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ROTFUCHS/096: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 142 - November 2009


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

12. Jahrgang, Nr. 142, November 2009



Inhalt
Was geschah am 9. November 1989?
Die DDR im Herzen
Bei mir in Niederbayern
Krjutschkows Besuche
Vom Opel-Blitz zum Opel-Zafira
Als ein ND-Redakteur Steine karrte
Die Krupps und die Krauses
Leipziger Schockzahlen
Hexenjagd im Stils McCarthys
Wie die Treuhand das ESDA-Kombinat Bankrotteuren in den Rachen warf
Gefühle eines Leiharbeiters
Ruth und Jochen
Schönberger "Demokratie"
Konterrevolution auf Filzlatschen
Ich arbeite gern im Einzelhandel ...
Eine Gänsekeule für den "RotFuchs"
Ackermanns Schamgefühl
Keinen Bock aufs Wählen
Flagge zeigen!
Kampfgeist statt Schmusekurs
Erinnern an die Arnolds
Kein Respekt vor Obrigkeiten
RF-Extra Im Trierer Karl-Marx-Haus
RF-Extra 14 weiße Staaten gegen Sowjetrußland
Thatcher an Gorbatschow: "Bremsen Sie die deutsche Wiedervereinigung!"
Kuba weicht heißen Eisen nicht aus
Polnischer Blick auf die DDR
Kurt Stand: Zum Tod meiner Mutter
Afghanistan: Wahl-Farce in Kabul
11. Parteitag der KP Australiens
Obamas Krankenversicherung unter Feuer
"Onkel Ho" - ein Präsident zum Anfassen
Seouls Ausnahmepolitiker Kim Dae-jung
Jodtinktur "Rotes Moskau"
Zwischen Uni und UNO: Helga Hörz
40 Jahre Dresdner Kulturpalast
Arnulf Baring über "Verzwergte"
Arminius: Abbilder und Zerrbilder
Elfriede Brüning zum 99. Geburtstag
Archie macht sich eine Platte
Leserbriefe
Grafik des Monats

Raute

Eifer und Geifer

Dort, wo im "Wendeherbst" 1989 irgendein als Bürgerrechtler firmierender und angeblich einen "besseren Sozialismus" einfordernder DDR-Hasser hingespuckt hat, steht heute ein Gedenkstein zur Erinnerung an einen unbeugsamen Freiheitskämpfer. Fast jeder stinknormale Knast beherbergt inzwischen ein sogenanntes Opferkabinett. Und selbst in den einstigen Konzentrationslagern der Hitlerfaschisten ist man bemüht gewesen, die heldenhafte Geschichte des Widerstandes in das Prokrustesbett des Antikommunismus zu zwängen.

Der Sommerschlußverkauf für Lügenstories aller Art strebt seinem diesjährigen Höhepunkt zu. Im November begeht die Kamarilla der Hetzer und Heuchler das, was sie als "Mauerfall" bezeichnet. Sämtliche Schleusen werden geöffnet, um wahre Sturzbäche einer schwarz-gelben, bisweilen auch rosafarbenen oder grünlichen Brühe über Land und Volk hereinbrechen zu lassen. Der antikommunistische Dauerbeschuß hat ohne Zweifel eine gewisse Wirkung erzielt, die allerdings mehr und mehr verpuffen dürfte. Denn jede Überdosis ist kontraproduktiv. Millionen früheren DDR-Bürgern und Klarsichtigen im Westen hängt die ewige Unrechtsstaats- und Stasi-Leier längst zum Halse heraus. Sie wollen, daß man ihnen endlich wieder reinen Wein einschenkt.

