach er die Hoffnung aus: "Vielleicht schaffen wir es, sie dahin zurückzuschicken, wo sie hergekommen sind." Er forderte die Anwesenden auf, im Herbst zum Protest nach Gorleben zu kommen.

Der Landessuperintendent und Regionalbischof der evangelischen Kirche, Hans Hermann Jansen, erinnerte an Tschernobyl und brachte seine Freude über die Anwesenheit so vieler Menschen zum Ausdruck. "Die Evangelischen Kirchen protestieren mit Ihnen gegen eine Verlängerung der Atommeiler und gegen den Salzstock in Gorleben. Atomkraft verzeiht keine Fehler, Menschen machen aber Fehler, diese Bürde von Zigtausenden von Jahren den Menschen aufzulasten ist unverantwortlich." Er beendete seine Rede damit: "Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun können, die Welt verändern."

"Nein zu Atomenergie, Ja zu erneuerbarer Energie, das eint uns" eröffnete der Vertreter der IG Metall, Wolfgang Rohde, seine Rede. "Wir sagen nein zu Atomenergie, weil sie nicht verantwortbar ist und nein, weil es Alternativen gibt, man muss es nur wollen."

Er forderte den Ausbau in Wind- und erneuerbare Energie, dass dies auch Arbeitsplätze für diejenigen bedeute, die jetzt in den Atomkraftwerken arbeiten, dass sich der Widerstand nicht gegen diese Beschäftigten richten dürfe und diese Beschäftigten Brücken brauchen für gute Arbeit und gutes Leben, das sie auch haben wollen. Er beendete seine Rede: "Millionen Menschen sind stärker als eine Atomlobby, und wir wollen das weiterhin unterstützen."

Nach Beendigung der Kundgebung gab es eine kleinere Zusammenkunft an der Elbe von jungen Leuten mit Christian Ströbele, der über seinen Widerstand gegen Gorleben berichtete und sie ermunterte, weiter Widerstand zu leisten. Dies wurde begeistert aufgenommen.   (bee)


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Die Menschenkette vor dem Atomkraftwerk in Brokdorf - weithin über den Deich an der Elbe sichtbar. Auf 120 Kilometern zwischen dem AKW Brunsbüttel im Westen und dem AKW Krümmel im Osten Hamburgs demonstrierten über 120.000 Menschen aus Norddeutschland. Viele von ihnen kamen direkt aus der näheren Umgebung.

Raute

Rückkehr in eine verseuchte Zukunft?

Die Wiederbesiedelung von Rongelap

Am 1. März 2010 war es 56 Jahre her. Auf dem pazifischen Atoll Bikini wurde die größte, jemals von den USA gezündete Wasserstoffbombe mit dem Codenamen "Bravo" zur Explosion gebracht. Die 15 Megatonnen Bombe, die im Gebiet der Marshall-Inseln getestet wurde, war tausendmal stärker als "Little Boy", die über Hiroshima abgeworfen wurde. Während der acht Jahre dauernden Atomtests auf dem Bikini-Atoll wurden 66 Bomben gezündet und verseuchten die gesamte Region. Jetzt sollen die 1985 evakuierten Bewohner der Nachbarinsel Rongelap zurück auf ihr Atoll.

Die Einwohner des Atolls von Bikini wurden vor dem Test evakuiert, aber die Bewohner vom 150 Kilometer entfernten Rongelap hatten nicht so viel Glück. Ungefähr vier Stunden nach der Zündung regnete es feine weiße Asche auf die Menschen, die im Freien standen. Die Asche löste sich im Trinkwasser auf und verunreinigte es. Die schneeartige Asche aus Korallenstaub fiel den ganzen Tag über bis in die Nacht hinein herab, eine etwa zwei Zentimeter dicke Schicht bedeckte den Boden. Einen Tag nach der Explosion kamen amerikanische Wissenschaftler in Schutzanzügen auf die Insel, maßen die Strahlung und gingen nach 20 Minuten wieder, ohne ein Wort an die Einwohner zu richten. Obwohl die US-amerikanischen Verantwortlichen wussten, dass die Asche durch starke Winde direkt auf Rongelap wehte, veranlassten sie die Evakuierung erst nach 48 Stunden. Die Rongelapesen hatten alle Symptome einer schweren Verstrahlung: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Juckreiz, Brennen der Haut, der Augen und des Mundes. Sie litten an schweren großflächigen Hautverbrennungen und verloren ihre Haare innerhalb von zwei Wochen nach der "Bravo" Explosion.

Die Rongelapesen wurden drei Jahre nach der Evakuierung wieder auf der Insel abgesetzt, ohne dass je der Versuch einer "Beseitigung" der Strahlenverseuchung der Insel durchgeführt worden war. Eine Studie aus dem Jahr 1979 bewies, dass die nördlichen Marschall-Inseln hochgradig strahlenverseucht waren, an manchen Stellen sogar höher als auf dem Bikini-Atoll selbst. Die US-amerikanischen Behörden indessen waren sich sicher, dass Rongelap völlig ungefährlich war. Viele aber waren krebskrank geworden. Schließlich baten die Rongelapesen Greenpeace um Hilfe bei der Umsiedlung auf die 180 Kilometer entfernte Insel Mejatto. Am 17. Mai 1985 traf die "Rainbow Warrior" vor Ort ein. Nach zehn Tagen waren alle 300 Einwohner in Sicherheit gebracht.

Kurze Zeit später wäre diese Aktion nicht mehr möglich gewesen: am 10. Juli 1985 wurde die "Rainbow Warrior" vom französischen Geheimdienst im Hafen von Auckland (Neuseeland) versenkt.

Um so mehr waren im vergangenen Jahr die Bewohner der Marshall Inseln erstaunt, als die US-amerikanische Energiebehörde (Department of Energy, DOE) bekannt gab, Rongelap könne nun nach mehreren Tests und Säuberungsarbeiten wieder besiedelt werden. Die Behörde drängt die lokale Verwaltung von Rongelag (Rongelap Atoll Local Government, RALGov), bis Ende 2011 die Wiederbesiedlung durchzuführen und die Siedlung auf der Insel Mejatto - die "temporäre" Heimat der Insulaner seit 1985 - zu schließen. Zugleich macht das Department of Energy die Auflage, aus gesundheitlichen Gründen auf dem wiederbesiedelten Atoll nur importierte Nahrungsgüter zu sich zu nehmen, sowie kaliumhaltige Düngemittel einzusetzen, um die Aufnahme des radioaktiven Cäsiums durch die angebauten Früchte abzuschwächen. Die USA haben auf diesen Atollen das Sagen. Die Marshallinseln sind seit 1986 eine selbstständige Republik in freier Assoziierung mit den Vereinigten Staaten von Amerika.


Welche Perspektive werden die Menschen haben?

Der Bürgermeister von Rongelap, James Matayoshi, berichtete in der Zeitschrift "Marshall Islands Journal", die Rongelap-Insulaner, die zur Zeit auf Mejatto leben, wollten schon immer in ihre Heimat zurückkehren. "Aber die Fragen des Strahlenschutzes, ebenso wie die Probleme der Infrastruktur und daraus folgende logistische Fragen kann man nicht innerhalb von 18 Monaten lösen." Er meint, alles werde davon abhängen, ob die Menschen bereit seien umzusiedeln. Es ist fünfundzwanzig Jahre her, dass die Leute von Rongelap umgesiedelt wurden. Sie fanden außer ein paar Bäumen nichts auf Mejatto vor. Heute ist es die Heimat einer Gemeinschaft von fast 400 Menschen, mit einer Schule, Apotheke und Kommunikationseinrichtungen.

Matayoshi sagt, eine erfolgreiche Wiederansiedlung auf der alten Insel Rongelap müsse mindestens drei Anforderungen erfüllen:

• Infrastruktur: Die örtliche Regierung muss auf Rongelap 40 neue Häuser errichten zu den neun bereits gebauten. Darüber hinaus will ein Teil der Bevölkerung nicht zurück nach Rongelap, sondern auf die benachbarte Insel Eneaetok Island, weil sie dort traditionelle Landrechte hat. Das macht zusätzlich 40 Häuser auf dieser Insel nötig, ebenso eine neue Schule und eine Ambulanz.

• Strahlenbelastung: Auch wenn das Department of Energy sagt, dass Rongelap wieder ohne Gefahr besiedelt werden kann: Was ist mit den mehr als 60 Inseln rund um das Atoll, die für die Nahrungsbeschaffung verwendet werden? Eine Dekontaminierung vom atomaren Fallout hat es nur auf dem Hauptatoll gegeben.

• Finanzierung: Die örtliche Regierung von Rongelap fordert vom US-Kongress 1 Mio Dollar jährlich als Bedingung für eine zügige Wiederansiedlung.

"Ehrlich gesagt möchte ich nicht nach Rongelap zurück", erklärt die 69-jährige Lemeyo Abon, eine überlebende Rongelapesin des "Bravo"-Tests. Seit dem gravierenden Einschnitt in ihr Leben im Jahre 1954 hat sie kein Vertrauen mehr zu der US-amerikanischen Regierung. "Die USA hielten ihre Arbeit vor uns geheim. Sie wussten über die Windrichtung und über die Vergiftung Bescheid. Wir haben friedlich auf unseren Inseln gelebt. Wir waren mit niemandem im Krieg, aber sie kamen und vergifteten uns. Die Vereinigten Staaten schulden uns etwas... Wir lebten friedlich und sie taten uns das an und bis heute haben sie noch nicht mal 'Entschuldigung' zu uns gesagt", so Abon im Gespräch mit dem "Marshall Islands Journal" im Februar 2010.

Für Lemeyo Abon ist fraglich, was passiert, wenn die Rongelapesen zurückkehren und feststellen, dass ein Leben in ihrer ursprünglichen Heimat wegen der Verstrahlung nicht mehr möglich ist. Schließlich hatten die USA schon 1985 ihre Evakuierung verweigert.

Karl-Helmut Lechner


Quellen: "Marshall Islands Journal" 18.12.2009, 22.01.2010, 12.02.2010, 19.02.2010; zu finden unter
http://www.marshallislandsjournal.com

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Links: Ein Foto von 1954: Den Bewohnern von Rongelap wird mitgeteilt, dass sie ihr Atoll verlassen müssen. Rechts: Die Explosion der Wasserstoffbombe "Bravo"

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AUSLANDSNACHRICHTEN

Türkei: TekelarbeiterInnen attackiert

Seit Dezember 2009 demonstrieren Arbeitnehmer des früheren staatlichen Tabakunternehmens Tekel aus Protest gegen eine Blitzentscheidung, ihre Arbeitstätten Ende Januar 2010 zu schließen. Sie traten u. a. in den Hungerstreik. "Am Donnerstag, dem 1. April befanden sich Tausende Tekel-ArbeiterInnen auf dem Weg nach Ankara, um ihre erste große Aktion, einen Monat nach dem Abbau der Hungerstreikzelte, abzuhalten. Bereits in den Morgenstunden waren Busse aus vielen Städten der Türkei unterwegs nach Ankara. Nahezu alle Busse wurden von der Polizei vor der Einfahrt nach Ankara gestoppt. Nach Angaben von Gewerkschaftsvertretern wurden Busse beschlagnahmt. Hunderte Menschen, denen es gelungen war, die Barrikaden zu durchschreiten, hatten sich in der Nähe der Türk-Is Zentrale in Ankara versammelt. Sie wurden von allen Seiten von der Polizei umzingelt. Rund 10.000 Polizisten standen den ArbeiterInnen gegenüber. Der Polizeiterror wurde von Polizeipanzern, Wasserwerfern und Hubschraubern begleitet. Es kam zu Übergriffen der Polizei, unter Einsatz von Polizeiknüppeln, Gasbomben und Pfeffergas. Es wurde von Verletzten und Festnahmen berichtet ... Gegen 20 Uhr schien sich die Situation doch noch zu entspannen und die Versammlung wurde allmählich von den ArbeiterInnen aufgelöst."
(quelle: indymedia.org)


Europäischer Betriebsrat verurteilt Vorgehen von Nestlé in verschiedenen Ländern

Der Lenkungsausschuss des europäischen Betriebsrates von Nestlé verurteilt die "Nespressionen" (Anspielung auf das Konzern-Produkt "Nespresso") in Indonesien, Tunesien, Russland, Großbritannien, Ungarn und Spanien.

Während die SBNIP, die Gewerkschaft der Beschäftigten von Nestlé Indonesien in Panjang, immer noch keine Gelegenheit erhalten hat, ihr Recht auf Lohnverhandlungen auszuüben, und die Gewerkschaft der Nestlé-Beschäftigten in Tunesien um die vollständige Umsetzung eines mit dem Unternehmen und den staatlichen Arbeitsbehörden im Januar unterzeichneten Abkommens kämpft, um einen Arbeitskampf zu beenden, geraten nun auch die Gewerkschaften in Europa unter Druck, wenn sie grundlegende Rechte wie die Gründung von Gewerkschaften und den Schutz der Interessen ihrer Mitglieder wahrnehmen.

Die Mitglieder des Lenkungsausschusses des Nestlé EBR wurden auf einer Tagung am 8. März über den Stand der anhaltenden Konflikte informiert. Bezüglich des Konflikts bei Nestlé Waters in Russland (Diskriminierung der Arbeitnehmer, die sich der Gewerkschaft anschlossen, und die fadenscheinig bewehte, gründete Entlassung eines führenden Gewerkschafters) vereinbarten die Ausschussmitglieder, die Protestschreiben an die russische Unternehmensleitung zu intensivieren. Die deutschen Nestlé-Gewerkschafter, die sich persönlich an den Generaldirektor von Nestlé Russland gewandt hatten, da dieser zuvor in leitender Funktion in Deutschland tätig gewesen war, erklärten sich bereit, die vage und nichts sagende Antwort, die dieser ihnen geschickt hat, entsprechend scharf zu beantworten.

In Großbritannien kündigte Nestlé im November einen landesweiten Lohnstopp an, fügte jedoch hinzu, dass die Beschäftigten Lohnerhöhungen in Form von leistungsbedingten Bonuszahlungen erhalten würden. Die britischen Betriebsvertrauensleute und ihre Gewerkschaften haben diesem Versuch, Tarifverhandlungen mit willkürlich verfügten Lohnanpassungen zu ersetzen, eine Absage erteilt. Da Nestlé UK seit der Ankündigung in keinem seiner Betriebe Verhandlungen aufgenommen hat, die diesen Namen verdienen, bereiten die Gewerkschaften nun eine Abstimmung durch die Mitgliedschaft vor, ob auf diesen Angriff auf das Verhandlungsrecht der Gewerkschaften mit Arbeitskämpfen reagiert werden soll.

In Ungarn, wo Nestlé keine Löhne, sondern ein aus Lohnnebenleistungen und Löhnen bestehendes Paket verhandelt, kämpft die Gewerkschaft darum, dass dieses System fairer und transparenter gestaltet wird. Die in dem Paket vorgesehene Höhe der Lohnnebenleistungen ist für alle gleich, dennoch verteilt Nestlé Lohnerhöhung nach eigenem Ermessen. Nestlé Ungarn übt nun Druck auf die Gewerkschaft aus, dem von ihm vorgeschlagenen Paket zuzustimmen, das ein neues Gehaltsstufensystem enthält - wobei das Unternehmen aber beabsichtigt, dieses erst zu einem späteren Zeitraum festzulegen. Die Gewerkschaft weigert sich, die Interessen ihrer Mitglieder durch die Unterzeichnung eines Blankoschecks abzugeben.

In Spanien haben die Verhandlungen über die Verlängerung des Tarifvertrags im Tiefkühlkostbetrieb von Valladolid einen Stillstand erreicht, wobei Nestlé seine Ziele auch hier unter Anwendung von Repressionen verfolgt. Ein Versuch, den Verhandlungsausschuss der Gewerkschaft zu untergraben und bei den Beschäftigten Unterschriften zugunsten des Tarifverhandlungsvorschlags des Unternehmens zu sammeln, ging nach hinten los: Die Arbeitnehmer/innen hielten dem Druck stand und erklärten, hinter den Forderungen ihres Verhandlungsausschusses zu stehen.

