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ROTER BRANDENBURGER/022: Zeitung der Deutschen Kommunistischen Partei - Landesvorstand Brandenburg 12/12


Roter Brandenburger - Dezember 2012
Zeitung der Deutschen Kommunistischen Partei - Landesvorstand Brandenburg



In dieser Ausgabe ...

- Paradies des Friedens
- Sklavenhalter und Kleiderständer
- Lenin oder nicht Lenin in Potsdam
- Missionen
- Das andere Spanien
- Kein Ort für Nazis - Frankfurt (Oder)
- Liebknecht-Luxemburg-Demo
- Verdeckt gegen den Hass
- Kommunismus (Teil XV)
- Gedanken zum 20. Parteitag
- Brandenburger Nachrichten in Rot
- Interview
- Roter Bücherwurm
- Anzeigen / Impressum

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Auch Generäle haben gestreikt!

Nein, nicht deutsche Generäle haben sich gegen die sich ausweitenden Auslandseinsätze der Bundeswehr gewandt. In Portugal haben sich Generäle am Generalstreik beteiligt. Hier gab es am 14. November d. J. Demonstrationen von zigtausenden Soldaten aller Dienstgrade, Matrosen, Polizisten. Sie skandierten, dass sie sich nicht zur Unterdrückung und Ausblutung des Volkes missbrauchen lassen werden. In der immer noch lebendigen und jetzt wieder stärker werdenden linken Bewegung in den Streitkräften werden die Schwüre der "Nelkenrevolution" zum Sturz der faschistischen Diktatur Salazars/Caetanos immer noch ernst genommen.

Am darauf folgenden Samstag haben in Madrid 5.000 Polizisten demonstriert. Sie sind ebenfalls von den Gehaltskürzungen im Öffentlichen Dienst betroffen. Auf einem ihrer Spruchbänder stand: "Bürger, vergebt uns, dass wir nicht die festnehmen, die wirklich verantwortlich für diese Krise sind: Banker und Politiker."

An diesem 14. November hat der Europäische Gewerkschaftsbund EGB zu europaweiten Protesten aufgerufen. Als "historischen Moment in der europäischen Gewerkschaftsbewegung" hat der EGB die Proteste vom Mittwoch gegen die von EU und Internationalem Währungsfonds verordnete sozialfeindliche Kürzungspolitik bezeichnet. Millionen Beschäftigte in etlichen Ländern traten in den Streik oder beteiligten sich an großen Demonstrationen. Zur Arbeitsniederlegung hatten Gewerkschaften in Griechenland, Spanien, Portugal, Italien und Belgien aufgerufen.

Die Ausgebeuteten und Unterdrückten zeigen zunehmend, dass sie nicht willens und in der Lage sind, allein für die Folgen dieser Krise des Kapitalismus aufzukommen. Ein Gespenst geht um...

Frank Novoce

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Paradies des Friedens

Auch nach 1945 wurden fast alle Kriege - von denen gegen Vietnam bis zu den heutigen im "arabischen Frühling" - mit hinterhältigen Lügen "begründet". Trotz aller geschichtlichen Erfahrungen. Als Deutschland bei seinem Überfall auf Polen am 1.9.39 mit dem Schrei "seit 5 Uhr 45 wird jetzt zurück geschossen" heimtückisch die Überfallenen zu Angreifern erklärte, glaubte das die Mehrheit der Deutschen. Auch die der Österreicher und der "Sudetendeutschen", die 1938 ins Reich "heimgekehrt" waren. Mit schlimmen Folgen, auch für sie selbst. Die schreckliche Erfahrung hat jedoch keineswegs verhindert, dass nach 1945 die Lügen von Kriegsbrandstiftern ebenfalls massenhaft geglaubt wurden. Schlimmer noch, während nach der militärischen Niederlage Deutschlands 1945 wenigstens noch Hauptschuldige der Aggression vor Gericht gestellt wurden, kräht heute selbst dann kein Hahn mehr, wenn die Kriegsbegründungen der aktuellen Kriegstreiber als absolute Fälschungen und Lügen offenbar werden. Gewisse Staaten, zu denen leider auch Deutschland gehört, maßen sich an, die Welt in gute und böse Staaten und Völker aufzuteilen. Sehr gefährlich! So können die NATO- wie die EU-Staaten offensichtlich ungehindert ihre Streitkräfte umstellen: Von solchen, die zumindest offiziell einzig und allein der "Abschreckung und Verteidigung" dienten, zu solchen, die schon von vornherein zu "Eingreiftruppen" erklärt werden. Und die Befürchtung, diese werden anderen Staaten und Völkern mit militärischer Gewalt beibringen, was man in NATO und EU für Recht und Ordnung hält, ist durch die Erfahrung längst bestätigt. Die Verharmlosung dieser Vorgänge sollte den Deutschen schlaflose Nächte bereiten. Denn dieser Kriegskurs geht für sie nur so lange "gut" und trifft "nur" andere mörderisch, so lange die anderen sich das infolge Schwäche, Uneinigkeit oder Unentschlossenheit bieten lassen.

Der Friedensnobelpreis für die EU verharmlost alle Kriegstaten der EU-Staaten. Schon die wesentliche Begründung ist eine Lachnummer; Die EU habe dafür gesorgt, dass seit sechs Jahrzehnten in Europa zwischen Staaten Frieden herrsche, die sich zuvor in blutigen Kriegen gegenüber standen. Die EU besteht allerdings erst seit 19 Jahren. Auch den Krieg zur Aufteilung Jugoslawiens übersahen die EU-Verherrlicher geflissentlich. Und der Kalte Krieg mit all seinen Opfern wurde aus deren Sicht wohl einseitig vom teuflischen Ostblock geführt. Im Übrigen war die EU im Embryonalzustand die Montanunion und die wiederum ein Zusammenschluss solcher Wirtschaftskräfte, die auch die Gründung des Deutschen Reiches unter Preußens Führung 1871 in Versailles (Frankreich!) befördert hatten. Dessen bis dahin zahlreiche deutsche Staaten führten im 19. Jahrhundert vor der Vereinigung auch eifrig Krieg gegeneinander, um danach lieber gemeinsam und stärker gegen andere vor zu gehen. Dabei ging es bekanntlich um "den Platz an der Sonne". Worin bitte besteht der inzwischen offen erklärte Zweck der EU? Sind die Friedenspreisverleiher völlig ahnungslos? Sie übersahen auch, dass das Europaparlament nicht einmal den Wirkungsgrad des Parlamentes jener Kaiserzeit erreichen kann. Selbstverständlich übersahen sie das offensichtliche Bündnis von allen Sorten von Republikanern mit den Monarchisten Europas - im 21. Jahrhundert! Und sie wären natürlich überfordert, würde man bei ihnen Wissen über die blutigen Folgen des Bündnisses von Großkapital und Großadel im Deutschland von 1871 und 1919 für die Menschheit erwarten.

In der EU wissen ja nicht einmal die Linksparteien, wer in der Realität Entwicklung, Struktur und Politik des Staatenbundes bestimmt: Nämlich wie im Kaiserreich, der Weimarer Republik, im III. Reich und in der Bundesrepublik das Großkapital, also jene Menschengruppe, die über die Produktionsmittel und das "flüssige" Kapital und damit über unser aller Lebensumstände entscheidet. Welche Geschichtsforscher enthüllen endlich die krumme Linie, die von der Gründung des Preußisch-Deutschen Reiches am 18. Januar 1871 zur Führungsrolle der Bundesrepublik Deutschland in einem Teilgebiet Europas (übertrieben Europäische Union genannt) führte? Das Lachen vergeht einem völlig angesichts gravierender Parallelen. Und dieses im Inneren explosive Gebilde, gezeichnet von Hochrüstung und Eingreiftruppen, Gebilde ernannte man zum vorbildlichen Paradies des Friedens.