Ein Wort zu jenen, die sich mit Eifer und Geifer an gewissen Novemberdaten berauschen und trunken vom Taumel der Sieger auf Zeit jedermann die Ewigkeit ihrer gerade vom Krisenfieber geschüttelten Ordnung einreden wollen. Vor 20 Jahren ist in Deutschland und Europa - bei der UdSSR etwas zeitversetzt - die neue Welt des lange erfolgreich aufstrebenden, dann aber in arge Turbulenzen geratenen Sozialismus zusammengebrochen. Er fiel im Trommelfeuer eines materiell überlegenen Gegners, der ihn schon in der Wiege hatte erdrosseln wollen, aber auch durch Inkompetenz in der Stunde der Bewährung gelähmter Steuerleute auf der Brücke. Sie gaben die Zukunft kampflos auf. Der Verrat Gorbatschows und seiner Umgebung spielte dabei die ausschlaggebende Rolle.

Der karrieristische Mantelwender aus dem ZK der SED und heutige Birthler-Schoßhund Schabowski, der wie einst jener antike Brandstifter des Diana-Tempels auf der Akropolis mit einer nach seinem Namen als Herostratentat bezeichneten Untat in die Geschichte einging, spielte seinen heutigen Auftraggebern bewußt in die Hände. Die Ankündigung zu diesem Zeitpunkt weder geplanter noch hinreichend vorbereiteter Maßnahmen an der Grenze zu Westberlin bildete den Auftakt zum Übergang von der schleichenden zur offenen Konterrevolution. Sie gipfelte nach dem 3. Oktober 1990 in der durchgängigen Wiederherstellung einer im Osten Deutschlands bereits historisch überwundenen Gesellschaftsformation.

Zweifellos hat es bei diesem kriminellen Spiel, das die DDR-Bürger aus dem Reich der Freiheit in das Reich der Unfreiheit zurückwarf, auch Hunderttausende Statisten gegeben. Sie lieferten den eigentlichen Akteuren die Massenkulisse. Die Behauptung hingegen, die Herbstereignisse 1989 seien das Werk der DDR-Bevölkerung gewesen, ist ebenso unsinnig wie die Propagandathese, am 17. Juni 1953 habe es sich um einen "Volksaufstand" gehandelt. In beiden Fällen gab es eine schweigende Mehrheit und eine Minderheit standhafter Verteidiger der sozialistischen Sache. Aber es waren zu viele, die den detaillierten Regieanweisungen der imperialistischen Sender und den demagogischen Versprechungen der Politiker des Klassenfeindes Gehör schenkten. Irregeführte oder bereits im Gleichtakt mit den Verführern Denkende überfuhren mit ihren Trabbis jubelnd die Grenzen zum großen Freiheitspark für Raubtiere. Sie hüpften auf dem Hamburger Fischmarkt nach Bananen und schwenkten in Dresden frenetisch die Fahnen des Deutschlands der alten Verderber.

Natürlich gibt es wie in jedem Krieg auch im Klassenkampf Gewinner. Doch für Menschen mit Durchblick ist der gleißende Lack inzwischen abgeblättert. Die Illusionen von vorgestern sind zerronnen. Der rauhe und rüde Alltag des Kapitalismus blickt hinter seiner schillernden Fassade und seinem Überangebot oft nicht bezahlbarer oder nur auf Kredit zu erwerbender Güter hervor. Er bestimmt den Lebensrhythmus der meisten.

Übrigens: Wir machen niemandem, der den Verführern auf den Leim ging und ihren Sirenenklängen erlag oder sich aus Enttäuschung über eine schwächelnde und defizitäre DDR-Endzeitpolitik zunächst in sein Schneckenhaus zurückzog, einen Vorwurf. Viele haben ihren Standpunkt inzwischen selbst korrigiert und erkennen mit uns: Aus einem deutschen Friedensstaat sind die DDR-Bürger in einen kriegführenden Aggressorstaat des Kundus-Massakers zurückgestoßen worden; aus einem Land, das den Schaffenden gehörte, in ein Dorado der Parasiten; aus einer Welt, in der Arbeit und gleicher Lohn für gleiche Leistung absolute Normalität waren, in das Reich der Bettler um einen wie auch immer gearteten "Job". Da kann man doch nur sagen: BRD - nein danke! Es lebe die Deutsche Demokratische Republik!

Klaus Steiniger

Raute

Westmedien wollten Tausende DDR-Bürger in den Kugelhagel angeblich schießwütiger Grenzer treiben Verlockung

Was geschah am 9. November 1989?