Der Lenkungsausschuss des Nestlé EBR verurteilt die Diskriminierung der Gewerkschaftsaktivist/innen, die Angriffe auf die Tarifverhandlungsrechte und die Versuche, den Tarifverhandlungsprozess zu untergraben, und erklärt sich mit den Gewerkschaften und Arbeitnehmer/innen und ihrem Kampf gegen Repressionen.

Auf der 2. Weltkonferenz der Molkereiarbeitergewerkschaften in Buenos Aires im März 2010 an der Vertreter/innen aus 22 Ländern teilnahmen. erklärte sich die Konferenz mit allen Nestlé-Arbeitnehmer/innen solidarisch, die zurzeit unter Druck stehen, und insbesondere mit der Gewerkschaft von Nestlé Waters in Russland und seiner Kampagne für die Wiedereinstellung des entlassenen Gewerkschaftsführers Sergej Strykow.
(bee,Quelle: www.iuf.org)


Paris: Sans Papiers wurden geräumt

Am 1. April wurde in Paris im 6. Arrondissement in der Rue du Regard ein Haus geräumt, dass von 250 ArbeiterInnen der Sans Papiers besetzt war, die sich im Streik befanden. Seit Dezember hatten sich die vorwiegend vom Kontinent Afrika stammenden Menschen im Haus versammelt und gewohnt und ihre Legalisierung gefordert. Die meisten von ihnen arbeiten ohne Papiere im Bausektor.

Am Donnerstagmorgen der Räumung waren nach Angaben eines CGT-Vertreters etwa 100 Menschen in dem Gebäude, die sich im Innern verbarrikadiert hatten. Die Polizei drohte damit, die Menschen mit Gewalt aus dem Haus herauszuholen. Bereits im Februar hatten sich mehrere hundert Persönlichkeiten aus Film und Fernsehen, aber auch Politiker zusammengetan, um die Einwanderer zu unterstützen.

Vergangenen Oktober hatten Tausende illegale Einwanderer in Frankreich eine groß angelegte Bewegung mit Streiks und der Besetzung von Baustellen begonnen, um gegen ihren illegalen Status zu protestieren. Insgesamt arbeiten nach offiziellen Schätzungen 200.000 bis 400.000 Menschen ohne gültige Papiere. Seit sechs Monaten befinden sich 6000 der ArbeiterInnen im Streik.
Quelle: www.indymedia.org


Großbritannien: Ausbeutung von Migranten und Leiharbeitnehmenden

In der fleischverarbeitenden Industrie in Großbritannien kommt es einer Untersuchung der Equality and Human Rights Comissission (EHRC) zufolge zu weitreichendem Missbrauch und der Ausbeutung von Migrantinnen und Migranten sowie Leiharbeitnehmenden. Betroffene berichten über physische und verbalen Missbrauch und das Fehlen von Gesundheitsschutzmaßnahmen.

So würden laufend Menschenrechte und Sicherheitsbestimmungen in dem Industriezweig, in dem ein Drittel der Stammbelegschaft und über zwei Drittel der Leiharbeitnehmer Migranten und Migrantinnen sind, unterlaufen.

Mehr als acht von zehn der 260 Arbeitnehmenden, die im Rahmen der Untersuchung befragt wurden, gaben an, dass sie als Leiharbeitnehmende schlechter als direkt Beschäftigte behandelt wurden. Sieben von zehn Kolleginnen und Kollegen sahen sich aufgrund ihrer Herkunft oder Nationalität benachteiligt. Die Befragten berichteten von körperlichen und verbalen Misshandlung. So gab ein Fünftel der befragten Beschäftigten an, durch Vorgesetzte bedrängt, getreten oder mit Dingen beworfen worden zu sein. Schwangere Frauen wurden zur Weiterarbeit gezwungen und mit Kündigung bedroht.

Trotzdem ertrugen ein Drittel der Beschäftigten die Behandlung ohne zu klagen, weil sie Angst um ihren Arbeitsplatz hatten. Außerdem verfügten sie oft nur über wenig Wissen über ihre Rechte und Möglichkeiten zu Beschwerden.

Als Ergebnis der Untersuchung wurde eine Reihe von Empfehlungen erarbeitet. Dazu gehören die Verbesserung der Prüfung von Lieferanten, verarbeitenden Unternehmen und Agenturen, die Überprüfung der Einstellungspraxis und des Arbeitsumfelds.
Quelle: Publikation Europa: Integriert April 2010 - www.migration-online.de


Japan: Zwei Stunden Streik in allen Häfen

Asbest - heute nur noch in Ländern, die man früher "Dritte Welt" nannte? Oder "Altlast"? In Japan jedenfalls nicht. Weil Hafenarbeiter im Freien arbeiten, sind sie von den Asbestregeln des Arbeitsministeriums ausgenommen, ganz so, als würden sie die Stäube so wenig einatmen wie die Bürokraten des Ministeriums. Dagegen haben sie sich am 26. März 2010 mit einem zweistündigen landesweiten Warnstreik zur Wehr gesetzt, bei dem die Hauptforderung war, entsprechende Entschädigungsregelungen auch für Hafenarbeiter anzuwenden. Der Streik wurde zuvor von Zenkowan, der Gewerkschaft aller japanischen Hafenarbeiter, beschlossen.
Quelle: labournet - zenkowan.org

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REGIONALES UND GEWERKSCHAFTLICHES

AKTIONEN ... INITIATIVEN


Aktion für Finanztransaktionssteuer vor Frankfurter Börse.

FRANKFURT a.M. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer haben Aktivistinnen und Aktivisten von Attac und Oxfam am 21. April 2010 mit einem gemeinsamen Foto-Stunt vor der Börse in Frankfurt gefordert. Anlass für die Aktion im Rahmen der Kampagne "Steuer gegen Armut" war das bevorstehende Treffen der Finanzminister der G20-Staaten in Washington. Wie bekannt geworden ist, rät der Internationale Währungsfonds IWF in seinem Bericht an die G20 von der Einführung einer Finanztransaktionssteuer ab. Stattdessen diskutierten die Finanzminister über eine Bankenabgabe, die nach den Vorstellungen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nur etwa eine Milliarde Euro jährlich einbrächte. Das Kampagnenbündnis "Steuer gegen Armut" setzt sich für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer ein und wird von 57 Nichtregierungsorganisationen, kirchlichen und gewerkschaftlichen Gruppen getragen, unter ihnen auch Attac und Oxfam. Die Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer haben bislang europaweit mehr als 160.000 Menschen unterschrieben.
www.attac.de


Aktion "Ausbildungsstau" für ein Grundrecht auf Ausbildung

FRANKFURT a.M. Am 21. April 2010 haben die DGB-Jugend und die Landesschülervertretung (LSV) Hessen in Frankfurt/Main (Hauptwache) mit einer großen Aktion auf den bundesweiten Ausbildungsstau in Deutschland hingewiesen. Hintergrund ist der zweite Jahrestag der Bundestagspetition "Grundrecht auf Ausbildung". An der Aktion, bei der Teile der Straßen abgesperrt wurden, beteiligten sich zahlreiche Auszubildende. PassantInnen durchlebten so durchaus lebensnah für Minuten das beklemmende Gefühl, im "Ausbildungsstau" feststecken zu müssen. Die DGB-Jugend wies darauf hin, dass aktuell 1,5 Millionen Jugendliche unter 30 Jahren keinen qualifizierten Berufsabschluss haben - das sind 15 Prozent der Gruppe junger Menschen von 20 bis 29 Jahren. Die Petition "Grundrecht auf Ausbildung" an den Deutschen Bundestag feiert derzeit ihr zweijähriges Bestehen und wird demnächst im Deutschen Bundestag behandelt. Am 22. April 2008 hatten Mitglieder der Landesschülervertretungen, der DGB-Jugend und der Gewerkschaft GEW über 72.000 Unterschriften der Petitionsunterstützer an Abgeordnete des Bundestags überreicht. Sie appellieren an den Petitionsausschuss des Bundestages, einer öffentlichen Anhörung zuzustimmen.
www.dgb-jugend.de


Flüchtlingsdemonstration in Augsburg

AUGSBURG. Am 24. April demonstrierten 200 AktivistInnen in Augsburg unter dem Motto "Movement for equal and human rights - abolishment of the lager!". Wie dem Titel zu entnehmen war, handelte es sich bei dieser Aktion um eine öffentlichkeitswirksame Unterstützung von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Seit Januar 2010 protestierten Flüchtlinge in bayerischen Flüchtlingslagern gegen die herrschenden prekären Bedingungen. Am 26. Januar traten einige Flüchtlinge in zwei Lagern in Niederbayern in den Hungerstreik, welcher nach fast drei Wochen beendet wurde. Anschließend begannen Dutzende Flüchtlinge die Annahme der staatlichen Essenspakete zu verweigern. Der Streik weitete sich auf Hauzenberg, Breitenberg, Bogen, Regensburg, Aholfing und Passau aus. Seit Mitte März erreichte der Boykott dann auch Augsburg, wo 126 Asylbewerber streikten. Die Forderungen sind unter anderem Bargeld statt Essenspakete, ferner das Recht zu arbeiten, die Bewegungsfreiheit statt Landkreisbeschränkung durch Residenzpflicht, die Abschaffung der Zwangsunterbringung in Lagern und schließlich Respekt der Verantwortlichen in Ausländerbehörden, Landratsämtern und dem Innenministerium gegenüber Flüchtlingen. Am Wochenende gingen die Flüchtlinge auf die Straße, um diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen und ein sichtbares Zeichen des Widerstands gegen die bayerische Flüchtlingspolitik zu zeigen. Aus diesen Gründen wurden die Augsburger Stadträte durch die Demo noch einmal nachdrücklich aufgefordert, in einer parteiübergreifenden Resolution von der Regierung die Schließung der menschenunwürdigen Lager in Augsburg zu verlangen und entschieden eine private Wohnungsnahme aller Flüchtlinge zu unterstützen. Hierzu sind die Vertreter der Linken, der Grünen und der SPD bereits am 31. März bei einer Beratung im Lager in der Schülestraße aufgefordert worden.
http://de.indymedia.org


Für endgültigen Stopp der Vorratsdatenspeicherung

BERLIN. Über 40 Organisationen und Verbände haben Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger am 19. April 2010 in einem gemeinsamen Brief aufgefordert, "sich auf europäischer Ebene klar für eine Abschaffung der EU-Mindestvorgaben zur Vorratsdatenspeicherung einzusetzen". Zur Begründung schreiben die Verbände, der EU-Zwang zur Speicherung aller Verbindungsdaten setze vertrauliche Tätigkeiten und Kontakte etwa zu Journalisten, Beratungsstellen und Geschäftspartnern dem ständigen Risiko eines Bekanntwerdens durch Datenpannen und -missbrauch aus, ziehe unvertretbare Kosten nach sich und behindere die Kommunikationsfreiheit unzumutbar. Zu den 48 Unterzeichnern des Schreibens zählen Bürgerrechts-, Datenschutz- und Menschenrechtsorganisationen ebenso wie Telefonseelsorge- und Notrufvereine, Berufsverbände etwa von Journalisten, Juristen und Ärzten, Gewerkschaften wie Verdi, der Verbraucherzentrale-Bundesverband und der Wirtschaftsverband eco. Am 2. März 2010 hat das Bundesverfassungsgericht auf die Beschwerden von über 34.000 Bürgerinnen und Bürgern die deutschen Vorschriften zur Vorratsspeicherung aller Verbindungsdaten für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2006 schreibt jedoch europaweit eine Vorratsdatenspeicherung vor und zwingt Deutschland dadurch zur Wiedereinführung der verdachtslosen Vorratsdatensammlung. Die EU-Kommission prüft derzeit eine Änderung dieser Richtlinie. Die Bundesjustizministerin als Vertreterin Deutschlands im EU-Rat hat sich bislang noch nicht klar für ein Ende des EU-Speicherzwangs eingesetzt.
www.vorratsdatenspeicherung.de


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Keine Hilfe für die "Reichsbahn"-Opfer

BERLIN. Die letzten Überlebenden der "Reichsbahn"-Deportationen können auf keine schnelle Hilfe hoffen. Dies teilt die Bürgerinitiative "Zug der Erinnerung" mit, die ehemalige Deportierte aus Deutschland und mehreren osteuropäischen Staaten unterstützt. Demnach lässt Bundesverkehrsminister Ramsauer (CSU) an ihn gerichtete Schreiben seit November vergangenen Jahres unbeantwortet. Auch der Vorstand der DB AG schweige zu mehrmaligen Aufforderungen, sich der "Reichsbahn"-Opfer anzunehmen. "Wir hatten gehofft, Sie würden das Alter der Überlebenden berücksichtigen, deren Leiden weder moralisch noch materiell abgegolten sind", heißt es in einem Brief der Bürgerinitiative an die DB AG vom 20. April. "Mit der notwendigen Unterstützung weiter zu warten und die angebotenen Gespräche dilatorisch zu behandeln, kann nur bedeuten, auf den Tod der Opfer zu setzen." Da sämtliche Bitten und Appelle unberücksichtigt blieben, sehe man sich veranlasst, "nunmehr die deutsche und internationale Öffentlichkeit über das Scheitern unserer Bemühungen zu unterrichten." 21 Opferverbände aus fünf Staaten hatten angekündigt, notfalls gerichtlich vorzugehen, sollte die Deutsche Bahn AG eine humanitäre Geste für die letzten Überlebenden verweigern. Sie waren im Kindesalter mit Zügen der "Deutschen Reichsbahn" in die NS-Zwangs- und Vernichtungslager deportiert worden. Die Gesamtzahl der von der "Reichsbahn" verschleppten Menschen, die zu Tausenden in den Güterwagen starben, wird auf über drei Millionen geschätzt. Dabei nahm das staatliche Bahnunternehmen nach vorsichtigen Berechnungen 455 Millionen Euro heutiger Währung ein. Juristische und historische Erben der "Reichsbahn" sind das deutsche Verkehrsministerium und die DB AG. Anläßlich des 65. Jahrestages ihrer Befreiung wollen Überlebende der "Reichsbahn"-Deportationen den "Zug der Erinnerung" bei seiner Einfahrt nach Berlin am 8. Mai begleiten. Die DB AG hat angekündigt, Gleise zu sperren (Berlin-Spandau) und lässt offen, ob sie das Gedenken an die "Reichsbahn"-Opfer auch auf dem früheren Deportationsbahnhof Berlin-Grunewald verhindern will.


