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POLITISCHE BERICHTE/140: Zeitschrift für linke Politik 9/10


Politische Berichte - Zeitschrift für linke Politik

Nr. 9 am 9. September 2010


INHALT

Aktuell aus Politik und Wirtschaft
Politische Berichte im Internet
Sarrazin operiert außerhalb der Verfassung
Stuttgart 21: Abriss und Protest
Deutschland rüstet um und auf
Schleswig-Holstein: Wahlen - Mandate - Anfechtungen
Frankreich: Roma-Verfolgung
Auslandsnachrichten

Regionales und Gewerkschaftliches
Aktionen ... Initiativen
Duisburg, Loveparade: Schuldzuweisungen statt Aufklärung
Kommunale Politik
Interview mit Betriebsrat von Jungheinrich: Kämpfen in Zeiten der Krise
Gewerkschaftsschädigendes Verhalten - aber keine Ausschlüsse
Daimler: Erst Kurzarbeit - jetzt Wochenendschichten ohne Ende
Wirtschaftspresse

Diskussion und Dokumentation
Schweiz: Deutschsprachig, aber ganz anders
In & bei der Linken
Deutsch-Tschechische Nachrichten Dossier Nr. 13

Termine

Raute

AKTUELL AUS POLITIK UND WIRTSCHAFT

Politische Berichte im Internet: www.politische-berichte.de


Barroso spricht und keiner geht hin?

Die Rede des EU-Kommissionspräsidenten Barroso zur Lage der EU vor den Abgeordneten des Europaparlamentes schaffte es auf einem bizarren Umweg in die Presse. Das Präsidium des Parlaments hatte angedroht, fernbleibenden Parlamentariern die Bezüge zu kürzen. Barroso hielt sich dementsprechend kurz. Für die Zukunft wichtig ist, dass die Kommission von einer wachsenden Bedeutung des Haushalts der EU ausgeht. Barroso sagt, dass auf einer ganzen Reihe von Gebieten eine Investition der EU größeren Ertrag bringen würde als eine Investition auf nationalstaatlicher Ebene. So sagte er:

"Verbundnetze im Energiesektor, Forschung und Entwicklungshilfe führen uns praktisch vor Augen, dass es Bereiche gibt, in denen ein auf europäischer Ebene ausgegebener Euro mehr Ertrag bringt als ein auf nationaler Ebene ausgegebener Euro. Einige Mitgliedstaaten haben sich dieses Denken bereits zu eigen gemacht - sogar in Kernbereichen der nationalen Souveränität wie der Verteidigung. Die Mitgliedstaaten könnten enorme Einsparungen erzielen, wenn sie ihre Mittel und ihre Maßnahmen teilweise bündeln würden."

Interessant ist auch Barrosos Vermutung, es ließen sich "neue Finanzierungsquellen für große europäische Infrastrukturprojekte erschließen." Er werde beispielsweise "die Einführung projektbezogener EU-Anleihen gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank vorschlagen." Ferner würden wir die öffentlich-privaten Partnerschaften weiter ausgebaut.

Am Ende spricht Barroso auch die Frage der "Eigenmittel" an, letztlich geht es dabei wohl um die Frage eines Steuerhebungsrechtes für die Union.

Die von Barroso aufgemachten Fragestellung, welche öffentliche Aufgabe auf welcher Ebene der Staatsorganisation - Gemeinden, Regionalverbände (in der BRD die Länder), Nationalstaaten bzw. die EU und in ihrem Rahmen angelegte öffentliche Einrichtungen - am effektivsten erledigt werden kann, wird sich die politische Öffentlichkeit nicht entziehen können.
http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=SPEECH/10/411&format=HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=en


Regierung bringt Sparpaket in den Bundestag

www.bundesregierung.de. rül. Am 1. September hat das Bundeskabinett sein umstrittenes Sparpaket beschlossen und damit in die Beratungen des Bundestags und Bundesrats eingebracht. Das Paket ist als "Haushaltsbegleitgesetz" formuliert und benötigt am Ende keine Zustimmung des Bundesrats. Dem Gesetzentwurf der Bundesregierung ist zu entnehmen, welche Mehreinnahmen oder Minderausgaben die Regierung von ihren Vorhaben erwartet. Hauptleidtragende des Pakets sind sozial Schwache. Die Streichung des Elterngelds für Hartz-IV-Bezieher/innen etwa bedeutet für diesen Personenkreis 500 Millionen Euro weniger pro Jahr, der Wegfall des befristeten Zuschlags für Arbeitslose beim Absturz von ALG I zu ALG II weitere 210 Millionen Euro jährlich weniger. Die größte "Einsparung" erwartet die Bundesregierung aber durch den Wegfall der Rentenbeiträge für Hartz-IV-Bezieher: 1,85 Milliarden Euro jährlich fließen damit künftig nicht mehr in die Rentenkassen und erhöhen die Gefahr für Hartz-IV-Bezieher, auch im Alter nur noch eine "Grundsicherungsrente" zu erhalten. Größter Änderungsposten im ganzen Begleitgesetz ist aber der Wegfall der Zuschüsse für die gesetzliche Krankenversicherung, hier "spart" der Bund ab 2011 2 Milliarden Euro jährlich, die - da der Arbeitgeberbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung zeitgleich eingefroren werden soll - künftig allein von den abhängig Beschäftigten finanziert werden sollen.

Die Streichung von Sonderregelungen bei der Ökosteuer für Teile der Wirtschaft und die Landwirtschaft bringt dem Bundeshaushalt nur Mehreinnahmen von 1,34 Milliarden Euro, die Luftverkehrsabgabe nur 1 Milliarde Euro pro Jahr. Die sogenannte Brennelementesteuer für die Kernkraftwerke hat die Bundesregierung vorsorglich gleich in einem Extragesetz auf den Weg gebracht, weil sie hier wegen noch offener Verhandlungen mit den vier großen Stromkonzernen offenbar nicht sicher ist, was sie am Ende machen will.


Rot-grün-rote Länderumweltministerallianz

Im Streit um den Versuch der Bundesregierung, gemeinsam mit den vier großen Stromkonzernen längere Laufzeit für Atomkraftwerke zu ermöglichen, haben die Landesumweltminister der SPD, der Grünen und der Linken Ende August eine auch in den Medien stark beachtete rot-grün-rote Allianz errichtet.

Die für Umwelt zuständigen Fachministerinnen und -minister aus NRW, Johannes Remmel, aus Rheinland-Pfalz, Margit Conrad, dem Saarland, Dr. Simone Peter, und die Berliner Umweltsenatorin Katrin Lompscher legten ein gemeinsames Positionspapier gegen die Absicht der Bundesregierung vor, das auch von fünf weiteren Landesumweltministern unterstützt wird, zusammen also eine Allianz von 9 der 16 Bundesländer bedeutet, die im Bundesrat über eine Mehrheit der Stimmen verfügen. Sie kritisierten, dass es keine Beteiligung der Länder an der Erarbeitung des Energiekonzeptes gibt, obgleich es für alle Bundesländer herausragende Bedeutung habe. Vor allem werde es nicht hingenommen, dass die Bundesregierung die von ihr beabsichtigte Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken an den Ländern vorbei - also ohne Zustimmung des Bundesrates - beschließen will. Mit dem Einsatz erneuerbarer Energien seien heute noch erhebliche Angebotsschwankungen verbunden, vor allem bei Windenergie. Kraftwerke müssten also flexibel arbeiten können, was Kern- und auch Kohlekraftwerke nicht könnten. Verstärkt ausgebaut werden müssten deshalb u.a. gasgeführte Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung, da sie über die notwendige Flexibilität verfügen.

Die Berliner Umweltsenatorin Lompscher kritisierte darüber hinaus: "Für die energetische Gebäudesanierung sind die Rahmenbedingungen des Bundes nach wie vor unsicher, was für die Bundesländer schwierig und für den Klimaschutz kontraproduktiv ist. Eine Anhebung der Zinsen aus dem KfWProgramm 'Energieeffizient Sanieren' ist bereits beschlossene Sache. Klimaschutzziele können nicht erreicht werden, wenn man sich vom Ausbau der erneuerbaren Energien verabschiedet und die Bundesmittel für energetische Sanierungsmaßnahmen kürzt", so Senatorin Lompscher. Die Umweltministerin aus Rheinland-Pfalz kündigte an, sollte die Bundesregierung eine Laufzeitverlängerung ohne Zustimmung des Bundesrats versuchen, werde ihre Landesregierung dagegen gerichtlich vorgehen. (rül)


Im Schattenblick nicht veröffentlichte Abbildung:
- Die Kanzlerin bei Windmühlenproduzenten.

Raute

Sarrazin operiert außerhalb der Verfassung

Noch ist völlig offen, wohin die ausufernde Debatte führen wird, die Thilo Sarrazin vom Zaun brechen konnte. Die kulturellen Schäden, die Zerstörung von wechselseitigem Wohlwollen, das für das Funktionieren einer arbeitseiligen und kulturell differenzierten Gesellschaft so wichtig ist, sind bereits angerichtet. Ob das sichtbar gewordene Zerstörungspotential sogar noch zur Herausbildung einer Rechtspartei führen wird, ist offen.

Möglich wäre es, weil es Sarrazin nicht nur um Ideologien und Bekenntnisse geht. Sarrazins Thesen begründen Zuteilungsschlüssel für staatliche Leistungen, sie sind politisch operationalisierbar, wenn man die Grundidee der Gleichheit der Bürgerinnen und Bürger vor dem Gesetz aufgibt.

Was steht im Artikel 3 Satz 3 des Grundgesetzen? "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." Das Grundgesetz benennt Unterschiede zwischen den Bürgerinnen und Bürgern, mit der Verpflichtung, davon bei Erlass und Anwendung von Gesetzen abzusehen. Sarrazin hingegen räsoniert über genau diese im Grundgesetz bezeichnete Klasse von Unterschieden, um Bevorzugung und Benachteiligung durch die öffentliche Hand, den Gesetzgeber und die leistende Verwaltung, zu begründen. Auf dieser Basis könnten die rechten Potentiale und Splittergruppen und der Gesellschaft sich zu einer relevanten Kraft im Parteiensystem zusammenballen, die allerdings um eine verfassungswidrige Kernabsicht gruppiert werden. Ob Sarrazin den Schritt vom SPD-Exzentriker zum Führer einer Rechtspartei gehen will und/oder kann, ist noch offen, sicher ist jedoch, dass er die Autorität eines Verfassungsorgans benutzt hat, um Mitbürger und Mitmenschen in ihren von der Verfassung geschützt Rechten anzugreifen.

Martin Fochler

Raute

Chronik Baubeginn Bahnprojekt Stuttgart 21 und Aktionen dagegen

Abriss und Proteste

Der Beginn der Bauarbeiten für den Tiefbahnhof in Stuttgart und einer Neubaustrecke für schnelle Fernzüge nach Ulm und weiter nach München hat inzwischen bundesweite Beachtung gefunden. Ein Blick auf den Verlauf scheint angebracht. Sicher ist es noch zu früh für eine Bilanz, aber erste Zwischenresultate sind doch festzuhalten:

1. Der Bau geht weiter. Die Projektbetreiber Bahn, Bundes- und Landesregierung sowie die Stadt Stuttgart sehen sich durch Parlamentsbeschlüsse, Gerichtsurteile legitimiert und an darauf aufbauende Verträge gebunden.

2. Die Proteste gehen auch weiter, haben aber bisher nicht zu einer ernsthaften Behinderung der Bauarbeiten geführt. Die Polizei unterbindet bislang alle Versuche von Besetzungen und Blockaden schon im Ansatz.

3. Die Grünen haben sich im Hinblick auf die Landtagswahlen in eine aus heutiger Sicht schwierige Situation gebracht. Zwar gibt es nach Umfragen eine Mehrheit für SPD und Grüne; aber wie die Befürworter von Stuttgarter 21 bei der SPD mit den Gegnern bei den Grünen zu einer Koalition kommen sollen, die von Parteitagen gebilligt wird, ist derzeit nicht sichtbar. Ebenso unwahrscheinlich ist derzeit eine schwarz-grüne Koalition; wobei hier die Zerwürfnisse noch tiefer gehen dürften; immerhin ist der Widerstand gegen Stuttgart zumindest außer-, wenn nicht antiparlamentarisch.

In Stuttgart haben die Grünen, stärkste Fraktion im Gemeinderat, bei der Wahl des Sozialbürgermeisters das zu spüren bekommen; ihr Kandidat Werner Wölfle, der eigentlich dran gewesen wäre und fachlich geeignet, bekam eine Gegenkandidatin der Bürgerlichen und scheiterte.

Dazu kommen die Differenzen bei Kernkraftwerken. Die Landes-CDU hatte sich sehr für eine Verlängerung der Laufzeiten eingesetzt; für die Grünen geht ihr Erfolg in der damaligen Schröder-Fischer-Regierung derzeit flöten; sie wollen daher Stärke auf der Straße zeigen.

4. Die Idee der Bürgerbeteiligung wird zwar von allen Beteiligten ganz vorne hingestellt, auch die Projektbefürworter bieten das für den neu zu bauenden Stadtteil auf dem bisherigen Bahnhofsgelände an. Dennoch wird kaum über die vorhandenen Probleme von Bürgerentscheiden gesprochen: zum Beispiel wer soll entscheiden, bei einem Projekt das zwar die Stadt betrifft, aber überregionale Bedeutung hat? Wieviel planerischer Vorlauf ist nötig, damit die Bevölkerung eine Entscheidung treffen kann?


Chronik seit Baubeginn

2. Februar 2010: Baubeginn am Prellbock 49, mit dieser symbolischen Maßnahme wollen der Bauherr Deutsche Bahn AG und die Finanziers von Bund, Land und Stadt Stuttgart demonstrieren, dass jetzt das Projekt "unumkehrbar" sei. Die Gegner demonstrieren im Bahnhof und sagen: "In Stuttgart ist nichts unumkehrbar außer der Kehrwoche!"

Die sogenannten Montagsdemos finden seit 10. Dezember 2009 statt und haben mit je mehreren tausend Teilnehmern beträchtlichen Zulauf. Bei den Kundgebungen sprechen meist Kulturschaffende aller Art oder auch Politiker von den Grünen und gelegentlich der Linken.

20. Mai: Das Landgericht Stuttgart lehnt die Urheberrechtsklage des Bonatz-Enkels Peter Dübbers gegen den Abriss der Seitenflügel des Bahnhofsgebäudes ab. Der Kläger Dübbers legt Berufung beim Oberlandesgericht ein; ein Antrag auf Baustopp wird dort aber abgelehnt.

10. Juli: landesweite Großdemonstration im Schlossgarten, wo 282 Bäume für den Bau gefällt werden sollen. Nach Veranstalterangaben nehmen 20.000 Menschen teil; die Polizei spricht von 5000 Teilnehmern. Der Schauspieler Walter Sittler sprach auf der Kundgebung die Bauherren seien ein "Kartell, das man eher bei Silvio Berlusconi und seinen Hintermännern vermutet hätte". Der Parteivorsitzende der Linken, Klaus Ernst, sagte, in "Sizilien haben sie die Mafia, und hier haben wir die Maultaschen-Connection, und die müssen wir gemeinsam brechen".

13. Juli: Die Gemeinderatsfraktionen von CDU, SPD, FDP und Freien Wählern machen gemeinsam eine Veranstaltung für die oberen Neckarvororte, in der das Alternativkonzept Kopfbahnhof 21 vom technischen Direktor der Stuttgarter Straßenbahnen als stark belastend für diese Stadtteile dargestellt wird. Die S21-Gegner sind zwar lautstark, aber unter den rund 300 Besuchern in der Minderheit.

19. Juli: Der Ulmer Oberbürgermeister Ivo Gönner (SPD) fordert in seiner Rede auf dem sogenannten Schwörmontag den raschen Beginn der Bauarbeiten für die Neubaustrecke von Stuttgart nach Ulm.

26. Juli: Nach der Montagsdemonstration versuchen einige Stuttgart-21-Gegner den Nordflügel des Hauptbahnhofes zu besetzen. Nachdem alle Mieter des Gebäudes ausgezogen sind, hatte die Bahn AG den Abriss für August angekündigt. Die Polizei räumt; die Bahn erstattet Anzeigen.

27. Juli: Die Deutsche Bahn AG gibt neue Zahlen über die Kostenentwicklung der Neubaustrecke zwischen Stuttgart und Ulm bekannt. 856 Millionen Euro mehr, also insgesamt dann knapp 2,9 Milliarden Euro, soll die Trasse kosten; die Bahnhofsbauten in Stuttgart (Tiefbahnhof, Flughafenbahnhof und Abstellbahnhof) sind bereits Ende 2009 neu geschätzt worden mir rund 4,1 Milliarden Euro. Die Gesamtkosten sind damit bei 7 Milliarden Euro in der geplanten Bauzeit bis 2019. Das Bundesverkehrsministerium, der Ministerpräsident und auch der Bahnchef Grube versichern: "Alle Beteiligten stehen voll und ganz hinter dem Projekt." Während in Stuttgart der "Teilrückbau" des Bahnhofs im August stattfinde, werde die Neubaustrecke im September mit dem Bau einer Brücke am Aichelberg beginnen, so Grube.

Gleichzeitig liefert ein nicht für die Öffentlichkeit bestimmtes Gutachten des Züricher Ingenieurbüros SMA aus dem Jahr 2009 neue Argumente für die S-21-Gegner: die Streckenplanung vor allem rund um den Flughafen sei unzureichend für einen geordneten Bahnverkehr.

Das ist für die grüne Landtagsfraktion Anlass, ein Moratorium, also einen Aufschub, des Bauprojekts, zu verlangen. Auch ein SPD-Landtagsabgeordneter schließt sich dem zunächst an. Die Verkehrsministerin des Landes Tanja Gönner verweist darauf, dass die Planung noch verbessert würde; so müsse ein zusätzliches zweites Gleis zum Flughafenbahnhof trotz weiterer Mehrkosten in die Planung aufgenommen werden. In der Aktuellen Stunde im Landtag sprachen aber außer den Grünen alle anderen Fraktionen gegen ein Moratorium. Tanja Gönner sagte, es gebe aus ihrer Sicht keinen Grund für ein Moratorium. "Die Unumkehrbarkeit von Stuttgart 21 ist Fakt", so die Ministerin. Im Übrigen existiere keine geplante, durchgerechnete und finanzierte Alternative zum Umbau des Hauptbahnhofs in einen Tiefbahnhof und dem Neubau der ICE-Trasse zwischen Wendlingen und Ulm.

28. Juli: Ministerpräsident Stefan Mappus gibt im Landtag eine Regierungserklärung ab: "Baden-Württemberg im Aufschwung. Neue Chancen durch nachhaltiges Wachstum". Darin greift er die Grünen an: "Wer Zweckinfrastrukturen von vor 100 Jahren zu Heiligtümern verklärt, der wirft den Standort Baden-Württemberg zurück, meine Damen und Herren. Ein solch immobiles und im Übrigen populistisches Denken kann sich unser Innovations- und Wachstumsland nicht leisten. Unsere wichtigen Bahninfrastrukturprojekte, der Rheintalbahnausbau und der Neubau der Strecke Stuttgart-Ulm, verankern unser Land nicht nur geografisch, sondern auch ökonomisch in der Mitte Europas. Nach unserem Selbstverständnis gehören wir da auch hin. Es war immer unser Ziel, Baden-Württemberg als starkes Land in einem Europa der starken Regionen zu positionieren."

30. Juli. Die Polizei nutzt die Gelegenheit massiver Kräftekonzentration aus Anlass des Bundeswehrgelöbnisses, um die Aufstellung eines Bauzauns rund um den Nordflügel des Hauptbahnhofs abzusichern. Trotzdem versammeln sich an die tausend Gegner zu Demonstrationen und Straßenblockaden. Die Wut ist enorm, SÖS-Stadtrat Hannes Rockenbauch und Grünen-Fraktionsvorsitzender Werner Wölfe versuchen zu beruhigen.

31. Juli und folgende Tage: Die Proteste gehen weiter. Es sind jeweils bis zu mehrere tausend Menschen, die Straßen blockieren, die am Bauzaun ihrem Protest Ausdruck verleihen. Verbal nimmt die Schärfe der Auseinandersetzung zu: "Bei Abriss Aufstand" heißt es auf Plakaten. Bei "Leben in Stuttgart" heißt es: "Mit aller Gewalt sollen Fakten geschaffen werden, weil die Brandstifter Wolfgang Schuster, Wolfgang Drexler, Rüdiger Grube Angst haben, dass Stuttgart 21 gestoppt wird!" Das Zukunftsforum Gewerkschaften schreibt als "Fazit": "Die Menschen leben das Motto 'legal - illegal - scheißegal' mittlerweile bei all ihren Aktionen. Und zwar nicht nur einzelne, sondern wirklich die gesamten Bevölkerungsschichten, die sich an den Protesten beteiligen. Auch die normalen BürgerInnen interessiert nicht, ob eine Aktion angemeldet und legal ist oder nicht. Die Wut und die Enttäuschung über die verantwortlichen Politiker ist so groß, dass solche Schranken keine Rolle mehr spielen."