Was ist am 9. November 1989 tatsächlich geschehen? Wir Älteren erinnern uns gewiß noch an den äußerst verunsichert und überfordert wirkenden damaligen ZK-Sekretär Schabowski und den ihm zugesteckten Zettel. Und sicher stehen uns die TV-Bilder der Menschenmassen am Grenzübergang Bornholmer Straße vor Augen. Ach ja, das Fernsehen!

An dieser Stelle sei das Buch "Abbau Ost" von Olaf Baale empfohlen. Es handelt sich um eine sehr lesenswerte Arbeit über das Geschehen im Vorfeld und im Verlauf des Vollzugs der sogenannten deutschen Einheit. Sie bietet eine interessante Analyse auch der heutigen BRD.

Beim Lesen des Kapitels "Eine Meldung und ihre Geschichte" eröffnete sich mir eine Sicht auf das Geschehen am 9. November, wie sie bis heute wohl kaum jemand vorgenommen hat. Ich schließe mich da mit ein und gebe freimütig zu, daß auch ich auf die Legende hereingefallen war, ein SED-Politbüromitglied habe etwas vorschnell verkündet, was an diesem Tag so noch gar nicht bekanntgegeben werden sollte. Daraufhin seien Zehntausende zur Grenze geeilt und hätten später auf dem Kurfürstendamm Freudentänze aufgeführt. Aber war es genau so?

Der Autor ermöglicht es uns, die Nachrichtensendungen des Westfernsehens jenes Tages chronologisch exakt zu verfolgen. Dabei fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Im Grunde war der Tanz auf der Mauer ein Werk geschickter medialer Manipulation!

Erinnern wir uns: Um 18 Uhr liest Schabowski seinen berüchtigten Zettel bei einer Pressekonferenz vor. Olaf Baale weist zu Recht darauf hin, daß zu diesem Zeitpunkt noch kein DDR-Bürger auf die Idee verfallen wäre, zu den Grenzübergängen zu eilen und Durchlaß in den Westen zu verlangen, zumal kaum jemand ein Visum besaß.

Nun aber tritt das Westfernsehen in Aktion: Um 20 Uhr meldet die "Tagesschau", die "Mauer" solle über Nacht durchlässig gemacht werden. Erst jetzt begeben sich Menschen zu den Übergangsstellen. Die Grenzposten sind völlig ahnungslos und werden von der Situation überrascht.

Um 22.42 Uhr verkündet Hans-Joachim Friedrichs in den "Tagesthemen" aus seiner Sicht historische Superlative: "Die Tore in der Mauer stehen weit offen." Eine Live-Schaltung zur Invalidenstraße ist gelegt und offenbart peinlicherweise, daß jene, welche schon aus beruflichen Gründen etwas von solchen "Superlativen" wissen müßten, nämlich die Grenzsoldaten, immer noch kenntnis- und weisungslos sind. Dennoch wird in die Kamera verkündet, man habe "gehört", daß am Checkpoint Charlie, an der Sonnenallee und anderswo komplikationslos nach Westberlin gegangen werden könne.

Erst jetzt befinden sich allein am Grenzübergang Bornholmer Straße rund 20.000 Menschen und warten an den noch immer verschlossenen Toren. Um 23.30 Uhr kommt dann von der Staatssicherheit der Befehl zur Öffnung.

Die Chronologie der Abläufe zeigt, daß der legendäre "Sturm auf die Mauer" nichts anderes als eine von den Medien erzeugte Massenpsychose war, bei deren Schürung diese ihren vermeintlichen Anspruch, lediglich Beobachter, nicht aber Erzeuger von Ereignissen sein zu wollen, in rüdester Weise mißachteten.