Klima-Allianz startet Unterschriftensammlung statt Volksbegehren

DÜSSELDORF. Die Klima-Allianz hat in Nordrhein-Westfalen eine Kampagne für mehr Klimaschutz gestartet. Obwohl die Koalition aus Umweltverbänden, Gewerkschaften, Kirchen und anderen Organisationen auch gerne ein Volksbegehren für ein Klimaschutzgesetz ins Rollen gebracht hätte, verzichten die Träger der Kampagne angesichts unüberwindbarer Hürden hierauf. Stattdessen werden Unterschriften für einen Appell gesammelt, aus dem sich für den Landtag aber keinerlei zwingende Konsequenzen ergeben. "Wir hätten für unsere Forderung gerne ein Volksbegehren gestartet, aber die Anforderungen hierfür sind einfach zu restriktiv", bedauert Dirk Jansen, Geschäftsleiter des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) in NRW. Ein Volksbegehren muss binnen acht Wochen von mehr als einer Million Bürger unterschrieben werden. Die Eintragung ist dabei nur in den Rathäusern möglich. "Dass sich in NRW selbst mitgliederstarke Organisationen wie die Umweltverbände ein Volksbegehren nicht zutrauen, sollte den Landtag zum Nachdenken bringen", meint Slonka, Landesgeschäftsführer von Mehr Demokratie.
http://demokratie.mine.nu


Die kickHIV! Aktionstage im Mai 2010

BERLIN. Vom 28. bis 30. Mai 2010 werden deutschlandweit die kickHIV! Aktionstage der Hilfsorganisation Go Ahead! stattfinden. An diesen Tagen werden in ganz Deutschland durch gemeinnützige Aktionen Spenden für ein Aids-Aufklärungsprojekt in Südafrika gesammelt. Die Organisation will die erhöhte Aufmerksamkeit für das südliche Afrika im Zuge der Fußballweltmeisterschaft nutzen, um auf die verheerende Aids-Problematik unter jungen Südafrikanern hinzuweisen. Mit den gesammelten Spenden wird ein lokales Projekt unterstützt, das Aufklärung und Sport verbindet. Bei kickHIV! ist jeder Bürger aufgerufen, sich mit einer kleinen oder großen Spendenaktion zu beteiligen. Prominente wie Philipp Lahm, Mesut Özil oder Cosma Shiva Hagen begleiten die kickHIV! Aktionstage als Botschafter. Das Aktionswochenende Ende Mai dient jedoch nur als Startschuss, auch während der gesamten WM-Zeit bis Mitte Juli werden in Deutschland zahlreiche Aktionen unter dem Motto "kickHIV!" stattfinden.
www.aids-kampagne.de


Studierende kritisieren Interpretation der 19. Sozialerhebung

BERLIN. Am 23. April 2010 wurde die 19. Sozialerhebung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Deutsche Studentenwerk vorgestellt. Die Sozialerhebung stellt die wichtigste Datenquelle über die soziale Situation von StudentInnen dar. "Es ist erstaunlich, wie das BMBF seine einseitige Interpretation der Sozialerhebung als Erfolg feiert", stellt Florian Kaiser, Vorstandsmitglied im "freien zusammenschluss von studentInnenschaften", verärgert fest. Die Sozialerhebung zeigt zwar, dass der Anteil der StudienanfängerInnen, die im eigenen Bundesland studieren, gleich geblieben ist, allerdings zieht es weniger SchulabgängerInnen aus anderen Bundesländern in die Gebührenländer. "Die Sozialerhebung beweist, dass Studiengebühren eine Moblitätshürde sind", erklärt Juliane Knörr, ebenfalls Mitglied im Vorstand des studentischen Dachverbandes, und erläutert: "Im Vergleich zu 2006 ist der Anteil von StudentInnen, die in ein gebührenpflichtiges Bundesland wechseln, von 25% auf 22 % gesunken. Erschreckend ist auch, dass bei den BAföG-EmpfängerInnen nur 2 bis 6% in einem anderen Bundesland ihr Studium aufnehmen. Offensichtlich reicht das BAföG zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht aus."
www.fzs.de


Atomwaffenabzug: Politiker reden, Aktivisten steigen aufs Rad.

BERLIN. Während die Außenminister der NATO-Mitgliedsstaaten über die verbliebenen Atomwaffen in Europa streiten, steigen in Deutschland bundesweit FriedensaktivistInnen auf ihre Fahrräder und treffen sich mit den BürgermeisterInnen für den Frieden. "Außenminister Hillary Clinton und NATO-Generalsekretär Rasmussen treten zwar in Tallinn beim Thema Abzug der US-Atomwaffen auf die Bremse, aber wir geben Vollgas. Wir wollen Deutschland endlich atomwaffenfrei machen!", so Xanthe Hall, Sprecherin der Kampagne "unsere zukunft -atomwaffenfrei". Mit der Aktion "next stop. New York 2010" machen die AktivistInnen auf das Thema Atomwaffen und die Nichtverbreitungs-Konferenz aufmerksam. Vom 20. März bis 24. April haben sich unter diesem Motto überall in Deutschland kleine Gruppen von friedensbewegten Menschen an Fahrradtouren beteiligt und Unterschriften von BürgermeisterInnen "Für eine Zukunft ohne Atomwaffen" gesammelt. Zu den 50 UnterzeichnerInnen gehören u.a. der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude und der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit. Die Ortsschilder mit dem Namen der jeweiligen passierten Städten und Gemeinden und dem Aufdruck "next stop. New York 2010" werden in New York an Außenminister Westerwelle übergeben. Die unterzeichneten Appelle und die weltweit gesammelten Unterschriften nimmt am 4. Mai in New York der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon entgegen. Der Appell "Für eine Zukunft ohne Atomwaffen" ruft u.a. zu einem Abzug der letzten Atomwaffen aus Deutschland auf.
www.atomwaffenfrei.de

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Schwarze Blöcke, brauner Ungeist - Wer sind die Autonomen Nationalisten?

Von Ulla Jelpke

Schwarze Blocks auf Demonstrationen, aggressiver Hip Hop und T-Shirts mit Bildern des Revolutionärs Che Guevara sind kein eindeutiges Zeichen linker Autonomer mehr. Seit einigen Jahren hat eine neue Strömung zumeist jugendlicher Faschisten sich diese Symbolik zu eigen gemacht, die sich selber als Autonome Nationalisten (AN) bezeichnen. Bundesweite Hochburgen dieser besonders gewalttätigen Nazis sind neben Bayern und Berlin auch Teile Nordrhein-Westfalens.

Die Wurzeln der AN liegen in den "freien Kräften" der 90er Jahre. Nachdem eine Reihe neofaschistischer Organisationen verboten wurden, gingen Neonazis dazu über, sich in örtlichen "Kameradschaften" zu organisieren, die untereinander in einem losen Netzwerk verbunden waren. Im Unterschied zur NPD mussten die Kameradschaften weder Rücksicht auf bürgerliche Wählerschichten noch drohende Parteiverbote nehmen und konnten sich offen zu ihrer neonazistischen Gesinnung bekennen. Kopierten die Kameradschaften das Organisationskonzept der autonomen Linken, so gingen jugendliche Aktivisten ab 2003 offen dazu über, auch Symbolik, Kleidung und Demonstrationsauftritte der autonomen Linken zu übernehmen. Selbst die von Neonazis gewöhnlich völlig verpönten Anglizismen wie "Fight the System" und Graffiti-Stil bei Transparenten und Aufklebern gehören zum Erscheinungsbild der AN, die bei ihren Demos auch die anarchistischen Lieder von "Ton, Steine, Scherben" spielen. Die Herausbildung der AN war einerseits eine Reaktion auf die versuchte Einbindung eines Teils der Kameradschaftsszene in NPD-Strukturen, was von den AN als opportunistische Anpassung an das "System" abgelehnt wurde. Andererseits verstehen sich die AN als eine Modernisierungsbewegung innerhalb der Neonaziszene, die jenseits von Bomberjacke und Glatze die Einflüsse unterschiedlichster Jugendkulturen bis hin zum Hip Hop für sich nutzen will. Entsprechend gespannt ist damit auch das Verhältnis zur NPD, die sich mit Beschlüssen wie "Unsere Fahnen sind schwarz - unsere Blocke nicht" von den AN abzugrenzen versuchte.

"Nie wieder Krieg - nach unserem Sieg"

Mit anderen Faschisten teilen die AN ihr rassistisches, völkisches Menschenbild. Doch von den Hitler-Nostalgikern unterscheiden sie sich durch eine stärkere Orientierung am nationalrevolutionären Flügels der NS-Bewegung um die Gebrüder Strasser oder SA-Führer Ernst Röhm, den Hitler 1934 mit dem Segen des Großkapitals blutig niedermetzeln ließ. Mit verbalrevolutionären, scheinbar kapitalismuskritischen und pseudo-antiimperialistischen Slogans versuchen die AN, klassische linke Themenfelder zu besetzen. So mobilisieren die AN zu Aufmärschen am 1. Mai als "Tag der deutschen Arbeit" und seit mehreren Jahren auch zum "Nationalen Antikriegstag" nach Dortmund. "Nie wieder Krieg - nach unserem Sieg" - schon diese Parole zeigt in ihrem Zynismus deutlich, was vom Antiimperialismus der AN zu halten ist.

Zwar sind auch die Anhänger der traditionellen Kameradschaftsszene und viele NPD-Mitglieder gewaltbereit und eine Vielzahl brutaler Überfälle auf Migranten, Linke und Andersdenkende geht auf ihr Konto. Doch bei den AN kommt eine gezielte Aggressivität dazu, die sich nicht nur gegen Migranten oder Linke richtet, sondern auch die Polizei zum Gegner hat. Dies ist ein relativ neues Phänomen, da sonst Faschisten auf disziplinierte Demonstrationen und ein eher gutes Verhältnis zu Polizei bedacht sind, von der sie schließlich oft genug vor antifaschistischen Protesten geschützt werden. Schon am 1. Mai 2007 griffen AN in Dortmund Polizeiketten an. Im April 2008 durchbrachen im rheinländischen Stolberg hunderte AN die aufmarschierten Polizeieinheiten und wenig später randalierten ebenfalls hunderte AN am 1. Mai 2008 in Hamburg-Barmbek. Schwerpunkt der Aktivitäten der AN ist die sogenannten Anti-Antifa, also das Terrorisieren von demokratisch und antifaschistisch gesinnten Menschen. Im Internet werden Bilder bis hin zu örtlichen Politikern der Linken, Grünen und SPD veröffentlicht, Drohbriefe werden verschickt und Hassparolen an die Wohnungen von Antifaschisten gesprüht. 2009 wurde so eine ganze Familie aktiver Antifaschisten, die lange Jahre in Dortmund lebte, aus der Stadt vertrieben, nachdem ihre Wohnung und ihr Auto mehrfach von der Anti-Antifa attackiert und ihre Bilder auf öffentlichen Steckbriefen plakatiert wurden.

Linke Symbolik und Antisemitismus

Dass sich Faschisten in punkto Symbolik gerade auch bei Linken bedienen, ist nichts neues. Schon die Nazipartei hatte eine rote Fahne und die SA kopierte die Schalmaienzüge des kommunistischen Rotfrontkämpferbundes. Deutlicher als etwa die NPD attackieren die AN in Worten den Kapitalismus, "das System" und die Globalisierung. Auch das ist nichts Neues. Auch die NSDAP nannte sich "sozialistisch" und "Arbeiterpartei", um so Teile der Lohnabhängigen über ihre wahren Ziele zu täuschen und diese für sich zu gewinnen. Soziale Demagogie dient Neonazis weiterhin als Einstiegsdroge. Zusammen mit ihr werden Nationalismus und Rassismus verabreicht und zur faschistischen Ideologie verschmolzen. Kern einer solchen völkischen Kapitalismuskritik ist die in völliger Unkenntnis ökonomischer Zusammenhänge vorgenommene Trennung zwischen heimischen "schaffenden Kapital" und international spekulierendem "raffendem Kapital". Letzteres setzen Faschisten wie die AN häufig mit "jüdischem Kapital" gleich. In Wirklichkeit hat jedes - auch das in der Produktion investierte Kapital - die Profitmaximierung zum Ziel und eine Trennung zwischen produktivem und spekulativem Kapital ist unwissenschaftlich und willkürlich. Während Globalisierung der Wirtschaft - im Unterschied zur neoliberalen Politik - ein quasi naturwüchsiger ökonomischer Prozess ist, sehen Faschisten die kapitalistische Globalisierung als Verschwörung einer Gruppe von (jüdischen) US-Kapitalisten an der US-Ostküste. Migration nach Deutschland wird in diesem Zusammenhang von Faschisten sowohl als Lohndrückerei als auch als Zersetzung von "völkischem" Widerstandspotential gegen Globalisierung verstanden. Rassistische Pogrome erscheinen dann als unmittelbare Antiglobalisierungspolitik. Da sich nach Meinung der Faschisten die Ausbeutung durch Spekulation und Zinsnahme vollzieht, kritisieren sie nicht die Ausbeutung der Arbeitskraft durch Lohnraub in den Betrieben. Der "Nationale Sozialismus" der Autonomen Nationalisten bedeutet eine nach rassistischen Kriterien strukturierte, hierarchisch nach dem Führerprinzip aufgebaute Volksgemeinschaft. Arbeiterrechte und unabhängige Gewerkschaften hätten hier keinen Platz und würden zerschlagen werden wie im Mai 1933. Einen Vorgeschmack dafür lieferten die Autonomen Nationalisten am 1. Mai 2009, als sie die Kundgebung des Dortmunder DGB angriffen und mehrere Gewerkschafter verletzten.

Schon jetzt mobilisieren die AN zu ihrem nächsten "Nationalen Antikriegstag" am 4. September 2010 in Dortmund.

Das aus einer Vielzahl antifaschistischer Organisationen, Parteien und Verbände einschließlich der Partei Die Linke gebildete "Bündnis Dortmund stellt sich quer" ruft dazu auf, diesem Aufmarsch wie in den vergangenen Jahren mit massenhaften Blockaden entgegenzutreten.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Mehrere zehntausend Menschen demonstrierten am 1. Mai gegen Naziaufmärsche in Berlin, Erfurt, Hamburg, Rostock, Schweinfurt, Solingen (s. Bild) und Zwickau, darunter alleine in Berlin und in Schweinfurt jeweils 10.000. In Berlin und in Rostock konnten die faschistischen Aufmärsche verhindert werden, normal durchgeführt werden konnten sie nirgends so richtig. An ihnen beteiligten sich insgesamt rund 3.800 Nazis.

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Die Kölner Bevölkerung setzt sich durch: Das Schauspielhaus wird saniert und nicht abgerissen

In der Sitzung am 13.4. hat der Rat der Stadt Köln beschlossen, dem Bürgerbegehren "Rettet das Schauspielhaus" zu entsprechen. Damit ist der Abriss des Schaupielhauses abgesagt. Oper und Schauspielhaus werden saniert werden. Die Stimmung in der Ratssitzung am 13.4. war deutlich anders als am 17. Dezember 2009. Damals schon hatten Die Linke, KBB und Deine Freunde das Bürgerbegehren unterstützt. Nun aber waren auch die CDU und die Grünen umgeschwenkt. Entsprechend versuchten die Befürworter des Abrisses des Schauspielhauses, noch zu retten, was zu retten war. SPD und FDP stellten sich nun als große Befürworter direkter Demokratie dar. Offenbar hofften sie darauf, dass ein Bürgerentscheid nicht die notwendigen 150.000 Stimmen erreichen würde. Das Umdenken ist vor allem dem bürgerschaftlichen Engagement und dem mutigen Auftreten der Schauspielintendantin, Karin Beier, zu verdanken. Sie hat die Meinung in der Stadt wesentlich geprägt, weil sie mit ihrer Auffassung, "Inhalt vor Fassade" ein wesentliches Argument in der Auseinandersetzung entwickelt hat.

"... die Bürgerinitiative "Mut zur Kultur" hat Enormes geleistet. Da sind nicht nur die 50.000 Unterschriften, sondern die konkreten und kenntnisreichen Sanierungsvorschläge und das offene und kooperative Umgehen mit Politik, Verwaltung und Kultur. Dafür herzlichen Dank! ..."

Aus der Rede von Jörg Detjen im Rat der Stadt Köln, Fraktionssprecher der Linken

Der Neubau des Schauspielhauses am Offenbachplatz hätte nicht "nur" 295 Millionen Euro und damit 40 Millionen Euro mehr an Baukosten verursacht als eine Sanierung, auch die Folgekosten für einen wesentlich größeren Bau wären viel teurer geworden, und dass bei leeren Kassen und sinkendem Kulturetat. Die Sanierung des Schauspiels ist ein Garant dafür, dass Oper (die ebenfalls generalsaniert wird) und Schauspiel ein Betrieb bleiben. Durch den gemeinsamen Betrieb von Oper und Schauspiel können Einspareffekte erzielt werden. Die Sanierung ist aber nicht nur effektiver und kostengünstiger, durch den Beschluss ist auch der Denkmalschutz für das Areal am Offenbachplatz gewahrt. Ein Rechtsstreit mit den Erben des Architekten Riphan ist nicht mehr zu erwarten. Die Stadt Köln hat mit diesem Beschluss die Möglichkeit, einen seriösen und angemessenen Kulturbetrieb am Offenbachplatz zu verwirklichen.