4. August: Für Aufregung sorgt, dass sich der Stuttgarter Finanzbürgermeister Föll in den Beirat des Unternehmens berufen ließ, das den Abriss der Seitenflügel des Bahnhofs durchführen wird. Am 9. August muss er diese Nebentätigkeit schließlich aufgeben, nachdem ihn auch der Oberbürgermeister dazu aufgefordert hat. Für die Gegner ein Beweis, dass das ganze Projekt korrupt sei. Auch dass der Zoll einige Schwarzarbeiter bei den Abbrucharbeiten entdeckt hat, verfestigt solche Meinungen.

7. August: Über die Presse, vor allem die Ilustrierte "Stern" werden immer wieder Berichte lanciert, dass die Projektkosten aus dem Ruder laufen, dass der Bundesverkehrsminister alle möglichen Projekte nicht finanzieren könne wegen Stuttgart 21 und dass er daher dränge, dass das Land über die zugesagten 950 Millionen Euro weitere Mittel nachschieße. Die Bahn und andere dementieren, aber es sorgt für die Stimmung, dass vielleicht doch noch alles am Geld scheitern könne.

9. August: Wieder findet eine Großdemonstration statt mit über zehntausend Teilnehmern. Im Bahnhof laufen im Inneren die sogenannten Entkernungsarbeiten. In einer Zeitungsanzeige fordern Projektgegner ein Moratorium.

Ab 11. August finden in der Woche mindestens zwei Demonstrationen statt, am Montag und am Freitagabend (das erleichtert Umlandbewohnern die Teilnahme). An der Demonstration am Montag sind es wieder um die Zehntausend. Die Polizei toleriert kurzzeitige Straßenblockaden.

12. August. Eine im Auftrag des Umweltbundesamtes erstellte Studie zum Güterverkehr auf der Schiene enthält die Aussage, dass Stuttgart 21 dem Güterkehr schade. Da der Gutachter Holzhey ansonsten für Konkurrenten der Bahn AG tätig ist, bleiben Gegenmeinungen nicht aus.

Am 13. August beginnen auch äußerlich die Abbrucharbeiten am Nordflügel; ein Vordach wird entfernt. Die wöchentliche Großdemo ist nochmals größer (Polizei: 18.000, Veranstalter: 21.000).

Am 16. August äußert sich der Stuttgarter Oberbürgermeister Schuster zu den Kosten eines Ausstiegs. Sie würden beträchtlich werden. Später werden Berechnungen der Bahn vorgelegt wonach rund 1,4 Milliarden Euro fällig wären, falls das Projekt zum jetzigen Zeitpunkt beendet würden. Diese Zahl wird von den Gegnern bezweifelt. Der Verkehrsclub Deutschland spricht sogar davon, alles ginge mit Null aus. Bei der Montagsdemonstration kommt es am Abend zu einer vorübergehenden Besetzung der Baustelle, etwa 300 Personen gehen für einige Stunden auf das Gelände. Die Polizei äußert, dass sie das künftig nicht mehr tolerieren werde.

Der Tübinger Oberbürgermeister Palmer (Grüne) schlägt einen "Waffenstillstand" mit einem "Friedensgipfel" vor. Das stößt bei den Projektbefürwortern auf Ablehnung: Man befinde sich nicht im Krieg.

Am 19. August äußert der 83jährige Architekt Frei Otto Bedenken wegen der Statik. Im Grundwasser würde der Bahnhof aufschwimmen wie ein U-Boot und der Bauuntergrund (Anhydrit) sei unbeherrschbar. Der "Stern" sorgt für bundesweite Verbreitung.

Am 20. August spricht die Bundesvorsitzende der Grünen Renate Künast nach einem Schweigemarsch bei der freitäglichen Großdemo, je nach Zählung nehmen 20 oder 30 Tausend teil. Die Projektgegner wollen den Eindruck vermitteln, die Stadt befinde sich in "Aufruhr" (Gemeinderats-Grüne). Es wird an Ereignisse erinnert wie den Turmbau zu Babel bis zum nicht gebauten Kernkraftwerk in Wyhl.

In der "Stuttgarter Zeitung" äußert der Politikwissenschaflter Oscar Gabriel (Uni Stuttgart) auf die Frage: Halten Sie es für möglich, dass das Projekt durch Proteste noch kippt? "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Landesregierung ihre Entscheidung rückgängig macht. Man erwartet von der politischen Führung ja, dass sie die Dinge, die sie für richtig erkannt hat, auch gegen Widerstand durchsetzt."

Am 23. August stellt der Architekt des neuen Tiefbahnhofs Christoph Ingenhoven einen nachgebesserten Entwurf vor, der eine ansprechendere Gestaltung verspricht und geänderte technische Anforderungen berücksichtigt. Er kritisiert seinen Kollegen Frei Otto, der sei kein Statiker und schließlich seien im selben Gelände bereits die Tunnel für die S-Bahn und die Stadtbahn gebaut worden sowie zahlreiche Tiefgaragen. Über die Grünen sagt Ingenhoven: "Haben ihre parlamentarische Arbeit offenbar zugunsten der außerparlamentarischen Opposition aufgegeben."

Am 25. August beginnen die äußeren Abrissarbeiten am Nordflügel. Die Polizei trägt die wenigen Personen vor dem Bauzaun weg; Straßenblockaden in der Stadt werden relativ rasch ebenfalls geräumt. Eine Dachbesetzung von fünf Aktivisten beendet am folgenden Tag ein SEK-Kommando. Die Eröffnung des Weindorfes durch den OB wird gestört; ebenso kommt es zur zeitweisen Behinderung des Zugverkehrs - Aktionen, die von einem großen Teil der Projektgegner kritisiert werden.

Die Demo am 27. August ist vermutlich noch einmal größer (30 bzw. 50 Tausend). Von Bahn-Chef Grube kommt der Vorschlag, ein Gespräch mit den Projektgegnern "ohne Vorbedingungen" durchzuführen.

Der Stuttgarter OB wendet sich in einem Offenen Brief an die Bürgerinnen und Bürger der Stadt, in dem er nochmal die städtebaulichen Vorzüge von Stuttgart 21 darstellt und darum bittet, zu einer sachlichen Diskussion zurückzukehren.

Ministerpräsident Mappus und der Fraktionschef der Grünen im Landtag, Wilfried Kretschmann, sprechen sich ebenfalls für einen Runden Tisch ohne Vorbedingungen aus. Später bietet Bahn-Chef Grube an, während der Gespräche am Freitag die Bauarbeiten auszusetzen. Die Projektgegner verlangen aber einen längeren Baustopp und sagen schließlich ab.

Ein weiterer Versuch, die Bauarbeiten mit direkten Aktionen zu behindern, wird am 30. August von der Polizei bald beendet. Ein SEK-Kommando holt drei Leute vom Abrißbagger.

Am 1. September heißt es im Leitartikel der "Stuttgarter Zeitung": "Die Stuttgarter Zeitung hat schon lange eine klare Haltung zu Stuttgart 21: Wir sehen das Vorhaben positiv." Dabei bleibe es bei aller Kritik im Einzelnen. Auch der Arbeitgeberverband Südwestmetall, die IHK Region Stuttgart und die Firma Daimler positionieren sich noch einmal klar für S 21.

Nach einer vom "Stern" am 2. September veröffentlichten Umfrage würden die Grünen bei den Landtagswahlen auf 24% kommen, gleichauf mit der SPD. Die Mehrheit für die jetzige Regierungskoalition wäre weg: 37% für die CDU und 6% für die FDP. Die Linke kann von den Protesten nicht profitieren: sie würde mit 4% nicht in den Landtag kommen.

Auch die nächste Großdemo am 3. September ist stark besucht (Polizei: 30.000, Veranstalter: 65.000).

Alfred Küstler


Im Schattenblick nicht veröffentlichte Abbildung:

Rosensteintunnel 1845, nach dem Bau der ersten Eisenbahn. Der Stuttgarter Kopfbahnhof befand sich damals beim Schloßplatz; 1914 wurde er an den heutigen Platz verlegt; ein Durchgangsbahnhof scheiterte damals an Technik und Kosten.

Raute

Deutschland rüstet um und auf

Die Umrüstung der Bundesrepublik Deutschland wird dem Militär eine neue Rolle in Staat und Gesellschaft zuweisen.

Die Wiederaufrüstung Deutschlands in den 1950er Jahren stand im Zusammenhang der Systemkonkurrenz zwischen den marktwirtschaftlich organisierten Westmächten und dem staatssozialistischen sogenannten Ostblock. Beide deutsche Staaten stellten Truppen auf, die funktional in die entsprechenden Militärbündnisse so strikte eingebunden waren, dass sie weder rechtlich noch praktisch zu unabhängigen Operationen in der Lage gewesen wären. Die Teilhabe der alten Bundesrepublik an Kriegen der Westmächte entwickelte sich indirekt. Die Zahlung von Stationierungskosten etwa entlastete das Militärbudget der USA, Frankreichs und Großbritanniens wirtschaftlich, ebenso wirkten die Rüstungsaufträge, die mit der Aufstellung und dem Ausbau der Bundeswehr vor allem in die USA gingen. Die von Nato-Bündnis entwickelte Strategie der "Vorneverteidigung", die von der BRD durch den Aufbau einen monströsen Panzerwaffe und dazu passender Luftstreitkräfte mit getragen wurde, zielte darauf, die staatssozialistischen Länder in einen Rüstungswettlauf zu treiben, in dem ihre wirtschaftlichen Schwächen bloßgelegt würden. Da in dieser Strategie die militärischen Mittel nur als Drohpotentiale eingesetzt wurden, konnte sie im rechtlich-ideologischen Rahmen des im Grundgesetz formulierten Verteidigungsauftrags entfaltet werden. Für die Bevölkerung, die Wehrpflichtigen und wohl auch den große Teil der aktiven Soldaten bestand der Auftrag der Bundeswehr in der Abwehr eventueller militärischer Angriffe auf die BRD. Die Bundeswehr wurde durch die Überzeugung zusammengehalten, dass man den Einsatz vorbereite, "um ihn niemals leisten zu müssen". Die defensive innere Ausrichtung der einzelnen Soldaten stand einer strategischen Verwendung der Truppe als Drohpotential nicht im Wege.

In den Einsätzen der letzten Jahre, vor allem in Afghanistan, hat sich jedoch gezeigt, dass auf einer solchen Legitimationsgrundlage eine Interventionsarmee nicht aufgebaut werden kann.

Die Umrüstung auf eine sogenannte Freiwilligenarmee, die jetzt begonnen wird, bricht mit einer Tradition. Bisher muss der Staat seinen Anspruch auf die Wehrpflichtigen öffentlich legitimieren. An die Stelle dieses politischen Verhältnisses treten bei einer Freiwilligenarmee persönlich eingegangene Verpflichtungen. Man kann schon jetzt prognostizieren, dass damit das Gefüge der inneren Führung, die Idee und die magere Wirklichkeit des "Staatsbürgers in Uniform" zur Strecke gebracht werden dürfte. Erstens wird das Recht auf Kriegsdienstverweigerung leiden, es erscheint als Widersinn zur freiwilligen Verpflichtung. Zweitens und in Verbindung damit wird sich die Chance verlieren, über die Rechtmäßigkeit von Befehlen auch nur nachzudenken, von Protest und Verweigerung ganz zu schweigen. Der Begriff der "Freiwilligenarmee" ist irreführend. "Freiwillig" ist nur der Akt der Verpflichtung, durch den sich der Bürger dem Organisationsprinzip von Befehl und Gehorsam unterwirft. Die neue "Freiwilligenarmee" wird weitgehend durch die Beziehung von "Vorgesetztem und Untergebenen" und von "Befehl und Gehorsam" bestimmt sein. Es wäre wohl genauer von einer Söldnerarmee zu sprechen, denn Besoldung und Karrierehoffnungen werden die Soldatinnen und Soldaten an die Truppe binden. Allerdings ist nicht geplant, lebenslange Versorgung anzubieten. Der allergrößte Teil der Verpflichtungen soll auf Zeit erfolgen. Bei dem Umfang der aktiven Truppe, die Rede ist von mehr als 150.000 und weniger als 200.000 Leuten, wird in wenigen Jahre eine große Zahl Ehemaliger zur Hand sein, die mit der Entlassung aus dem aktiven Dienst ihre bürgerlichen Freiheiten durchaus nicht zurück erhielten, sondern als Reservistinnen und Reservisten noch viele Jahre lang zur Verfügung stehen müssen. Im Arbeitsleben, es handle sich um Staatsdienst oder Privatwirtschaft wird, mit der Antwort auf die Frage: "Gedient?" ein spezifisches Auswahlkriterium entstehen. Es kann ein militärverbundenes Milieu entstehen, das für spezifische politische Bindungen anfällig ist.

Die politischen Mehrheiten für die Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht sind gegeben. Die auf Selbstverpflichtung zum Gehorsam aufgebaute neue Truppe wird die Handlungsspielräume der politischen Führung der Republik erweitern, die Militarisierung der Außenpolitik wird erleichtert, die Kontrolle durch die Öffentlichkeit wird schwieriger. - Werden bei der Ausgestaltung von Soldatengesetz und Wehrverfassung die Rechte der Soldatinnen und Soldaten als urteilsfähige und eigenverantwortliche Bürger ganz getilgt? Was wird angesichts der "Aussetzung" der Wehrpflicht aus dem Recht auf Kriegsdienstverweigerung? Wird die "Freiwilligkeit" des Wehrdienstes am Ende zum Ausgangspunkt einer allgemeinen zivilen Dienstpflicht? Wie soll die neue Legitimationslegende militärischer Drohung und Gewaltanwendung aussehen?

Martin Fochler

Raute

Landesregierung in Schleswig-Holstein

Wahlen - Mandate - Anfechtungen

KIEL. Das Verfassungsgericht des Landes Schleswig-Holstein hat die Klagen von Grünen, SSW und Linke am 30. August 2010 entschieden: Spätestens bis September 2012 muss es Neuwahlen für den Landtag geben. Das Wahlgesetz, das 2009 dem Land eine schwarz-gelbe Regierung bescherte, ist verfassungswidrig. Dennoch lassen die Richter die derzeitige Mehrheit im Landtag unangetastet. Ministerpräsident Carstensen (CDU) und sein FDP-Koalitionspartner Kubicki kommentieren kaltschnäuzig: "An der politischen Handlungsfähigkeit der Koalition ändert die Entscheidung nichts."


Legitim im Amt - aber ohne demokratische Legitimierung

2005: Unvergessen bleibt die kalte Entmachtung der Ministerpräsidentin Heide Simonis, als sie sich für ihre vierte Legislaturperiode 2005 zur Regierungschefin wählen lassen wollte. Das scheitert, weil ihr in vier Wahlgängen jeweils eine einzige Stimme zur notwendigen Mehrheit fehlt. Durchgängig enthält sich ein Mandatsträger der vereinbarten Koalition (Rot-Grün, toleriert vom Südschleswigschen Wählerverband). Daraufhin verzichtet Simonis auf die Regierungsbildung und Peter Harry Carstensen (CDU) übernimmt die Regierungsgeschäfte in einer großen Koalition.

15. Juli 2009: Diese große Koalition ist von Anfang an ungeliebt und ihre Atmosphäre vergiftet. Deshalb läßt Ministerpräsident Peter Harry Carstensen die große Koalition platzen und erteilt allen SPD-Ministern Hausverbot. Damit beendet Carstensen vorzeitig seine von persönlichen Querelen mit dem Koalitionspartner - allem voran mit SPD-Landeschef Ralf Stegner - und von faulen Kompromissen - besonders in der Schulpolitik - gekennzeichnete Amtszeit.

27. September 2009: Die Schleswig-Holsteiner wählen zeitgleich mit der Bundestagswahl einen neuen Landtag. Die Linke ist zum ersten Mal mit fünf Abgeordneten im Landtag. CDU und FDP erhalten drei Mandate mehr, obwohl sie etwa 27.945 Stimmen weniger haben als SPD, Grüne, Linke und Südschleswigscher Wählerverband (SSW) zusammen. Grund sind die Überhang- und Ausgleichsmandate. Diese Mandatsverteilung basiert aber auf einer umstrittenen Auslegung des Wahlgesetzes.

15. Oktober 2009: Grüne und SSW reichen eine Normenkontrollklage gegen das Landeswahlgesetz ein. Das Landesverfassungsgericht soll klären, ob die Begrenzung der Ausgleichsmandate im Wahlgesetz verfassungskonform ist.

22. Januar 2010: Im Landkreis Husum setzt die Linke eine Neuauszählung durch, weil ihr geringer Anteil an Zweitstimmen nicht glaubhaft ist. Die erneute Auszählungen der Stimmen aus dem Wahlbezirk Husum 3 ergibt: Die Linken erhalten einen Abgeordneten mehr und nehmen der FDP einen Sitz ab. Die schwarz-gelbe Mehrheit schrumpft dadurch von drei Mandaten auf eines.

10. Februar 2010: Die Fraktion der Linken reicht beim Verfassungsgericht in Schleswig eine Wahlprüfungsbeschwerde ein. Zahlreiche Wahlberechtigte folgen, schließlich liegen beim Gericht 16 Verfahren mit insgesamt fast 50 Beschwerdeführern vor.

30. August 2010: Das Landesverfassungsgericht in Schleswig erklärt das Wahlrecht in Schleswig-Holstein für verfassungswidrig. Die sieben Richter ordnen für die "Schaffung einer mit der Landesverfassung übereinstimmenden Rechtslage" an, bis 31. Mai 2011 das Wahlgesetz zu ändern und spätestens bis zum 30. September 2012 Neuwahlen durchzuführen. Die derzeitige Mehrheit von CDU und FDP im Landtag lassen die Richter allerdings unangetastet. Das bedeutet: Die Regierung bleibt legitim im Amt. Die "Süddeutsche Zeitung" kommentiert am Tag nach der Urteilsverkündung: "Dass sich aber ein ganzer Landtag sagen lassen muss, dass er in der Form, in der er seit fast einem Jahr die Gesetze eines Bundeslandes macht, gar nicht existieren dürfte - weil schon das Gesetz, nach dem damals gewählt worden war, verfassungswidrig ist: Dies ist neu."


Streit um das neue Wahlgesetz

Mit Verkündung der Entscheidung des Verfassungsgerichtes ist der Wahlkampf eröffnet, und es beginnt der Parteienstreit um das neue Wahlgesetz. Das Problem läßt sich so beschreiben: Die Landesverfassung schreibt vor, dass es in der Regel 69 Sitze im Landtag geben darf und verpflichtet den Gesetzgeber, ein Wahlrecht zu schaffen, das eine Erhöhung der Abgeordnetenzahl durch Überhang- und Ausgleichsmandate so weit wie möglich verhindert. Dies haben CDU und SPD in den zurückliegenden Jahren hintertrieben.

Bei der Wahl am 27. September 2009 hat die CDU über die Erststimmen 34 von 40 Wahlkreisen direkt erobert und in Verbindung mit den Zweitstimmen-Ergebnissen der Landesliste elf Sitze mehr gewonnen, als ihr nach dem Zweitstimmenanteil zugestanden hätten. Das sind die elf so genannten "Überhangmandate". Die daraufhin von der Wahlleiterin vergebenen 22 Ausgleichssitze führen zu einer Vergrößerung des Landtags von 69 auf schließlich 95 Abgeordnete. Sie reichen aber dennoch nicht aus, um sämtliche Überhangmandate durch den verhältnismäßigen Sitzanteil der erzielten Zweitstimmen zu decken. Bei einem vollen Ausgleich der Überhangmandate, der den Wählerwillen korrekt widerspiegelte, hätte der Landtag 101 Mitglieder haben müssen. Das wäre aber die Umkehrung der heutigen Verhältnisse, denn es wäre zu einer Ein-Stimmen-Mehrheit von SPD, Grünen, Linken und SSW gekommen. Dem Gericht geht es in seiner Begründung um die Frage, wie "ein Landeswahlrecht zu schaffen (ist), das in der politischen Realität die Entstehung von Überhangund ihnen folgend Ausgleichsmandaten so weit wie möglich verhindert". Konkret bedeutet das, es ist notwendig die Zahl der Wahlkreise zu verringern und vor allem neu zuzuschneiden.