Ein wichtiger Aspekt des Geschehens am 9. November 1989 kommt indes in Baales instruktivem Buch nicht vor: Wenn es stimmt, daß das "DDR-Grenzregime" ein schießwütiges und menschenverachtendes Monstrum war, dann haben die Medien der BRD und Westberlins bewußt in Kauf genommen, daß es an jenem Tag ein fürchterliches Blutbad hätte geben können! Wenn gewisse Westjournalisten je an ihre eigene Propaganda geglaubt haben und ungeachtet dessen Menschen dazu veranlaßten, sich zu Tausenden an die schwer bewachten und von bewaffneten Soldaten besetzten Grenzübergänge zu begeben, dann war die Handlungsweise der genannten Rundfunk- und TV-Stationen hochkriminell.

Man muß es sich wirklich vor Augen führen: Im Grunde hätte es nach der westlichen Darstellung der DDR-Wirklichkeit ein Massaker unbeschreiblichen Ausmaßes geben müssen! Wenn man sich das vorstellt, bekommt man das Grauen.

Was mag an jenem Abend in bestimmten Nachrichtenredaktionen los gewesen sein! Zieht man dann auch noch die geheuchelte Empörung in Betracht, die einem vom Bildschirm entgegengerauscht wäre, wenn auch nur ein einziger DDR-Grenzsoldat die Nerven verloren und es Verletzte oder sogar Tote gegeben hätte, kann einem speiübel werden. Kohl wäre dann bestimmt als Retter der "Brüder und Schwestern" aufgetreten und hätte Entsetzen zur Schau gestellt.

Eine der Tragödien vieler ehemaliger DDR-Bürger besteht ja gerade darin, daß sie die verbrecherischen Westmedien damals als Verbündete, ja fast schon als Freunde betrachteten. Dabei waren diese - ihrer eigenen Logik folgend - bedingungslos dazu bereit gewesen, die DDR-Bürger ins Feuer "gewissenloser Grenz-Rambos" zu jagen.

Daß es nicht so kam, ist keineswegs ein Verdienst von "Tagesschau", "Heute" und "Tagesthemen", sondern einzig und allein verantwortungsvollen Offizieren und Soldaten des MfS und der DDR-Grenztruppen zuzuschreiben, die ihren kühlen Kopf behielten und nicht - wie vom Westen erhofft - auf Menschen wie auf Hasen schossen. Sie waren die wirklichen Verfechter der Menschlichkeit an diesem "Tag der Superlative". Wahre Helden, kassieren sie heute Strafrenten, während sich die Medien der BRD darin überschlagen, die altbekannten Verleumdungen zu verbreiten. Dafür, daß sie eben nicht so handelten, wie es die Geschichtsschreibung der Sieger auf Zeit gerne gehabt hätte, würden sie alle ein Denkmal verdienen.

Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, daß sich jene erwähnte Westpropagandaflut über die angebliche Grausamkeit der DDR-Grenztruppen am 9. November 1989 selbst widerlegt hat. Dumm gelaufen! Trotzdem werden die alten Lügen weiter kolportiert, während sich an der Strafverfolgung von DDR-Grenzern kein Jota geändert hat.

Ulrich Guhl, Berlin

Raute

Warum auf unserem Grundstück seit fast 20 Jahren ein Gedenkstein steht

Die DDR im Herzen

Und es gab sie doch! Trotz Verleumdungen, Auslassungen und Lügen existierte sie 40 Jahre lang. Wir waren ihre Bürger! Meine Frau und ich gehören zu der Generation, die den Faschismus von Anfang an bis zum furchtbaren Ende miterlebte. Meine Eltern saßen in Gefängnissen. Als aktive Antifaschisten hofften sie auf eine schnelle Befreiung durch die Anti-Hitler-Koalition. Ständige Bombenangriffe auf Berlin, häufiger Schulausfall, weil die Gebäude zerbombt waren, und eine immer magerer werdende Versorgung führten zum Hunger. So gab es ein großes Aufatmen, als die faschistische Diktatur und der Krieg ein Ende hatten. Aber der Neubeginn war denkbar schwer. Die Hauptschuldigen standen damals in Nürnberg vor Gericht und erhielten als Kriegsverbrecher gerechte Strafen. Wir aber standen vor einem Trümmer- und Scherbenhaufen und suchten den Neubeginn.