Köln ist keine Hauptstadt wie Berlin oder Paris, die entsprechende Fördermittel bekommen. Köln ist eine bunte Metropole, die Kultur für alle Menschen anbieten muss. Bereits jetzt erhalten die Städtischen Bühnen einen Betriebskostenzuschuss von 48 Mio. Euro im Jahr. Viele Kölnerinnen und Kölner waren erschrocken, frustriert und sauer. Mehr Bescheidenheit und Transparenz über große und wichtige Bauprojekte ist eine wichtige zentrale Forderung die die Stadtgesellschaft wachgerüttelt hat.

(WK, MW, jöd, aus Lokalberichte Köln)

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KOMMUNALE POLITIK

Schwarz-Grün-Gelb verteidigt den Einsatz von Bundeswehroffizieren an Schulen: FRANKFURT a.M. Zur Erklärung von Bürgermeistern Jutta Ebeling (Grüne) bei der Debatte der Stadtverordnetenversammlung über die Werbemaßnahmen der Bundeswehr in Frankfurter Schulen, die Anwesenheit von Bundeswehroffizieren an Frankfurter Schulen sei wünschenswert, erklärt Lothar Reininger, Vorsitzender der Fraktion Die Linke. im Römer: "Der lang anhaltende frenetische Applaus von CDU und FDP für die bundeswehrfreundlichen Positionen der Grünen ist erschreckend. Der enge Schulterschluss zwischen dem grünen Stadtverordneten Uwe Paulsen und Reserve-Oberst Stein von der FDP wäre noch vor wenigen Jahren völlig undenkbar gewesen. Die Grünen haben sich offensichtlich mit der dumpfen Kalte-Krieger-Mentalität von CDU und FDP ausgesöhnt. Die Linke bleibt dabei: Krieg ist kein Mittel der Politik. Die Bundeswehr hat an Schulen, Universität und bei Berufsbildungsmessen nichts zu suchen."
www.dielinke-im-roemer.de


Steuerzahler schonen, Banken in die Pflicht nehmen: FRANKFURT a.M. Dringlicher Antrag der Linken gemäß § 17 (3) GOS: Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen: Finanzinstitute müssen für die Bewältigung der gegenwärtigen Krise in Euroländern in die Verantwortung genommen werden. Die Stadt Frankfurt am Main setzt sich über den Deutschen Städtetag und die hessische Landesregierung dafür ein, dass Finanzinstitute sich an der Bereitstellung von Rettungsfonds für Griechenland beteiligen und den Großteil von Ausfallrisiken übernehmen. Begründung: Die derzeitige Finanzkrise in Griechenland und anderen Euroländern beschäftigt seit Wochen die Öffentlichkeit. Von drohendem Staatsbankrott ist die Rede. So haben der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Union ein Rettungspaket für Griechenland in Aussicht gestellt. Aus Politik und Wissenschaft wurde der Vorschlag gemacht, dass sich Banken und andere Finanzinstitute am Rettungspaket beteiligen. Nach der Finanz- und Bankenkrise haben die Mitgliedstaaten der EU für die Rettung von Banken über 3,6 Billionen Euro Beihilfen gewährt. Diese Beihilfen wurden mit der "Systemrelevanz" von Banken begründet. Dieselbe Begründung muss umso mehr für ganze Länder innerhalb der Eurozone gelten. Ein Staatsbankrott Griechenlands hätte noch fatalere Folgen für Deutschland als die Insolvenz einer Bank. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass von den hohen Zinsen griechischer Staatsanleihen vor allem Banken und andere Finanzinstitute profitieren und profitiert haben. Schließlich haben die maßlose Renditegier und die Spekulation auf den Finanzmärkten zu der derzeitigen Situation geführt. Deshalb ist es nur konsequent, dass die Profiteure und Mitverursacher der Krise in die Pflicht genommen werden.
www.dielinke-im-roemer.de


Moonlightshopping: Bessere Umsätze für den Handel? HAMBURG. Das scheinen die Geschäftsleute und die meisten Abgeordneten der Bezirksversammlung Harburg zu glauben. In der Bezirksversammlung wurde der Antrag auf Ladenöffnungszeiten am Abend vor dem 1. Mai bis 24 Uhr, abgeschwächt und nur eine Erlaubnis bis 22 Uhr erteilt. Elisabeth Baum, wirtschaftspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, begrüßt das ausdrücklich: "Die Bezirke sollten sich überlegen, solche "Events" generell bis 22 Uhr zu begrenzen und vor Sonn- und Feiertagen die Ladenöffnung bis höchstens 20 Uhr zuzulassen. Für die Beschäftigten im Einzelhandel bedeuten diese momentan modernen langen Arbeitszeiten vor Sonn- und Feiertagen eine große Belastung. Wenn man erst um 24 Uhr den Heimweg antreten kann, muss der nächste Tag doppelt für die Erholung genutzt werden. Da bleibt dann wenig Zeit für die Familie." Nur wenige Menschen sind auf so lange Ladenöffnungszeiten angewiesen. Daher liegt der Verdacht nahe, dass es sich hier um die Freizeitbeschäftigung einiger weniger Menschen handelt. Das trägt nur zur Wettbewerbsverzerrung im Einzelhandel bei. Die Beschäftigten im Einzelhandel sind die Leidtragenden, auf deren Rücken derartige Marktkämpfe ausgetragen werden. Weil die Arbeitsbedingungen und Bezahlung für die Beschäftigten im Einzelhandel insgesamt beklagenswert schlecht sind, stellen die unverbindlichen Ladenschlusszeiten besonders belastend. Die Regel sind leider sechs Tage Arbeit in der Woche, an denen 10 bis 14 Stunden gearbeitet werden muss. Und das in Betrieben meistens ohne Mitarbeitervertretung und zum Teil ohne Tarifbindung. Es fallen oft Überstunden und Mehrarbeit an, die häufig nicht bezahlt werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wehren sich nicht, weil sie befürchten dann ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Das führt zu weiterem Arbeitsplatzabbau und zu mehr prekärer Beschäftigung."
www.die-linke-hh.de/


Linke.OL für neues Ferienpass-Konzept: OLDENBURG. Ein neues Konzept für den Ferienpass muss her. Angesichts des erfreulicherweise hohen Bedarfs an Ferienpässen muss ein System erarbeitet werden, das möglichst allen interessierten Kindern einen breiten Zugang zu diesem Angebot ermöglicht. Die Linke Oldenburg fordert die Verwaltung und alle politischen Kräfte der Stadt auf, für 2011 gemeinsam ein solches Konzept zu erarbeiten. Das bisherige Konzept, eine limitierte Anzahl von Ferienpässen zur Verfügung zu stellen, ist offensichtlich unzureichend. Es entsteht in den Sommerferien eine Situation in der Stadt, in der viele Kinder von den Angeboten des Ferienpasses ausgeschlossen sind und sich gegenüber anderen Kindern benachteiligt fühlen. Die pädagogisch und sozialpolitisch sinnvolle Idee des Ferienpasses wird konterkariert, wenn eine beträchtliche Anzahl von Kindern keinen Ferienpass bekommen kann. Wir fordern die Verwaltung auf, in diesem Jahr die maximale Kapazität für die Ferienpassaktionen auszuschöpfen, also mit den verschiedenen Akteuren zu prüfen, wieviele Teilnehmerinnen und Teilnehmer möglich sind und das Angebot entsprechend aufzustocken.
www.fraktion-dielinke.kdo.de


Ehrenamt und Grundsicherung: STUTTGART. Ein Stuttgarter Bürger, der neben einer Erwerbsunfähigkeitsrente Leistungen der Grundsicherung erhält und ehrenamtlich in einem Verein tätig ist, hat sich als Petent an den Petitionsausschuss des Landtags gewandt. Er bat um die Prüfung einer Auskunft des Stuttgarter Sozialamts, wonach die steuerfreie Übungsleiterpauschale auf die Leistungsansprüche der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (SGB XII) anzurechnen ist. Das Sozialamt rechnet ihm demzufolge 70 Prozent der Pauschale auf die Grundsicherung an; nur 30 Prozent werden nicht angerechet. Bei SGB-II-Bezug erfolgt diese Anrechnung nicht. Zur Entscheidung des Petitionsausschusses ist in Drucksache 14/5282 zu lesen: "Der Vorsitzende sprach sich dafür aus, den Vorschlag des Berichterstatters aufzugreifen und die Petition der Landesregierung als Material zu überweisen mit der Anregung, hier etwas zu ändern. Er richtete darüber hinaus die Bitte an den Berichterstatter, sich im Gemeinderat der Stadt Stuttgart weiterführende Gedanken zu dieser Sache zu machen. Diesem Antrag stimmte der Petitionsausschuss einstimmig zu." Mit dem Beschluss wurde die Landesregierung aufgefordert, auf eine Rechtsänderung hinzuwirken. Die Fraktionsgemeinschaft SÖS und Linke teilt das Anliegen und die Auffassung des Petenten, dass diese Anrechnung unterbleiben soll und dass es gesellschaftspolitisch wünschenswert ist, dass sich jemand für andere einsetzt und etwas für das Gemeinwohl tut.
www.domino1.stuttgart.de


Atomtransporte über Kölner Stadtgebiet: KÖLN. Anfrage der Linken. "Köln liegt auf den Routen zwischen einer Reihe von Orten mit Kernenergieanlagen, zwischen denen strahlendes Material transportiert wird. Das sind zum Beispiel das Forschungszentrum Jülich GmbH - FZJ, das gleichzeitig Landessammelstelle für Niedersachsen ist, das Brennelement-Zwischenlager Ahaus GmbH, das Forschungszentrum in Karlsruhe, das auch als Zwischenlager und Landessammelstelle dient, und die Wiederaufbereitungsanlage in Pierrelatte in Frankreich. (...)

Die kürzesten Routen per Bahn oder auch per Lastwagen zwischen den oben genannten Orten laufen in vielen Fällen über Köln. Das Gefahrenpotential derartiger Transporte ist erheblich. So stellte die Polizei in Bremen am 8. März 2010 an einem Sattelzug "extrem starke Durchrostungen an tragenden Bauteilen" fest und zog diesen aus dem Verkehr. Die Ladung war UF6 (Uranhexafluorid) und war auf dem Weg vom Hamburger Hafen zur Urananreicherungsanlage in Gronau. UF6 reagiert mit Wasser zu hochgiftiger Flusssäure. Dazu reicht bereits die Luftfeuchtigkeit aus. Sollte ein solcher Transport leckschlagen, kann das verheerende Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung haben.

In Anbetracht der obigen Tatsachen und der baldigen Erwartung der Atomtransporte aus Jülich hat die Fraktion Die Linke die folgenden Fragen:

Erfährt es die Stadt Köln, wenn Atomtransporte über Kölner Stadtgebiet geplant sind oder durchgeführt werden?

Falls ja, in welchem Zeitrahmen vor einem solchen Transport wird die Stadt informiert? Falls nein, welche Maßnahmen kann die Stadt Köln ergreifen, um Informationen über solche Transporte in Erfahrung zu bringen?

Werden anstehende Atomtransporte aus Jülich, aus Karlsruhe und von beziehungsweise nach Pierrelatte (F) per LKW oder Zug über das Kölner Stadtgebiet führen und über welche Stadtteile wird dies auf welcher Route und zu welcher Zeit geschehen?

Wie sind die Stadtverwaltung, Katastrophenschutz, Feuerwehr und die Zivilbevölkerung auf mögliche Unfälle von radioaktiven und anderen Gefahrentransporten im Stadtgebiet vorbereitet und sind entsprechende Katastrophenschutzeinrichtungen und Rettungswege vorhanden und bekannt gemacht?

Welcher so genannte größte anzunehmende Unfall könnte mit welchen Folgen für die Bevölkerung bei den Transporten eintreten und wo sind die gefährlichsten Stellen im Stadtgebiet?

Werden Bevölkerung und Politik über die anstehenden Atomtransporte in geeigneter Weise informiert werden und wie wird das geschehen beziehungsweise wenn nicht, warum wird dies nicht geschehen?"
http://www.linksfraktion-koeln.de


Konzessionsverträge: Neue Wege für kommunale Unternehmen. VERBAND KOMMUNALER UNTERNEHMEN (VKU). Um die Bevölkerung mit Energie zu versorgen, werden Netze für Wärme und Strom im öffentlichen Raum verlegt. So genannte Konzessionsverträge regeln die Nutzung dieser öffentlichen Energieversorgungswege auf kommunaler Ebene. In den nächsten beiden Jahren laufen rund 2.000 dieser Verträge aus. Für die kommunalen Unternehmen eröffnen sich daraus interessante kommunalpolitische Optionen. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) hat zusammen mit dem Deutschen Städtetag (DST) und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) eine Broschüre zu diesem Thema veröffentlicht. Die Broschüre "Stadtwerk der Zukunft IV - Konzessionsverträge - Handlungsoptionen für Kommunen und Stadtwerke" soll eine Orientierungshilfe für die Übernahme von Netzkonzessionen bieten. Praxisbeispiele schildern bereits gemachte Erfahrungen vor Ort. Als Konzessionsinhaber können kommunale Unternehmen nicht nur einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten, sondern auch der lokalen Wirtschaft in schwierigen Zeiten neue Impulse geben.
www.vku.de/


Ein Schwerpunkt in unserer nächsten Ausgabe Pro und Contra Optionskommune


(Zusammenstellung: ulj)

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Projekt LohnSpiegel:

Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die Beschäftigten

Auf die Wirtschaftskrise reagieren viele Betriebe mit Personalabbau, Kurzarbeit und Abstrichen bei Lohn und Gehalt. Zwischen den Branchen und Beschäftigtengruppen bestehen aber deutliche Unterschiede. Zu diesem Ergebnis kommt eine Online-Erhebung des Projekts LohnSpiegel, die vom Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung durchgeführt wurde. Befragt wurden rund 10.000 Beschäftigte. Im Folgenden wird aus dieser Untersuchung zitiert:

­... Im Schnitt geben 38 % aller Befragten an, dass es ihrem Betriebe zum Befragungszeitpunkt schlechter ging als Anfang 2009. 44 % registrieren keine Veränderung, während immerhin ein knappes Fünftel (18 %) sogar eine bessere wirtschaftliche Situation berichtet. ... Am stärksten von der Krise betroffen ist die Metallindustrie. Hier schätzten 65 % der Beschäftigten die Lage ihres Betriebes schlechter ein (im Bereich Maschinenbau sogar 68 %). Ebenfalls stark betroffen war auch die chemische Industrie, wo es 43 % der Betriebe schlechter ging. Dort überwiegt allerdings der Anteil derer, die die Lage für gleich oder besser als zu Jahresbeginn einschätzen. Interessant sind die Finanzdienstleistungen: Hier wird lediglich bei einem guten Viertel der Betriebe (28 %) eine Verschlechterung der ökonomischen Lage konstatiert, ungefähr die Hälfte befindet sich in einer unveränderten Situation, während das restliche Viertel (26 %) bereits wieder eine bessere wirtschaftliche Lage verzeichnet. Vergleichbar günstig schätzen auch die Beschäftigten im Baugewerbe die Lage ihrer Betriebe ein. Hier sind möglicherweise positive Effekte der Konjunkturprogramme zu bemerken ...

Fazit

- Beschäftigungsentwicklung: Sie korrespondiert mit der wirtschaftlichen Lage. 41 % geben an, dass in ihrem Betrieb die Beschäftigung zurückgegangen ist ...