Durch die Praxis des derzeitigen Wahlrechtes ist die Gewichtung der Stimme der einzelnen Wählerin und Wählers völlig aus dem Lot geraten: Werden durch den Modus der Stimmauszählung der CDU 14.871 Stimmen pro Mandat angerechnet, sind es bei der SPD 16.306. Die Linke benötigt für ein Mandat sogar 19.153 Stimmen. Diese Verzerrung des Wahlergebnisses entsteht durch den jetzigen Zuschnitt der Wahlkreise mit ihren jeweils unterschiedlichen Bevölkerungszahlen. So leben zum Beispiel im kleinsten Wahlkreis Husum-Land in Nordfriesland 42.037, im größten Wahlkreis Segeberg-Ost 69.408 Wahlberechtigte.

All dies ist wahrlich kein akademischer Streit. Aus Presseerklärungen wird deutlich: CDU und SPD werden alles dafür tun, um eine möglichst hohe Zahl der Wahlkreise zu erhalten. Traditionell gewinnen die großen Parteien die Direktmandate und sitzen mit diesem Ticket sicher im Landtag. Diese Haltung stammt aus Zeiten, als CDU und SPD gewohnt waren, das Land unter sich aufzuteilen. Heute allerdings sitzen sechs Parteien im Landtag von Schleswig-Holstein.

Und wie kompliziert die Verhältnisse geworden sind, zeigt eine Umfrage vom 2. September 2010. Hätten die Wähler heute das Wort, käme die CDU auf 32%, ihr Partner, die FDP, läge knapp bei 5%. Die SPD hätte demnach 32%, während die Grünen sich auf 19% steigern würden. Die Linke liegt derzeit bei 4%. Für den SSW, der Partei der Dänischen Minderheit, gilt die 5%-Hürde nicht. Sie sind allemal im Parlament. Da die kleineren Parteien vorrangig von den Zweitstimmen profitieren und Direktmandate für sie in weiter Ferne liegen, sind sie natürlich an einer schnellen Änderung des Wahlgesetzes interessiert.


Keine Legitimierung für ihre (Schand-)Taten

Das eigentliche Problem, das den sozialen Nerv der Gesellschaft trifft, ist aber das von der Regierung geschnürte "Sparpaket". Die Linke schreibt dazu: "Der einsetzende Streit um die Umsetzung der richterlichen Entscheidung ist nur folgerichtig: Schwarz-Gelb möchte das radikale Haushaltskonsolidierungspaket und den Doppelhaushalt 2011/12 möglichst noch durchziehen und favorisiert einen Wahltermin im Herbst 2012. Geradezu autistisch erklärt Ministerpräsident Carstensen: Das Ziel, den Landeshaushalt zu konsolidieren, sei eine noch größere Herausforderung als das Urteil. Um aus der "Schuldenfalle" heraus zu kommen, hat die Landesregierung ein Sparpaket (Abbau von Beschäftigung im Öffentlichen Dienst, Beschneidung öffentlicher Dienstleistungen und Privatisierungen) auf den Weg gebracht, das die Klärung der Zukunftschancen der schleswig-holsteinischen Wirtschaft und der Mehrheit der BürgerInnen völlig aus dem Auge verloren hat. Im Ergebnis dieser Kürzungspolitik werden die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes weiter geschwächt und die Lebensverhältnisse für die BürgerInnen verschlechtert."

Die Linke kündigte Mobilisierungen auf der Straße an. Bereits diese Woche soll es losgehen. Am Mittwoch, dem 8. September, ruft der DGB unter dem Motto "Gerecht geht anders" zur Demonstration nach Kiel auf. Der Demonstration hat sich ein breites Bündnis angeschlossen. Denn allen, denen die Existenzgrundlage weggespart werden soll, wird es egal sein, ob die Regierung rechtens im Amt ist: Sie hat keine Legitimierung für ihre (Schand-)Taten.

Karl-Helmut Lechner


Im Schattenblick nicht veröffentlichte Abbildungen:

Die Kontrahenten im Schleswig-Holsteinischen Landtag einträchtig im Fernsehstudio, von links: Anke Spoorendonk (SSW), Wolfgang Kubicki (FDP), Peter Harry Carstensen (CDU), Ralf Stegner (SPD), Robert Habeck (Grüne) und Ellen Streitbörger (Linke)

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Frankreich: Roma-Verfolgung

Mehrere zehntausend Menschen haben am vergangenen Wochenende in ca. 140 französischen Städten und auch in einigen europäischen Hauptstädten gegen die Politik der französischen Regierung demonstriert.

Der Einsatz der Polizei gegen die Roma ist seit Ende Juli von einer beispiellosen Regierungskampagne begleitet. Mehr als 8000 Roma sind seit Anfang des Jahres aus Frankreich ausgeflogen, deportiert worden. Seit August wird mit massiven polizeilichen Übergriffen gegen die Roma öffentlichkeitswirksam die Macht des staatlichen Apparates demonstriert. Sarkozy und seine konservative Regierung setzen auf Mobilisierung nicht nur im rechten Lager, sondern auf Zustimmung bis weit in die Wählerschaft der sozialdemokratischen PS und darüber hinaus. Nach Umfragen sollen angeblich bis zu 80% der Franzosen die staatliche Hatz billigen! Vor allem erhofft sich Sarkozy, dass die Signale Richtung Front National und Anhang wirken.

Ende Juli hatte Staatspräsident Sarkozy einen Zwischenfall in Saint-Aignan (Departement Loir-et-Cher) zum Anlass genommen, eine neuerliche "Initiative im Kampf gegen das Verbrechen" anzuzetteln. Nach der Erschießung eines 22-jährigen französischen Staatsbürgers durch die Polizei, der bei einer Verkehrskontrolle geflüchtet war, hatte es Proteste von Roma und angeblich u.a. auch einen Angriff auf eine Polizeistation gegeben.

Seither wurden mehr als 50 Roma-Camps von der berüchtigten Polizeitruppe CRS abgebrochen - "systematisch evakuiert" - und mehr als 1000 Roma öffentlichkeitswirksam im August von Frankreich nach Rumänien und Bulgarien ausgeflogen. Prämien von 300 Euro bzw. 100 Euro pro Kind zahlt die Regierung, wenn die Ausreise "freiwillig" erfolgt, der Deportation nach Rumänien bzw. Bulgarien zugestimmt wird. Knapp 100 sollen bisher auf diese Weise zur Ausreise genötigt worden sein. Gleichzeitig macht Frankreich Druck auf die "Ghetto-Länder" Rumänien und Bulgarien, die Roma an einer erneuten Ausreise zu hindern.

Die französische Regierung greift das in der Europäischen Charta festgeschriebene Recht auf Freizügigkeit an sowie die Niederlassungsfreiheit. Als rumänische und bulgarische Staatsbürger und damit EU-Bürger genießen die Roma seit 2007 Freizügigkeit. Frankreich hat beim EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens 2007 "Übergangsvorschriften" erlassen, die diese Freizügigkeit bis 2014 einschränkt. Dauert der Aufenthalt länger als drei Monate müssen diese EU-Bürger eine Aufenthaltserlaubnis beantragen! Diese wird nur erteilt, wenn eine Arbeit vorgewiesen werden kann oder "üppige" finanzielle Reserven vorhanden sind.

Kritik an der Politik der französischen Regierung kommt aus osteuropäischen Ländern der EU. Ein UN-Menschenrechtsausschuss hat die Abschiebungen verurteilt, die Ausgewiesenen seien nicht ausreichend über ihre Rechte informiert worden. Zudem kritisiert der Ausschuss die besorgniserregenden rassistischen Äußerungen französischer Politiker. Auch aus der EG-Kommission ist verhalten Kritik geäußert worden: Zwar dürfe abgeschoben werden - bei Gesetzesverstößen. Aber dies bedürfe der Einzelfallprüfung. Massenabschiebungen und die angewendeten Polizeimethoden, Familien zu trennen, seien nicht hinnehmbar.

Die Regierung sucht derweil Unterstützung bei anderen europäischen Regierungen. Eben fand ein "Seminar" statt unter Beteiligung der zuständigen französischen Minister, von Staatssekretären und Ministern aus Deutschland, Großbritannien, Italien, Griechenland und Belgien zum Thema "illegale Einwanderung".

Die für Justiz und Grundrechte zuständige Kommissarin Reding hat angekündigt, eine politische und rechtliche Analyse" der französischen Maßnahmen gegen die Roma vorzulegen. Diese soll aber nicht veröffentlicht werden.

Matthias Paykowski

Raute

AUSLANDSNACHRICHTEN

China will Streikrecht wieder einführen

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]


Nestlé Wasser Russland: Gewerkschafter wieder eingestellt

Die Unternehmensleitung von Nestlé Wasser Russland hat keinen Einspruch gegen die gerichtlich verfügte Wiedereinstellung von Sergei Strykov, dem stellvertretenden Vorsitzenden der im vorigen Jahr gegründeten Gewerkschaft, erhoben, der am 27. Januar entlassen worden war. Strykov wurde auch für seine Lohneinbußen von Januar bis Mai entschädigt, als die Gewerkschaft gegen seine illegale Entlassung kämpfte. Die Entlassung Strykovs erfolgte im Rahmen einer Reihe drastischer gewerkschaftsfeindlicher Maßnahmen, mit denen die Nestlé-Unternehmensleitung die weitere Entwicklung der Gewerkschaft zu verhindern versuchte. Die Gewerkschaft reagierte mit öffentlichen Aktionen, wofür sie internationale Unterstützung fand. Während die Arbeitnehmer sich nach wie vor um Verhandlungen über dringende Probleme, darunter die Arbeitsbelastung, die Arbeitszuteilung und die Überstundenvergütung, bemühen, bedeutet die Entscheidung von Nestlé, die Wiedereinstellung zu akzeptieren, einen eindeutigen Sieg der Kampagne zur Verteidigung grundlegender Gewerkschaftsrechte bei Nestlé Domodedovo.
Quelle: iuf.org


Faisalabad: Eine weitere neue Gewerkschaft bei Coca-Cola gegründet

Gerade zwei Wochen nach dem Sieg bei Coca-Cola Multan hatten die Arbeitnehmer/innen im Betrieb Faisalabad von Coca-Cola Pakistan heute erneut Grund zum Feiern, als ihre Gewerkschaft offiziell eingetragen wurde. Die Anfang Juni gegründete Gewerkschaft war mit Unterstützung des IUL-Mitgliedsverbandes National Federation of Food, Beverage & Tobacco Workers (FFBTW) gebildet worden. Ihre Anerkennung bedeutet für die Arbeitnehmer/innen von Coca-Cola in Pakistan einen weiteren entscheidenden Durchbruch. Die Bemühungen um die Gründung einer Gewerkschaft bei Coca-Cola Faisalabad im Jahr 2002 waren auf heftigen Widerstand gestoßen, der die Gewerkschaft zur Auflösung zwang. Acht Jahre später gingen die Arbeitnehmer/innen im Abfüllbetrieb Faisalabad erneut zum Kampf über und gründeten mit Unterstützung der Gewerkschaft Coca-Cola Karachi und der neu gebildeten Gewerkschaft in Gujranwala eine demokratische Gewerkschaft. Nun gehören dem IUL-Mitgliedsverband FFBTW fünf Coca-Cola Gewerkschaften an: die Coca-Cola Beverages Staff and Workers' Union, Karachi; die Coca-Cola Beverages Employees' Union, Rahim Yar Khan: die People's Employees' Union Coca-Cola Beverages Pakistan (CCBPL) Ltd. Multan; die CCBPL Gujranwala Workers' Union und die Coca-Cola Beverages Employees' Union Faisalabad.
Quelle: iuf.org


Resolution zur Situation von Wanderarbeitnehmern

Auf seinem 2. Weltkongress vom 21. bis 25. Juni 2010 im kanadischen Vancouver hat der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) eine Resolution und ein Aktionsprogramm zur Situation von Wanderarbeitern verabschiedet. Weltweit gibt es derzeit rund 200 Millionen Wanderarbeiter, knapp die Hälfte davon Frauen. Der IGB beklagt die weit verbreitete Ausnutzung und Ausbeutung von Wanderarbeitern durch Arbeitgeber und Arbeitsvermittler und die Unfähigkeit vieler Regierungen Wanderarbeiter zu schützen. Gleichzeitig verurteilt der IGB Zwangsarbeit und Menschenhandel als moderne Sklaverei. Der IGB fühlt sich deshalb der gewerkschaftlichen Solidarität, der sozialen Gerechtigkeit, der Gleichbehandlung und der Gleichberechtigung der Geschlechter in Bezug auf alle Wanderarbeiter verpflichtet - unabhängig von ihrem legalen Status. In Bezug auf entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - etwa im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit in der EU - fordert der IGB, dass für sie die Gesetze und Tarifverträge des Gastlandes gelten müssen. Zur Frage von Antirassismus heißt es in der Resolution: "Der Kongress unterstreicht die Verantwortung des IGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften, eine sichtbarere und aktivere Rolle bei der Durchsetzung der Rechte und der Gleichbehandlung von Wanderarbeitern und beim Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu spielen." Der IGB ist die wichtigste internationale Gewerkschaftsorganisation. Er hat 312 Mitgliedsorganisationen in 156 Ländern und vertritt insgesamt 176 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Der IGB wurde 2006 in Wien (Österreich) gegründet.
Quelle: Publikation "Aktiv + Gleichberechtigt Juli/August 2010"


Einschüchterungen in Bangladesch

Das Zentrum für Arbeitersolidarität in Bangladesch (Bangladesh Centre for Worker Solidarity - BCWS) ist Opfer zunehmender Schikanen und Einschüchterungen seitens der Regierung geworden. Die anerkannte Arbeitsrechtsorganisation hatte ihre Registrierung verloren, ihr Eigentum wurde konfisziert und ihre Konten eingefroren. Ihre MitarbeiterInnen wurden massiv bedroht. Die Direktorin Kalpona Akter und ihr Stellvertreter Babul Akhter sind Mitte August verhaftet worden und befinden sich weiterhin in Haft. BCWS wird vorgeworfen für die schweren Unruhen in der Bekleidungsindustrie verantwortlich zu sein. Der Zeitpunkt der Razzia gegen BCWS deutet jedoch viel eher darauf hin, dass eine Bekleidungsfabrik, die Nassa Global Wear Company, versuchte zu verhindern, dass sich dort eine unabhängige Gewerkschaft bilden kann. Hintergrund ist die unzureichende Erhöhung des Mindestlohns auf lediglich 3000 Taka (ca. 32 Euro), welcher jedoch nicht die Forderungen der Gewerkschaft erfüllt, da dieser nicht annähernd für die Deckung der Grundbedürfnisse ausreicht. Die ArbeiterInnen führen deshalb ihre Straßenproteste weiter. Gegen Hunderte von ArbeiterInnen sowie mehrere ArbeitsrechtlerInnen wurden in der Zwischenzeit Haftbefehle erlassen.
Quelle: cccprojekt@inkota.de

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REGIONALES UND GEWERKSCHAFTLICHES

AKTIONEN ... INITIATIVEN


Europäischer Aktionstag in Brüssel am 29. September

­... Die Finanzkrise hat Europa in die schlimmste Lage seit den 1930er Jahren gestürzt. 23 Millionen Arbeitsuchende in Europa, Millionen von europäischen Bürgern sind betroffen, leiden unter unsicheren Arbeitsverhältnissen und fast überall nehmen die sozialen Spannungen zu. Die einzige Antwort der europäischen Regierungen angesichts dieser Situation sind Sparmaßnahmen, die sich jedoch negativ auf den sozialen Zusammenhalt und das Wachstum auswirken werden. Diese Krise haben nicht wir zu verantworten, die Rechnung muss von den Banken bezahlt werden und nicht von den Arbeitnehmern.

Wir sind gegen: • Sparmaßnahmen in Europa, Einschnitte bei Gehältern und Renten • Prekarisierung und Arbeitslosigkeit jüngerer und älterer Menschen • Deregulierung des Arbeitsrechts und sozialen Rückschritt • Armut und soziale Ausgrenzung • Zunahme der sozialen Ungleichheiten.

Wir wollen für die europäischen Bürgerinnen und Bürger, insbesondere die jungen Menschen, aber auch die Rentnerinnen und Rentner, ein sozialeres Europa mit mehr Zusammenhalt.

Wir fordern: • Zugang zu hochwertigen und sicheren Arbeitsplätzen und zu Ausbildung für alle • Garantie einer existenzsichernden Entlohnung • starken Sozialschutz als Garant für sozialen Zusammenhalt und Solidarität • Wahrung der Kaufkraft • Sicherstellung einer optimalen Rentenversorgung • allgemein zugängliche hochwertige öffentliche und soziale Dienstleistungen.

Wir möchten ein wirklich nachhaltiges Wachstum und fordern daher: • Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, um eine öffentliche Investitionspolitik sicherzustellen. • Die Entwicklung einer nachhaltigen und dynamischen Industriepolitik, die auf Maßnahmen zur Senkung der Kohlenstoffemissionen basiert. • Eine Stärkung der Instrumente für die steuerrechtliche Koordinierung und Transparenz, um Sozialdumping in Europa zu verhindern. Gegen das Europa der Sparpläne und der Prekarität! Für ein Europa der Beschäftigung, der sozialen Gerechtigkeit und der Solidarität!
www.dgb.de


Rund 15.000 Menschen demonstrierten am vergangenen Samstag in Dortmund gegen knapp 500 Neonazis, die bundesweit angereist waren. Mit zahlreichen Blockaden konnte der geplanten Nazimarsch durch die Nordstadt verhindert werden. Im Vorfeld hatte der Dortmunder Polizeipräsident die Nazidemo wegen der Gefahr von Sprengstoffanschlägen verboten, unterstützt vom Gelsenkirchener Verwaltungsgericht. Das Bundesverfassungsgericht hob das Verbot in einer Eilentscheidung aber wieder auf. Die Landtagsfraktion der Partei Die Linke kritisierte dieses und ein teilweise übermäßig hartes Vorgehen gegen Teilnehmer an Sitzblockaden. (tja)


Aktionen von Attac, Sozialforum und Gewerkschaften am 29. September

BERLIN. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac wird sich im Herbst mit nachdrücklichen Aktionen für eine Entmachtung der Banken und die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums stark machen - etwa bei einem europaweiten Aktionstag am 29. September, zu dem auch der Europäische Gewerkschaftsbund (EBG) aufgerufen hat. Einen ersten Vorgeschmack auf die Proteste im Herbst gaben 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Attac-Sommerakademie bereits mit symbolischen Sitzblockaden vor Filialen der Commerzbank, der Deutschen Bank und der Targobank in Hamburg-Bergedorf. Zahlreiche Anwesende beteiligten sich zudem an der Aktion "Letztes Hemd" ... Neben dem EGB, der für den 29. September eine Demonstration in Brüssel und Aktionen in den europäischen Hauptstädten plant, die auch deutsche Gewerkschaften unterstützen, rufen das europäische Attac-Netzwerk und das Europäische Sozialforum für dasselbe Datum zu einem europaweiten Aktionstag - dezentral und bundesweit - auf. In Griechenland und Spanien sind für diesen Tag Generalstreiks geplant. Zusätzlich plant die IG Metall für den 20. bis 29. Oktober lokale bzw. betriebliche Aktionen und für den 13. November Proteste in den Bundesländern gegen das Sparpaket.
www.attac.de / www.dgb.de / www.igmetall.de


Atomkraftgegner bereiten Massenproteste vor

Zu Presseberichten zu Überlegungen innerhalb der Bundesregierung, einige besonders störanfällige Atomkraftwerke 2011 stillzulegen und dafür alle anderen mit deutlich längeren Laufzeiten zu versehen, erklärt Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation ausgestrahlt: "Wenn die Bundesregierung meint, den Konflikt um die Atomenergie mit zwei oder drei Bauernopfern unter den ältesten Reaktoren befrieden zu können, täuscht sie sich gewaltig. Die Anti-AKW-Bewegung mobilisiert zu Massenprotesten im Sommer und Herbst, um deutlich zu machen, dass es eine breite gesellschaftliche Mehrheit dafür gibt, die gefährliche Atomkraft-Nutzung umfassend zu beenden. ... Denn keines der 17 Atomkraftwerke wäre heute noch genehmigungsfähig. Laufzeitverlängerungen für einen Großteil der AKW würde den Atommüll-Berg weiter wachsen lassen, ohne dass es bis heute eine sichere Entsorgung gibt. Das ist gegenüber den kommenden Generationen nicht zu verantworten." Die Atomkraftgegner rufen zu einer Großdemonstration am 18.9. in Berlin auf und planen eine Umzingelung des Regierungsviertels.
www.ausgestrahlt.de