Hans Stahl

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Sklavenhalter und Kleiderständer

Viel Zeit ist noch nicht vergangen, als auch im Roten Brandenburger die Textildiscounter KiK aufgefordert wurde, seine Kleiderständer in Hakenkreuzform auszutauschen. KiK wies die Kritiken energisch zurück und stellte sich als modernes, weltoffenes Unternehmen dar. Misstrauen war angebracht, wie sich zeigt. Noch immer finden Kundinnen und Kunden in KiK-Filialen die Kleiderständer in ihrer auffällig abfälligen Form. Im September diesen Jahres rückte KiK erneut in den Fokus. Im pakistanischen Karachi kamen beim verheerenden Brand in einer Textilfabrik 318 Arbeiterinnen und Arbeiter grausam um. KiK ließ in dieser Fabrik Hosen herstellen. Gearbeitet wird in Pakistans Textilindustrie unter oft katastrophalen Bedingungen. Arbeitsschutzbestimmungen, sofern überhaupt vorhanden, werden nicht, können wegen des Leistungsdrucks gar nicht eingehalten werden. Zu äußerst geringen Löhnen wird in der Regel vierzehn Stunden geschuftet. Gewerkschafter werden unter Druck gesetzt. Unsägliche Bedingungen herrschen. KiK, das moderne und weltoffene Unternehmen, zahlte nach der Brandkatastrophe scheinbar spontan 500.000 Dollar in einen Hilfsfonds für die Hinterbliebenen der Opfer ein. Wertschätzung eines sich modern gebenden Unternehmens für seine Sklaven! Rund 1.500 Dollar für eine getötete Arbeitskraft. In Aussicht gestellt sind weitere 500.000 Dollar für nicht näher definierte längerfristige Maßnahmen. Ja, warum zahlen die, noch dazu scheinbar freiwillig, überhaupt? Sie stellen sich für die Öffentlichkeit anteilnehmend dar, weil sie durch den Verlust keinesfalls Profitsteigerungen hinnehmen können. Genau wissen sie, dass eine angemessene Entschädigung etwas 20 Millionen Euro verlangen würde. Deshalb versuchen sie mit generöser Geste ein Milliönchen auf den Tisch zulegen, um nach Möglichkeit Schweigen zu erkaufen. Das ist menschenverachtend und also menschenfeindlich und nur Zyniker können darin Modernität und Weltoffenheit erkennen. Offener manifestiert sich eine Grundhaltung - und zu dieser passen auffällig die beschriebenen Kleiderständer - selten, meint    Maggh

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Lenin oder nicht Lenin in Potsdam Missionen

Die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung hat sich auf Antrag der CDU mit Lenin befasst. Zumindest mit seinem Denkmal. Dies stand vor dem Haus der Offiziere in der Hegelallee. Die DKP-Gruppe Potsdam hat vor 10 Jahren das Denkmal von Schmutz gesäubert und den Schriftzug erneuert. 2004 ließ der Investor, der das Grundstück erwarb, das Denkmal demontieren und einlagern. Die CDU der Stadt Potsdam wollte vorsichtshalber die Wiederaufstellung verhindern.

CDU-Fraktionschef Horst Heinzel hatte den Antrag mit flammender Rede begründet. Das Lenindenkmal, so Heinzel, ist zwar noch immer in der Denkmalliste des Landes enthalten. "Dies rechtfertigt aber nicht zwingend seinen Erhalt in der Landeshauptstadt. Die Biografie von Lenin weist ihn nicht zwingend als einen aufrechten Demokraten aus, schon gar nicht mit einem Denkmalstatus." Überhaupt: "Lenin hat es nicht verdient, dass man sich so lange über ihn unterhalten muss."

Raunen bei den Linken. "Nu pogodi! Na warte!", denkt sich Fraktionsführer Hans-Jürgen Scharfenberg und schießt zurück. "Wenn man erreichen möchte, dass nicht zu viel über Lenin geredet wird, ist das der falscheste Weg", kontert er sichtlich vergnügt. Auch Christine Anlauff (Die Andere) setzt nach. "Wenn wir in Potsdam danach gehen, wer lupenreiner Demokrat war und wer nicht, müssen wir die Hälfte unserer Denkmäler abbauen. Ich will gar nicht erst mit Friedrich anfangen." - "Konterrevolution" gescheitert.

Frank Novoce

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Missionen

Es knisterte nicht unbedingt Spannung im Konferenzsaal der Bundeswehrakademie für Information und Kommunikation [auch so etwas finanziert der Steuerzahler!] im brandenburgischen Strausberg, als die Kanzlerin zur diesjährigen Bundeswehrkonferenz erschien. Neues soll sie nicht gesagt haben, verlautete. Das ist nicht ungewöhnlich. Schließlich ist die Bundeswehr inzwischen "Armee im Einsatz" und es ist viel getan worden, das den Bürgerinnen und Bürgern als Selbstverständlichkeit zu vermitteln. Jedoch: Neue Kriegsziele benannte sie mit dem Norden Malis, wo eine "europäische Ausbildungsmission denkbar" sei. Dass sie Rüstungsexporte als "Friedensmittel" deklarierte, konnte deutsche Militärs ebenfalls nicht erschüttern. Waffenlieferungen an Saudi-Arabien, Indonesien, Katar, von denen nach Israel ganz zu schweigen, sind schließlich nach Worten der Kanzlerin "Friedensdienste" und "... es liegt in unserem Interesse, wenn wir Partner dazu befähigen, sich für die Bewahrung oder Wiederherstellung von Sicherheit und Frieden in ihren Regionen wirksam einsetzen." Sicherheit und Frieden? In welchen Regionen, in die der höchstgefährliche deutsche Militärkrempel verhökert wird müssen denn Sicherheit und Frieden wiederhergestellt werden? Die Bundesregierung hat 2011 Einzelausfuhrgenehmigungen von Kriegswaffen für 5,414 Milliarden Euro vergeben [2009 für 5,043, 2010 für 4,754 Milliarden Euro].(1) Daher weht der Wind. Die Friedensposaunen, -trommeln und -pfeifen von Strausberg sind pure Heuchelei. Und in diesem Sinne quoll aus dem Kanzlerinmund: "Wer sich der Friedenssicherung verpflichtet fühlt, aber nicht überall auf der Welt eine aktive Rolle in der Friedenssicherung übernehmen kann, der ist dazu aufgerufen, vertrauenswürdigen Partnern zu helfen, damit sie entsprechende Aufgaben übernehmen."(2) Krieg ist also jetzt Friedenssicherung und in diesem Rahmen werden "Trainingsmissionen" gebraucht, denn schließlich biete die Bundeswehr kein "Leben wie auf dem Ponyhof"(3) bieten, war vom Kriegsminister der Bundesrepublik zu erfahren, dem Mutigen, der sich gerade ohne Raketenbeleitung bis nach Afghanistan fliegen ließ. Er ist übrigens leibhaftiger Sohn des Hitler-Generals und späteren Bundeswehrgeneralinspekteurs Ulrich de Maiziére. "Demagogie, f., Volksverleitung, Volksverführung, bewusst falsche Behauptung, ... und Mission, f., lat., Sendung; kirchliche Bekehrungsgesellschaft..."(4), durchaus zutreffend für das Geschwätz, fand    Till


Anmerkungen

(1) http://web.de/magazine/nachrichten/deutschland/16634058-regierung-genehmigt-ruestungsexporte.html#.A1000107, 13. Nov. 2012.