- Personalabbaumaßnahmen: Die Betriebe greifen vorrangig zu "weichen" Maßnahmen wie die Nichtwiederbesetzung von freien Stellen, das Auslaufen befristeter Arbeitsverhältnisse und die Entlassung von Leiharbeitskräften. 19 % nutzen die Kurzarbeit (19 %) und immerhin 18 % kündigen auch Stammbeschäftigten ...

- Einkommen: Besonders häufig werden Sonderzahlungen wie Ergebnisbeteiligung und Boni gekürzt (14 %). 11 % der Beschäftigten geben an, dass ihr Monatseinkommen gekürzt wurde, hinzu kommen Abstriche bei Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie bei Zulagen und Zuschläge ...

- Arbeitsbedingungen: Sie haben sich in der Krise durchweg verschlechtert. Vor allem der Leistungsdruck hat zugenommen (65 %) und das Betriebsklima hat sich verschlechtert (57 ...

- Gender: In der Krisenbetroffenheit gibt es keine eindeutigen Unterschiede zwischen Frauen und Männern ...

http://www.boeckler.de/show_product_wsi.html?productfile=HBS-004669.xml

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Betriebsratswahlen Daimler Untertürkheim:

IG Metall und Alternative geeint; Faschisten erreichen zwei Sitze

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Betriebsratswahlen bei Daimler Berlin:

Listen gegen die IG Metall

Schon immer traten bei Betriebsratswahlen auch gegnerische Kreise und Listen gegen die IG Metall an. Dennoch war es bislang den Betriebsräten bei Daimler-Marienfelde in Berlin stets gelungen, mit einer einheitlichen IG Metall-Liste anzutreten und somit der Belegschaft zu ermöglichen, sich in einer Persönlichkeitswahl jene Personen zu wählen, denen sie vertraute. Damit ist es nun allerdings vorbei.

Schon seit Monaten hat eine dreiköpfige Minderheitsfraktion im Betriebsrat keinen Hehl daraus gemacht, bei der diesjährigen Wahl mit einer eigenen Liste antreten zu wollen. Weder der Beschluss des IG-Metall-Ortsvorstandes in Berlin im Vorfeld, grundsätzlich nur eine und nicht mehrere IG-Metall-Listen in den Betrieben zuzulassen, sowie diverse Vertrauensleuteversammlungen und gewerkschaftliche Mitgliederversammlungen bei Daimler haben die Minderheitenfraktion im Betriebsrat nicht umstimmen können. Listenführer Mustafa Effe, obwohl selbst Mitglied bei der IG Metall, wollte unbedingt mit einer eigenen Liste "Alternative" antreten. Auf der entsprechend eingerichteten Internetplattform "Alternative Berlin" und den entsprechenden Zeitungen der "alternativen Metaller" bei Daimler erklärt Mustafa Effe und seine Mitstreiter auch unverblümt, warum. Die Listenwahl würde ihnen mehr Chancen auf Betriebsratsmandate und vor allem auch auf ein "Freistellungsmandat", d. h. Freistellung von der Arbeit, ermöglichen. Die Persönlichkeitswahl, erklären die "alternativen Metaller", bevorzuge hingegen die bekannte und langjährige Betriebsratsführung.

Mustafa Effe und seine Mitstreiter haben ihr Ziel erreicht. Jetzt wird gefeiert. Die Liste Alternative errang fünf von 21 Betriebsratsmandaten und für den Listenführer Mustafa Effe die Freistellung von der Arbeit. 15 Mandate gingen an die IG-Metall-Liste, ein weiteres Mandat an eine weitere "neue" Liste, während die vierte Liste leer ausging. Der Schritt von Mustafa Effe und seine Mitstreiter hat offenbar auch andere beflügelt, mit eigenen Listen gegen die IG Metall anzutreten.

Nun hat auf Antrag des Daimler-Vertrauensleutekörpers der IG-Metall-Ortsvorstand Berlin beschlossen, ein Prüfungsverfahren einzuleiten, in dem geprüft werden soll, ob in diesem Fall "gewerkschaftsschädigendes Verhalten" vorliegt. Wird dies im Verfahren festgestellt, kann u.a. auch ein Ausschluss aus der IG Metall verhängt werden. Wenn das Verfahren so ausgeht, hat Mustafa Effe allerdings erneut Grund zum Feiern. Auf der Internetplattform "Alternative Berlin" lässt sich dies jedenfalls erahnen und der Tenor spricht schon jetzt Bände. Etliche Solidaritätstelegramme von SAV-Gruppen und -Einzelpersonen aus anderen Städten geben Aufschluss über die geplante Geburt neuer "Helden der Arbeiterbewegung". Es bliebe der IG Metall und den Akteuren im Prüfungsverfahren zu wünschen, dass sie nicht den "Alternativen" auf den Leim gehen und sie aus der IG Metall ausschließen. Die mindestens peinliche Rundreise des Listenführers durch die Republik wäre in diesem Fall wohl unvermeidbar. Ein Auftrag hingegen an die streitenden IG-Metall-Parteien bei Daimler, den Dialog und die Diskussion im Interesse der Belegschaft neu zu suchen, wäre angemessen.   (brr)

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Chemische Industrie

Tarifabschluß in der chemischen Industrie

Aus der Erklärung der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie

Auf dieses Tarifabkommen haben sich IG BCE und Chemie-Arbeitgeber nach zweitägigen Verhandlungen am Mittwoch (21. April) in Würzburg geeinigt. Die Tarifverträge der chemischen Industrie gelten für rund 1.900 Betriebe mit 550.000 Beschäftigen.

­... Die Beschäftigten erhalten eine Einmalzahlung. Diese Einmalzahlung orientiert sich in ihrer Höhe an den unterschiedlichen Belastungen einzelner Arbeitnehmergruppen. Sie beträgt für Arbeitnehmer:

- in vollkontinuierlicher Schicharbeit 715 Euro
- in teilkontinuierlicher Schicharbeit 611 Euro
- in Normalschicht 550 Euro
- Auszubildende generell 150 Euro

Zusätzlich zur Einmalzahlung erhalten die Beschäftigten einen Konjunkturbonus von bis zu 260 Euro ... Die Laufzeit des neuen Tarifvertrags beträgt elf Monate.

Ausbildungsplätze

IG BCE und Chemie-Arbeitgeber haben den bis Ende 2010 geltenden Tarifvertrag "Zukunft durch Ausbildung" fortgeschrieben. Von 2011 bis 2013 ist ein hohes Ausbildungsniveau von 9.000 Plätzen pro Jahr garantiert ...

Übernahme nach der Ausbildung / "1000 für 1000"

IG BCE und Chemie-Arbeitgeber haben vereinbart, die Übernahme nach der Ausbildung massiv zu fördern und dazu den neuen Tarifvertrag "Brücke in Beschäftigung" abgeschlossen. Alle 1.900 Betriebe der chemischen Industrie zahlen in einen Fonds ein - insgesamt rund 25 Millionen Euro.

Mit Fondsmitteln werden Betriebe unterstützt, die trotz einer schwierigen wirtschaftlichen Lage Ausgelernte übernehmen. Für jede Übernahme gibt es einen monatlichen Entgeltzuschuss von bis zu 1000 Euro, befristet auf ein Jahr. Auf diese Weise können 2010 und 2011 mindestens jeweils 1000 Übernahmen gefördert werden. (Zur Einordnung: Ein Chemikant der Entgeltgruppe 6 im Tarifbezirk Nordrhein bekommt im ersten Berufsjahr monatlich 2.460 Euro ohne Zuschläge.)

Beschäftigungssicherung

IG BCE und Chemie-Arbeitgeber wollen weiter eine aktive Politik zur Beschäftigungssicherung betreiben. Betriebsbedingte Kündigungen bleiben die Ultima Ratio. Ehe es zu Entlassungen kommt, müssen sämtliche arbeitsmarkt- und tarifpolitischen Möglichkeiten ausgereizt sein. Dazu zählen beispielsweise Kurzarbeit, Teilzeitarbeit, Nutzung des Arbeitszeitkorridors sowie Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen.

http://www.igbce.de/portal/site/igbce/XIV_07_chemie_tarif_2010/

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Banken

Tarifrunde beginnt

Erstmals am 16. April trafen sich Vertreter von Finanzdienstleistungsgewerkschaften aus Großbritannien, Frankreich, Italien, Belgien und Deutschland zu einer Kundgebung vor der Europäischen Zentralbank in Frankfurt/Main. Die Bankangestellten wollen nicht gezwungen werden, Produkte zu verkaufen, die nicht im Interesse des Kunden stehen. Statt enger und oft täglich überprüfter Zielvorgaben fordern sie mehr Zeit für gute Beratung und Spielräume für die Berater. Insbesondere soll der Verkauf einzelner Produkte nicht durch Verkaufsprämien angeheizt, sondern ein festes Monatsgehalt unabhängig vom Umsatz gezahlt werden.

In der ersten Tarifverhandlung der öffentlichen und privaten Banken am 19.4. zeigten sich die Arbeitgeber unbeeindruckt. Sie lehnen tarifliche Regeln ab, die über die gesetzliche Regulierung zum Verbraucherschutz hinaus gehen. Für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen und der variablen Zahlungen wollen sie ebenfalls keine tariflichen Vorgaben, sondern verweisen auf die Mitbestimmung der Betriebs- und Personalräte. Samstagsarbeit und Langzeitkonten soll Verdi aber tariflich erleichtern.

Die Verhandlungen werden am 17. Mai in Frankfurt/Main fortgesetzt.   gs

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WIRTSCHAFTSPRESSE

Deutsche Wirtschaft hat Nachwuchssorgen. FAZ, Frei. 9.4.10. Der demographische Wandel und die mangelnde Ausbildungsreife vieler Jugendlicher sind laut Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) bei 15.300 Unternehmen Gründe für Nachwuchssorgen der deutschen Wirtschaft. Jeder fünfte Betrieb könne seine Ausbildungsplätze nicht ausreichend besetzen, das seien rund 50.000 Auszubildende zu wenig. Vor drei Jahren seien es nur 12 % zu wenig gewesen. Die Schulabgängerzahl sinke 2010 um 3 % in ganz Deutschland, so DIHK-Präsident M. Wansleben. Der wichtigste Grund für einen frei bleibenden Ausbildungsplatz sei allerdings die unzureichende Qualifikation der Bewerber. Mehr als die Hälfte der befragten Betriebe bietet den Auszubildenden Nachhilfe in der Firma an, um das schulische Basiswissen zu verbessern. Neben mangelnden Mathematik- und Deutschkenntnissen bemängeln die Unternehmen auch mangelnde Leistungsbereitschaft.


BDA schlägt neues Krankenversicherungsmodell vor. FAZ, Die. 20.4.10. Die Umstellung der gesetzlichen Krankenversicherung auf Pauschalen wäre nach Berechnungen der Arbeitgeber möglich, ohne den Steuerzuschuss über das geplante Maß von 14 Milliarden Euro anzuheben. Der Beitrag für die KV bliebe bei ca. 15 % des individuellen Haushaltseinkommens. Die Durchschnittsprämie liege bei 245 Euro. Allerdings müssten Leistungen von 10 Milliarden Euro aus dem Katalog der Kassen gestrichen und die Familienmitversicherung beschränkt werden auf Kinder und erziehende Ehegatten.


Wirtschaft bietet Kürzung der Subventionen an. FAZ, Die. 27.4.10. DIHK-Chef H. Driftmann und O. Kentzler, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks zeigen sich bereit, auf Subventionen zu verzichten, um die Konsolidierung des deutschen Staatshaushalts zu unterstützen, auch wenn dies zu ihren Lasten gehen sollte. Allerdings streben sie an, die Staatsquote von ca. 50 auf ein wachstumsförderliches Maß von 40 % zu senken. Die Konsolidierung könne nur mit Steuervereinfachung und niedrigen Steuersätzen sowie Subventionsabbau gelingen. Die Positionen des DIHK beinhalten auch das Umsteuern der Staatsausgaben auf zukunftsorientierte Investitionen und Bildungsausgaben.

Zusammenstellung: rst

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Buchbesprechung

Theorie der Gesundheitspolitik

Hält mit dem Minister Philipp Rösler von der FDP nun der Marktradikalismus Einzug in der Gesundheitspolitik? Wahrscheinlich genauso wenig wie diese Branche sozialistisch wurde, als die Ministerin Ulla Schmidt hieß. In den heißen Streitereien um "Kopfpauschale" und anderes lohnt es sich, die theoretischen Hintergründe dieses bedeutenden Wirtschaftszweiges anzusehen. Brauchbar dafür ist zum Beispiel das "Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik", das im zweiten Band einen Aufsatz von Prof. Dr. Notburga Ott (Uni Bochum) zur Sozialpolitik in der Bundesrepublik enthält. Gegenüber sehr spezialisierten Lehrbüchern über Marktversagen und Wirtschaftspolitik hat dieser Aufsatz den Vorteil, dass er mit knappem Umfang relativ leicht verständlich und vermutlich in vielen öffentlichen Bibliotheken erhältlich ist.


In allen modernen Wirtschaftslehrbüchern wird das Gesundheitswesen unter der Rubrik "Marktversagen" abgehandelt, wodurch eine staatliche Einflussnahme zu begründen sei. Selbst in stark marktwirtschaftlich organisierten Gesundheitssystemen wie den USA geht es nicht ohne staatliche Aufsicht und Regulierung.

In dem Aufsatz von Frau Ott werden zunächst die "Grundprobleme des Gesundheitswesens" beschrieben. Die Notwendigkeit für eine "Gesundheitspolitik" rühre daher, dass erstens nur eine eingeschränkte "Konsumentensouveränität" vorliege: Wer krank wird, besonders bei akuten und lebensbedrohlichen Situationen, kann sich keinen Anbieter aussuchen. Die Schwäche des Nachfragers kann vom Leistungsanbieter ausgenutzt werden. Ähnlich wirken Informationsdefizite: Der Patient kann die Leistung nicht angemessen beurteilen, weil er (hoffentlich) nur selten und unregelmäßig die Leistungen nachfragt und auch der Zusammenhang zwischen Behandlung und Gesundheitszustand nicht eindeutig ist. Daher kann der Leistungsanbieter Umfang und Art der medizinischen Leistung überwiegend bestimmen. Also sind Regelungen für die Qualitätssicherung und Vergütungssysteme, die auch den Behandlungserfolg berücksichtigen, erforderlich.

Ein weiterer Grund, warum es eine Gesundheitspolitik gibt: Auch die Gesunden profitieren ("positive Externalitäten" ist der Fachbegriff). Impfungen und Seuchenbekämpfung sind Beispiele; aber auch das Mitgefühl, niemand soll leiden, führt bei allen zu einem besseren Empfinden. Das sind Gründe für eine Versicherungspflicht.

Schließlich haben medizinische Leistungen den Charakter eines "Optionsgutes": der "Bedarf ist nicht vorhersehbar, hat aber bei Eintritt häufig eine hohe Dringlichkeit. Insofern ist zur Absicherung gesundheitlicher Risiken eine gewisse Reservehaltung von Kapazitäten notwendig." Die dafür nötige Finanzierung könnte zwar über eine Versicherung erfolgen, weil für eine Vorratshaltung eine gewisse Zahlungsbereitschaft besteht. Aber wenn aus moralischen Gründen niemand von der Nutzung ausgeschlossen werden soll, erhält diese Reservekapazität den Charakter eines öffentlichen Gutes, muss also die Finanzierung über Steuern oder eine Pflichtversicherung erfolgen.