Ärzte sehen Forschungsfreiheit an der Uni Köln gefährdet

KÖLN. In einem offenen Brief appellieren die Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW) an den Rektor der Universität Köln, das Rahmenabkommen über eine privilegierte Forschungspartnerschaft zwischen der Universitätsklinik Köln und der Bayer Health Care AG offen zu legen. Eine Geheimhaltung der Vertragsbedingungen gefährde die Freiheit der Forschung. Damit schließt sich die IPPNW der Forderung eines Bündnisses zivilgesellschaftlicher Organisationen (CBG - Coordination gegen Bayer-Gefahren) an. Die Universität Köln begründet die Geheimhaltung mit der Wissenschaftsfreiheit, die höher einzuschätzen sei als die Informationsfreiheit. Für Dr. Dieter Lehmkuhl, Vorstandsmitglied der IPPNW, ist die Haltung der Universität unverständlich. "Der Einfluss der pharmazeutischen Industrie auf die Medizin und die medizinische Forschung ist inzwischen enorm," heißt es in dem offenen Brief. Es bestehe jedoch ein grundsätzlicher Interessenskonflikt zwischen einer Universität, die dem Gemeinwohl verpflichtet und weitgehend öffentlich finanziert ist, und der Industrie, für die der Gewinn wesentlich ist. Eine Zusammenarbeit zwischen Universität und Industrie in der klinischen Forschung sei daher nur dann zu begrüßen, wenn sie zu beiderseitigem Vorteil ist und der Vorteil für die Universität dabei erkenntlich im Interesse öffentlicher Gesundheit liegt. Dies offen zu legen sei nun Pflicht der Uni Köln. Anfang 2008 hatte die Universität Köln mit dem Bayer-Konzern eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Pharma-Forschung vereinbart. Bis heute bleiben die Vertragsbedingungen jedoch im Dunklen - unter dem Deckmantel der Forschungsfreiheit. Insgesamt zehn Verbände fordern die Offenlegung, unterstützt auch von der Landesbeauftragten für Informationsfreiheit in NRW.
www.ippnw.de


Demonstration von Erwerbslosengruppen in Oldenburg

OLDENBURG. Ein Bündnis verschiedener Erwerbslosengruppen ruft zur bundesweiten Demonstration nach Oldenburg am 10. Oktober 2010 auf. Ihr Motto lautet: "Krach schlagen statt Kohldampf schieben". Der Aufruf endet mit den Forderungen: "Wir wollen nicht jammern und nicht betteln! Wir wollen Krach schlagen - mit Töpfen und Kochlöffeln, Spaß und Selbstbewusstsein! Wir wollen demonstrieren, dass Erwerbslose sich nicht beschimpfen und verhöhnen lassen. Deshalb: Mindestens 80 Euro mehr für Lebensmittel sofort! Wir wollen ein Einkommen für alle, das auch für eine gesunde Ernährung ausreicht! Wir wollen Arbeitsplätze mit sinnvoller Arbeit und existenzsicherndem Einkommen! Wir wollen gesellschaftliche Kontrolle unserer Lebensmittelproduktion! Wir wollen eine ökologisch nachhaltige und regionale Versorgung mit Lebensmitteln!" Am Tag zuvor wird ein Fachvortrag von Dr. Rudolf Martens, Experte des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, zu den Bemessungsgrundlagen der Regelsätze sowie eine Podiumsdiskussion mit Bundestags-Abgeordneten der Region und Erwerbslosen stattfinden.
www.erwerbslosenforum.de


Großdemonstration "Freiheit statt Angst" 2010 in Berlin

BERLIN. Ein breites Bündnis ruft dazu auf, für Bürgerrechte, Datenschutz und ein freies Internet auf die Straße zu gehen. Die Demonstration "Freiheit statt Angst" findet am Samstag, den 11.9.2010, statt, im Rahmen des internationalen Aktionstages "Freedom not Fear".

Stichpunkte aus dem Aufruf sind: "In den letzten Monaten hat sich etwas getan. Der Erfolg der Massenverfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland setzte ein deutliches Zeichen für die Freiheit. Die nächste Klage zehntausender gegen ELENA wurde eingereicht. Das ist ein Anfang. Es bleibt noch sehr viel zu tun ... Daten kennen keine nationalen Grenzen. Deswegen muss vor allem international etwas geschehen. Die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung muss nun auf europäischer Ebene gekippt werden, um eine Neuauflage oder Wiedereinführung hierzulande zu verhindern ... Bürgerrechte werden weiter abgebaut. Vor allem die zunehmende Vermischung der Kompetenzen von Polizei, Geheimdiensten und Militär sowie die Auslagerung hoheitlich staatlicher Gewalt an private Unternehmen bauen Rechte der Bürger ab ... Die Überwachung nimmt zu ­... Wir wollen eine freie und offene Gesellschaft. Diese kann nur durch die Gewährleistung von Privatsphäre, vertraulicher Kommunikation und einem zensurfreien Zugang zu Informationen bestehen. Privatsphäre ist ein wichtiger Teil unserer menschlichen Würde - und zwar in allen Lebensbereichen."
www.vorratsdatenspeicherung.de


Amnesty-Kampagne für Kennzeichnungspflicht bei der Polizei

BERLIN. Voraussichtlich Ende September 2010 soll im Berliner Abgeordnetenhaus die Kennzeichnungspflicht erneut auf die Tagesordnung kommen. Bis dahin mobilisiert Amnesty International mit einer neuen Onlineaktion die Öffentlichkeit: Seit Anfang August können Unterstützer mit einer E-Mail-Petition die Position Körtings für eine Kennzeichnungspflicht stärken, die bislang am Widerstand der Polizeigewerkschaften gescheitert ist. Bereits zuvor hatten sich mehr als 500 Menschen an einer E-Mail-Petition beteiligt, die Bundesinnenminister Thomas de Maizière auffordert, sich für mehr Transparenz bei der Polizei in Deutschland stark zu machen. Die Unterstützung der Kampagne zeigt bereits erste politische Erfolge: Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat sich der Forderung nach der individuellen Kennzeichnungspflicht angeschlossen und in vielen Bundesländern mehren sich unterstützende Stimmen.
www.amnesty.de


Mehr als 100 Veranstaltungen zum Hiroshimatag

BERLIN. Mehr als 100 Veranstaltungen in der Bundesrepublik erinnerten zum 65. Jahrestag der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki an die Opfer und fordern den Abzug der letzten verbliebenen US-Atombomben, den Verzicht der Bundesrepublik auf die sogenannte "Nukleare Teilhabe" sowie ein stärkeres Engagement der Bundesregierung für eine atomwaffenfreie Welt. "Zügig müssen Verhandlungen über eine Nuklearwaffenkonvention begonnen werden, die eine Ächtung der Atomwaffen zum Ziel haben, so wie es gerade auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in Nagasaki gefordert hat", erklärt das Netzwerk Friedenskooperative in Bonn. Die Erklärung von Außenminister und Vizekanzler Westerwelle zum Hiroshima-Gedenken sei an Worthülsen und Schwammigkeit kaum zu überbieten, kritisiert das Netzwerk. Westerwelle rede vom "konsequenten" Einsatz der Bundesregierung für Fortschritte bei der nuklearen Abrüstung auf Grundlage der Beschlüsse bei der Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag. In der Substanz heiße das: Nichtstun. Die Unverbindlichkeit der Beschlüsse dieser Konferenz und das Fehlen jeglichen Zeitplans seien von Friedensorganisationen bereits heftig kritisiert worden. Erster Schritt müsse die Entfernung der vermuteten 20 US-Atombomben in Büchel/Eifel sein. Damit sei die Bundesrepublik auch sehr viel glaubwürdiger bei den nötigen Bemühungen, Schwellenstaaten vom Griff nach der Atombombe abzuhalten.
www.dfgvk.de


Proteste gegen die Kürzung des Globalen Fonds

BERLIN. Seit seiner Gründung konnte der Globale Fonds fast fünf Millionen Menschenleben retten. Dennoch sterben jährlich fast zwei Millionen Menschen an HIV/Aids. Ende 2008 hatten immerhin 42% aller Behandlungsbedürftigen Zugang zu antiretroviraler Therapie. Das Aktionsbündnis gegen AIDS fordert die Bundesregierung deshalb auf, den deutschen Beitrag an den Globalen Fonds für den nächsten Finanzierungszeitraum (2011 bis 2013) mindestens zu verdoppeln. Nur eine solche Summe könnte dem gestiegenen Bedarf gerecht werden. Außerdem soll die Bundesregierung zu den Gerüchten um die geplante Kürzung Stellung nehmen. Das Aktionsbündnis gegen AIDS plant Protesttage im September - für die Zeit vor dem MDG-Gipfel und der Wiederauffüllungskonferenz des Globalen Fonds im Oktober. "Wir werden gegen diese unsinnigen Pläne kämpfen. Dirk Niebel kann sich auf unseren Widerstand gefasst machen.", sagt die Sprecherin des Aktionsbündnis gegen AIDS und Geschäftsführerin der BUKO Pharma-Kampagne Dr. Christiane Fischer. "Es kann nicht sein, dass die Erfolge im Kampf gegen HIV/Aids im Zuge der Finanzkrise geopfert werden. Für die Rettung der Banken sind Milliarden Euro übrig, aber bei der Rettung von Millionen von Menschen wird der Rotstift angesetzt."
www.aidskampagne.de

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Loveparade: Schuldzuweisungen statt Aufklärung

Landtagsfraktion Die Linke fordert Untersuchungsausschuss

Die Verantwortlichen an dem Unglück während der Loveparade betreiben keine Aufklärung des Vorgangs. Im Gegenteil: Die Stadtverwaltung als genehmigende Behörde und das Innenministerium als Dienstherr der Polizei hauen sich gegenseitig Gutachten um die Ohren, die ihre Unschuld beweisen sollen. Der Veranstalter, die Fa. Lopavent sieht die Schuld einzig bei der Polizei. Dabei sitzen sie alle in einem Boot. Der Veranstalter hat sein eigenes Sicherheitskonzept nicht umgesetzt und zu wenige Ordner eingesetzt, die dann auch noch falsch reagiert haben.

Die Stadt Duisburg hat als genehmigende Behörde darauf verzichtet, Sicherheitskontrollen am Unglückstag durchzuführen, trotz schwerwiegender Sicherheitsbedenken im Vorfeld. Bei der Polizei gab es Pannen mit dem Funkverkehr und fragwürdige Absperrungen rund um den Tunnel, die die Situation verschärft haben. Diese und andere Fehler und Fahrlässigkeiten haben sich bis zur Katastrophe potenziert, mal ganz abgesehen von der generellen Untauglichkeit der Örtlichkeit, bzw. des Zugangs. So haben die Stadtverwaltung, der Veranstalter und die Polizei zu unterschiedlich großen Anteilen Verantwortung an dem Unglück. Je nach Größe dieser Anteile ergeben sich existenzielle Folgen, hinzu kommt der schlimme Gedanke Mitschuld an dem Tod von 21 Menschen zu haben. Deshalb rechnen sich die Beteiligten aus, juristisch und moralisch möglichst "günstig" davonzukommen, indem sie den jeweils Anderen so viel wie möglich in die Schuhe schieben. Dieser Poker ist insbesondere für die Angehörigen unerträglich und nützt auch den Verantwortlichen letztendlich nichts, weil sie so ihre (Mit)Schuld nicht verarbeiten können. Weil lückenlose Aufklärung notwendig ist, fordert die Fraktion der Partei Die Linke im Landtag jetzt einen Untersuchungsausschuss. So muss geklärt werden, ob bestehende Regelungen nur unzureichend oder zu schlecht koordiniert umgesetzt worden sind, oder ob es eine generelle Regelungslücke für eine solche Art von Großveranstaltungen gibt. Außerdem muss dafür gesorgt werden, dass solche Verwaltungsentscheidungen im Vorfeld für die Stadtparlamente transparenter werden. Ein weiteres Problem wird die schlechte Ausbildung und Bezahlung der privaten Sicherheitskräfte sein. Da die Loveparade auf Biegen und Brechen politisch gewollt war, stellt sich die Frage nach der politischen Verantwortung neben der rechtlichen. Da ist die Forderung nach dem längst fälligen Rücktritt des obersten politischen Repräsentanten der Stadt Duisburg nahe liegend. Dementsprechend haben die Ratsfraktion von FDP, Die Linke und der SPD im Duisburger Rat der Stadt einen Antrag auf Abwahl von Oberbürgermeister Sauerland gestellt. Dieser Antrag fand eine Mehrheit im Rat der Stadt Duisburg, ist aber rechtlich nicht bindend. Dafür ist in der kommenden Woche eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig, die wahrscheinlich wegen der CDU nicht zustande kommt. Dann könnten die Wähler über die Abwahl entscheiden. Wir dokumentieren im Folgenden aus den Presseerklärungen der Landtagsfraktion und der Duisburger Fraktion der Partei Die Linke. Außerdem weisen wir auf einen interessanten Beitrag des Autors und Literaturwissenschaftlers Thomas Ernst hin, der sich unter dem Titel: "Die Erfindung der 'Metropole Ruhr' und ihre tödlichen Folgen. Plädoyer für einen Paradigmenwechsel im Ruhrgebiet nach der Katastrophe von Duisburg" kritisch mit der Metropolendiskussion im Ruhrgebiet auseinandersetzt.

Der Text kann im Internet nachgelesen werden unter
www.thomasernst.net/

Thorsten Jannoff


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Linke: Untersuchungsausschuss für Loveparade notwendig

Fehlende Informationen und ungeklärte Zuständigkeiten im Zusammenhang mit den Ereignissen bei der Loveparade 2010 machen einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Landtag von Nordrhein-Westfalen notwendig. Dies erklärte Anna Conrads, innen- und rechtspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Landtag von NRW am Rande der Sitzung des Innenausschusses am Donnerstagabend in Düsseldorf. Anna Conrads weiter: "Die Beteiligten spielen sich gegenseitig weiterhin den 'Schwarzen Peter' zu. Der Veranstalter, die Stadt Duisburg und die Polizei übernehmen keine Verantwortung. Dieses unwürdige und beschämende Schauspiel muss endlich beendet werden. Viele offene Fragen sind weiterhin völlig ungeklärt. Die Frage nach der allgemeinen Zuständigkeit genauso wie die konkrete Fehl- und/oder Nichtkommunikation vor Ort. Darüber hinaus sind weitere Widersprüche und Unklarheiten deutlich geworden, wie etwa das Ausfallen von Funkgeräten bei der Polizei. Ursächlich für die Ereignisse in Duisburg war offensichtlich ein Konglomerat aus Fehlern und Pannen bei allen Beteiligten. Darüber hinaus gab es offenbar katastrophale Fehleinschätzungen von Polizei, Behörden und Veranstalter. Es ist eine Frechheit, dass die anwaltschaftliche Vertretung des Veranstalters Lopavent keine Fragen beantwortet, sondern stattdessen nur Gegenfragen stellt. Echte Hilfe zur Aufklärung sieht anders aus".


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Eröffnung des Abwahlverfahrens gegen Oberbürgermeister beantragt

Zur Übergabe eines gemeinsamen Antrags der Ratsfraktionen von SPD, Die Linke und FDP zur Eröffnung des Abwahlverfahrens gegen OB Sauerland erklärt der Vorsitzende der Ratsfraktion Die Linke, Hermann Dierkes:

"Wir sehen uns zu diesem Schritt gezwungen, weil es ohne personelle Konsequenzen aus der Tragödie keine 'Normalisierung' geschweige neue Perspektiven für unsere Stadt geben kann. Das Fiasko bei der Loveparade vor gut vier Wochen, die mit 21 Toten und 500 Verletzten zur Deathparade wurde, hat weit und breit Bestürzung ausgelöst. Es hat die Stadt in eine seit Jahrzehnten beispiellose Krise gestürzt. Die Verantwortung hat eine juristische und eine politische Seite. Die staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen die entscheidenden Akteure (Veranstalter, Genehmigungsbehörde) laufen. Sicherlich müssen noch viele Detailfragen geklärt werden. Längst ist aber offensichtlich, dass das Veranstaltungs- und Sicherheitskonzept gravierende Fehleinschätzungen und Fehler enthielt. Das betrifft insbesondere die Größenordnung des Besucherzustroms im Verhältnis zum Veranstaltungsgelände, den Zu- und Ausgang an den Tunneln Karl-Lehr-Straße, den durch die Floats verursachten Rückstau an der Rampe, Anzahl und Qualifikation der Security-Kräfte und das Kommunikationssystem. Immer deutlicher drängt sich aber auch der Verdacht auf, dass politische Einflussnahme, ja Fahrlässigkeit und Schlampereien eine verheerende Rolle gespielt haben. Juristische Verantwortung trägt auch die Duisburger Verwaltung, die nach langem Hin und Her und buchstäblich in letzter Minute als Ordnungsbehörde die Genehmigung erteilt hat.

Die politische Verantwortung trägt eindeutig Oberbürgermeister Sauerland. Dabei geht es nicht um die Suche nach einem quasi unbeteiligten und symbolischen "Sündenbock". Er ist der oberste Repräsentant unserer Stadt, er ist Chef der Verwaltung, die die Genehmigung erteilt hat. Allein durch sein Amt trägt er die Verantwortung für das offensichtliche Organisationsverschulden ... Bei allem menschlichen Respekt für Herrn Sauerland: Die Tragödie und sein Verhalten als politisch Verantwortlicher haben für Duisburg einen immensen politischen Schaden verursacht. Die Wahlberechtigten müssen jetzt die demokratische Möglichkeit bekommen, in das Geschehen einzugreifen ..."


Im Schattenblick nicht veröffentlichte Abbildung:

Duisburg-Neudorf: "Duisburg gedenkt der Opfer der Loveparade". Die "Erste Gedenkstätte", ein Glascontainer mit Trauergaben.