(2) Alle nicht gesondert gekennzeichneten Zitate, siehe SPIEGEL ONLINE 22. Okt. 2012; MOZ 23. Okt. 2012

(3) Ossietzky, 23/2012, S. 800.

(4) Wilhelm Liebknecht: Volksfremdwörterbuch, Berlin 1948, S. 95.

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Das andere Spanien

In der Norbert-Fiebelkorn-Stiftung in Potsdam zeigte sich auf einer Abendveranstaltung am 12.11.2012 wie begrenzt selbst das Wissen von uns Kommunisten zu den alltäglichen Verhältnissen in Spanien ist. Eingeladen waren neben dem Sohn von Fritz Teppich, der noch einmal über die letzte Auszeichnung seines Vaters in Guernica berichtete, die Vertreter eines Vereins, der in Spanien nach ermordeten und irgendwo verscharrten Kämpfern für die spanische Republik sucht. Das meist ohne Genehmigung der Behörden, die erst aktiv werden, wenn der Verein fündig geworden ist. Diese Arbeit geschieht unter nach wie vor komplizierten Bedingungen, die mit der innenpolitischen Situation in Spanien zusammenhängen. So haben uns Klaus und Andrea auf einige Problemkreise aufmerksam gemacht, die hier nur kurz genannt werden können.

Es gab in Spanien nach dem Tod Francos und der Einführung der bürgerlichen Demokratie nie eine Aufarbeitung der Zeit der faschistischen Diktatur. Der Typ dieser Diktatur, was vielleicht eher bekannt ist, ist vergleichbar mit vielen lateinamerikanischen Diktaturen und mit der schon fast vergessen Obristendiktatur in Griechenland. Obwohl selbst vom europäischen Gerichtshof, der ganz sicher nicht kommunistisch verdächtig ist, eingefordert, wird nach wie vor über die Verbrechen der gesamten Zeit der Diktatur (von den 30iger Jahren bis 1977) der Mantel des Schweigens gehüllt.

Da sind die genannten Ausgrabungen und Ehrungen für die Kämpfer der Republik nicht gern gesehen. Bis auf den heutigen Tag gibt es in Spanien noch Falangistische (also Francotreue) Dörfer. Nie wurde Spanien von Faschisten wirklich gesäubert. Die Entnazifizierung im Adenauerdeutschland war zwar auch ein Witz, aber dieser hier zugedeckte Konflikt flog ihnen dann am Ende der 60iger Jahre um die Ohren. Das gab es in der Form nie in Spanien.

Was uns vielleicht auch nicht so bewusst ist, ist die Tatsache, dass auch die einzelnen Regionen ist Spanien eine sehr differenzierte Politik betreiben. Dies gilt auch für die Erinnerungspolitik.

Wichtig ist auch, dass wir uns bewusst machen, dass der Faschismus in Spanien im Grunde genommen in zwei Zeitphasen aufgeteilt ist. Die erste beginnt mit dem Putsch gegen die reguläre republikanische Regierung nach dem bürgerlichdemokratischen Umschwung. Diese Phase ging weiter mit dem Sieg der faschistischen Konterrevolution und endet so in etwa zu Beginn bis Mitte der 50iger Jahre. Bis dahin war die Diktatur eine faschistische nach dem deutschen und italienischen Typ. Grundsätzlich änderte sich das danach natürlich auch nicht. Es wurde aber versucht, moderatere Züge nach Außen zu zeigen. So verschwanden z.B. die Konzentrations- und Arbeitslager und Regimegegner wurden "nur" noch in Zuchthäuser gesteckt oder per Gerichtsurteil hingerichtet. Zur Arbeit an der Erinnerungskultur gehört es so für den Verein auch, die Stätten der KZs wieder ausfindig zu machen.

Übrigens wird die ETA in Spanien selbst durchaus nicht negativ gesehen, die uns in bürgerlichen Medien ja immer als Terroristen dargestellt wurden. Es wurde faschistischer Terror mit Terror beantwortet. Das in diesem System die katholische Kirche eine miese Rolle spielt, ist selbstverständlich. Hat doch jüngst der Ratzingerpapst alle francquistischen Priester selig gesprochen. Da kann man nur sagen: "Danke", da ist der gewählte Name Programm und wir wissen wieder einmal, woran wir sind. Der Spanienkämpfer Fritz Teppich, Namensgeber unseres "Fritz-Teppich-Vereins zur Sammlung antifaschistischer Biographien", und seine Mitstreiter werden niemals vergessen werden.

Herbert Driebe

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Kein Ort für Nazis Frankfurt (Oder)

Weil die NPD immer noch eine legale Partei ist, durften hundert Neofaschisten unter Führung des aus Bayern stammenden Brandenburger Parteivorsitzenden Klaus Beier, beschützt von siebenhundert Polizisten in Frankfurt (Oder) ein bisschen stiefeln und ihre hasserfüllten Sprüche brüllen. Nicht nur die Polizisten mit ihrer Ausrüstung und ihrem zahlreichen Gerät ließen die Frage nach der Verhältnismäßigkeit stellen. Die Geheimhaltung der Marschroute der Nazis, die Drohung mit strafrechtlichen Konsequenzen im Falle einer Blockade - mit dem Ziel der massenhaften Verunsicherung, weiträumige massive Absperrungen und die Sicherung des Nazihaufens durch starke Polizeikräfte ließen deutlich erkennen, dass staatlicherseits umsichtig für den Schutz der Neofaschisten gesorgt worden war. Dieser Position stand ein großes, buntes, kooperatives, klug handelndes Bündnis von Vereinen, Verbänden, Parteien, Organisationen, anderen Zusammenschlüssen und zahlreichen Einzelpersonen gegenüber. Der stellvertretende Ministerpräsident Markov, Landtagsabgeordnete, der Oberbürgermeister, Stadtverordnete, der Ökumenische Rat, Studierende, Bürger aus Frankfurt (Oder) und der polnischen Nachbarstadt Slubice bekundeten, dass Frankfurt (Oder) KEIN ORT FÜR NAZIS ist. Und die meisten von ihnen mussten hinter doppelten Sperrgittern mit ansehen, wie den Neofaschisten der Weg bereitet wurde. Fassungslos auch der 88-jährige Pole Jan Paciejewski, der als Partisan gegen die deutschen Faschisten gekämpft hatte und jetzt mahnte, Deutsche und Polen müssten gemeinsam gegen den Faschismus in Europa kämpfen. Trotz alledem: Es gelang, eine Spontankundgebung anzumelden, eine Blockade zu schaffen und die Neofaschisten zu stoppen. Viereinhalb Stunden, über die Zeit der genehmigten Spontankundgebung hinaus, machten die Menschen deutlich, dass sie die Neofaschisten nicht wollen. Interessant zu beobachten war, mit welchem Entgegenkommen den Naziveranstaltern seitens der Polizei begegnet wurde. So durfte Beier und sein Stab mehrfach begleitet von Polizei bis an die Blockade heran, um anschließend seinen "Kameraden" ein bisschen Mut zu machen. Erstaunlich auch, dass die Polizei Neofaschisten in kleinen Gruppen gestattete, den Polizeikessel zu verlassen, damit sie sich im nahe gelegenen Supermarkt versorgen konnten - ein Novum für alle, die schon Polizeikessel erlebten - allerdings solche, in denen Antifaschisten drangsaliert wurden. Wir haben die Neofaschisten gestoppt, zum zweiten Mal in diesem Jahr. Sie werden wiederkommen, drohte Beier. Wir werden wachsam bleiben, das Bündnis festigen und darauf hinwirken, noch mehr Bürger zu sensibilisieren und zu motivieren, sich den Neofaschisten in den Weg zu stellen oder zu setzen. Wie es eine betagte Diakonissin tat, die auf einem Campingstuhl sitzend klar stellte, dass, wo sie sitzt, kein Nazi Fuß fassen kann.