Das sind "Gutseigenschaften", die eine staatliche Regulierung begründen, so Frau Ott. Daneben erfordern aber "Marktmängel des Versicherungsmarktes" ebenfalls staatliche Eingriffe. Zu den klassischen Informationsmängeln bei Versicherungen im Gesundheitssektor gehören:

Der Versicherer kennt den Gesundheitszustand des Versicherten nur unzureichend. Das kann zur sogenannten "adversen Selektion" führen. Für die schlechten Risiken werden so hohe Prämien angesetzt, dass sie sich nicht versichern usw. Daher sei ein Kontrahierungszwang erforderlich.

Zum zweiten existiert das Problem des "Moral Hazard": eben weil man versichert ist, lässt die Risikovorsorge nach (weil eine Brandschutzversicherung vorhanden ist, werden Benzinkanister im Keller gelagert). Hier setzen viele Reformen an: der Versicherte kann das Erkrankungsrisiko durch seine Lebensweise und Vorbeugung stark beeinflussen. Ebenso spielt das Verhalten eines Patienten im Krankheitsfall für die entstehenden Kosten eine Rolle. Beliebt sind daher neben moralischen Kampagnen Selbstbeteiligungsregelungen, die finanziellen Druck ausüben sollen. Frau Ott weist allerdings darauf hin, dass da keine Wunder zu erwarten sind: durch die physischen und psychischen Krankheitskosten existiere sowieso schon ein gewisses Maß an Selbstbeteiligung.

Schließlich gibt es noch das "Trittbrettfahrerverhalten" durch fehlende freiwillige Versicherung. Zwangsversicherung mit Zuschüssen oder Kostenübernahme für Einkommensschwache seien hier die Lösung.

Fazit von Frau Ott: "Insofern ist gerade im Gesundheitsbereich eine soziale Ausgestaltung der Versicherung als Zwangsversicherung mit Einheitsprämie (hier ist nicht gemeint "Kopfpauschale", sondern unabhängig vom Gesundheitszustand des Versicherten, a.k.) im Sinne einer Versicherung unter dem Schleier des Nichtwissens angebracht." Der Schleier des Nichtwissens bezieht sich auf die Gerechtigkeitstheorie von J. Rawls. Rawls hat die gedankliche Konstruktion entwickelt, dass gerechte Regeln solche sind, denen alle vorab zustimmen, weil sie nicht wissen, in welcher zukünftigen gesellschaftlichen Lage sie sich befinden werden; ihnen ihre konkrete Zukunft also unter einem "Schleier des Nichtwissens" verborgen ist.

Unter diesen Voraussetzungen haben sich im Kern drei Typen von Gesundheitswesen historisch herausgebildet:

- Nationale Gesundheitsdienste (z.B. Großbritannien), die überwiegend aus Steuermitteln finanziert werden. Leistungen und Preise werden staatlich festgelegt. Das Angebot steht allen Bürgern offen; die Arztwahl ist allerdings eingeschränkt. Vorteil: gilt als kosteneffektiv; Nachteil: das Leistungsspektrum ist auf eine Grundversorgung beschränkt; neben dem staatlichen Sektor existiert ein privater Gesundheitsmarkt.

- Sozialversicherungssysteme (z.B. Frankreich, Deutschland) mit obligatorischer Versicherung und Beiträgen auf Lohneinkommen. Die Leistungsanbieter sind im ambulanten Bereich überwiegend privat; im stationären Bereich überwiegend öffentlich. Das Leistungsangebot ist überwiegend gesetzlich festgelegt (umfassendes Spektrum medizinischer Leistungen); die Preise werden zwischen Versicherungen und Leistungsanbietern kollektiv ausgehandelt.

- Marktwirtschaftlich organisierte Gesundheitssysteme (z.B. USA) mit wenig staatlichem Einfluss. Keine Versicherungspflicht. Leistungsanbieter private oder Non-Profit-Organisationen. Finanzierung direkt durch die Konsumenten oder Versicherungen, die Verträge abschließen. Außerdem gibt es Organisationen, die Versicherer und Anbieter in einem sind, mit Ärzten als Angestellten oder Eigentümern. Vorteile: effizient und innovativ. Nachteile: starke Ungleichverteilung der Gesundheitsversorgung der Bürger.

Die konkrete Beschreibung der Gesundheitspolitik in Deutschland leidet dann natürlich unter der mangelnden Aktualität (mir lag die 8. Auflage von 2002 vor; aber auch die inzwischen erschienene 9. Auflage von 2007 dürfte da zum Teil schon wieder überholt sein). Interessant sind dennoch die Hinweise auf systemimmanente Fehlsteuerungen, die verständlich machen, warum es in der Gesundheitspolitik immer wieder Anpassungen geben muss.

Eine Tatsache ist die Vielzahl von gesetzlichen Versicherungsträgern, die daher rührt, dass die Kassen nach Berufsgruppen entstanden sind (allerdings nimmt die Zahl der gesetzlichen Kassen auf politischen Druck stark ab, ak.). Da sowohl Beitragshöhe als auch Leistungsumfang der gesetzlichen Kassen weitgehend feststehen, besteht das Problem, wie Unterschiede in der Versichertenstruktur (Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand) zwischen den Kassen ausgeglichen werden.

Familienangehörige (nichterwerbstätige Ehepartner und Kinder) sind in der gesetzlichen Kasse mitversichert. Das ist ein Anreiz für besserverdienende Arbeitnehmer mit Familie in der gesetzlichen Kasse zu bleiben, während Kinderlose in die Privatversicherung wechseln.

Ein Schaubild (hier aus Platzgründen nicht abgedruckt) zeigt die Leistungs- und Finanzierungsströme. Beteiligte Gruppen sind: Kassenmitglieder, Krankenkassen, Kassenärztliche Vereinigungen, Ärzte, Hersteller medizinischer Geräte, Krankenhäuser, Arzneimittelindustrie, Apotheken. Zwischen ihnen gibt es direkte Geldflüsse oder indirekte über die Vermittlung von Ansprüchen auf Zahlungen (Versichertenkarte, Überweisungen von Arzt zu Arzt oder zur Klinik). Außerdem finden Dienstleistungen und Warenlieferungen statt. Kommentar von Frau Ott: "Die Leistungs- und Finanzierungsströme sind vielfach nicht direkt gegenseitig aufeinander bezogen, sondern über mehrere Instanzen verteilt. Solche Strukturen beinhalten oft vielfache Moral-Hazard-Anreize." (Man möchte aus aktuellem Anlass ergänzen: weswegen noch jeder Gesundheitsminister versucht, publikumswirksam eine Anbietergruppe sich vorzuknöpfen.)

Die Ärztevergütung über die Kassenärztliche Vereinigung setzt ebenfalls falsche Anreize (hohe Anzahl von Einzelleistungen sind vorteilhaft).

Während Frau Ott noch die Fallpauschalen als künftiges Mittel stärkerer Leistungsorientierung bei den Krankenhäusern in Betracht zieht, zeigt die Praxis, dass auch hier Gestaltungsgebräuche einreißen, die eher die wirtschaftliche Optimierung des Anbieters als die medizinische Optimierung für den Patienten im Blickfeld haben.

Die Schlussfolgerung der Autorin hat noch immer Geltung: "Nach wie vor muss von erheblichen Ineffizienzen durch falsch gesetzte Anreize ausgegangen werden. Manch vielversprechende Reformansätze wurden in der Vergangenheit aufgrund des Einflusses der Interessenverbände nicht konsequent genug umgesetzt."

Die Schlussfolgerungen sind für sie allerdings kein Systemwechsel, sondern Verbesserungen in Richtung Qualitätssicherung, Orientierung der Vergütungen am Behandlungserfolg, mehr Information für Patienten und Anreize zur Wirtschaftlichkeitsprüfung.

Alfred Küstler


Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik,
Band 2, 8. Auflage; Verlag Franz Vahlen, 30 Euro

Raute

Rechtssprechung: Klage wegen Verbrauchertäuschung hat Erfolg

Lidl muss Werbung zurückziehen

Hamburg, 8.4.2010 Die Verbraucherzentrale Hamburg hatte eine Klage beim Landgericht Heilbronn gegen Lidl wegen unlauteren Wettbewerbs eingereicht. Sie wurde dabei von der Kampagne für Saubere Kleidung (CCC) und dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) unterstützt. Das Bündnis fordert Lidl auf, Verbraucher nicht mit "Social Washing" über die unmenschlichen Arbeitsbedingungen bei ihren Zulieferern zu täuschen.

In einem Werbeprospekt von Lidl vom Januar 2010 heißt es, "Lidl setzt sich weltweit für faire Arbeitsbedingungen ein". Und weiter: "Wir bei Lidl vergeben deshalb unsere Non-Food-Aufträge nur an ausgewählte Lieferanten und Produzenten, die bereit sind und nachweisen können, soziale Verantwortung aktiv zu übernehmen." Das Unternehmen Lidl weist in der Öffentlichkeit immer wieder darauf hin, dass es Mitglied bei der Business Social Compliance Initiative (BSCI) ist. Diese internationale Initiative des Einzelhandels hat zum Ziel, bestimmte Sozialstandards bei den Lieferanten zu erreichen. Der BSCI-Verhaltenskodex enthält unter anderem Regelungen zur Arbeitszeit, zu Löhnen, gegen Diskriminierung und zu Gewerkschaftsfreiheit gemäß den Vorschriften der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO-Konventionen). Eine Verpflichtung, wonach Mitglieder Sozialstandards gewährleisten müssen, enthält der BSCI-Verhaltenskodex allerdings nicht.

Dennoch erfreut sich die BSCI zunehmender Beliebtheit bei den Unternehmen: Die Mitgliederzahl steigt stetig und liegt derzeit bei 475 (2003 waren es nur 60 Firmen). Denn die Mitgliedschaft verleiht den Unternehmen den Anschein fairer Arbeitsbedingungen in ihren Zulieferbetrieben, und auch Lidl nutzt dies, um in der Öffentlichkeit einen solchen Eindruck zu erwecken.

Eine von dem European Center for Constitutional Rights (ECCHR) und der Kampagne für Saubere Kleidung (CCC) in Auftrag gegebene Untersuchung (www.saubere-kleidung.de) beschäftigt sich mit den Arbeitsverhältnissen in Lidls Zulieferbetrieben. Die Recherche konzentriert sich auf vier Firmen in Bangladesch, in denen Näherinnen befragt wurden. Sie berichten von unmenschlichen Arbeitsbedingungen: Überlange Arbeitszeiten, Lohnabzüge als Strafmaßnahmen, mangelnde und intransparente Vergütung von Überstunden, Verhinderung von Gewerkschaftsarbeit und Diskriminierung von weiblichen Beschäftigten. Das sind eindeutige Verstöße gegen die ILO-Konventionen, gegen den Verhaltenskodex von BSCI und gegen die Selbstverpflichtung Lidls.

Miriam Saage-Maaß vom ECCHR ist empört: "Es besteht ein krasser Widerspruch zwischen der öffentlichen Darstellung Lidls und den tatsächlichen Verhältnissen in den Produktionsstätten der Lidl-Lieferanten." Günter Hörmann von der Verbraucherzentrale Hamburg ist der Meinung: "Lidl täuscht mit seiner Werbung die Verbraucher. Daher haben wir jetzt Klage wegen der irreführenden Werbung eingereicht." Gisela Burckhardt von der Kampagne für Saubere Kleidung hebt hervor: "Lidl betreibt Schönfärberei, mit dem BSCI-Kodex wollen sich Discounter ein Sozialmäntelchen umhängen, aber die Lage der Arbeiterinnen verbessert sich nicht."

Die am 6. April eingereichte Klage der Verbraucherzentrale Hamburg gegen Lidl wegen unlauteren Wettbewerbs führte schnell zum Erfolg. Lidl verpflichtete sich jetzt in einer Unterlassungserklärung gegenüber der Verbraucherzentrale, das beanstandete Werbeversprechen mit Bezug auf weltweit faire Arbeitsbedingungen zurückzuziehen. Lidl darf jetzt nicht mehr in Werbeprospekten behaupten: "Wir handeln fair! Jedes Produkt hat eine Geschichte. ... Lidl setzt sich weltweit für faire Arbeitsbedingungen ein. Wir bei Lidl vergeben deshalb unsere Non-Food-Aufträge nur an ausgewählte Lieferanten und Produzenten, die bereit sind und nachweisen können, soziale Verantwortung aktiv zu übernehmen. Wir lehnen grundsätzlich jegliche Form von Kinderarbeit oder Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen in den Produktionsstätten unserer Waren ab. Wir sichern diese Standards nachhaltig".

Zudem darf Lidl in Werbeprospekten nicht mehr auf die Mitgliedschaft in der Business Social Compliance Initiative (BSCI) hinweisen. "Der Fall Lidl beweist: Es ist riskant für Unternehmen, sich ein Sozialmäntelchen umzuhängen. Damit künftig die Konzerne nicht nur in ihrer Werbung geschickter werden, fordern wir die Bundesregierung auf, Unternehmen zu verpflichten, Sozialstandards in der Lieferkette einzuhalten. Freiwilligkeit hat bisher nicht zum Erfolg geführt", sagt Gisela Burckhardt von der Kampagne für Saubere Kleidung (CCC).

"Wir meinen: Lidl ist auch rechtlich verpflichtet, für die versprochenen fairen Arbeitsbedingungen zu sorgen. Es bleibt unhaltbar, dass die von unwürdigen Arbeitsbedingungen betroffenen Arbeiterinnen in den Zulieferbetrieben deutscher Unternehmen diese weltweit agierenden Unternehmen nicht in Deutschland verklagen können", kritisiert Miriam Saage-Maaß (ECCHR). Lidl hat seinen Kritikern Gespräche angeboten. Verbraucherzentrale, CCC und ECCHR werden das Gesprächsangebot annehmen.   (bee)

Quelle:
Presseerklärungen von Verbraucherzentrale Hamburg, Kampagne für Saubere Kleidung (CCC), ECCHR .08.94. und 21.04.2010

Raute

DISKUSSION UND DOKUMENTATION


Der folgende, mit dem Pseudonym Sancho Panza gezeichnete Artikel, stammt von dem Spanier Augusto Serrano López (geb. 1975), der an der Universität Nacional Autónoma in Honduras als Professor für Philosophie tätig ist.

Mit der Wahl des Pseudonyms Sancho Panza wählt er die berühmte Figur aus dem Don Quijote de la Mancha von Miguel de Cervantes zu seinem Sprecher. Also die Stimme des gemeinen Mannes, der Don Quijote bei seinen Abenteuern begleitet.

Bei einem Mummenschanz wird Sancho Panza zum Gouverneur über die Ebroinsel Barataria ernannt. Sancho Panza erweist sich dieser neuen Situation durchaus gewachsen, indem er sich die unvergessenen Reden seines Herrn Don Quijote zum Gesetz macht. Zur Verantwortung über fremde Geschicke aufgerufen erweist er auf verblüffende Weise Eignung zu weiser Regierung.

Wenn hier Sancho Panza die Partei des spanischen Untersuchungsrichters Baltasar Garzón (geb. 1955) ergreift, tritt er als Vertreter des spanischen Volkes auf, das nach Meinung von Cervantes die Eignung zur Selbstregierung besitzt. Serrano / alias Sancho Panza wendet sich gegen eine von der politischen Rechten beeinflusste Justiz, die mit formalen Argumenten gegen eine auf der Vernunft basierenden Rechtsauffassung vorgeht.

Diese wird von Baltasar Garzón vertreten, der zu wiederholten Malen bewiesen hat, dass er in Spanien wie im Ausland unerschrocken für seine Rechtsauffassung eintritt (s.o.).

Der inzwischen auch international bekannte Richter Garzón hat den Diktator Augusto Pinochet wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt, ist gegen die Aktivitäten der terroristischen ETA, den Staatsterror der von der PSOE gesteuerten Todesschwadrone gegen ETA-Mitglieder und gegen Korruption innerhalb der Oppositionspartei PP gerichtlich vorgegangen.

Im September 2008 eröffnete er ein Verfahren gegen die Verbrechen des Franco-Regimes. Die Anordnung, Massengräber aus der Zeit der Francozeit zu öffnen, wurde vom Plenum der Audiencia Nacional gestoppt.