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KOMMUNALE POLITIK

Raus aus den Schulden! BONN. Bei Rat und Verwaltungsreden herrscht in Bonn seltene Einigkeit, wenn es darum geht, Bund und Land für ihre kommunalfeindliche Politik zu kritisieren. Umso erstaunlicher ist nun das Ergebnis einer verwaltungsseitigen Prüfung zum kommunalen Aktionsbündnis "Raus aus den Schulden". Die Linksfraktion hatte zur letzten Ratssitzung beantragt, diesem Bündnis als Bundesstadt Bonn beizutreten. "Raus aus den Schulden" versammelt eine Vielzahl nordrhein-westfälischer Kommunen, die jeweils vertreten durch ihre OberbürgermeisterInnen durch öffentlichkeitswirksame Aktionen auf die Notwendigkeit zur Stärkung der Kommunalfinanzen hinweisen. Die Verwaltung teilt nun als Ergebnis der Prüfung mit, dass man die Zielsetzung des Bündnisses zwar teilt. Im Hinblick auf die Mitgliedschaft im Städtetag sieht man aber keine Veranlassung zum Beitritt. Die Linksfraktion weist diese Wertung zurück. Der Städtetag ist zweifelsohne ein wichtiges Instrument der kommunalen Willensbildung. Hierzu steht das aktive Einbringen in ein kommunales Bündnis, welches sich gezielt für eine Entschuldung der Städte und Gemeinden in NRW einsetzt, aber in keinem Widerspruch. Beide Strukturen ergänzen sich insbesondere durch die Aktionsorientierung des Bündnisses gut. Die Linksfraktion hat den Beitritt daher zur kommenden Ratssitzung erneut beantragt.
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Finger weg vom Personal: AURICH. "Voll daneben" ist für den Linken Kreistagsabgeordneten Martin Heilemann der Antrag der CDU/FDP Gruppe im Auricher Kreistag, die Personalkosten des Landkreises Aurich jährlich um 3 Prozent zu senken. "Finger weg von den Beschäftigten", sagt Heilemann, "weil sie durch Privatisierungen, Stellenabbau und Arbeitsverdichtung schon viel zu viele Opfer für die Kreisfinanzen gebracht haben." Es werde zudem in den nächsten Jahren schwieriger, geeignetes Personal für eine Kreisverwaltung im Wandel zu finden, weshalb eine geschickte Personalentwicklungsplanung notwendig sei. "Wer jetzt mit dem Rotstift spielt, zahlt später einen höheren Preis", meint der Kreistagsabgeordnete. Außerdem würde ein kurzer Blick auf den Taschenrechner zeigen, "dass die mögliche maximale Einsparsumme niemals ausreichen wird, um das Defizit von 50 Millionen Euro wirksam zu bekämpfen". Und zwar auch deshalb, weil alle eigenen Anstrengungen durch Kürzungen des Landes und des Bundes wieder aufgezehrt werden würden. Möglichen 900.000 Euro Einsparungen beim eigenen Personal stünden beispielsweise in diesem Jahr fast 10 Millionen an Einnahmeverlusten beim Finanzausgleich und bei der Kreisumlage gegenüber.
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Recht der Räte muss gestärkt werden: HANNOVER. Die Linke im Landtag hat angeregt, bei der Novelle der Kommunalverfassung ein Gesetz zu erarbeiten, wonach Niedersachsens Hauptverwaltungsbeamte effektiver durch die Räte kontrolliert werden. Anlass sind unter anderem die katastrophalen Vorgänge um die Loveparade und die Weigerung des Duisburger Oberbürgermeisters Adolf Sauerland, Verantwortung zu übernehmen. Der kommunalpolitische Sprecher der Linke-Fraktion, Hans-Henning Adler, erklärte dazu: "So etwas darf sich nicht wiederholen. Wir streben deshalb eine gesetzliche Regelung für Niedersachsen an, die das Recht des Rates präzisiert, Auskunft bei allen Verwaltungsvorgängen zu erhalten. Handhabbarer werden muss auch das Recht der Fraktionen, Akten einzusehen, die die Arbeit des Hauptverwaltungsbeamten betreffen." Der Verwaltungsausschuss solle künftig die Möglichkeit haben, bei bestimmten Vorfällen oder Anlässen einen Kontrollausschuss einzurichten. Dieser Ausschuss ist dann befugt, den Oberbürgermeister eingehend zu befragen. Zur Einrichtung eines solchen Gremiums sollen ein Drittel der Mitglieder des Verwaltungsausschusses ausreichen. "Wir wollen außerdem, dass ein Hauptverwaltungsbeamter schriftliche Anfragen des Rates und des Verwaltungsausschusses innerhalb einer Woche beantworten muss", sagte Adler. "Überlegenswert ist auch, einen Ausschuss auf kommunaler Ebene einzurichten, der die Befugnisse eines echten parlamentarischen Untersuchungsausschusses hätte. Dazu müsste aber die niedersächsische Verfassung geändert werden."
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Solidarität mit den Klinikbeschäftigten: MÜNCHEN. Die Stadtratsgruppe Die Linke bekundet ihre Solidarität mit den Beschäftigten des Klinikums Harlaching und fordert die Leitung der städtischen Kliniken GmbH den Personalmangel umgehend zu beheben. Mehr Personal und gute Arbeitsbedingungen sind nicht nur in Harlaching erforderlich, sondern im ganzen StKM. Stadtrat Akman dazu: "Die Klinikleitung hat in den letzten Jahren massiv Personal abgebaut und damit am falschen Ende gespart. Diese "Sparmaßnahmen" werden dem Klinikum im Worst-Case-Szenario 25 Millionen Euro kosten. Der derzeitige Personalmangel gefährdet nicht nur die Patienten. Die Arbeitsverdichtung schadet den Beschäftigten. Sie stehen ständig unter Druck und das bei einer Tätigkeit bei der es um Menschenleben geht. Die enorme Verantwortung, der psychische und physischer Stress und die unzureichender Erholung machen die Beschäftigten auf Dauer krank". Die Linke hatte als erste Stadtratspartei auf dieses Problem aufmerksam gemacht und entsprechende Anträge und Anfrage im Rathaus dazu gestellt. Leider wurden seitens der Referatsleitung (RGU) und Geschäftsführung der StKM die Anträge und Anfragen der Linken nicht aufgegriffen und ernsthaft verfolgt.
www.dielinke-muenchen-stadtrat.de


Über 10 Millionen verzockt? BOCHUM. Seit einiger Zeit versucht die Kämmerei der Stadt Bochum, durch kurzfristige Zinsbindungen und Verschuldung in Fremdwährungen die Zinszahlungen der Stadt zu drücken. Das lehnt Die Linke im Rat ab. Insbesondere die Verschuldung in Fremdwährungen ist risikoreich und spekulativ, da zu dem Zinsänderungsrisiko auch noch das Risiko von Wechselkursschwankungen kommt. Seit Ausbruch der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise hat sich die Unsicherheit an den internationalen Märkten deutlich erhöht. Trotzdem hatte die Mehrheit von SPD und Grünen im Bochumer Rat noch im Dezember der Kämmerei weitgehende Rechte zum Abschluss von Geschäften mit Fremdwährungen und Derivaten gegeben. Am 19.1.2010 hat die Kämmerei einen Kassenkredit über 103.313.000 Schweizer Franken (70 Millionen Euro) und am 11.2.2010 einen zusätzlichen Kassenkredit über 117.512.000 Schweizer Franken (80 Millionen Euro) aufgenommen. In einer Mitteilung auf Anfrage der CDU musste die Kämmerei bereits im Juni eingestehen, dass zum Stichtag 19.5.2010 ein Wechselkursverlust aus CHF-Kassenkrediten in Höhe von rd. 6,2 Millionen EUR entstehen würde, vorausgesetzt diese würden sofort aufgelöst werden. Inzwischen hat sich die Situation zugespitzt, der Euro ist gegenüber dem Schweizer Franken weiter gesunken. Bis gestern ist es bereits zu einem Wechselkursverlust von ca. 12,1 Millionen Euro gekommen. Dazu erklärt der Fraktionsvorsitzende der Linken Uwe Vorberg: "Es wird Zeit, dass die Stadtspitze ihr Finanzmanagement grundlegend überdenkt. Es handelt sich schließlich um das Geld der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt. Deshalb muss damit besonders verantwortlich umgegangen werden. Spekulative Finanzgeschäfte verbieten sich da. Für den Haushalt 2011 hat der Verwaltungsvorstand weitere drastische Kürzungen für die Bürgerinnen und Bürger angekündigt. Wer sich als Sparkommissar aufführt und gleichzeitig mehr als 10 Millionen Euro Spekulationsverlust in Kauf nimmt, macht sich vollkommen unglaubwürdig."
www.dielinke-bochum.de


Stadt leistet sich die "Billig-Polizei" NORDERSTEDT. Der Einsatz eines privaten Sicherheitsdienstes im Umfeld des U-Bahnhofes Norderstedt-Mitte sorgt für erhebliche Diskussionen bei den Norderstedter Parteien. Die Vorsitzenden der SPD, der Partei Die Linke und der Wählergemeinschaft GALiN kritisieren das Vorgehen des Kriminalpräventiven Rates und fordern die Kontrolle des Bahnhofsumfeldes in die alleinige Zuständigkeit der Norderstedter Polizei zu geben. Der Einsatz des privaten Wachunternehmens ist mit den Parteien in der Stadtvertretung zu keinem Zeitpunkt abgestimmt worden. Die uns vorliegende Kriminalstatistik zeigt im Bereich des U-Bahnhofes keine Auffälligkeiten. Das Sicherheitsempfinden der Bürger hat nichts mit der tatsächlichen Sicherheitslage gemeinsam. Obgleich der Auftrag zum Einsatz als sogenanntes "reines Verwaltungshandeln" zu sehen ist, hat die Entscheidung eine erhebliche Diskussion unter den Bürgern und eine Reihe von Fragen an unsere Stadtvertreter ausgelöst. Von vorbehaltloser Begeisterung haben wir dabei nichts zu hören bekommen. Im Gegenteil überwiegt die Frage, wieso diese Arbeit nicht von gut ausgebildeten und unabhängig handelnden Polizeibeamten gemacht wird. (...) Laut Miro Berbig, von der Partei Die Linke benötigt der private Sicherheitsdienst auch für seine bloße Anwesenheit auf öffentlichen Straßen und Plätzen eine rechtliche Grundlage. Diese gebe es jedoch nicht. Streifengänge seien laut Gesetz "hoheitliches Handeln", das alleine der Polizei und den Ordnungsbehörden vorbehalten bleibe. Bereits mehrfach habe das Innenministerium diese Auffassung in Schreiben an Städte und Gemeinden klar vertreten ...
www.infoarchiv-norderstedt.org


Geplanter Naziaufmarsch 2011: Handeln statt spalten! BRAUNSCHWEIG. Zu den letzten Presseberichten über den geplanten rechtsextremen Aufmarsch am 4. Juni 2011 erklärt der Vorsitzende der Linksfraktion im Rat der Stadt Braunschweig, Udo Sommerfeld: "Ich ärgere mich mittlerweile maßlos, dass ich die Öffentlichkeit so frühzeitig über den Nazi-Aufmarsch informiert habe. Es wäre besser gewesen, wenn erst das "Bündnis gegen Rechts" die Gegendemonstration vorbereitet hätte und im Rahmen der Mobilisierung auch die öffentliche Diskussion begonnen hätte. Jetzt nutzen Leute das Thema, die in der tagtäglichen Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus selten bis nie in Erscheinung getreten sind, für persönliche und wahltaktische Profilierung. Als erstes ist dabei der Fraktionschef der Grünen zu nennen. Zum wiederholten Mal fordert er heute in der "Braunschweiger Zeitung", dass die Verwaltung ein neues "Bündnis" gründen soll. Diese Forderung läuft in ihrer Konsequenz auf nichts anderes als eine Begünstigung des Nazi-Aufmarsches hinaus. Dies deshalb, weil einerseits der Widerstand gegen die Nazis gespalten und somit geschwächt werden soll, andererseits die rechtliche Position der Verwaltung in einem möglichen Verbotsverfahren gegen den Nazi-Aufmarsch erheblich geschwächt werden würde, wenn sie selber ein Bündnis gründen würde und damit Akteur wird. Dies haben mit Ausnahme der SPD wohl auch alle anderen Fraktionen verstanden und lehnen deshalb eine Teilnahme am Grünen Vorschlag ab. Scheinbar vergessen Grüne und SPD auch, dass die Stadt bereits eine Bündnis-Veranstaltung durchführt - "Braunschweig International". Die Aussage der Verwaltung im Ausschuss für Integrationsfragen, dass "Braunschweig International" im kommenden Jahr mindestens im gewohnten Umfang durchgeführt wird und dass rechtliche Schritte gegen den geplanten Nazi-Aufmarsch intensiv vorbereitet werden, wird von der Linksfraktion ausdrücklich unterstützt.
www.linksfraktion-braunschweig.de


Autonomes Zentrum und Bauwagenplatz Opfer von Schikanen: KÖLN. Am 2. August hat eine Abordnung von zwölf Vertretern unterschiedlicher Dienststellen der Stadtverwaltung den Bauwagenplatz der "Gartenzwerge" in der Schmalbeinstraße aufgesucht, um die Nutzbarkeit des Geländes zu begutachten. Linke-Fraktionssprecherin Gisela Stahlhofen zu diesem Vorgang: "Hier wurde ein gewaltiger und kostenträchtiger Aufwand betrieben, um den Bauwagenplatz auf alle möglichen Vorschriften hin abzuklopfen. Die Stadt tut anscheinend alles, um die Möglichkeiten für alternative Formen zu wohnen und zu leben einzuengen." Es wurde letztlich kein Grund gefunden, der gegen eine vorübergehende Nutzung des Geländes bis zur endgültigen Umgestaltung spräche. Die Beanstandungen an den Gebäuden auf dem Gelände waren erklärtermaßen irrelevant, da diese von den Bauwagenbewohnern ja gar nicht genutzt werden. Beinahe zeitgleich wurde dem Autonomen Zentrum in der Wiersbergstraße in Kalk am Freitag der Strom abgeschaltet und heute, am Montag versucht, das Wasser zu sperren. Offenbar zielt die Sparkasse Köln-Bonn darauf, das Gebäude unbenutzbar zu machen und die Benutzer durch Schikanen zu vertreiben ...
www.linksfraktion-koeln.de


Bund muss Kahlschlag bei der Städtebauförderung zurücknehmen: BERLIN. Der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben nach der Sondersitzung der Bauministerkonferenz den Bund nachdrücklich aufgefordert, seine für das Programmjahr 2011 geplante Halbierung der Städtebauförderungsmittel von ursprünglich 610 Millionen Euro auf 305 Millionen Euro zurückzunehmen. Das gemeinsam von Bund, Ländern und Kommunen finanzierte Städtebauförderungsprogramm ist für die Städte und Gemeinden gerade in Krisenzeiten ein unverzichtbares Instrument, damit sie in zukunftsweisende Projekte investieren können. "Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung löst ein Euro an Städtebaufördermitteln bis zu weitere acht Euro öffentliche und private Investitionen, insbesondere beim örtlichen und regionalen Baugewerbe und Handwerk, aus. Vor diesem Hintergrund ist es auch finanziell geradezu kontraproduktiv, wenn der Bund ein sich selbst tragendes und speziell dem Mittelstand zugute kommendes Erfolgsprogramm in einem Kahlschlag kürzt." Bei einer Reduzierung der Städtebaufördermittel durch den Bund müssten nachhaltige Projekte der Städte und Gemeinden, die allen Bürgern zugute kommen, zurückstehen. Neben dem Stadtumbau, gehe es um eine familien- und altengerechte Stadterneuerung sowie um Lösungen für die wachsenden sozialen Probleme und Maßnahmen für den Klimaschutz. Diese könnten nur mit einer starken Städtebauförderung bewältigt werden. Insbesondere der Stadtumbau in den neuen Ländern ist noch lange nicht abgeschlossen und bedarf weiterhin einer ausreichenden Förderung durch Bund und Länder. Auch in den Kommunen der alten Länder wachsen die Herausforderungen. "Angesichts dieses Bedarfs wäre es völlig verfehlt, wenn gleichzeitig zum Auslaufen des Konjunkturpaket II, mit dem die Kommunen insbesondere in die energetische Sanierung ihrer Schulen und Kindergärten investieren, auch noch die Städtebauförderung halbiert wird", erklärten die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände.
www.staedtetag.de


Zusammenstellung: ulj

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Kämpfen in Zeiten der Krise

Interview mit Wolfgang Erdmann, Betriebsratsmitglied der Jungheinrich AG, Werk Norderstedt - Das Gespräch führte am 16. August 2010 Karl-Helmut Lechner

NORDERSTEDT/HAMBURG. Wolfgang, Du hast 1978 bei der Jungheinrich AG angefangen. 1981 bist Du zum ersten Mal in den Betriebsrat im Jungheinrich-Werk Norderstedt gewählt worden. Als 1990 Jungheinrich in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, warst Du als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat von Anfang an dabei. Bis zum Ende der Amtsperiode in diesem Jahr 2010 warst Du Vorsitzender des Konzernbetriebsrates. Also wahrlich ein Insider.

Du hast in all den vielen Jahren nicht nur allerorten versucht, an den betrieblichen Brennpunkten Widerstand zu leisten und Dich für die Rechte der Belegschaft einzusetzen. Zugleich hast Du immer großen Wert darauf gelegt, analytisch herauszuarbeiten, wie die jeweilige Interessenlage der Kapitalseite sich darstellt - abhängig vom Weltmarkt, aber z.B. auch von der Entwicklung neuer Produkte und Fertigungsmethoden -, um den Interessenvertretungen der Belegschaft zu ermöglichen, selbst in die Offensive zu kommen, aktiv günstige Momente für Forderungen wahrzunehmen.

Ich freue mich, dass Du den Politischen Berichten die Gelegenheit gibst, Fragen zur aktuellen Lage des Jungheinrich-Konzerns und "seiner" Belegschaft zu stellen.


Politische Berichte (PB): Als Vorsitzender des Konzernbetriebsrates und im Aufsichtsrat warst Du zwar offiziell nur für die Kolleginnen und Kollegen innerhalb Deutschlands im Bereich der Aktiengesellschaft zuständig. Du hattest aber auch die Belegschaften in den anderen Ländern im Auge. Wenn man die gesamte Zahl der Kolleginnen und Kollegen bei Jungheinrich betrachtet: Wie viele arbeiten in den Produktionswerken? Wie viele im Vertrieb und Service?

Wolfgang Erdmann: Die aktuelle Beschäftigtenzahl von Jungheinrich liegt im Moment bei knapp Zehntausend. Davon arbeiten aktuell in Norderstedt 1.100, in Moosburg 900, in Landsberg 100, und im chinesischen Werk Qingpu 70. Der Rest ist beschäftigt in den zahlreichen Niederlassungen des Vertriebes oder im geringen Ausmaß in der Konzernzentrale, bzw. der Informatik in Hamburg. Also 2.070 in der Produktion, knapp 8.000 im Vertrieb und Service.

PB: Das bedeutet doch, dass die Belegschaften sehr unterschiedlich arbeiten und damit unterschiedliche Interessen haben. Je nachdem, ob sie in der Produktion, im Verkauf oder im Service tätig sind?

Wolfgang Erdmann: Die Belegschaften sind sehr unterschiedlich. Das kann man sich leicht vorstellen. Ein Werk ist geprägt von der Produktion und vom Entwicklungsbereich mit hauptsächlich Ingenieuren. Während der Vertrieb geprägt ist von Servicearbeitern und Verkäufern, also sehr kundennahen Tätigkeiten und kaufmännischen Tätigkeiten im Angestelltenbereich, gibt es darüber hinaus natürlich Belegschaftsgruppen wie die Informatiker und den Finanzbereich, wo fast ausschließlich Akademiker, wiederum mit anderer Ausbildung und anderen Einstellungen zu finden sind.

PB: Können Betriebsräte und IG Metall bei einer so vielfältig und unterschiedlich strukturierten Belegschaft eine "Politik für alle" machen? Gibt es da nicht auch oft gegenläufige Interessen z.B. zwischen den KollegInnen in den Werken und denen, die die Stapler verkaufen und reparieren sollen?

Wolfgang Erdmann: Unser Ziel in den Interessenvertretungen war es immer, Standortkonkurrenz zu verhindern und die Interessen der gesamten Belegschaft zu vertreten. Trotz großer Differenzierung gibt es natürlich gemeinsame Interessen. Und die kann man konkret benennen: Erhalt und Schaffung von Arbeitsplätzen, Schaffung von Ausbildungsplätzen, Übernahme nach der Ausbildung. Da ist das Interesse an guten vielseitigen Arbeitsinhalten und natürlich, dafür arbeitet man ja, an einem guten und hohen Einkommen und auch an stabilen Sozialleistungen. Wenn ich darüber hinaus noch Ansprüche hinzurechne auf demokratische Rechte, als Menschen geachtet zu werden und nicht nur als Kostenfaktor. Dass man gewerkschaftlich aktiv sein kann, ohne dafür benachteiligt zu werden. Auch die Forderung nach Datenschutz rechne ich dazu. Dann ist das insgesamt ein so großer Bereich an gemeinsamen Interessen, dass darauf eine Interessenvertretung gut fußen kann, so dass wir auch auf den übergreifenden Ebenen wie IG Metall Gewerkschaftsarbeit oder Arbeit im Konzernbetriebsrat ganz viele gemeinsame Ansatzpunkte finden. Aber das funktioniert nur, wenn wir die Unterschiedlichkeit der einzelnen Belegschaften und Beschäftigtengruppen dabei nicht aus den Augen verlieren. Deswegen die basisnahe Arbeit der Einzelbetriebsräte. Und davon haben wir jetzt bei Jungheinrich 17 im Vertrieb, zwei in der Zentrale, einen im Ersatzteilbereich und drei in den Werken; d. h. insgesamt 23 Betriebsräte. Das ist die Basis jeglicher Interessenvertretung neben der Gewerkschaftsarbeit der IG Metall.

PB: Jungheinrich ist - trotz der Rechtsform der Gesellschaft als Aktiengesellschaft - ein Familienunternehmen geblieben. Die stimmberechtigten Aktien liegen nach wie vor bei den Angehörigen der Familie Jungheinrich. Spürt man das heute noch in der betrieblichen Kultur?

Wolfgang Erdmann: Man sollte keine Illusionen haben, dass nicht auch jedes Familienunternehmen bestimmt wird von Umsatz, Gewinn und Rendite. Aber es ist ein deutlicher Unterschied nach wie vor vorhanden. Dass das Familienunternehmen darauf setzt, aus eigener Kraft zu wachsen und nicht durch waghalsige Firmenaufkäufe oder Verschuldung, das ist der eine Unterschied. Und der zweite Unterschied ist, dass wir Interessenvertretungen durchaus Einflussmöglichkeiten haben in Richtung Sicherung von Arbeitsplätzen oder einem mehr langfristig ausgerichteten Wachsen dieses Konzerns. Wir merken das besonders in Diskussionen mit Betriebsräten aus anderen Unternehmen, die bestimmt werden von Finanzinvestoren und Bankern im Aufsichtsrat.