Gerhard Hoffmann

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Liebknecht-Luxemburg-Demo

Aufruf zur Teilnahme an der Demonstration im Rahmen der Liebknecht-Luxemburg-Ehrung am 13. Januar 2013 um 10:00 Uhr vom U-Bhf. Frankfurter Tor zur Gedenkstätte der Sozialisten in Friedrichsfelde

In der 1915 erschienenen Junius-Broschüre schrieb Rosa Luxemburg: "Der Triumph des Imperialismus führt zur Vernichtung der Kultur - sporadisch während der Dauer eines modernen Krieges und endgültig, wenn die nun begonnene Periode der Weltkriege ungehemmt bis zur letzten Konsequenz ihren Fortgang nehmen sollte."

Bereits 24 Jahre später bewahrheiten sich Luxemburgs Prophezeiungen. Am 1. September 1939 begann mit dem deutsch-faschistischen Überfall auf Polen der II. Weltkrieg und der bis dahin barbarischste Völkermord aller Zeiten.

Heute gilt es zu verhindern, dass ein noch grausamerer, die menschliche Zivilisation auslöschender Weltenbrand entsteht. Wir demonstrieren am 13. Januar 2013 gegen imperialistische Kriege und alle aggressiven Bestrebungen der EU und der NATO - darunter besonders die USA und deren willige Helfer. Wir demonstrieren gegen deutsche Rüstungsexporte, Auslandseinsätze der Bundeswehr und deutsche Kriegsbeteiligungen. Wir entlarven die so genannte "Responsibility to Protect" als die gemeingefährliche militärische Variante neokolonialistischer Machenschaften und lehnen jegliche militärische Aktionen gegen Syrien und den Iran ab.

Unsere Sympathie gilt allen Bestrebungen, den US-amerikanischen Hegemonieanspruch einzudämmen. Mit Hoffnung blicken wir auf die revolutionären Veränderungen in Lateinamerika und auf das sozialistische Kuba. Unsere besondere Solidarität gilt dem palästinensischen Volk und der israelischen Friedensbewegung.

Wir demonstrieren ebenso gegen wachsende Arbeitslosigkeit und Armut, gegen die unerträgliche Ausweitung des Niedriglohnsektors und besonders gegen die moderne Sklaverei der Leiharbeit. Wir demonstrieren gegen einen unerträglichen Zustand, in dem Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden, was seinen extremsten Ausdruck in den milliardenschweren Rettungspaketen für Banken findet. Wir demonstrieren gegen grassierenden Sozialabbau und die damit einhergehende Entwürdigung von Millionen Menschen, bei weitem nicht nur in diesem Land. Wir sind solidarisch mit den Erniedrigten und Beleidigten, besonders bedrängt in Griechenland und Spanien - nicht zuletzt durch die Politik der BRD.

Wir stellen uns gegen die unverschämten Beschränkungen bürgerlicher Freiheiten. Wir wehren uns gegen die stetig brutaler agierenden Nazis, verlangen die rückhaltlose Aufklärung der faschistischen NSU-Morde und fordern das Verbot der NPD und weiterer Nazistrukturen. Wir demonstrieren gegen jeglichen Rassismus, gegen Antisemitismus und Antiziganismus, gegen Islamfeindlichkeit und Nationalismus. Dem Antifaschismus, der internationalen Solidarität und dem Humanismus gehört unsere ganze Kraft.

So gedenken wir Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts. Ihre Ziele sind die unseren geblieben. Ihren Idealen, für die sie am 15. Januar 1919 von der Reaktion ermordet wurden, fühlen wir uns unverändert verpflichtet.

Wir - Linke unterschiedlicher Strömungen - werden am 13. Januar 2013 friedlich unsere Standpunkte und Forderungen bekunden. Wir rufen zu einem breiten Bündnis auf.

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Verdeckt gegen den Hass

Undercover unter Neonazis

Wenn Neonazis feiern, steht das dritte Reich wieder auf. Dies hat Thomas Kuban am eigenen Leibe erfahren, als er die Rechtsrock-Szene mit versteckter Kamera im Knopfloch seiner Jacke ausgespäht hat. Innerhalb von 15 Jahren hat Thomas Kuban auf rund 50 Neonazikonzerten im rechtsradikalen Untergrund den verdeckten Mann gespielt. Er hat sich als Neonazi verkleidet, sogar die Texte gelernt und mitgesungen oder besser gesagt mitgegrölt. Er war auch in anderen Ländern, wie England, Frankreich, Italien, Tschechien und Ungarn. Die Angst vor der Entdeckung und der damit verbundenen Todesangst waren ständig seine Begleiter. Und sie ist es noch. Rockmusik gilt als Einfallstor zur Neonazi-Szene. Wie gefährlich das vor allem für Jugendliche sein kann, zeigte ein Dokumentarfilm "Blut muss fließen". Rund 900 Jugendliche in Neuruppin und Wittstock sahen diesen Film. Und so gab es auch Gesprächsbedarf nach diesen fünf Aufführungen unter den Teilnehmern, die fast ausschließlich von den Schulen kamen. Als wir uns anstellten, schaute man uns verdutzt an, als ob wir hier falsch wären. Als wir unsere 2 Euro zahlten, war es klar. Nach diesen Aufführungen am 12. und 13. November hatte das Aktionsbündnis "Neuruppin bleibt bunt" und der Verein EstaRuppin am 16. Nov. zu einer Gesprächsrunde ins Jugendwohnprojekt "Mittendrin" geladen. 13 Gäste kamen - auch wir, früher Geborene, fühlten uns mittendrin und noch aufgewühlt und schockiert von den Bildern aus der rechten Rock-Szene. Nach dem wir unsere Meinung sagten, dass wir das nicht für möglich hielten, dass es so menschenfeindlich und brutal ist, kam ein angeregtes Gespräch in Gang. Die jungen Leute kannten zum Teil die rechte Rock-Szene. In der Kreisstadt hat sich in den letzten Jahren schon vieles zum Positiven entwickelt. In Neuruppin gibt es das Bündnis "Neuruppin bleibt bunt" und auch die Erfahrungen aus dem jahrelangen Kampf des Bündnisses "für eine freie Heide" sowie auch eine aktive Antifa-Bewegung bei den Demos gegen die Aufmärsche der Neonazis. Jedoch bleibt die sogenannte "Mitte" völlig sorglos, man könnte meinen ahnungslos, welche Gefahr für Rassismus, Völkerhass, Fremdenfeindlichkeit und Überheblichkeit da drin steckt. Wenn man solche Texte aus der rechten Musikszene hört und liest, bekommt man Gänsehaut und Wut:

Wetzt die langen Messer auf dem Bürgersteig [...]
In der Synagoge hängt ein schwarzes Schwein [...]
Wir bauen eine U-Bahn von Jerusalem nach Auschwitz.

In einem Gespräch mit unserer Enkeltochter, die diesen Film auch sah, äußerte sie sich, dass diese Texte einprägsam sind, zum Teil wegen der Brutalität, aber auch weil sie gut durchdacht sind und sich oft gut reimen. Einige Jungs zelebrierten diese Texte gleich nach. Also gefährlich!