Garzón wurde vorgeworfen, Kompetenzen überschritten zu haben. Man wirft ihm auch vor, bei der Untersuchung des Korruptionsverdachts gegen PP-Mitglieder illegal Telefongespräche abgehört zu haben.

Das im April 2010 eingeleitete Hauptverfahren könnte gegebenenfalls mit einem Berufsverbot für Garzón enden.

Der Prozess gegen Garzón wird nicht nur von Hinterbliebenen der Opfer der Franco-Diktatur als ungerecht und beschämend empfunden.

Ursula Varchmin


Augusto Serrano Lopez

Wie lässt sich das ertragen?
(Das ist nicht zum Aushalten! Das ist unerträglich!)

Sancho Panza de la Mancha

"Experiencia jurídica, naturaleza de la cosa y Lógica "razonable" ist der Titel, den Luis Recaséns Siches(*) einem der wichtigsten Werke zur Logik verlieh, das mir bekannt ist.

Der Titel lässt es an Klarheit nicht fehlen: Gleich zu Beginn wird das Gebiet definiert, das man betritt, wenn es um Recht geht. Lógica razonable (Logik der Vernunft), nicht Lógica formal (formale Logik), denn hier betritt man die reale Welt, in der "der Satz vom ausgeschlossenen Dritten" gilt und die Dinge, die Natur der Sache, also nicht nur richtig oder falsch sind, sondern eine Menge von Werten und Möglichkeiten aufweisen.

Lo razonable (das Vernünftige) hat zumindest zwei Bedeutungen. Es hat etwas mit der Vernunft zu tun, denn seine Entfaltung verlangt, Rechenschaft und Begründung über das Vorgehen abzulegen, d.h. so weit wie möglich Rechenschaft im Sinn des Vernunftprinzips nach Leibniz abzulegen, aber selbst wenn das so ist, bewegt sich die Überlegung im Reich der Fehlbarkeit, denn das Prinzip der ausreichenden Vernunft ist kein logisches Prinzip, sondern ein onthologisches, das Prinzip des Faktischen und der Welt der nicht auf der Vernunft, sondern auf Fakten basierenden Wahrheiten.

Bei der anderen Bedeutung, die der Welt der Fakten angehört, handelt es sich um nichts anderes als den gesunden Menschenverstand. Hier ist der gesunde Menschenverstand, obwohl nach Hegel der am wenigsten gesunde der Sinne, dennoch das Grundgesetz, auf das sich die Menschheit beruft, (carta magna referencia humana, denn der gesunde Menschenverstand gesteht allen Menschen Vernunft und das Vernünftige zu: Hier siedelte der große Heraklit das Beste des Menschen an, weil er dort den besten Bestrebungen seiner Natur folgt und nicht wie ein Idiot handelt. Das Gemeine, das allen Gemeine, (lo comun, lo de todos) dieser Rang und dieser Raum, der in Spanien weiterhin so unklar formuliert ist.

Auch bei längerem Nachdenken finde ich keinen ausreichenden Grund, den Prozess zu rechtfertigen und zu legitimieren, den man gegen den Richter Garzón anstrengen möchte, weil er den Forderungen der Familienangehörigen der bei dem Staatsstreich und unter der Franco-Diktatur Ermordeten und Verschwundenen nachkommen wollte. Der vielen, die diese Welt verließen, ohne sich je verteidigen zu können, und in irgendeinem Straßengraben verscharrt wurden.

Es mag sein, dass Garzón das Amnestiegesetz der so genannten Transition (Übergang zur Demokratie) in einer besonderen Weise interpretiert hat, es steht jedoch fest, dass man dieses Gesetz auf verschiedene Weise interpretieren kann und dass keine unangreifbare mathematische Formel existiert, von der sich die allein selig machende Wahrheit ableiten ließe. Wir befinden uns also in einem offenen Bereich, in dem die Vernunft regiert, aber wir sprechen hier von einer Vernunft, die Diskussionen und Erwägungen vom Standpunkt des gesunden Menschenverstandes erlaubt, der neben vielen anderen Dimensionen diejenige beinhaltet, auf der in dubio pro reo beruht, dass man niemand Böses zufügen, nicht töten soll usw., weil es besser ist in Frieden zu leben anstatt im Krieg und es menschlicher ist, Vorschläge zu machen, zu argumentieren und zu überzeugen als Gewalt anzuwenden. Jene "vernünftige" Logik, die ich selbst so weise und klug als Herrscher über die Insel Barataría anwandte: "Und für eueren Brückengänger ist ebensoviel Grund vorhanden zu sterben als zu leben und über die Brücke zu gehen; denn wenn die Wahrheit ihn errettet, so verurteilt ihn die Lüge gleichermaßen; und ... da in betreff der Gründe, ihn zu verurteilen oder ihn freizusprechen, das Zünglein der Waage mitten inne steht, sollen sie ihn freilassen, sintemal Gutes tun mehr als Böses gepriesen wird" (Don Quijote de la Mancha, Zweites Buch, Kap. 51).

Die Welt des Rechts, der Bereich der Rechtsprechung, ist vom wissenschaftlichen Standpunkt betrachtet keine geschlossene Welt (umso besser!), und das gilt auch für die formale Logik, sondern eine Welt, die wir nach und nach errichtet haben in dem Maße, wie sich die Menschen zu humanen Wesen entwickelt und den Weg des friedlichen Zusammenlebens eingeschlagen haben, der uns das Überleben ermöglicht. Der Richter, der ein Urteil fällt und richtig handeln will, soll nicht nur Daten, Fakten und Gesetze beachten, sondern auch die individuellen und sozialen Konsequenzen seiner letzten Entscheidung bedenken.

Er kann das Gesetz nicht richtig anwenden, wenn diese Auslegung für die Allgemeinheit unakzeptabel ist, weil bereits verschiedene Interpretationen des Tatbestands vorliegen und in einer so unklaren Situation keine Entscheidungen getroffen werden sollten. Der Satz "fiat lex, pereat mundus" hat daher keine Gültigkeit, denn das Gesetz ist dazu da zu verhindern, dass die Welt untergeht, folglich ist der Richter, der mit solcher Sturheit und Strenge handelt, im besten Fall ein Verrückter, im schlimmsten Fall aber ein Verbrecher.

Der Schaden, den er der Allgemeinheit zufügt, ist zu groß, um einen solchen Frevel zu dulden. Unter unendlichem Leiden hat die Menschheit diese kleinen Freiräume der Solidargemeinschaft und Menschlichkeit errungen. Die Familie, die Schule und die modernen Staaten, haben versucht, durch nicht wenige Instanzen, die Legislative eingeschlossen, zu erreichen, dass jeder von uns verinnerlicht, dass das Allgemeinwohl über Egoismus und Parteilichkeit steht, aber in Spanien nehmen wir nicht wahr, dass, wer sich an Staatsvermögen vergreift, alle beraubt; wer auf dem Land der Gemeinde baut, alle beraubt uns, wenn ein Richter jemand verurteilt, weil er Gerechtigkeit üben will, er uns alle verurteilt.

Die spanische Rechte, die sich gegen die Republik erhob, den Krieg gewann, Hunderttausende in die Verbannung trieb, fälschlich verurteilte, ermordete, verschwinden ließ, die scheinbar ohne Feinde regierte, weil sie alle eliminiert hatte, die ökonomisch wuchs und gedieh und einen Justizapparat nach ihren Maßstäben aufbaute, kann jetzt nicht zulassen, dass jene, die sie als Verlierer betrachten und noch am Leben sind (diese Roten!) ihre Toten ausgraben wollen, Tote, die für die Rechte in Spanien, ein für alle mal tot sind, weil sie es so und nicht anders verdient haben.

Aber ein junger Richter setzte sich über all das hinweg und kam auf die Idee, auf die Bitten einiger Menschen zu reagieren, die nicht Rache forderten, sondern die Erlaubnis ihre Toten anständig zu begraben. In Spanien, wo nach Meinung einiger die Transition geglückt ist, weil es gelungen ist, das Geschehene auszulöschen und die Erinnerungen daran fest verschnürt dem Vergessen zu überlassen, bekam der Richter die ganze Macht der Herrschenden, die immer noch dieselben sind wie vor der Transition, zu spüren.

Und gerade das richtet Spanien zugrunde, gerade das bedeutet Rückkehr in die Vergangenheit, weil sie uns den winzigen Spielraum nehmen wollen, der für die Allgemeinheit erreicht worden ist. Der Prozess gegen Garzón ist ein Prozess gegen die Transition und gegen alles, was wir glaubten erreicht zu haben. Sie stellen uns alle vor Gericht und das Unglück ist, dass wir uns nicht verteidigen können.

Folgt diese Art der Gerechtigkeit der Logik der Vernunft?


(*) Luis Recasens Siches (1903-1977) spanisch-mexikanischer Rechtsphilosoph. Er begann seine Lehrtätigkeit 1927 an der Universität von Santiago de Compostela, und setzte sie an den Universitäten von Salamanca (1930), Valladolid (1930-1932) und Madrid (1932-1936) fort. Er war Abgeordneter der Cortes in der Zweiten Spanischen Republik. Bei Ausbruch des Bürgerkriegs ging er nach Mexiko ins Exil, wo er an der Universidad Nacional Autónoma lehrte.

Werke u.a.: Nueva filosofía de la interpretación del Derecho, Mexico 1956, Tratado de filosofía del Derecho, Mexico 1959

Übersetzung: Ursula Varchmin


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Don Quijote und Sancho Panza, Pablo Picasso, 1955

Blick in die Presse: "Ausgerechnet drei ultrarechte Organisationen haben Garzón verklagt - viele Menschen in Spanien wollen das nicht hinnehmen. Vor dem Obersten Gerichtshof protestieren sie gegen die drohende Absetzung des populären Untersuchungsrichters. "Universelle Gerechtigkeit" und "Mehr Richter wie Garzón" fordern diese Frauen."

http://www.spiegel.de/fotostrecke/fotostrecke-54091-2.html, 24.4.10

Raute

Kirchenkrise

Auch Nachwuchs fehlt ...

Die Zahl der jungen Männer, die katholischer Pfarrer werden wollen, geht immer weiter zurück. In den 27 Diözesen in Deutschland bereiten sich derzeit nur 842 junge Männer auf den Priesterberuf vor. Dies sei ein neuer Tiefstand, vermerkte die Deutsche Regentenkonferenz, der Zusammenschluss der Leiter der Priesterseminare. Vor zehn Jahren waren es noch 1122. Die Zahl der Neueintritte sank mit 161 ebenfalls bis unter das bisher niedrigste Niveau, das 2004 erreicht worden war. Damit verstärkt sich der schon jahrelang anhaltende Priestermangel künftig noch weiter. Bundesweit sind derzeit rund 10.500 katholische Priester im aktiven Dienst - 20 Prozent weniger als vor zehn Jahren. Den Grund für die geringe Zahl der Priesteramtskandidaten sehen die "Regenten" der Priesterseminare nicht nur im demografischen Wandel, sondern auch in der abnehmenden Kirchlichkeit. Es gebe in der Gesellschaft weniger Leidenschaft und Begeisterung für den Glauben.

Die "KirchenVolksBewegung - Wir sind Kirche", ein Zusammenschluss von Laien innerhalb der Katholischen Kirche, berichtete in diesem Zusammenhang, dass der Augsburger Bischof Mixa, inzwischen reichlich bekannt geworden wegen Korruptionsvorwürfen, das Leitungspersonal eines Priesterseminars feuerte, um so den Priesternachwuchs quantitativ zu heben. Wie es hieß, erfolgte die Ablösung des Leiters und seines Stellvertreters deshalb, weil es zu unterschiedlichen Bewertungen von Kandidaten gekommen sei. Dass der Bischof alle Kandidaten aufnimmt, die ihm "vor die Flinte kommen" ist seit seiner Eichstätter Bischofszeit bekannt, so schreibt die KirchenVolksBewegung und verweist kritisch darauf, dass Mixa jeder recht war, wenn er nur Priester werden wollte. Die Folgen dieser Vorgehensweise haben zu den öffentlichen Skandalen in der Katholischen Kirche geführt.

Diese Stellungsnahme der Laienbewegung liegt ganz auf der Linie des "Offenen Briefes an die Bischöfe" von Hans Küng vom 15. April 2010: "Seit Jahrzehnten werden die Gründe für den Priestermangel ignoriert. Die Botschaft Gottes zu den Menschen braucht Boten - unabhängig vom Geschlecht oder der gewählten Lebensform. Das Lamento über den Priestermangel ist so lange unglaubwürdig, wie nach biblisch unbegründeten Kriterien ausgegrenzt wird." Von der Signalwirkung des Weltjugendtages in Köln mit Papst Benedikt 2005 und dem mit Vorschusslorbeeren bedachten "Jahr der Berufung 2010" spreche heute ohnehin niemand mehr.

Karl-Helmut Lechner

Raute

IN & BEI DER LINKEN

Der in dieser Entwicklung entwickelte Kurs markiert Punkte, die bei einer Mehrheitsbildung links von der Mitte von der Linken durchgesetzt werden könnten. Diese Erklärung bietet die Chance, von Farbspielereien wegzukommen und zur Diskussion von Punkte eines umfassenden Reformprogrammes überzugehen.


Mit aller Kraft für den Politikwechsel in Ländern und Bund

Bad Saarower Erklärung der Vorsitzenden von Landtagsfraktionen der Linken mit Erfahrungen aus Tolerierung oder Regierungsbeteiligungen

Von Kerstin Kaiser (Brandenburg), Wulf Gallert (Sachsen-Anhalt), Helmut Holter (Mecklenburg-Vorpommern) und Udo Wolf (Berlin)


Unsere Erfahrungen mit der Tolerierung einer SPD-geführten Landesregierung in den 90er Jahren in Sachsen-Anhalt, mit den Regierungsbeteiligungen in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin sowie mit den jetzt sichtbaren Weichenstellungen und Entscheidungen von Rot-Rot in Brandenburg zeigen:

Die Beteiligung von Linken an Landesregierungen führt zu wichtigen Weichenstellungen für mehr soziale Gerechtigkeit, für einen zukunftsfähiges Bildungssystem, für mehr Nachhaltigkeit, für eine solide Wirtschafts- und Finanzpolitik als Basis sozialer Stabilität, für mehr Demokratie und Bürgerrechte, für eine offenere politische Kultur.

Im Entwurf für das Parteiprogramm der Linken heißt es: "Entscheidend für die Durchsetzung eines Politikwechsels ist ... die bundespolitische Ebene. Hier liegen die meisten Kompetenzen, die dafür notwendig sind, hier erfolgen die meisten Weichenstellungen."

Diese Erfahrung kennen wir aus dem politischen Alltag. Aber wir wollen den Verweis auf bundespolitische Hemmnisse und Gegenkräfte nicht als Ausrede dafür verstanden wissen, dass wir unsere Vorhaben nur begrenzt, manche gar nicht umsetzen können. Wir betrachten die Bundespolitik als Herausforderung - an uns selbst, an die Handlungsfähigkeit unserer Landesregierung, an die Mobilisierungsfähigkeit unseres Landesverbandes wie auch an die politische Schlagkraft der Bundespartei und der Bundestagsfraktion. Nur gemeinsam, Seite an Seite, können wir hier zunächst die nötige Aufmerksamkeit für notwendige Veränderungen, schließlich wachsenden politischen Druck und am Ende tatsächliche Veränderungen auch auf Bundesebene erreichen.