PB: Jungheinrich ist tarifgebunden. Das war ja nicht immer selbstverständlich?

Wolfgang Erdmann: Nein. Jungheinrich sollte aus Sicht der Eigentümer unabhängig sein von allem, also auch vom Arbeitgeberverband. Das hatte für die Belegschaft den riesigen Nachteil, dass Standards der Arbeit eben nur in freiwilligen Vereinbarungen gesichert waren und nicht durch die wesentlich rechtssichereren Tarifverträge. Insofern hat sich Anfang der 80er Jahre, und zwar konkret aus der Bewegung für die 35-Stunden-Woche heraus, eine betriebliche Tarifkommission gebildet, die mit Jungheinrich einen Haustarif abschließen wollte, in dem alle Standards der Manteltarifverträge, also auch der Arbeitszeiten, geregelt sind. Diese Verhandlungen wurden allerdings dadurch beendet, dass Jungheinrich dann doch einen solchen Haustarif als wesentlich ungünstigerere Variante angesehen und es vorgezogen hat, 1985 dem Arbeitgeberverband Metall-Küste beizutreten.

PB: Die tiefe Krise der vergangen Jahre ist sicher auch an Jungheinrich nicht spurlos vorübergegangen?

Wolfgang Erdmann: Nein. Die Krise ist besonders stark in dieser Branche der einfachen Rationalisierungsmittel zu spüren gewesen. Das ist traditionell schon immer so gewesen. Weil: Es ist keine langfristige Investition, die dann noch getätigt werden muss. Sondern jeder Unternehmer überlegt, ob er wirklich einen neuen Gabelstapler braucht, wenn die Umsätze einbrechen. Egal, ob das in der Produktion ist oder im Handel. Insofern sind die zyklischen Krisen besonders stark in unserer Branche zu spüren gewesen. Und auch diese Krise, die ja die heftigste seit 1929 war, hat zu einem Einbruch im Bereich der Flurförderzeugmärkte von über 40 Prozent geführt. Was natürlich bedeutet, dass in kürzester Frist 40 Prozent weniger Aufträge in den Werken vorhanden waren. Denn Gabelstapler werden heute nicht mehr auf Lager gefertigt, sondern nur noch auf Kundenbestellung. Das war natürlich ein dramatischer Einbruch der Arbeitsinhalte.

PB: In absoluten Zahlen?

Wolfgang Erdmann: Das bedeutete beispielsweise für ein Werk in Moosburg, dass von den 19.000 Gabelstaplern, die 2008 dort gefertigt wurden; plötzlich ein Jahr später nur noch knapp 9.000 gefertigt wurden. Also die Halbierung der Produktionsstückzahlen binnen einem Jahr. Insgesamt sank die Produktionszahl im Konzern von über 77.000 in 2008 auf nur noch 49.000 in 2009. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass die speziellen Geräte, die in Moosburg gebaut werden, besonders teure Gabelstapler sind.

PB: Hatte sich das Management auf eine solche Situation vorbereitet?

Wolfgang Erdmann: Dieser Einbruch im Markt von über 40% stand im krassen Gegensatz zu den Einschätzungen des Managements. Die Manager glaubten, dass der Boom der Branche aus den Jahren 2003 bis 2008 sich so fortsetzen würde. Oder, ökonomisch gesprochen, das Volumen der Produktion sollte immer weiter ausgeweitet werden, um entsprechende Gewinne realisieren zu können. Konkret hieß das: Dass bei Jungheinrich Pläne beschlossen wurden, die Produktionskapazitäten etwa zu verdoppeln. Und aus diesen Gründen wurden sogar zwei neue Werke geplant. So weit die Theorie.

Die Praxis war eine ganz andere. Man hätte wissen müssen, dass die zyklischen Krisen ja alle fünf oder sieben Jahre immer wieder eingetreten sind. Und von daher war eine solche Annahme eines ständig andauernden Wachstums ohne jeden Realismus.

PB: Wie waren die Überlegungen des Managements zu den Personalkosten?

Wolfgang Erdmann: Interessant ist auf der einen Seite, wie die Produktionszahlen gesteigert werden sollten und auch umgesetzt wurden in konkrete Planung. Und wie aber gleichzeitig die Personalaufwände gesenkt wurden. Also auszudrücken beispielsweise im Personalaufwand zur Gesamtleistung, also einer bilanziellen Kennziffer, der Personalaufwandsquote. Sie betrug im Jahr 2000: 31,4% und im Jahr 2008 nur noch: 27,7%. Man sieht daran: Ausweitung der Produktion einerseits, Senkung der Kaufkraft und Konsumtionsmöglichkeiten andererseits. Und dieser auch gesamtgesellschaftliche Widerspruch, löst sich dann in zyklischen Krisen, wie wir dies jetzt erlebt haben. Diesmal in besonders krasser Form. Beides entspringt völlig demselben Motiv, sowohl die Ausweitung der Produktion ist gemacht, um Gewinne zu realisieren, als auch die Absenkung der Personalaufwände wird gemacht, um Kosten zusenken und Gewinne zu steigern. Das führt unweigerlich zur Krise. Das bedeutet nicht unbedingt ein Absinken des Entgeltes des einzelnen Beschäftigten. Sondern Du hast im gesamten Unternehmen ein viel größeres Wachstum des Unternehmens - hier der Gesamtleistung - als der Personalkosten. Und natürlich eine Ausweitung der Produktion in Billiglohnländern, die Ausweitung von Leihkräften usw.

PB: Hat auch Jungheinrich, um die eigenen Gewinne zu sichern, mit Angriffen auf die Belegschaft - Verzicht auf Lohn, Rausschmiss von KollegInnen - reagiert?

Wolfgang Erdmann: Zunächst muss man sagen, dass so ein Maschinenbauunternehmen sofort in die Verluste rutscht im Bereich der Werke, nicht ausgelastete Werke verursachen Verluste. Insofern gab es, wie in den andern Unternehmen auch, panische Reaktionen auf die Krise, und Strategien und Konzeptionen, die nicht nur als Druckmittel gegen die Belegschaften und Interessenvertretungen zu analysieren waren. Man musste befürchten, dass solche Panikreaktionen tatsächlich dann auch durchgeführt werden.

Um Beispiele zu nennen. Es wurde die Schließung von Werken überlegt. Es wurde die Fremdverlagerung von ganzen Produktionsbereichen in Billiglohnländer überlegt. Und es wurde die Streichung fast aller Sozialleistungen gefordert. Es wurden umfangreiche Entlassungswellen ins Auge gefasst. Das war Mitte 2009 eine katastrophale Situation, mit der sich die Interessenvertretungen konfrontiert sahen.

PB: Als Vertrauensleute der IG Metall und als Betriebsräte habt Ihr Euch im Werk Norderstedt einiges an phantasievollen Kampfschritten einfallen lassen.

Wolfgang Erdmann: Ja, in Norderstedt und in den anderen Werken wurde als erste Reaktion, und zwar mit der Initiative des Betriebsrates, auf das Mittel Kurzarbeit gesetzt. Was dann ja auf Grund des Tarifvertrages verbunden ist mit einer Nicht-Kündigungszusage. So wurde zunächst Kurzarbeit durchgeführt. Was aber auch einen Verlust von Einkommen für die gesamte Belegschaft, Arbeiter und Angestellte bedeutet. Dann wurden Verhandlungen aufgenommen. Das entscheidende aber war, dass wir vom ersten Tag an eine Strategie hatten: "Mit uns sind keine betriebsbedingten Kündigungen zu machen!" Das ist das entscheidende Ziel, das wir haben und das wir auch durchsetzen müssen. Das zweite Ziel war: Mit den Interessenvertretungen, und zwar egal wo, ob im Werk oder im Vertrieb oder in der Zentrale, wird es kein Aushebeln oder Aufweichen von Tarifverträgen geben. Mit diesen beiden Zielen wurden dann die Verhandlungen geführt und über den Konzernbetriebsrat koordiniert. Die Methode dabei musste sein, mit einer gut informierten und einbezogenen Belegschaft diese Verhandlungen zu führen. Denn wenn die Angriffe so sind, wie ich sie anfangs beschrieben habe, ist rein auf dem Verhandlungsweg nichts zu retten und nichts zu machen. Insofern haben wir so viele Betriebsversammlungen und zusätzliche Versammlungen durchgeführt, wie noch nie zuvor, um jeweils die Belegschaft mit einzubeziehen in diese Auseinandersetzung.

PB: Der Aufsichtsrat war doch derjenige, der entscheiden musste: Wie habt Ihr ihm Euer Anliegen nahe gebracht?

Wolfgang Erdmann: Es ging um eine mögliche Schließung von Werken und Werksteilen. Die IG Metall hatte dann der Belegschaft den Vorschlag gemacht, zu einer Aufsichtsratssitzung in die Konzernzentrale zu fahren, am 15. September 2009. Um dort dem Vorstand und dem Aufsichtsrat, also auch den Eigentümer-Familien, die Sorgen und Nöte der Belegschaft, aber auch die Forderungen der Belegschaft vorzutragen. Sowohl die Teilnahme war ausgesprochen gut, als auch die Einhelligkeit von IG Metall, Betriebsrat und Belegschaft war vorbildlich. Diese Forderungen wurden von den Eigentümer-Familien dann auch ernst genommen. Und seit dem 15. September war dann die Schließung von Werken oder wesentlichen Werksteilen vom Tisch.

PB: Gab es denn Gegenmeinungen in der Belegschaft und Widersprüche zu diesen Kampfformen?

Wolfgang Erdmann: Die Mobilisierung ist immer schwierig in solchen Zeiten. Weil natürlich die Angst um den Arbeitsplatz riesengroß ist. Die Angst ist ja seit Agenda 2010 und der Bedrohung mit Hartz IV noch viel größer geworden. Nur, in der Belegschaft überwog die Meinung, man muss kämpfen, weil man sonst in einer solchen Auseinandersetzung verloren hat. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich ein Widerstandskampf, und das ist eine Erfahrung schon aus den letzten Umstrukturierungen, auf Dauer nur bestehen läßt, wenn man klar strukturierte und sinnvolle eigene Konzeptionen hat, und diese den Unternehmer-Ideen und den Ideen von Unternehmensberatungen entgegenhält. Dann festigt sich in der Belegschaft der Eindruck, dass es lohnt, für so sinnvolle Dinge zu kämpfen. Das stimmt dann ja auch mit ihren eigenen kurzfristigen und langfristigen Interessen überein.

PB: Und das Resultat? Kannst Du die wesentlichen Eckpunkte von Interessenausgleich und Sozialplan nennen?

Wolfgang Erdmann: Das Resultat will ich nicht über den "grünen Klee" loben.

- Das entscheidende war, dass wir insgesamt in Deutschland keine einzige betriebsbedingte Kündigung in der Krise zugelassen haben.

- Der erforderliche Personalabbau wurde dadurch geregelt, dass in unterschiedlichen Ausprägungen Möglichkeiten geschaffen haben, dass Kollegen unter materiell akzeptablen Bedingungen freiwillig das Unternehmen verlassen konnten. Hauptsächlich in Richtung Rente.

- Die neue Möglichkeit des Sozialgesetzbuches von "Transfergesellschaften" wurde dabei genutzt, aber nicht um Personal reibungsloser zu entlassen, sondern um Zeit zu überbrücken.

- Für diese zusätzlich zur Kurzarbeit getroffene Regelung der Kapazitätsabsenkung erhielt die restliche Belegschaft im Gegenzug eine Beschäftigungsgarantie bis Ende 2014.

- Tarifverträge oder überbetriebliche Sozialleistungen wurden nicht angetastet.

- Das Problematische an diesen unter erheblichem Erpressungsdruck zustande gekommenen Verhandlungsergebnissen ist sicherlich, dass einiges zurück gefahren wurde an betrieblichen Errungenschaften, die wir in guten Zeiten mühselig erkämpft haben. Wir haben daraus die Schlussfolgerung für die Zukunft gezogen, dass wir nie nachlassen dürfen in guten Zeiten, materielle Fortschritte zu erkämpfen.

PB: In den Ad-hoc-Meldungen, die Jungheinrich herausgibt, kann man jetzt lesen, Jungheinrich habe die Krise überwunden, sich erholt, ja, Jungheinrich mache wieder Gewinne?

Wolfgang Erdmann: Festzustellen ist, dass seit Anfang diesen Jahres in der Branche wieder ein sehr starkes Wachstum vorhanden ist. Das hat dazu geführt, dass beispielsweise im Werk Norderstedt seit dem 1. Juni die Kurzarbeit ausgesetzt werden konnte und erstaunlicherweise jetzt auch wieder Samstagarbeit benötigt wird. Seit August werden schon wieder die ersten Leihkräfte benötigt, um das gesamte Volumen der Aufträge abarbeiten zu können.

PB: Ist dieser Aufschwung stabil?

Wolfgang Erdmann: Man muss diesen Aufschwung mit einiger Skepsis betrachten, weil es gegenläufige Tendenzen gibt. Für mich ist eine große Problematik da drin zu sehen, dass die Konjunkturprogramme auslaufen. Der G20-Gipfel im Juni 2010 hat ja formuliert: "Auslaufen der Konjunkturprogramme und dann Halbierung der Staatsdefizite". Und jetzt werden ja auf der staatlichen und auf der kommunalen Ebene Sparprogramme durchgesetzt, die gerade nicht die Verursacher der Krise zur Kasse bitten, sondern auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen werden. Das bedeutet ja nichts anderes, als dass Kaufkraft im breitesten Umfang beseitigt wird. Es ist nach wie vor so, dass der Konsum mit 60% den größten Posten der Nachfrage stellt. Das gilt natürlich besonders stark für ein Exportland, wenn in den anderen Ländern parallel die grausamen Sparpakete verhängt werden. Dadurch entsteht zwangsläufig das Problem, dass ein Aufschwung durch diese einseitig gezielten Sparprogramme auch wieder abgewürgt werden kann. Aber auch andere Elemente können dazu führen, dass dieser Aufschwung sich deutlich abschwächt oder auch nur ein vorübergehender Aufschwung war. Also beispielsweise die problematische Entwicklung in den USA, geprägt von Massenarbeitslosigkeit und zunehmender Verschuldung. Oder: wir beobachten, dass kleinere Jungheinrich-Kunden Probleme haben, Investitionen zu finanzieren. Das wird ja unter dem Begriff "Kredit-Klemme" beschrieben. Die Banken wurden staatlich aus Steuergeldern gerettet, aber kommen nicht ihrer eigentlichen Funktion nach, Geld für Investitionen zur Verfügung zu stellen. Sondern sie legen zunehmend ihr Kapital spekulativ an und verschärfen die Kreditbedingungen - insbesondere für kleinere Unternehmen. All das kann natürlich ein Problem für diesen Aufschwung darstellen. Daher sind wir durchaus skeptisch, was diesen Aufschwung angeht.

PB: Noch ist der Interessenausgleich nicht abgearbeitet; da hört man, dass Jungheinrich beim Betriebsrat Überstundenanträge stellt und Leihleute beschäftigen will: Muss das nicht wie eine Provokation auf die KollegInnen wirken, die sich auf einen Interessenausgleich und Sozialplan, auf Verzicht und Stellenabbau eingelassen haben?

Wolfgang Erdmann: Nun haben die Auswirkungen des Aufschwunges ja jetzt erst im Juni begonnen. Durch Aussetzung der Kurzarbeit und Einstellung der ersten Leihkräfte.

Zwei Dinge muss man erwähnen: Der Betriebsrat in Norderstedt hat, sobald die Firma Anträge gestellt hat in Richtung Mehrarbeit oder Leihkräfte, also die Mitbestimmung des Betriebsrates ins Spiel kam, sofort Gegenforderungen aufgestellt und durchgesetzt. Sowohl, was das Zurückkämpfen von verbesserten Arbeitszeiten als auch verbesserte Bezahlung der Leihkräfte angeht. Ich denke, dies weist in die richtige Richtung.

Wir müssen in den nächsten Wochen eine systematische Diskussion beginnen, was die Forderungen der Gewerkschafter, der Betriebsräte und der Belegschaften sind, in einer Situation, wo die Gewinne wieder hoch laufen. Und das muss dann umgesetzt werden in harte Interessenvertretung.

PB: Dann werdet Ihr ja einen kämpferischen Herbst und Winter vor Euch haben?

Wolfgang Erdmann: Unsere Strategie muss im September stehen. Denn, allerspätestens im Dezember werden die Auseinandersetzungen losgehen.

Es wird ein heißer Herbst und Winter!

PB: Herzlichen Dank für das Gespräch.


Wer ist der Größte weltweit?

Jungheinrich ist auf Platz drei der Weltrangliste der Hersteller von Flurförderzeugen. Platz drei und vier tauschen fast jährlich. Platz vier ist der amerikanische Konzern Nacco (North American Coal Corporation), ein Mischkonzern, dem die Gabelstaplermarken Hyster und Yale angehören. Je nach Veränderung der Wechselkurse und je nach Veränderung des Stammmarktes, Europa für Jungheinrich, und USA für Nacco, ist mal der eine mal der andere Konzern vorn.

Nummer eins ist seit einigen Jahren die Gabelstapler-Sparte von Toyota. Diese Firma ist als einziger Flurförderzeuge-Konzern auf der ganzen Welt mit Werken und eigenem Vertrieb vertreten: in Europa, USA und Asien. Mit nicht so großem Abstand folgt Kion auf Platz zwei der Weltrangliste. Kion ist entstanden aus dem deutschen Linde-Konzern. Damit der Linde-Konzern Zukäufe im Bereich der technischen Gase machen konnte, wurde der Bereich der Gabelstapler 2006 für 4 Mrd. Euro an zwei amerikanische Finanzinvestoren KKR (Kohlberg Kravis Roberts & Co.) und Goldman-Sachs verkauft. Kion hat seinen Schwerpunkt in Europa, ist durch Zukäufe aber auch in den USA und in China vertreten. Der Kion-Konzern leistet sich vier getrennte Marken: Linde mit dem Hauptwerk in Aschaffenburg, Still in Hamburg, OM Pimespo in Italien und Baoli, eine Marke, die durch Zukauf in China entstanden ist. Nach diesen beiden Konzernen folgen mit großem Abstand, etwa halb so groß, Jungheinrich und Nacco.


Weltrangliste der Hersteller von Flurförderzeugen 2009
Umsatz in Mio. €
2008
2009
Rückgang 2009
Toyota (Toyota, Raymond,
BT Industries, Cesab)*
4.802

3.364

-30 %

Kion (Linde, Still
OM Pimespo, Baoli)
4.554

3.084

-32 %

Jungheinrich
2.145
1.677
-22 %
Nacco (Hyster, Yale)
1.920
1.058
-45 %

(Daten anläßlich) Jungheinrich Hauptversammlung 15. Juni 2010
* Toyota angepasst Jan.-Dez. 2009


Jungheinrich setzt strategisch auf einen Eigenvertrieb, hat aber darüber hinaus auch Händler-Netze. Aber nur dort, wo es bisher nicht möglich war, einen Eigenvertrieb zu gründen, beispielsweise in den USA, Australien oder Süd-Afrika. Die aktuelle Beschäftigtenzahl von Jungheinrich liegt im Moment bei knapp Zehntausend.

Im Moment sind weltweit keine Übernahmen in dem Bereich der Flurförderzeuge zu beobachten. Allerdings gucken die Fachleute sehr gespannt auf den Kion-Konzern, ob er möglicherweise zerschlagen wird: Finanzinvestoren kaufen ja Konzerne nicht auf, um sie auf Dauer zu halten, sondern um damit an die Börse zu gehen oder aber Firmen lukrativ zu zerlegen.

Für Jungheinrich ist nicht zu erwarten, dass der Konzern oder Teile davon verkauft werden oder dass Jungheinrich andere große Konzerne schlucken wird. Die Firma ist - trotz der Rechtsform der Aktiengesellschaft - ein profitables und traditionelles Familienunternehmen geblieben. Die stimmberechtigten Aktien liegen nach wie vor ausschließlich bei den Angehörigen der Familie.


Wozu Gabelstapler?

Gabelstapler rationalisieren den Transport von Waren und entlasten den Arbeiter beim Bewegen von Lasten. Allererste Gabelstapler gab es schon im Ersten Weltkrieg. Im Zweiten Weltkrieg wurden Gabelstapler und Paletten zum ersten Mal von den USA in großem Umfang zur Versorgung ihrer Truppen eingesetzt.

Dies hat den Impuls zur Gründung der Firma Jungheinrich 1953 in Hamburg gegeben.