Wie viel muss noch passieren? Zwei Weltkriege und die Ermordeten von den Neonazis in Deutschland in den letzten 20 Jahren, aber auch in den anderen Ländern, wie z.B. in Norwegen und anderswo!

Es ist ein gutes Zeichen, dass solche mutigen Menschen, wie Thomas Kuban, uns solche Dokumente vorlegen, wie mit dem Film "Blut muss fließen". Auch, dass sie so offen angenommen werden, ist ein gutes Zeichen. Aber den Film zu zeigen, reicht nicht, man muss überall darüber reden. Und das muss vor allem durch unsere "Freiheitshüter" unterstützt werden. Sie müssen dieser Bedrohung ihren Anteil wirkungsvoller und mit beiden Augen 'sehend' entgegen setzen.

Gerda und Rudi Menzel

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Kommunismus (Teil XV)

Wer heute an Kommunismus denkt, muss an China denken. Denn China ist inzwischen nicht nur das volkreichste Land der Erde, nicht nur zweitstärkste Wirtschaftsmacht und international politisch einflussreicher Staat. Es hat historisch einmalige Leistungen vollbracht, um die Lebensverhältnisse des Volkes zu verbessern, es übernimmt eine Pionierrolle in der Energiepolitik, um uns die Umwelt zu erhalten, es ist ein Hauptfaktor für den Weltfrieden. Und in dem großen Land regiert seit 63 Jahren die Kommunistische Partei. Dennoch führt es zu Irrtümern, wenn Freund und Feind China als sozialistisches Land bezeichnen. Die chinesischen Kommunisten selbst sind zum Glück realistisch genug, sich in der Übergangsperiode befindlich zu sehen und akzeptieren immer noch die Bezeichnung "Schwellenland". Dieser Realismus schuf eine der Grundlagen des unvergleichlichen Aufschwunges in den jüngsten drei Jahrzehnten. Dabei ist eindeutig: in bedeutenden Anteilen der Produktionsstätten, des Handels, der Dienstleistungen, der Banken bestehen kapitalistische Eigentumsverhältnisse. Hinzu kommt das Prinzip "Ein Land - zwei Systeme", welches bisher vor allem mit Blick auf Hongkong gilt. Ebenso eindeutig ist allerdings auch der Unterschied zwischen den besonders in den USA und der EU einerseits und den in China andererseits wirksamen Grundregeln: In den USA und der EU beeinflussen das Großkapital bzw. dessen Besitzer bestimmend die Gesellschaftsstruktur, seine Entwicklungsrichtung und auch die Staatspolitik. In China sind Struktur und Gesetzgebung so geregelt, dass der Staat zumindest die Grundrichtung der Gesellschaftsentwicklung, einschließlich der Wirtschaft, lenken kann. Das ist für die Staaten des Großkapitals und deren jämmerliche Gesundbeter folgerichtig der Gipfelpunkt der Unfreiheit. Dass zum Beispiel die Armut in der kapitalistischen Welt zunimmt, während es allein dem Ringen um die Überwindung der Hungersnot in China zu danken war, wenn inzwischen die Gesamtzahl der Hungernden auf der Erde zurückgegangen ist, zählt für die Freiheitsbarbaren nicht. Die messen Freiheit an der des Kapitals.

Es ist vielleicht nicht falsch, zu sagen: Die chinesischen Kommunisten haben aus Lenins NÖP gelernt, die nach der Revolution zur raschen Überwindung des Elends in Russland und zu wirtschaftlichem Aufschwung führen sollte. Unter den damaligen Kampfbedingungen konnte die allerdings nicht ausreichend lange Zeit realisiert werden In China wurde sie gewissermaßen auf globale Dimensionen ausgedehnt und sie erfüllt über Jahrzehnte alle Erwartungen. Durchaus vorhandene beträchtliche Risiken werden erkannt - erschrecken jedoch nur Spießer. Und kein Mensch behauptet angesichts der großen Unterschiede in Entwicklung, Verhältnissen und Bedingungen der Völker unserer Erde, der chinesische Weg zum Sozialismus sei der einzig erlaubte.

Mit Zuversicht ist in nächster Zukunft der Übergang von immer mehr Ländern auf einen nichtkapitalistischen Entwicklungsweg zu erwarten, darunter auch solchen, die bereits im 20. Jahrhundert zum Sozialismus wollten. Allerdings unter der Voraussetzung, es gelingt die Aggressionspolitik bekannter imperialistischer Staaten zu durchkreuzen und den dritten Weltkrieg zu verhindern. Es wäre sehr nützlich, wenn das nicht nur alle Kommunisten zutiefst begreifen würden.

H. St.

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GEDANKEN ZUM 20. PARTEITAG DER DKP

"Aus dem Ziel der Revolution ergibt sich klar ihr Weg, aus der Aufgabe ergibt sich die Methode" - Rosa Luxemburg

Detlef Krüger, stellvertetender Landesvorsitzender

In unserer schnelllebigen Zeit mit ihren komplexen Erscheinungen und Entwicklungen immer wieder die aktuelle Lage zu analysieren, neue Entwicklungsrichtungen exakt einzuschätzen, daraus die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, die nächsten Aufgaben abzuleiten und sie dann auch mit aller Kraft umzusetzen, ist eine der vordringlichsten Aufgaben unserer Parteiarbeit.

Grundlage dafür ist unser Parteiprogramm.

Dieses politische Programm ist gleichsam unsere "Ware". die wir den Menschen zur Entscheidungsfindung anbieten. Es hat dabei vor allem zwei Hauptfunktionen zu erfüllen. Einerseits sollen die Interessen der Menschen artikuliert werden, zum anderen gehört es zur Aufgabe, ihre Willensbildung zu beeinflussen.

Die Aktionen unserer Genossen vor Ort zeigen, dass mittlerweile ein gesteigertes Interesse von Menschen an unserem Programm, an unseren Standpunkten, Meinungen und Zielen besteht. Unsere Infostände sind nicht mehr die gemiedenen Orte. Unser Wort und vor allem unsere Tat hat Gewicht in den verschiedenen außerparlamentarischen Bewegungen und Organisationen in denen unsere Genossen präsent sind und aktiv mitarbeiten. Wenn uns auch diese erfreuliche Entwicklung noch viel zu langsam vor sich geht.

Die Gegenkräfte formieren sich! Das gilt nicht nur für die, von den bürgerlichen Medien nicht mehr verschweigbaren, machtvollen Proteste, die Europa in den letzten Wochen und Monaten erschütterten. Dieser Protest und der Widerstand für die Verteidigung sozialer und politischer Rechte, aber auch zunehmend gegen Rechtspopulisten und Faschisten wachsen. Zeitgleich durchgeführte Streiks und sogar Generalstreiks in mehreren Ländern und die zaghafte Unterstützung dieser Proteste durch den Europäischen Gewerkschaftsbund sind Beleg dafür, dass der Widerstand wächst. Objektiv ist die Arbeiterklasse die Hauptkraft dieser Proteste. Aber auch andere kapitalismuskritische Kräfte formieren sich.

Im Antrag des Parteivorstandes der DKP an den 20. Parteitag 2013 wird festgestellt:

"... die Bundesrepublik Deutschland ist bislang eine der wenigen Ausnahmen, was die Bereitschaft zum Widerstand und die Breite des Widerstandes betrifft sowie die Entwicklung von Klassenbewusstsein...", und weiter heißt es:

"Im Rahmen zahlreicher Proteste erklären jedoch auch hier Menschen, dass sie über ihr Lebensumfeld endlich mitbestimmen und mehr Mitspracherechte einfordern, sich mit einer "Vertreterdemokratie" nicht mehr abfinden wollen.