Derzeit brennt uns folgendes besonders auf den Nägeln:

1. Die Einführung eines bundesweiten einheitlichen gesetzlichen Mindestlohnes. Das Minimum, das Menschen zur Sicherung ihrer Existenz und zur kulturellen Teilhabe brauchen, ist unabhängig von der Branche, in der sie arbeiten, und alles in allem auch von der Region, in der sie leben. Der Mindestlohn kann kein Stückwerk sein - auch nicht durch Länderregelungen. Wir wollen mehr als nur Mindestlöhne bei öffentlichen Aufträgen und wir wollen Mindestlöhne nicht nur in einzelnen Ländern - wir brauchen dazu eine bundesgesetzliche Regelung. Je eher, je besser. Neue Mehrheiten auch im Bund, die dies ermöglichen, müssen unser aller Ziel sein!

2. In Brandenburg wie in Berlin kann der ÖBS nur unter restriktiven finanziellen und arbeitsmarktpolitischen Bedingungen aufgebaut werden. Die Kapitalisierung der Mittel, die ohnehin für die Finanzierung von Arbeitslosigkeit ausgegeben werden, verweigert die Bundesregierung nach wie vor. Stattdessen schränkt sie die Nutzbarkeit des vorhandenen arbeitsmarktpolitischen Instrumentariums für Langzeitarbeitslose weiter ein. Programme verschwinden, andere zielen eindeutig auf den Einsatz als Niedriglohninstrument in der privaten Wirtschaft. Wir aber brauchen arbeitsmarktpolitische Programme, die als Instrumente für den ÖBS eingesetzt werden können. Brandenburg und Berlin werden dafür kämpfen - künftige rot-rote oder rot-rot-grüne Landesregierungen, die wir uns bei den nächsten Wahlen wünschen, werden diese Front verstärken. Zu prüfen wäre eine gemeinsame Bundesratsinitiative "Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren": Schaffung der notwendigen gesetzlichen und haushalterischen Voraussetzungen, um die Mittel, die jetzt zur Finanzierung von Langzeitarbeitslosigkeit ohnehin ausgegeben werden, zu bündeln und für die Grundfinanzierung von ÖBS-Stellen einzusetzen.

Wir stützen uns auf eine starke Linke Bundestagsfraktion. Aber auch hier geht es um neue Mehrheiten im Bundestag. Die SPD in Berlin und Brandenburg hat sich die Idee eines ÖBS zu eigen gemacht - in der Bundes-SPD gibt es Ansätze, die mglw. in eine ähnliche Richtung weisen. Wir wollen, dass sich die Sozialdemokraten hier auch im Bund stellen - und dass Gemeinsamkeiten ausgelotet werden, die eine künftige andere Bundespolitik tragen könnten.

3. In den Jahren vor der Landtagswahl 2009 haben die Brandenburger Genossinnen und Genossen sich in einer Volksinitiative "Keine neuen Tagebaue - für eine zukunftsfähige Energiepolitik!" engagiert. Mit der Koalitionsvereinbarung ist es gelungen, die ersten Schritte zu einer solchen zukunftsfähigen Energiepolitik zu verankern: den Vorrang für die Erneuerbaren Energien auch im "Kohleland" Brandenburg; die Einordnung der Braunkohle-Verstromung nur noch als Brückentechnologie; hohe Sicherheits- und Genehmigungshürden für die CCS-Technologie als "Retter" der Braunkohle-Verstromung. Um den von der Volksinitiative vorgelegten Gesetzentwurf jedoch durchsetzen zu können, der den Aufschluss neuer Tagebaue verbieten sollte, fehlen derzeit noch wichtige bundesrechtliche Voraussetzungen. Deswegen beabsichtigt Brandenburg eine Bundesrats-Initiative zur Ergänzung der Rohstoffsicherungsklausel im Bundesberggesetz um ökologische und soziale Kriterien. Nur so würde der notwendige gesetzliche Spielraum für die Verhinderung weiterer Tagebaue entstehen. Wir hoffen natürlich auf weitere rot-rote bzw. rot-rot-grüne Landesregierungen, die dieses Anliegen im Bundesrat unterstützen. Wir wissen, dass wir in dieser Frage eine starke Bundestagsfraktion hinter uns haben. Dennoch sind wir auch im günstigsten Fall hier noch weit von solchen Mehrheiten entfernt, die die notwendige Änderung des Bundesbergrechts ermöglichen. Noch ist die Dynamik der Klimaschädigung durch den CO2-Ausstoß in der Lausitz stärker als die Dynamik, die angesichts einer schwächelnden schwarz-gelben Bundesregierung auf eine rot-rot-grüne Alternative im Bund hin wirkt. Dieser Teufelskreis aber muss durchbrochen werden!

4. Die neue Landesregierung in Brandenburg ist von der Absicht getragen, die menschenverachtende Residenzpflicht für Asylbewerberinnen und -bewerber aufzuheben. Schon vier Wochen nach Amtsantritt der rot-roten Regierung war es Flüchtlingen aus Brandenburg erlaubt, zu Gottesdiensten nach Berlin zu fahren. Dies war möglich gewesen, weil die Religionsausübung durch das Grundgesetz geschützt ist. Dann wird die Beschränkung auf die Landkreise aufgehoben. Die nächste Frage ist, ob Berlin einbezogen werden kann oder ob dagegen das Bundesrecht steht. Schließlich wird Brandenburg eine Bundesratsinitiative zur Aufhebung der Residenzpflicht ergreifen. Wir hoffen hier auf einen Erfolg, weil sogar CDU-geführte Bundesländer grundsätzliche Bedenken gegen die Residenzpflicht hegen. Aber wirklich ändern werden sich voraussichtlich auch hier die Kräfteverhältnisse erst dann, wenn Rot-Rot in Brandenburg und Berlin nicht mehr allein steht und wenn sich im Bundestag neue Mehrheiten finden.

5. Mit Sorge blicken wir auf die Entwicklung der Landes- und Kommunalfinanzen in den nächsten Jahren. 20 Jahre nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik beginnt die Rückführung der vereinigungsbedingten Sondertransfers nach Ostdeutschland; 2019 werden sie ausgelaufen sein. Auch die EU-Förderung wird umgestellt. Die Zeit der Sonderbehandlung Ostdeutschlands geht zu Ende und die Uhr kann nicht zurück gedreht werden. Darauf muss man sich einstellen - auch wenn wir gemeinsam mit unseren EU-Parlamentariern und der Interessenvertretung unseres Landes in Brüssel Einfluss auf die Ausrichtung der Förderpolitik der EU auch nach 2013 nehmen wollen und müssen.

Was hingegen nicht zu akzeptieren ist, ist der bundespolitische Spagat zwischen Einführung der Schuldenbremse einerseits und schwarz-gelben Steuersenkungsplänen andererseits. Eine Entsolidarisierung der Länder, wie sie mit einer möglichen Klage der Geberländer auf vorzeitiges Auslaufen des Solidarpaktes droht, ist kein akzeptabler Ausweg. Es sind die bundespolitischen Verabredungen und Steuerpläne, die - gerade angesichts der gewaltigen Ausgaben zur Bekämpfung der Finanzund Wirtschaftskrise - die finanziellen Handlungsspielräume aller Bundesländer wie auch der Gemeinden strangulieren. Dieser Entwicklung muss Einhalt geboten werden - nicht irgendwann, sondern so schnell wie möglich.

Wir gehen davon aus, dass die Linke in Land und Bund hier intensiv an einem breitestmöglichen politischen Bündnis arbeitet. Es ist politisch kontraproduktiv, rot-rot regierte Länder zu verurteilen, weil sie mit dem von ihnen nicht beeinflussbaren Rückgang der finanziellen Handlungsräume fertig werden müssen. Gemeinsam müssen wir nicht nur gegen die Schuldenbremse und gegen die schwarz-gelben Steuersenkungsvorhaben, sondern für eine sozial gerechte, verantwortungsbewusste Steuerreform und eine Neugestaltung der Kommunalfinanzierung kämpfen, die dann auch eine bessere Finanzierung der öffentlichen Daseinsvorsorge ermöglicht.

6. Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise ist - trotz gigantischer finanzieller Aufwendungen - noch nicht vorüber. Doch schon jetzt beginnt an den internationalen Finanzmärkten und in den Bankzentralen jenes Spiel aufs Neue, das die Krise erst herauf beschworen hat. Der internationalen Politik, auch den führenden Wirtschaftsmächten, hat - so zeigt sich - die Kraft gefehlt, zum richtigen Zeitpunkt energische Maßnahmen zu ergreifen, die Spekulation zu stoppen und die Finanzmärkte einer strengen Regulierung zu unterwerfen. Brandenburg hat seinerseits Zeichen für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer sowie für ein Verbot des außerbörslichen Handels mit hochspekulativen Verbriefungen und Optionen gesetzt. Aber auch hier sind rot-rot regierte Länder allein Rufer in der Wüste. Auch die Protestbewegung auf den Straßen war bislang nicht stark genug, um ein Umsteuern zu erzwingen. Dennoch dürfen die Anstrengungen nicht nachlassen. Es gilt sowohl, die richtigen Forderungen immer wieder lautstark und präzise zu stellen, als auch breite, schließlich gestaltungsmächtige politische Bündnisse dafür zu schmieden.

7. Wir unterstützen das Bekenntnis der Linken, sich auf Bundesebene nicht an einer Regierung zu beteiligen, die Kriege führt und Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland zulässt. Wir verstehen es als die erklärte Absicht, im Fall einer eigenen Regierungsbeteiligung keine Kriegseintritte Deutschlands zuzulassen, Kampfeinsätze der Bundeswehr zu unterbinden und laufende Einsätze dieser Art zu beenden. Es ermutigt uns in dieser Hinsicht, dass z. B. die langjährige Forderung der Linken "Raus aus Afghanistan!" nicht nur die Vorstellungen der Mehrheit der Deutschen trifft, sondern zunehmend auch die politischen Debatten bestimmt.

Wir werden unsere politischen Ziele um so erfolgreicher umsetzen können, je stärker und politisch wirksamer die gesamte Partei Die Linke ist - in den Bundesländern wie auf Bundesebene.

Die Linke ist eine Realität und eine große Hoffnung. Sie ist mit einem beträchtlichen Vertrauensvorschuss von Millionen von Wählerinnen und Wählern ausgestattet. Sie lebt vom Engagement ihrer vielen Mitglieder in Ost und West, die - aus ganz unterschiedlichen Erfahrungswelten kommend - ihre Kräfte in der neuen Linkspartei gebündelt haben. Jetzt muss und kann der Weg zu einem produktiven Pluralismus gegangen werden. Zu viele Konflikte sind in der Gründungsphase auch zurück gestellt oder taktisch geregelt worden. Jetzt müssen und wollen wir einander mehr abverlangen als das bloße Ertragen divergierender Positionen in der eigenen Partei. Versuche, einander zu übervorteilen, führen nur in eine Richtung - ins Leere.

Jetzt müssen und werden wir es schaffen, von der Gründungsphase zur politischen und organisatorischen Konsolidierung als Programm- und Mitgliederpartei zu kommen. War die Gründungsphase vor allem von Personen und symbolträchtigen, integrierenden Projekten geprägt, so wird die Programm- und Mitgliederpartei in der Breite zeigen, dass sie sich gleichermaßen in Opposition und Widerstand, in gestaltender Politik wie in der Eröffnung von demokratischen, sozialen und ökologischen Perspektiven bewährt, die über die heutigen Zustände hinaus weisen.

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TERMINE

Sommerschule der Bundesarbeitsgemeinschaft Konkrete Demokratie - Soziale Befreiung (ArGe) - 5. bis 8. August in Erfurt

• Kurs Philosophie/Kulturwissenschaft. Thema: "Normenkonflikte"

• Kurs Wirtschaft - Thema: Die Finanzierung der öffentlichen Hand, Steuern und Staatsschuld

• Kurs Internationale Politik - Thema: Die EU: staatlich/zwischenstaatliche Organisationsform "eigener Art" (Bundesverfassungsgericht) - Theoreme für die weitere Entwicklung - auf der Rechten und in der Linken

Detailliertere Angaben siehe Politische Berichte Nr. 4/2010.

Anmeldungen unbedingt bis zum 15. Juli und nur bei hanne-reiner@onlinehome.de oder telefonisch 030-39808805.

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Die nächste Ausgabe der Politischen Berichte erscheint am 4. Juni.

Redaktionsschluss: Freitag, 30. April. Artikelvorschläge und Absprachen über pb@gnn-verlage.de. Tel: 0711/3040595, freitags von 7-12 h.

Die nächsten Erscheinungstermine, jeweils donnerstags: 1. Juli, 29. Juli, 9. Sept., 7. Oktober

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IMPRESSUM

Politische Berichte

ZEITUNG FÜR LINKE POLITIK - ERSCHEINT ZWÖLFMAL IM JAHR

Herausgegeben vom: Verein politische Bildung,
linke Kritik und Kommunikation,
Venloer Str. 440, 50825 Köln
Herausgeber: Barbara Burkhardt, Christoph Cornides,
Ulrike Detjen, Emil Hruska, Claus-Udo Monica,
Christiane Schneider, Brigitte Wolf.

Verantwortliche Redakteure und Redaktionsanschriften:

Aktuelles aus Politik und Wirtschaft;
Auslandsberichterstattung:
Rüdiger Lötzer,
Postfach 210112, 10501 Berlin, E-Mail: gnn-berlin@onlinehome.de
- Alfred Küstler, GNN-Verlag, Postfach 60 02 30,
70302 Stuttgart, Tel. 0711/62 47 01, Fax: 0711/62 15 32.
E-mail: stuttgart@gnn-verlage.com

Regionales / Gewerkschaftliches:
Thorsten Jannoff, Tel. 0209/81 53 43
oder 0178/287 75 71, E-mail: t.jannoff@web.de

Diskussion / Dokumentation: Martin Fochler,
GNN Verlag, Stubaier Straße 2, 70327 Stuttgart,
Tel. 0711/62 47 01, Fax: 0711/62 15 32,
E-Mail: pb@gnn-verlage.de

In & bei der Linken: Jörg Detjen,
GNN Verlagsgesellschaft Politische Berichte mbH,
Venloer Str. 440, 50825 Köln, Tel. 0221/21 16 58,
Fax: 0221/21 53 73. E-mail: gnn-koeln@netcologne.de

Termine: Alfred Küstler, Anschrift s. Aktuelles.

Die Mitteilungen der "Bundesarbeitsgemeinschaft der Partei
Die Linke Konkrete Demokratie - Soziale Befreiung" werden
in den Politischen Berichten veröffentlicht.

Verlag: GNN-Verlagsgesellschaft Politische Berichte mbH,
Venloer Str. 440, 50825 Köln, und GNN Verlag Süd GmbH,
Stubaier Str. 2, 70327 Stuttgart, Tel. 0711/62 47 01,
Fax: 0711/62 15 32, E-mail: stuttgart@gnn-verlage.com

Bezugsbedingungen: Einzelpreis 4,00 Euro. Ein
Halbjahresabonnement kostet 29,90 Euro (Förderabo
42,90 Euro), ein Jahresabonnement kostet 59,80 Euro
(Förderabo 85,80 Euro). Ein Jahresabo für Bezieher
aus den neuen Bundesländern: 54,60 Euro,
Sozialabo: 46,80 Euro. Ausland: + 6,50 Euro
Porto. Buchläden und andere Weiterverkäufer erhalten
30 % Rabatt.

Druck: GNN Verlag Süd GmbH Stuttgart

Gegründet 1980 als Zeitschrift des Bundes Westdeutscher Kommunisten unter der Widmung
"Proletarier aller Länder vereinigt Euch!
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt Euch".
Fortgeführt vom Verein für politische Bildung, linke Kritik und Kommunikation.


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Quelle:
Politische Berichte - Zeitschrift für linke Politik
Ausgabe Nr. 5, 6. Mai 2010
Herausgegeben vom: Verein politische Bildung,
linke Kritik und Kommunikation
Venloer Str. 440, 50825 Köln
E-Mail: gnn-koeln@netcologne.de
Internet: www.gnn-verlage.com


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juli 2010