Es entstand die Idee, mit Hilfe dieser Erfindungen, auch im Zivilbereich Waren in der Produktion und im Konsum schneller transportieren zu können. Es begann mit von Hand zu ziehenden Wagen, ging weiter mit Elektrokarren mit Mitfahrplattform, eingesetzt als Schlepper, dann kamen die ersten richtigen Elektro-Gabelstapler, Schubmaststapler und ab 1958 auch Diesel-Stapler. Die Rationalisierung des Warenumschlags wurde entscheidend vorangetrieben, indem man nicht mehr jede Ware einzeln verpackte und transportierte. Gleichartige Waren wurden auf eine Palette gestellt und damit einheitliche Transportumfänge gerade auch für Gabelstapler geschaffen. Die genormte Palette hat für die Weiterentwicklung des Lagerumschlags eine ähnlich große Rolle gespielt wie einige Jahrzehnte später der Container.

In den folgenden Jahrzehnten wurde die Transportleistung der Gabelstapler durch sehr starke Motoren verbessert und durch eine Hydraulik, die mit sehr kleinen Bauabmessungen von Zylindern sehr große Kräfte in ein Gerät einbringen kann.

Die Geräte werden im Freien genauso wie in Hallen eingesetzt. Dabei unterscheidet man grundsätzlich zwischen Diesel getriebenen Gabelstaplern für den Außeneinsatz und elektrischen Staplern ohne Abgase, die innerhalb großer Lagerhallen genutzt werden. Immer wieder hat es seitens der Industrie besondere Anforderungen gegeben, die die technische Entwicklung der Gabelstapler stark geprägt haben. In der Lebensmittelindustrie dürfen z.B. nur solche eingesetzt werden, die minimal Schmutz ausstoßen, und chemische Bereiche erfordern ein "ex-geschütztes" (explosionsgeschütztes) Modell.

In der Hauptsache sind aber Anforderungen gestellt worden, die die Größe der jeweiligen Last betreffen. Man kann sich ja vorstellen: wenn Container im Hafen bewegt werden sollen, muss ein Stapler total anders ausgestaltet sein, als wenn Waren im Supermarkt nur innerhalb des Ladens transportiert werden müssen. Seitdem es die Verteilzentren großer Lebensmittel- und Möbelketten gibt, werden auf relativ kleiner Fläche möglichst große Mengen gelagert. Dem entsprechend sind auch die Anforderungen an Höhe und an Genauigkeit des Einstapelns gewachsen. So ist z.B. eine Einstapelung per Hand in zwölf Meter Höhe überhaupt nicht denkbar. Ein Gabelstaplerfahrer kann da ein noch so großer Künstler sein: ohne elektronische Stapelhilfen geht nichts mehr.


Im Schattenblick nicht veröffentlichte Abbildungen:

- "Wir sind nicht Jungheinrich, aber ohne uns ist Jungheinrich nichts!" - KollegInnen aus dem Jungheinrich-Werk besuchen am 15. September 2009 den Aufsichtsrat am Sitz der Konzernzentrale in Hamburg-Wandsbek

- Die Anfänge 1917: Der erste CLARK-Stapler, USA
- Ein militärisch eingesetzter CLARK-Stapler der USA 1943
- Ein moderner Jungheinrich-Gabelstapler: Paletten und Gabelstapler gehören zusammen.
- Jungheinrich-Stapler im Stahlwerk

Raute

Gewerkschaftsschädigendes Verhalten - aber keine Ausschlüsse

Der Ortsvorstand der IG Metall in Berlin hat nunmehr in Sachen "alternative Betriebsräte" bei Daimler Berlin entschieden. Wie berichtet, hatten die gewerkschaftlichen Vertrauensleute bei Daimler ein Untersuchungsverfahren gegen "alternative IG Metaller" bei Daimler in Gang gesetzt, weil diese ihre eigenständige Kandidatur in Konkurrenz zur IG Metall-Liste betrieben haben und eine Kandidatur auf der IG Metall-Liste abgelehnt hatten. Dabei haben die Initiatoren der Liste "Alternative" bewusst entgegen den Ortsvorstandsbeschluss gehandelt und gegen den Grundsatz der Einheitsgewerkschaft: "Einheit in der Aktion, Vielfalt der Meinungen" verstoßen. Dies stellt eindeutig gewerkschaftsschädigendes Verhalten dar, so der Ortsvorstand.

Gleichwohl schließt sich der Berliner Ortsvorstand nicht dem Votum der eingesetzten Untersuchungskommission an, die Ausschluss aus der Gewerkschaft empfiehlt. Der Ortsvorstand betont vielmehr seinen Respekt vor unterschiedlichen politischen Einstellungen von IG-Metall-Mitgliedergruppen. Das die Gewerkschaft schädigende Verhalten ist deshalb ausschließlich durch das Verlassen der gemeinsamen Klammer der IG Metall-Liste und durch den Verstoß gegen einen zentralen Ortsvorstandsbeschluss begründet. Die unterschiedlichen politischen Einschätzungen und Selbsteinschätzungen der Liste "Alternative" sind für die Beurteilung des Verhaltens nicht relevant. Das Votum des Ortsvorstandes sieht statt Ausschluss für die Listenführer ein zweijähriges Funktionsverbot und für alle anderen eine Rüge vor. Letztlich entscheiden muss nun jedoch noch der Vorstand der IG Metall.

Die "Alternativen" schließlich, die seit Wochen reklamieren, die IG Metall wolle ihre politischen Auffassungen zensieren und aus der IG Metall verbannen, müssen sich wohl etwas Neues einfallen lassen. Die immer noch in der öffentlichen Diskussion stehende Aussage der Alternativen, ihre zweite Liste sei erforderlich gewesen, weil sie ihnen mehr Chancen auf Betriebsratssitze und Freistellungen ermögliche als eine Kandidatur gemeinsam mit den anderen IG-Metallern, ist vermutlich die ehrlichste Begründung, sagt aber auch allerhand über das politische Wertesystem dieser Gruppierung.  brr

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Daimler: Vom Regen in die Traufe? Erst Kurzarbeit - jetzt Wochenendschichten ohne Ende

Die seit der letzten Wahl wieder in die IG-Metall-Fraktion integrierten Betriebsräte der "Alternative" bei Daimler Untertürkheim schreiben in ihrer neuesten Betriebszeitung:

Noch nie haben wir in der Mercedes-PKW-Welt derart rasante Programmausschläge erlebt. Im Herbst 2008 begann die Talfahrt, im 1. Quartal 2009 der Tiefpunkt mit knapp 175.000 produzierten Einheiten und jetzt mit 314.400 verkauften Mercedes-Benz-PKW das absatzstärkste Quartal aller Zeiten. Dabei wurde und wird die Belegschaft stark gebeutelt. Erst mit heftigen Entgelteinbußen durch Kurzarbeit und Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich und jetzt mit extremer Arbeitshetze, Personalmangel und Wochenendarbeit bis zum Abwinken.

Bei einem Gewinn von fast 2,2 Milliarden € im 1. Halbjahr fragt man sich schon, warum die Belegschaft überhaupt auf Lohn verzichten musste. Dieter Zetsche kündigte für 2010 sogar ein Konzernergebnis von 6 Mrd. € an. Grund genug, dass wir sofort Schluss damit machen, diese Entwicklung auf Kosten der Belegschaft auszutragen.

Personalmangel in allen Bereichen Tausende von Arbeitsplätzen wurden in den letzten Jahren abgebaut. Jetzt rächt sich das. Bei den aktuell explodierenden Programmen fehlt in vielen Bereichen Personal. Und die Werkleitung redet immer noch von Überhängen. Seit Jahren wird auch bei uns im Werk die Personalplanung nur noch an meist absolut illusorischen Kostenzielen ausgerichtet. Die realen Verhältnisse waren dabei schnurz. Aber jetzt muss sich das wieder ändern.

Auch wir im Werk Untertürkheim brauchen dringend Neueinstellungen. Auch hier brauchen die Leiharbeiter eine langfristige berufliche Perspektive und keine "Hire and fire"-Jobs. Alle unsere Azubis brauchen endlich eine langfristige Perspektive und deshalb ausnahmslos unbefristete Arbeitsverträge. Auch wir wollen über einen deutlichen Personalzuwachs ein klares Bekenntnis zu unserem Standort.

Wenn jetzt wieder Milliarden verdient werden, dann muss ein größerer Teil davon auch wieder in akzeptable Arbeitsbedingungen investiert werden und nicht nur den Reichen noch mehr Reichtum bringen. Wenn der Vorstand mehr Autos bauen will, wollen wir auch was: Zusätzliche Anlagen; zusätzliches Personal im Form von Festeinstellungen; Übernahme aller Azubis und feste Zusagen für die Zukunft unseres Standorts in Untertürkheim!

Alternative Nr. 86 vom 5. August

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WIRTSCHAFTSPRESSE

Arbeitgeberverbände (BDA) sind nicht gegen Mindestlohn für Zeitarbeitsbranche. FAZ, Do. 2.9.10. Für die BDA ist ein Mindestlohn für Zeitarbeitsfirmen inzwischen das kleinere Übel. Schwerer tut sie sich mit dem FDP-Vorschlag, Zeitarbeit-Beschäftigte nach einer Frist dem Stammpersonal finanziell gleich zu stellen. Die FDP lehnt dagegen den Mindestlohn für die Branche ab, die CDU schlägt ihn vor. Hintergrund ist die Angst vor einem Zustrom polnischer Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeiter auf den deutschen Arbeitsmarkt zu Dumpinglöhnen. Von Mai 2011 gilt in Deutschland die Freizügigkeit aller EU-Arbeitnehmer. Kritiker des Mindestlohns für die Zeitarbeit befürchten den Einstieg in einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, weil er branchenübergreifend sei. Die Gerichte könnten dann in der Zeitarbeitslohngrenze einen Hinweis darauf sehen, welche Lohnhöhe künftig als "sittenwidrig" anzusehen sei. Klagen gegen niedrigere Löhne werden befürchtet.


Industrie drängt auf EU-Patent. FAZ, Sa. 28.8.10. Die Industrie fordert, trotz des Gegenwinds vom Europäischen Gerichtshof, ein gemeinsames Patent zu schaffen. Die Generalanwältin hatte sich dagegen gewandt, dass ein EU-Patentgericht aufgebaut wird. Es bestehe nach wie vor die Hoffnung, dass sich die EU-Staaten zumindest darauf einigen könnten, in welche Sprachen ein neues EU-Patent übersetzt werden müsste, so der BDI. Bisher gibt es in der EU weder einen einheitlichen Patentschutz noch eine einheitliche Gerichtsbarkeit. Diese würde der Wirtschaft nach Schätzungen der Kommission jährlich bis zu 289 Mio. Euro sparen.


Unternehmen fordern mehr Druck der EU auf China. FAZ, Frei. 3.9.10. Der Präsident der europäischen Handelskammer in Peking, J. de Boisseson, kritisiert, Europa trete nicht mit einer Stimme gegenüber China auf und könne nicht sein volles Gewicht in China ausspielen, solange die vielen bilateralen Vereinbarungen zwischen den EU-Mitgliedstaaten und China existierten. Die EU ist mit 16 % der wichtigste Handelspartner Chinas. Der Katalog der Beschwerden, den die EU-Kammer zusammengetragen hat, hat 600 Seiten. Mannigfaltige Zugangsbarrieren zum chinesischen Markt werden beklagt, restriktive und diskriminierende Methoden der Zertifizierung und Lizenzierung, die Benachteiligung bei öffentlichen Ausschreibungen oder die Verletzung und zwangsweise Offenlegung geistigen Eigentums. Unter den rund 1400 Kammer-Unternehmen herrsche ein allgemeines Gefühl der Frustration, dass die eingeleiteten Marktreformen in vielen Feldern gedrosselt würden.

Zusammenstellung: rst

Raute

DISKUSSION UND DOKUMENTATION


Betreff: Perspektivwechsel. - Politische Diskurse entwickeln sich in kulturellen Zusammenhängen, die - kritisch oder apologetisch - auf die Nationalgeschichte zugeschnitten sind. Mit der EU besteht heute ein übergreifender politischer Zusammenhang, in dem es auf Kunst ankommt, auch einmal die Perspektive der Nachbarn einzunehmen. In loserer Reihe wollen wir an dieser Stelle Bücher und andere kulturelle Produktion vorstellen, die dabei helfen. Nachfragen und Angebote an politischeberichte@gmail.com, Betreff: Perspektivwechsel.


Deutschsprachig, aber ganz anders

Innenansichten während der Entstehung der modernen Schweiz

Die Schweiz steht immer wieder mal im Interesse der deutschen Linken: mal wird die direkte Demokratie zum Vorbild genommen; mal interessiert das Rentensystem, weil es progressiv bei den Beiträgen ist, aber gedeckelt bei der Rentenhöhe. Dann wieder scheint die Schweiz als reaktionäres Schreckgespenst, weil die Stimmbürger den Bau von Moscheen verbieten wollen. Aber sowohl Lob als auch Missbilligung beruhen häufig auf geringen Kenntnissen dieses im Süden an Baden-Württemberg angrenzenden Landes. Mehr Vergnügen als Mühe macht die Lektüre einiger Romane, die Geschichte und Strukturen der schweizerischen Gesellschaft deutlich machen. Es sind mit einer Ausnahme Autoren, die um die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts lebten und veröffentlichten, zu der Zeit, in der in Europa nach der Französischen Revolution und den napoleonischen Kriegen zahlreiche Staatsgründungen stattfanden. Es war die Zeit der Industrialisierung, des Eisenbahnbaus, der Gründung des Deutschen Reiches, aber auch die Zeit, in der die Schweiz ihre heutige politische Gestalt begründete.


Jeremias Gotthelf: Uli der Knecht

Jeremias Gotthelf (eigentlich Albert Bitzius) veröffentlichte 1840 seinen Roman "Wie Uli der Knecht glücklich wird. Eine Gabe für Dienstboten und Meisterleute". Es ist ein Entwicklungsroman, den Gotthelf, Pfarrer und Pädagoge, im Berner Landleben ansiedelt. Der tüchtige Knecht Uli findet am Ende zum Bauernmeitschi Vreneli. Die Moral der Geschichte ist kurzgefasst schlicht: wer tüchtig und arbeitsam ist und an Gott glaubt, der wird belohnt, materiell und mit Lebensglück. Es ist einerseits mehr als halbes Jahrhundert vor Max Weber die Formulierung der protestantischen Ethik als Grundlage der kapitalistischen Entwicklung, aber eben nicht im industriellen Milieu angesiedelt, sondern im bäuerlichen Leben. Andererseits ist es doch ein überwiegend emanzipativer Roman: sozialer Aufstieg ist an die Arbeit gebunden. Die immer wiederkehrenden Moralpredigten beeinträchtigen die Lektüre nicht. Gotthelf versteht es, seinen Figuren Vielseitigkeit zu geben. Wenn man sich erst einmal an die stark dialektgefärbte Sprache gewöhnt hat (in der Reclam-Ausgabe z.B. findet sich dafür eine gute Übersetzung), liest sich der Roman flüssig und ist spannend bis zur letzten Seite.

Uli ist Knecht beim Bodenbauer, eigentlich ziemlich gescheit, aber er fängt an zu "hudeln"; geht ins Wirtshaus, treibt sich mit wüsten Meitschi rum und kommt daher mit seinem Lohn nicht aus. Nachdem ihm der Meister den Kopf gewaschen hat, reißt er sich aber zusammen und wird ein Knecht, den alle loben, mit einem "guten Namen", und er spart ordentlich Geld. Sein Ehrgeiz zum sozialen Aufstieg ist erwacht. Dazu trägt bei, das ihn der Bodenbauer anständig behandelt, ihm am Sonntag in die geheizte Stube lässt, wo der Knecht was lesen kann - ein deutlicher Wink des Autors an geizige Bauern, die ihre Knechte und Mägde darben lassen. Schließlich empfiehlt ihm der Bodenbauer, sich bei einem anderen Bauern zu verdingen. Eine weitere starke Figur: Der Joggeli-Bauer ist ein ewig unzufriedener Bauer, der eigentlich nichts richtig weiß und kann und nur dank seiner guten Frau ab und an die richtige Entscheidung trifft, die ihn aber bald wieder reut. Bei der neuen Stelle muss Uli lernen sich durchzusetzen: die anderen Knechte und Mägde sind nicht begeistert, dass hier einer kommt, der arbeitet. Ihre Intrigen scheitern. Dabei wird geschildert, dass wohlgetane Arbeit gar nicht anstrengender sein muss als Zeit vertun, sich gegenseitig im Wege stehen usw. - ein Lob der Kooperation.

Bei Uli entwickeln sich wieder Flausen. Trotz Fleißes und großer Sparsamkeit sieht er nicht, wie er jemals zu so viel Geld kommen könnte, dass er selber Bauer werden kann. Er setzt deshalb auf die Heirat der Tochter des Joggeli-Bauer. Diese ist eine eitle und putzsüchtige Person, die seitdem sie im "Welschland" war (also der französischen Schweiz), sich als was Besseres dünkt. Aus der Liebelei wird aber nichts, da dieses Mädchen sich in einen Betrüger verguckt, der vornehm tut und angeblich einen großen Handel hat, der aber nur den Hof will um abzukassieren. Schließlich findet aber Uli in der Magd Vreneli die richtige Frau, ebenso tüchtig wie er und von heiterem Gemüt. Sie erhalten schließlich den Hof als Lehensgut, als Pächter.

Die detailreichen Schilderungen machen nicht nur die moralische Einstellung zu Arbeit und Reichtum deutlich. In der Schweiz des 19. Jahrhunderts waren erhebliche Teile der Bauernschaft auf dem Wege reich zu werden. Sie kamen zu bedeutenden Geldvermögen, die neben den industriellen Reichtümern die Grundlage für den späteren "Finanzplatz" Schweiz legten. Voraussetzung hierfür war aber auch die politische Einigung der Schweiz. Gotthelf schrieb seinen Roman in der Zeit des Sonderbundkrieges, in dem die klerikalen Kräfte, vor allem der katholische Kantone der Schweiz gegen die liberalen Kräfte zu Felde zogen (es kam zu zwei Schlachten). Zugleich kam die soziale Frage auf: Gotthelf kritisierte scharf die herrschenden Berner Familien, die sich nicht um die Armen kümmerten; das kostete ihn schließlich sein Amt als Schulaufseher.


Gottfried Keller: Martin Salander

Ebenfalls mit dem sozialen Aufstieg und dem Reichwerden beschäftigt sich Gottfried Keller in seinem Roman "Martin Salander". Dieser wurde 1886 veröffentlicht, als die sogenannten Gründerjahre voll im Gange waren, Spekulanten rasch Geld gewannen und auch wieder verloren. Kellers Roman spielt im städtischen Milieu von Zürich. Der Titelheld ist bei Handelsgeschäften in Übersee reich geworden, nachdem er zunächst von seinem Gegenspieler Louis Wohlwend einmal um sein Vermögen gebracht worden war. Martin Salander kommt in die Stadt Zürich zurück und nimmt dort seine Handelsgeschäfte wieder auf. Er hat zwei Töchter und einen Sohn. Die Töchter verlieben sich in zwei Brüder, Zwillinge, die aus einer biederen Handwerkerfamilie stammen. Trotz Bedenken der Eltern scheint sich zunächst auch alles prächtig zu entwickeln. Die Brüder werden beide zu Notaren gewählt, nachdem sie sich ins politische Geschäft begeben hatten, allerdings ohne eigene politische Ideen. Sie hatten ausgewürfelt, wer welcher Partei beitritt. So wird der eine Demokrat (Anhänger des Verhältniswahlrechts), der andere Altliberaler (Anhänger des Mehrheitswahlrechts, das zur Herrschaft weniger Industriellenfamilien führte). Sie verabredeten sich gegenseitig über die jeweils andere Partei zu informieren und machen mit ihrem Insiderwissen daher rasch Karriere. Die Eltern Salander geben ihre Bedenken schließlich auf und billigen eine Heirat, schließlich seien die Töchter volljährig und dürften selbst entscheiden. Die Hochzeit wird zu einer politischen Veranstaltung. Martin Salander hat die Idee, die Hochzeit als Versöhnung von Demokraten und Altliberalen darzustellen: in Zukunft würde man "nur eine Partei noch kennen, diejenige der geeinigten und befriedigten Patrioten". Die Sache geht aber schief. Was sich schon bei den Parteieintritten andeutete, ist der unehrliche Charakter der Zwillingsbrüder, am Ende landen sie im Gefängnis.