Auch in unserem Land werden antikapitalistische Forderungen lauter."

Genau diese Erfahrungen machen unsere Genossen vor Ort, auf den Straßen, an den Infotischen, bei der Mitarbeit in den verschiedenen Initiativen und Bewegungen.

Die Beratungen und Diskussionen in unseren Gruppen zur Vorbereitung der Landesdelegiertenkonferenz haben diese Einschätzung eindrucksvoll bestätigt. Viele Gruppen sind vor Ort außerordentlich aktiv. Genossen engagieren sich in den vielfältigsten Initiativen und Bewegungen. Dieses Engagement, dieser leidenschaftliche Einsatz stärkt unser Ansehen in der Bevölkerung, steigert die Bereitschaft, unsere Argumente anzuhören.

Zu Recht formuliert der Antrag des Parteivorstandes an den Parteitag die Arbeit in und mit den Gewerkschaften als vordringlichste Aufgabe. In den Zentren, in denen heute noch ein großer Anteil der Menschen in Industriebetrieben mit mehr oder minder gut funktionierenden Gewerkschaftsorganisationen beschäftigt ist, dort ist das eine richtige, zielführende Forderung.

Doch wie ist die Lage hier bei uns in Brandenburg? Ganze Regionen wie z.B. die Uckermark, die Prignitz wurden mit der konterrevolutionären Wende komplett von der industriellen Entwicklung abgehängt. Die Bundesagentur für Arbeit titelte ihren Bericht vom 30.10.2012 für Brandenburg mit "Geringe Dynamik am Brandenburger Arbeitsmarkt - Arbeitskräftenachfrage weiter auf hohem Niveau". Das heißt: Brandenburg liegt immer noch weit über dem Durchschnitt der Arbeitslosenstatistik im Vergleich mit den anderen Bundesländern. Einzig die Nähe zu Berlin schönt diese Statistik. Je weiter die Entfernung von der Hauptstadt, desto höher die Arbeitslosenquote. Aber diese "Verschönerung" der Statistik wird tagtäglich von tausenden Menschen, die teilweise von weither in die Hauptstadt pendeln, mit Lebenszeit erkauft. Und das noch für Löhne, die weit unter dem Durchschnitt liegen. Die wenigen stabilen Arbeitsplätze in der Region und die Menschen, die als "Arbeitssuchende" dem Kapital als Manövriermasse zur Verfügung stehen, üben einen starken Druck auf die bestehenden Belegschaften aus. Die dadurch entstehende Schere im Kopf führt zu einem außerordentlich geringen Organisierungsgrad der Beschäftigten in Gewerkschaften und auch zu geringer Bereitschaft, organisierten Widerstand zu leisten. Und doch flackern immer wieder Aktionen auf, die Mut machen, die wir aktiv unterstützen müssen. So geschehen in diesem Jahr für die Beschäftigten des Klinikums in Eberswalde, die in den Streik für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen getreten sind. Unsere Gruppe aus Ober-Barnim hat sich von Beginn an solidarisch bei den Streikaktionen eingemischt, hat die Streikenden unterstützt und spontan eine Unterschriftensammlung auf dem Marktplatz initiiert, die innerhalb kürzester Zeit über 2.000 Unterschriften erbrachte.

Diese lokalen, regional begrenzten Initiativen sind deshalb für unsere Arbeit von besonderer Wichtigkeit. Uns wird zuweilen vorgeworfen, wir hängen uns zuviel an andere Aktivitäten an. An diesem Vorwurf ist vielleicht etwas dran. Aber wie haben wir am Anfang formuliert - Ein Programm hat zwei Hauptfunktionen. Einerseits müssen die Interessen der Menschen artikuliert werden. Andererseits soll ihre Willensbildung beeinfl usst werden. Und wenn wir uns an eine Initiative vor Ort "dranhängen", kann das kein falsches Anliegen sein und den Menschen, die sich dort engagieren, die Hintergründe zu erläutern, die Zusammenhänge mit dem kapitalistischen System nahe zu bringen, kann so falsch nicht sein.

Die Initiative "Aktionseinheit Links", der Flughafen in Schönefeld und die damit verbundene Lärmbelastung von hunderttausenden Bürgern, die Privatisierung von Seen in Brandenburg, der Protest gegen den Neubau der militaristisch geprägten Garnisonkirche in Potsdam, die Gentrifizierung, besonders in Potsdam, die Verhinderung der Verpressung von CO2 in den Brandenburger Untergrund, die Belastung von Grundstücken durch die Abwasserverbände mit Kosten, die aus dem Ausbau der Netze aus DDR Zeiten resultieren. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt der Initiativen, die durch unsere Genossen vor Ort mitbestimmt werden.

Und trotzdem ist es richtig, dass wir unsere Anstrengungen noch verstärken müssen, um mit unseren Ideen in die Breite zu kommen und nicht zuletzt auch um die Attraktivität unserer Partei zu erhöhen und damit für eine Stärkung unserer Organisation beizutragen.

Wir haben deshalb den Parteivorstand gebeten, die Partei zu einem eigenständigen Wahlantritt der DKP zu den Bundestagswahlen aufzurufen.

In Wahlkampfzeiten ergeben sich andere Möglichkeiten, um die Menschen mit unseren politischen Aussagen bekannt zu machen, aber auch die Zusammenarbeit mit anderen linken politischen Kräften zu entwickeln.

Es geht darum, unsere Positionen darzulegen, was heute im Kapitalismus zu tun ist, auch, wenn es nur Reformen sind.

Es geht aber auch um die Zukunftsdiskussion, was grundsätzlich gesellschaftlich im Land verändert werden muss.

Wir betonen den außerparlamentarischen Kampf, weil sich ohne diesen auch im Parlament nichts bewegen wird.

Es geht darum, mehr Menschen aus der Resignation in Aktivitäten zu führen, dass sie ihr Bewusstsein schärfen. Die Erfahrungen der DKP in Brandenburg aus den vergangenen Europa-, Landtags- und Bundestagswahlkämpfen sind, dass wir einen intensiven Diskurs auf der Strasse und auch mit unseren Bündnispartnern führen konnten. Was uns von anderen unterscheidet, ist die Antwort auf die Frage: Wie können wir wirkliche Veränderungen durchsetzen? Unsere Antwort lautet: Das geht nur über einschneidende Eingriffe in die Macht der Konzerne und ihrer politischen Vertreter in Berlin. Das wollen wir mit unseren Positionen verdeutlichen.

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Brandenburger Nachrichten in Rot

Hellas in Potsdam

(Potsdam) In der Stadt Potsdam wird zurzeit ein Einsparpapier der Stadtkämmerei diskutiert. Die Stadt Potsdam will sich am Horizont abzeichnende Haushaltsdefizite vermeiden. U.a. ist geplant, die Hundesteuer zu erhöhen. Auf der Ausgabenseite soll die Förderung des Stadttheaters eingefroren werden. Bereits eingeplante Erhöhungen für Teuerungsausgleiche sollen nicht gezahlt werden. Im Prinzip stehen alle freiwilligen Leistungen der Stadt auf dem Prüfstand. Beim Potsdam-Museum würde eine Festschreibung der Zuschüsse für 2013 und 2014 eine Einsparung von insgesamt 990.400 Euro mit sich bringen. Dafür müssten in dem neuen Haus am Alten Markt, das 2013 offiziell eröffnet wird, sämtliche Sonderausstellungen und sonstige zusätzliche Veranstaltungen entfallen.

Im laufenden Jahr zahlt die Stadt 49 Mill. Euro für freiwillige Leistungen. Wo die Stadt dann aber für Ihre Träume das Mercure Hotel abzureißen, das Geld her nehmen will, erschließt sich nicht ganz.


Viel Aufwand, wenig Nutzen

(Luckenwalde) Drei Jahre lang haben die drei Job-Center in den Kreisen Teltow-Fläming, Potsdam-Mittelmark und Dahme-Spreewald das Projekt Luna im Rahmen des Bundesprogramms "Gute Arbeit für Alleinerziehende" gemeinsam bestritten. Anliegen von Luna war es, allein erziehende SGBII-Geld-Empfänger wieder in Jobs zu bringen. Insgesamt 1,2 Millionen Euro wurden für das Projekt investiert.

Ziel war es, rund 500 Alleinerziehende für das Projekt zu aktivieren und mindestens 15 Prozent in Arbeit zu bringen. Es wurden 576 Alleinerziehende ins Projekt geholt und 187 in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen vermittelt. Nach einem Monat waren immer noch 87 Prozent in Arbeit, nach einem halben Jahr noch gut die Hälfte. Zwei Arbeitsvermittler je Landkreis haben jeweils nur 30 Alleinerziehende betreut, sonst sind es im Schnitt pro Arbeitsvermittler 150 bis 200.


Ein Wochenende in Brandenburg

(Potsdam) Im Land Brandenburg häufen sich wieder Übergriffe mit rechtsextremistischem Hintergrund: Eine 30-jährige aus Kenia stammende Frau ist im Bahnhofstunnel Luckenwalde (Teltow-Fläming) von einem 20-jährigen Mann getreten und fremdenfeindlich beschimpft worden. Die Polizei konnte den Tatverdächtigen und seinen Begleiter noch auf dem Bahnsteig stellen. Die beiden Männer (20 und 22 Jahre alt) waren betrunken. Sie beschimpften und bedrohten auch die Beamten.

Auch in anderen brandenburgischen Orten kam es zu rechtsextrem motivierten Straftaten. In Angermünde (Uckermark) musste ein Zug stoppen, weil rund 20 Fußballfans aus Zwickau Mitreisende mit rechten Sprüchen und Neonazi-Gesängen belästigten. Die Polizei räumte das Abteil. Nach einer Stunde konnte der Regionalexpress weiterfahren.

In Schwedt (Uckermark) besprühten Unbekannte drei "Stolpersteine" mit schwarzer Farbe. In Prenzlau (Uckermark) wurden Wohnhäuser, Geschäfte und andere Gebäude mit Hakenkreuzen und mit Parolen beschmiert.

In Königs Wusterhausen (Dahme-Spreewald) ist eine von zwei Gedenkstelen aus Glas beschädigt worden, die an das frühere KZ-Außenlager in der Stadt erinnern. Sie waren erst am Anfang des Monats offiziell der Öffentlichkeit übergeben worden.


Jobmotor BER?

(Königs Wusterhausen) Der Zuwachs an sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen hat im vergangenen Jahr im Landkreis Dahme-Spreewald spürbar nachgelassen. Demnach wuchs die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in der Region zwischen September 2010 und September 2011 lediglich um 0,4 Prozent und lag damit deutlich unter dem Landesdurchschnitt von 1,5 Prozent. Der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Dahme-Spreewald, Gerhard Janßen, führt die nachlassende Dynamik auf das Debakel beim Bau des Schönefelder Flughafens BER zurück. "Der langfristige Trend aber ist gut", sagte er. Diese Einschätzung wird vom Bericht der Landesregierung gestützt. Demnach gab es im Kreis im September 2011 9,5 Prozent mehr sozialversicherungspflichtige Jobs als noch 2001. Größer war der Zuwachs lediglich in Potsdam (14,6 Prozent) und in Teltow-Fläming (11,7). Cottbus, die Uckermark und Spree-Neiße verzeichneten einen Negativtrend. Dabei lag das Spektrum der Veränderung zwischen -2,5 Prozent (Cottbus) und 4,2 Prozent (Oberspreewald-Lausitz).

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Gegen die Spaltung: Wie Antikommunismus wirkt und wie wir ihm entgegentreten

Ein Interview mit Arnold Schölzel über die Anfeindungen gegenüber der Tageszeitung "junge Welt" übernommen aus der Position 06-12, Zeitung der SDAJ


POSITION: Warum steht die "junge Welt" immer wieder im Kreuzfeuer der bürgerlichen Medien?

Arnold: Weil sie die einzige deutsche Tageszeitung ist, in der regelmäßig marxistische Positionen zu lesen sind. Ich könnte auch den Mund voll nehmen und sagen: Weil wir so gut sind. Niemand würde uns wahrnehmen, wenn wir als marxistische Analytiker der Krise oder als Berichterstatter über das, was sich tatsächlich in den laufenden imperialistischen Kriegen abspielt, schlecht wären. Dazu kommt: Antikommunismus ist auch nach dem Untergang von DDR und Sowjetunion Staatsreligion der BRD. Wer den Zusammenhang von Kapitalismus, Ausbeutung und Krieg in den Vordergrund seiner Berichterstattung stellt, gilt hierzulande amtlich als "extremistisch". Wer darüber hinaus das Nachdenken über gesellschaftliche Alternativen befördert, wird als Terrorist betitelt und mit entsprechender Hysterie bedacht. So gesehen, ist jW ein permanenter Fall von Hoch- und Landesverrat, also ein Fall für medialen Grusel und Aufgeregtheit.

POSITION: Warum ist das für die Herrschenden so gefährlich?

Arnold: Die heutige Weltwirtschaftskrise weist Analogien zu jener in den 30er Jahren auf, die Gegensätze spitzen sich zu und brechen in anderen Ländern offen aus. Deutschland ist die Vormacht des EU-Imperialismus. Gesellschaftliche Erschütterungen haben hier eine besondere Bedeutung und die Herrschenden sind hochgradig nervös. Antikommunismus, der mit hohem Aufwand staatlich verordnet wird, ist ein Teil des Klassenkampfes von oben. Der sozial-reaktionäre Umbau der Gesellschaft wird mit ihm legitimiert, wobei heute schon eine Forderung wie die Beseitigung von Hartz IV als verdächtig gilt und entsprechend bekämpft wird. Antikommunismus ist außerdem stets ein wichtiger Bestandteil von Kriegsvorbereitung. Wer die Geheimnisse, "in denen imperialistische Kriege vorbereitet werden" (Lenin), ausplaudert, bekommt es mit staatlich gelenktem Krawall und mittelmäßigen Figuren wie Hubertus Knabe (der die jW als "Stürmer von links" bezeichnete) aus allen politischen Lagern, auch dem linken, zu tun.

POSITION: Welche Schlussfolgerungen zieht ihr aus diesen Anfeindungen?

Arnold: Kopf oben behalten. Die bürgerlichen Medien haben den Auftrag, Beschäftigte und Erwerbslose, Alte und Junge, Ost und West zu entsolidarisieren und die Zersplitterung der Linken zu befördern. Wir treten für Solidarität ein und gegen die Spaltung der Linken, vor allem zwischen denjenigen, die für einen revolutionären Bruch eintreten und denen, die auf anderem Weg zum Sozialismus kommen wollen. Diese Solidarität brauchen wir auch selbst. Wir brauchen vor allem mehr Abos, gerade in Zeiten, in den wir wegen unserer Berichterstattungen vermehrt Hetzkampagnen und auch juristischen Angriffen ausgesetzt sind.