Gottfried Keller versteht es, verschiedene Handlungen zu verflechten, die ein Licht auf die Gesellschaft Zürichs in den 1860er und 70er Jahren werfen. 1867 gab es in Zürich eine große Verfassungsrevision, die dem Volk weitgehende Recht zuerkannte: Wahl der Behörden und Beamte, Gesetzesinitiative, Schutz von Arbeiternehmern. Diese moderne Schweiz musste erprobt werden; die neue Rolle des Staates als Gewährleister öffentlicher Güter entstand, der damit allerdings auch zunehmend gesellschaftliche Mittel in Form von Steuern beanspruchte. In dem Roman formuliert das Martin Salander als Mitglied des Großen Rates (Stadtparlament) so: "Salander verfolgte den Mittelweg, die Fühlung mit den gesellschaftlichen Umsturz abzulehnen, dagegen die Zustände durch das Verstaatlichen aller möglichen Dinge in den bisherigen Formen zu erleichtern und zu verbessern, so daß er einen Standpunkt einnahm, den er vor kurzen Jahren noch bestritten hatte, die damaligen Inhaber jedoch als einen überwundenen schon preiszugeben bereit waren."


Ulrich Bräker: Der arme Mann im Tockenburg

Seine Lebensgeschichte hat Ulrich Bräker gut hundert Jahre vor Gottfried Keller aufgeschrieben. Sie wirft ein Licht auf die Lebensverhältnisse der Armen in der Schweiz an der Schwelle der Industrialisierung. Der Autor ist als Sohn eines Kleinbauern auf die Welt gekommen, wurde in den preußischen Militärdienst gepresst und konnte dann bei einer Schlacht gegen die österreichische Armee desertieren. Er hat sich Lesen und Schreiben mehr oder weniger selber beigebracht und hat 1781 als 45jähriger begonnen, seine Lebensgeschichte aufzunotieren. Er lebte in Wattwil, Toggenburg, das damals dem Fürstabten von St. Gallen unterstand. Bräker war zu dieser Zeit Garnhausierer (seiner etwas zänkischen Frau zuliebe nannte er sich aber Garnkaufmann). Der Baumwollhandel war in der Ostschweiz der Keim der späteren Textilindustrie. Bräker wird gebeutelt von den Konjunkturen und Krisen dieses Geschäftes. Ständig mit Schulden belastet, nimmt er bei dem einen Gläubiger Geld auf, um einen anderen zufriedenzustellen. Hintergrund ist der große ökonomische Umwandlungsprozess, der die bäuerlichen Verhältnisse in kapitalistische verwandelte. Bräker, ein Plebejer, hat das Lesen vermutlich außer aus der Bibel im Wesentlichen mit den pietistischen Traktätchen gelernt, die im 18. Jahrhundert in der Ostschweiz bei den Bauern verbreitet waren; das prägt auch seine Einstellung gegenüber den Schicksalsschlägen, aber auch Lebensfreuden. Bei Bräker ist wie schon bei Gotthelfs Uli das Fortkommen durch fleißige Arbeit und das Lesen charakteristisch - als Autor wurde er sogar endlich schuldenfrei. Wobei Bräker eher die Vergeblichkeit vieler Mühen darstellt als den Erfolg, was ein durchaus realistisches Bild der armen Landbevölkerung an der Schwelle zum Kapitalismus ergibt.


Weiterer Literaturhinweis

Erstaunlich ist die große Zahl von hervorragenden deutschsprachigen Autoren der Schweiz. Aus dem 19. Jahrhundert wäre noch zu nennen Conrad Ferdinand Meyer, dessen Roman "Jörg Jenatsch" einerseits die Geschichte Graubündens mit den Religionskriegen während des Dreißigjährigen Krieges darstellt, zugleich mit Bezugspunkten zum deutsch-französischen Krieg 1870/71, der C.F. Meyer als Anhänger der Kultur beider Länder (er sprach ausgezeichnet französisch) tief verunsicherte.

Alfred Küstler

Im Schattenblick nicht veröffentlichte Abbildungen:

- Porträt: Jeremias Gotthelf
- Porträt: Ulrich Bräker und seine Frau Salome


*


Schweizer Geschichte ganz kurz

Die folgende Darstellung stützt sich auf die dreibändige "Geschichte der Schweiz und der Schweizer", die 1983 in deutsch, französisch und italienisch im Verlag Helbing&Lichtenhahn als Gemeinschaftswerk von zehn Historikern verschiedener Schweizer Universitäten erschien.

Die These der Schweizer Historiker: Die Schweiz als "Staatsnation" gründet nicht in einer einheitlichen Kultur, nicht in einem Volkstum und auch nicht einer einheitlichen Sprache, sondern ausschließlich auf dem politischen Willen ihrer Beteiligten. Nach dem Zerfall des Römischen Reiches, dessen Teil die Schweiz war, blieb ein romanischer Teil vor allem in den Alpentälern. Der Südwesten gehörte zum Burgunderreiche und im Norden siedelten die Alemannen.

Die Gründung der Schweiz am Ende des 13. Jahrhundert steht unter der Überschrift: "Von der Abwehr einer unsicheren Zukunft zum Streben nach einem kollektiven Sicherheitssystem". Es war die Zeit der Städtegründungen. Aber anders als im Deutschen Reich kam es nicht zu einer Blüte der Städte auf Kosten des Landes, sondern die Bauernwirtschaften blühten ebenfalls auf. Besonders die Landwirtschaft in den alpinen Gebieten der Schweiz hatte keine Grundherrschaft gekannt, sondern freie Bauern (und abhängige Knechte). Früh entwickelte sich eine Austauschwirtschaft, zunächst zwischen Stadt und Land, dann aber auch über weitere Entfernungen. Da der Getreideanbau kärglich war, verlegte sich die Bauern auf Viehzucht und Milchwirtschaft; Ein- und Ausfuhr von und nach Italien waren beachtlich. Statt Subsistenz- gab es eine Austauschwirtschaft, zumal die Transporte über die Alpen eine wichtige Geldeinnahme waren. Die Verkehrswege waren zentral, deren Absicherung ein wichtiger Grund für den politischen Zusammenschluss in der Eidgenossenschaft. Der Gotthard wurde damals als Verkehrsweg eröffnet, an dessen Nordrampe liegen die drei Gründerkantone der Eidgenossenschaft. Diese Art Wirtschaft erforderte dringend den "Landfrieden".

Die Schweiz entwickelte sich immer im europäischen Umfeld: Im Norden das Deutsche Reich, von dem die Schweiz vertraglich erst mit dem Westfälischen Frieden nach dem Dreißigjährigen Krieg loskam. Im Osten das Habsburger Reich, das als Feudalmacht Besitzansprüche in der Schweiz hatte und immer wieder Versuche zur Eingliederung der Schweiz unternahm. Im Westen und Südwesten grenzten Frankreich und das Königreich Savoyen. Im Süden wechselten die verschiedenen Herren des Königreichs Mailand ab. Die Schweiz hat von dieser Lage profitiert: als Handelsmacht, als Exporteur von Milch und Vieh und bereits ab dem Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert als Lieferant von Söldnern für die europäischen Armeen. Die internationale Ausrichtung blieb: heute gibt es weltweit agierende Konzerne in der chemischen Industrie, bei Lebensmitteln und im Maschinenbau sowie eine bedeutende Finanzwirtschaft.

Die Schweiz war aber auch immer wieder bedroht von ihren Nachbarn. Das war ein Grund, warum der politische Zusammenschluss der Kantone lange Zeit sehr locker blieb. Die Welschschweiz orientierte sich nach Savoyen und Frankreich; die Deutsch-Schweiz musste in wechselnden Allianzen zwischen dem Deutschen Reich und den Habsburgern austarieren; Graubünden und das Tessin waren Kampfgebiete mit den Habsburgern und den Mailändern. Das führte zu einer ausgeprägten Eigenständigkeit der verschiedenen Kantone, zwar Eidgenossen, aber mit eigener Außenpolitik, eigenen Armeen usw.

Die Französische Revolution und die Industrialisierung beförderten dann die Herausbildung der modernen Schweiz mit einheitlichem Zollgebiet, einheitlicher Währung usw. wie auch in den übrigen europäischen Ländern. Die geschichtliche Tradition aber führte dazu, dass die Schweizer Verfassung von 1848 extrem föderalistisch angelegt war und die Elemente der direkten Demokratie, wie sie in den Landgemeinden üblich waren, übernommen und in den Folgejahren modernisiert wurden.

Raute

IN & BEI DER LINKEN

Ulrich Maurer: "Wir müssen näher an die Menschen ran"

Die Internetredaktion der Linksfraktion hat am 7. September folgendes Interview mit Ulrich Maurer, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion Die Linke im Bundestag, geführt:

Die Fraktion startet die politische Arbeit nach der Sommerpause mit einer Klausur. Veränderungen sind zunächst auf personeller Ebene festzustellen. Was bedeutet das für die Mannschaftsaufstellung?

Ulrich Maurer: Die nach Oskars Rücktritt vom Fraktions- und Parteivorsitz notwendige Neuaufstellung der Fraktion ist in trockenen Tüchern. Der Fraktionsvorstand und seine Geschäftsführung sind jetzt kompakter und damit schneller entscheidungsfähig. Die Arbeit der Fraktion wird nun auf längere Sicht geplant, die strategischen Aspekte sollen stärkere Bedeutung bekommen.

Wird die Fraktion auch in der inhaltlichen Arbeit neue Akzente setzen?

Es steht außer Frage, dass wir uns in den bevorstehenden Monaten auf die Auseinandersetzung um die Rente mit 67, um die Laufzeit von AKWs und um die Gesundheitspolitik konzentrieren. Absolut im Zentrum steht allerdings der Kampf gegen das Sparpaket der Bundesregierung.

Die Linke hat bei den letzten Wahlen Erfolgsgeschichte geschrieben. Sie hat neue Themen ins Zentrum der politischen Agenda setzen können. Dadurch hat sie die SPD gezwungen, Korrekturen an einigen ihrer Schröder-Positionen vorzunehmen. Die SPD gewinnt zur Zeit in Umfragen hinzu, neue Mehrheitsverhältnisse erscheinen im Bundestag denkbar. Stellt sich die Fraktion auf diese Option ein?

Die SPD befindet sich in der Tat in einem Prozess inhaltlicher Kurskorrekturen. Aber die Neuorientierung der Sozialdemokratie, sobald sie als Oppositionspartei in Wahlen geht, haben wir ja oft genug erlebt. Der Wahlbetrug der Agenda 2010, die die Arbeitslosigkeit um 2 Millionen senken sollte, ist von den Menschen nicht vergessen. Ich sehe eine wesentliche Aufgabe von uns darin, nicht nur immer darauf hinzuweisen, wie oft die SPD ihre Wahlversprechen schon gebrochen hat. Das muss sein, immerhin geht es um die Glaubwürdigkeit der Demokratie. Aber es muss auch sein, jetzt die neuen Konzepte auf ihre Tragfähigkeit zu überprüfen - zu prüfen, ob die SPD es ernst meint mit ihrer Kursänderung. Ein Beispiel unter vielen: Dass die SPD heute starke Zweifel über die Sinnhaftigkeit der Rente mit 67 quälen, dürfen wir nicht gleich abhaken als Signal für den nächsten Wahlbetrug. Wir müssen deutlich machen, dass die bloße Verschiebung der Einführung der Rente mit 67 völlig unzureichend ist. Die SPD hat mit der Privatisierung der Alterssicherung und dem so genannten Dämpfungs- und Nachhaltigkeitsfaktor die Gesetzliche Rentenversicherung zerstört. Wir müssen den Menschen verständlich machen, dass ohne die grundlegende Abkehr von dieser Politik Millionen Menschen weiterhin von Altersarmut bedroht sind. Ähnliches gilt beispielsweise für den Hartz IV-Regelsatz, an dem die SPD skandalöserweise nicht rühren will. Und so weiter, und so weiter.

Sparpaket, Rente ab 67, Akw-Laufzeitverlängerung: Gegen all dies wird es unter dem Stichwort "heißer Herbst" in den kommenden Monaten Proteste geben, unter anderem von Gewerkschaften. Wie wird sich die Fraktion in diesem "heißen Herbst" aufstellen, nicht zuletzt mit Blick auf die Aktionen der Gewerkschaften?

Die Gewerkschaften agieren nach der Erfahrung der Jahrhundertkrise unter dem massiven Schock der Angst vor Arbeitsplatzverlust, und die Anzeichen einer zweiten Welle der Krise werden immer deutlicher. Entsprechend flexibel werden die gewerkschaftlichen Kampfformen ausgerichtet. Wir als Bundestagsfraktion werden auf jeden Fall alles in unseren Kräften Stehende tun, um diese von den Gewerkschaften und parteiunabhängigen Bewegungen initiierten Kämpfe unterstützend zu begleiten.

Die Fraktion Die Linke leistet harte und erfolgreiche Arbeit. Das hat die vergangene Wahlperiode gezeigt. Wie aber erfahren die Menschen davon? Sind auch neue Signale in der Öffentlichkeitsarbeit zu erwarten?

Leider werden viele unsere Initiativen über die Medien nur sehr begrenzt transportiert. Nicht umsonst ist eine Mehrheit der Bevölkerung davon überzeugt, dass Die Linke in den Medien benachteiligt ist. Umso größere Bedeutung haben unsere eigenen Publikationsformen. Deswegen müssen wir zum Beispiel unsere Präsenz im Internet massiv ausbauen. Wir werden uns insgesamt stärker darauf konzentrieren, den Menschen unsere Arbeit durch offensive Öffentlichkeitsarbeit erkennbarer zu machen. Unsere Anträge und Positionspapiere müssen kürzer, knackiger und anschaulicher werden. Wir müssen näher an die Menschen ran, sowohl bei den Inhalten als auch in Sprache und Bildern, also das, was Gregor Gysi die Arbeit der Übersetzung nennt.

Eine letzte Frage: Was sagen sie zum Vorschlag von Klaus Ernst, auf seine Fraktionszulage zu verzichten?

Mal sehen, ob jetzt Ruhe einkehrt.

www.linksfraktion.de, 7. September

Raute

Deutsch-Tschechische Nachrichten Dossier Nr. 13

Soeben neu erschienen ist das Dossier Nr. 13 der Deutsch-Tschechischen Nachrichten (Bezug über: dtn-redaktion@alice-dsl.net). Die Redaktion stellt den Inhalt vor:

Liebe Leserinnen und Leser,
heftige Debatten hat in Tschechien nicht nur das drastische Sparprogramm der neuen Regierung - 2010 sollen 10 Milliarden Kronen (ca. 400 Millionen Euro) eingespart werden - ausgelöst. Umstritten ist auch eine kurzfristig ins Regierungsprogramm aufgenommene Passage, wonach künftig der sog. "dritte Widerstand" (nach dem Widerstand gegen das Habsburgerreich und die faschistische Besatzung), d.h. der auch mittels Sabotageakten und bewaffneten Anschlägen praktizierte antikommunistische Widerstand, mit dem antifaschistischen Widerstand gleichgestellt werden soll. Anlass hierfür war das Begräbnis von Milan Paumer, Mitglied einer Gruppe, die Anfang der 1950er Jahre Polizeistationen und Lohngeldtransporte überfiel, Brandanschläge verübte, Sprengstoffattentate plante und dabei etliche Morde beging. Gemeinsam mit den Anführern der Gruppe, den Brüdern Ctirad und Josef Masín, schoss sich Paumer 1953 schließlich den Weg durch die DDR nach Westberlin frei. Sechs Menschen wurden auf diesem Weg von ihnen getötet. Die Hoffnung der "Partisanen", anschließend mit der US Army als "Befreier" in ihre Heimat zurückkehren zu können, wie es ihnen Voice of America und Radio Free Europe suggeriert hatten, erfüllte sich allerdings nicht.

Am 4. August unterbrach der neue tschechische Ministerpräsident Petr Necas (ODS) die Regierungssitzung für dreieinhalb Stunden, um zusammen mit seinen Stellvertretern Schwarzenberg und John sowie weiteren Ministern an der Trauerfeier für Paumer im Schlosstheater des mittelböhmischen Kurortes Podebrady teilzunehmen. Necas über Paumer: "Die Entscheidung Milan Paumers, sich der Unfreiheit zu widersetzen und das Leben im Totalitarismus zu verlassen, hatte einen heldenhaften Charakter - im positiven Sinne."

Annäherung auf dem Boden der Totalitarismusdoktrin (rot = braun) erhofft sich Bernd Posselt. Anlässlich des 60. Jahrestages der Charta der deutschen Heimatvertriebenen forderte der Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft eine "Fortschreibung der Charta". Diese solle "im direkten Dialog zwischen den Landsmannschaften und den demokratischen Repräsentanten der östlichen Nachbarn, die es damals nicht gab", fortgeschrieben werden. Orientieren könne man sich dabei, so Posselt in einer Pressemitteilung, am "Wiesbadener Abkommen". Diese längst vergessene Kooperationsvereinbarung wurde von Vertretern der SL und dem im westlichen Exil lebenden, tschechischen General Prchala beim "Weltkongress" der von den USA ausgehenden, militant antikommunistischen, christlich-fundamentalistischen Erweckungsbewegung "Moralische Aufrüstung" in Caux (Schweiz) ausklamüsert und am 4. August 1950 unterzeichnet.

Gelegenheit zum "direkten Dialog" soll, wenn es nach Posselt geht, der Besuch des bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer in Prag bieten. Dessen Terminwünsche (September/Oktober) wurden jedoch erstmal zurückgestellt. Vor Seehofer dürfte zunächst Bundesaußenminister Westerwelle nach Prag fahren, Seehofer muss warten.

Auch sonst läuft manches nicht so, wie es sich Posselt und Erika Steinbach vorstellen: Das große Jubiläum - 60 Jahre Charta - war keineswegs so großartig wie angekündigt. Weder der Bundespräsident noch die Kanzlerin erschien zum Festakt, der noch dazu unter dem Eindruck einer heftigen öffentlichen Debatte über zwei der vom BdV benannten Vertreter im Stiftungsrat "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" stattfand. BdV-Präsidentin Steinbach war denn auch sichtbar nervös und verunsichert, verstieg sich aber dennoch zu der kühnen Behauptung, nazistisches Gedankengut habe in den Vertriebenenverbänden nie eine Rolle gespielt.

Zurück zum Sparprogramm. Wie in Deutschland, so sollen auch in Tschechien die kleinen Leute die Krise bezahlen. Wie in Deutschland trifft das in starkem Maße die Kommunen. In Mariánské Lázne trafen sich deutsche und tschechische Linke, um gemeinsam andere Wege aus der Krise zu suchen. Sie fanden nicht das Ei des Kolumbus, stellte aber auf beiden Seiten fest, dass die Debatte über die Grenze hinweg weitergeführt werden muss.

Soweit unsere Themen.

Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen Ihre DTN-Redaktion

Raute

Die nächste Ausgabe der Politischen Berichte erscheint am 7. Oktober.

Redaktionsschluss: Freitag, 1. Oktober. Artikelvorschläge und Absprachen über pb@gnn-verlage.de.
Tel: 0711/3040595, freitags von 7-12 h.

Die nächsten Erscheinungstermine, jeweils donnerstags: 4. November, 2. Dezember, 12. Januar 2011, 17. Februar.


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IMPRESSUM

Politische Berichte

ZEITUNG FÜR LINKE POLITIK - ERSCHEINT ZWÖLFMAL IM JAHR

Herausgegeben vom: Verein politische Bildung,
linke Kritik und Kommunikation,
Venloer Str. 440, 50825 Köln
Herausgeber: Barbara Burkhardt, Christoph Cornides,
Ulrike Detjen, Emil Hruska, Claus-Udo Monica,
Christiane Schneider, Brigitte Wolf.

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Aktuelles aus Politik und Wirtschaft;
Auslandsberichterstattung:
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Die Mitteilungen der "Bundesarbeitsgemeinschaft der Partei
Die Linke Konkrete Demokratie - Soziale Befreiung" werden
in den Politischen Berichten veröffentlicht.

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Druck: GNN Verlag Süd GmbH Stuttgart

Gegründet 1980 als Zeitschrift des Bundes Westdeutscher Kommunisten unter der Widmung
"Proletarier aller Länder vereinigt Euch!
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt Euch".
Fortgeführt vom Verein für politische Bildung, linke Kritik und Kommunikation.


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Quelle:
Politische Berichte - Zeitschrift für linke Politik
Ausgabe Nr. 9, 9. September 2010
Herausgegeben vom: Verein politische Bildung,
linke Kritik und Kommunikation
Venloer Str. 440, 50825 Köln
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Internet: www.gnn-verlage.com


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2010