Jann, Essen

Arnold ist promovierter Philosoph und Chefredakteur der Tageszeitung "junge Welt"; bis 1989 war er Inoffizieller Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit.

Entnommen aus der "Position" Nr. 06-12, Zeitung der SDAJ auch im Netz: www.sdaj-netz.de Junge Welt im Netz: www.jungewelt.de

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Der rote Bücherwurm empfiehlt

Lew Tolstoi "Auferstehung"

Nach langer Zeit habe ich Tolstois "Auferstehung" wieder gelesen. Ich bin tief beeindruckt von dem hohen moralischen und sozialen Anspruch dieses Schriftstellers, berührt von seiner Einfühlung in die Schicksale der Geächteten und Ausgebeuteten, fasziniert von seinen psychologisch differenzierten Menschenschilderungen.

Die Handlung des Romans beruht auf einer wahren Begebenheit: Ein adeliger Gutsherr erkennt als Geschworener in einer angeklagten Prostituierten ein von ihm verführtes Mädchen wieder. Er fühlt sich mitschuldig an ihrem Schicksal und will sie heiraten, um seine Jugendsünde zu sühnen. Doch die junge Frau stirbt im Gefängnis an Typhus. Im Roman beginnt mit dieser Wiederbegegnung für beide ein Prozess der Läuterung. Graf Nechljudow denkt über seinen bisherigen Lebensweg nach, der anders hätte verlaufen können. Bei dem Versuch, das ungerechte Urteil rückgängig zu machen, beginnt für ihn eine Reise durch die Institutionen, die Gefängnisse und alle Schichten der Gesellschaft - von Moskau bis Sibirien. Nechljudow hinterfragt die als selbstverständlich hingenommenen Vorrechte der Adelsklasse und will sein Land den Bauern schenken. Auch Katjuscha ändert sich. Als sie von ihrer nachträglichen Begnadigung erfährt, entscheidet sie, in der Verbannung zu bleiben, an der Seite eines verurteilten politischen Gefangenen, obwohl sie Nechljudow immer noch liebt. Der Roman beginnt mit der Frage: "Was muß geschehen, daß ein Mensch sich verändert?" - Er schließt mit einem offenen Ende. Ob Nechljudow sich von seinem bisherigen Leben ganz verabschieden wird, kann der Leser nur ahnen.

Die eigentliche Handlung umfasst nicht mehr als ein halbes Jahr, doch die darin eingebetteten inneren Monologe und Erörterungen, die Rückblenden, in denen das Leben der Haupthelden bis zum Gerichtsprozess geschildert wird, die Nebenfiguren und Nebenhandlungen, machen den Roman zu einem vielschichtigen Werk von epischer Breite. Tolstoi beherrscht die Gabe der Menschenschilderung. Bei der Darstellung eines greisen, zahnlosen Bauern verwendet er die gleiche Sorgfalt wie bei den Schilderungen der Hauptfiguren oder der Mächtigen und deren Zuarbeiter, die er, bis auf wenige Ausnahmen, mit unsympathischen Zügen versehen hat. Typen und Individuen gibt er Gestalt, zeichnet Menschen, die mit ihrem Verhalten und ihren Fragen an das Leben bis heute nicht an Aktualität verloren haben. Zu den ergreifensten Momenten des Romans gehört das Kapitel, in dem ein zur Zwangsarbeit Verurteilter Nechljudow von dem Erlebnis berichtet, das aus ihm einen Revolutionär gemacht hat. Der Gefangene erzählt von einer Hinrichtung. Zwei junge Polen, die Flugblätter verteilt hatten, versuchten auf dem Transport ins Gefängnis einen Fluchtversuch. Dafür erhielten sie die Todesstrafe. Die Beschreibung ihrer verzweifelten Angst, die herzzerreißenden Schreie des Jüngeren auf dem Wege zum Henker, gehen durch Mark und Bein. Tolstois Liebe gehört den unterdrückten und ausgebeuteten Menschen. Seiner Meinung nach kann kein Recht herrschen, wo die Satten die Hungrigen verurteilen. Was ist der besitzlose kleine Dieb gegen den Großgrundbesitzer, der sich das Land der Bauern zu Eigen gemacht hat. Tolstoi erkannte, dass das unmenschliche Rechts- und Strafsystem seiner Zeit nicht der Läuterung eines Menschen diente, sondern allein dem Erhalt des Machtgefüges. Als Teil dieser hierarchischen Ordnung sieht der Dichter auch die orthodoxe Kirche. Statt Nächstenliebe zu vermitteln, zelebriert sie Rituale. Der Roman ist philosophisch und politisch, voll erbittertster Kritik am Zarismus und der bestehenden Ordnung, "ein gefährliches Buch: Der Zensor in Sankt Peterburg strich aus der russischen Ausgabe fünfhundert Textstellen heraus, und der Heilige Synod verbannte den Verfasser aus der Kirche."

So sehr sich Tolstoi auch bemühte, die Revolutionäre seiner Zeit zu begreifen, steht Nechljudow am Ende des Romans zwischen den Fronten und findet die Antwort auf seine quälenden Fragen in der Bergpredigt. Im Verzeihen und im Verzicht auf Gewaltanwendung sieht er den Schlüssel für die Lösung der Lebensprobleme. Auf die Frage, wie der gewaltfreie Weg des Menschen aus seiner Knechtschaft aussehen soll, weiß er keine Antwort, obwohl die von ihm beschriebenen Verhältnisse und Schicksale ein einziger Schrei nach Veränderung sind. Die Zeit war längst reif für eine Revolution, der Dichter noch nicht.

Dennoch gilt Lew Tolstoi unter den großen russischen Realisten des 19. Jahrhunderts als der politisch konsequenteste. Schon in seinem ersten Roman, "Krieg und Frieden" (1868) zeigt er eine entschieden ablehnende Haltung zu dem sinnlosen Morden auf den Schlachtfeldern, erwachsen aus seinen eigenen bitteren Erfahrungen als Offizier im Kaukasuskrieg 1851. Sein Zeitgenosse und Schriftstellerkollege, Fjodor Dostojewski, hat zwar mit seinen ergreifenden und psychologisch vielschichtigen Romanen, vor allem mit "Schuld und Sühne", den Leser in das Elend der Menschen, in die Abgründe ihrer zerrissenen Seelen blicken lassen, doch letztendlich hat sich Dostojewski, wie die "meisten anderen russischen Autoren seiner Zeit, darauf beschränkt, mittels einer Handlung menschliche Charaktere und Gedankenwelten zu enthüllen." Lew Tolstois wollte mehr. Seine Novellen, Tagebücher und Romane sind Zeugnisse seiner Suche nach Wahrheit und nach Möglichkeiten, die ungerechten und grausamen Zustände zu verändern. - Thomas Mann trifft den Kern, wenn er sagt: "Tolstoi wieder lesen heißt heimfinden aus jeder Gefahr der Verkünstelung und kränklichen Spielerei ... zu dem, was in uns selbst gesund und ursprünglich ist."

Ulla Ermen

Lew N. Tolstoi - Auferstehung
Insel Verlag Berlin 2002
628 Seiten - 13,00 EURO

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Redaktionsschluss für Nr. 01/2013: 10. Dezember 2012

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Quelle:
Roter Brandenburger 12/2012, 17. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Januar 2013