Schon als Lehrling ab 1947 in einem Lichtenberger Großbetrieb war ich daran beteiligt, Kriegsschäden zu beseitigen, verrostete Maschinen und Anlagen wieder in Gang zu setzen. Aber für wen taten wir das alles? Ein Gewerkschaftsfunktionär klärte uns auf: Der ehemalige Besitzer ist als Kriegsgewinnler enteignet worden, und nun wird eine Treuhandanstalt im Osten diesen und solche Betriebe übernehmen und vorerst verwalten.

Im Westen Deutschlands war das anders. Die alten Herren krochen aus ihren Löchern und gaben sich als Geschädigte aus. Sie verwendeten das durch die Kriegsproduktion besonders mit Frauen und ausländischen "Fremdarbeitern" erwirtschaftete Kapital, um ihre Firmen wieder in Gang zu setzen.

Für uns im Osten entstand neue Hoffnung durch erste staatliche Maßnahmen wie den Halbjahrplan, dem dann der Zweijahrplan folgte. Er stärkte unser Industriepotential, was zur Anhebung des Lebensniveaus führte. Bald mußte keiner mehr hungern.

Doch andere gaben nicht Ruhe. Sie vollzogen die Spaltung Deutschlands. Schon 1947 entließ man in Westberlin Linke und andere Antifaschisten aus staatlichen Verwaltungen, ja sogar bei der Post. Heimlich wurde die Einführung einer neuen Währung vorbereitet und 1948 vollzogen.

Ich war im Sommer jenes Jahres im Ferienlager am Sakrower See, wo ich plötzlich mit meinem knappen Lehrlingsgeld in Kladow (Westberlin) nichts mehr einkaufen konnte. Für den östlichen Teil entstand eine komplizierte Situation. Trotz vieler Versuche, die Einheit Deutschlands doch noch zu erhalten, vertiefte sich täglich die Spaltung.

Für uns im Osten begann ein staatlicher Neuanfang: Die DDR wurde gegründet. Wir FDJler waren begeistert dabei, Otto Grotewohls Regierung und unseren ersten Arbeiterpräsidenten Wilhelm Pieck mit einem großen Fackelzug zu begrüßen.

Ein halbes Jahr später bereiteten wir in Berlin das 1. Deutschlandtreffen der Jugend vor. Bei einer Klebeaktion in Westberlin faßte uns die Stumm-Polizei. Wir kamen ins amerikanische Militärgefängnis und wurden später - zu Prozeßbeginn - nach Moabit verlegt, wo meine Eltern zur Zeit des Faschismus gesessen hatten, bis sie von der Roten Armee befreit wurden. Durch einen Hungerstreik ertrotzten wir einen schnellen Gerichtstermin. Wenige Tage später erhielt ich von meinem Betrieb nach abgeschlossener Lehre den Facharbeiterbrief.

Nach den III. Weltfestspielen im August 1951 in Berlin trat die große Liebe in mein persönliches Leben. Wir waren uns einig: Weihnachten wird geheiratet. Es sollte eine richtige Studentenehe werden, aber es wurde mehr daraus: Nach vier Jahren waren drei kleine Jungen da, zur Freude der Eltern und Großeltern. Wir spürten die allseitige Hilfe durch den Staat - sechs Wochen Schwangerschaftsurlaub für die Mutter, Mütterjahr nach dem dritten Kind, Kindergeld-Zuschläge und eine bevorzugte Versorgung mit Wohnraum. Wir hatten unseren erstrebten Beruf, die Kinder wuchsen schnell heran, konnten Facharbeiter werden und waren nach dem Militärdienst immer in ihren Berufen tätig. Sie konnten sich weiterbilden und kannten das Wort "Arbeitslosigkeit" nur aus der Zeitung. Jedes Jahr fuhren wir zu fünft in den Urlaub - in Betriebsferienheime und Gewerkschaftshäuser oder ins Ausland. Bulgarien, Ungarn, Polen und die UdSSR standen auf dem Programm. Höhepunkte waren für uns 1978 die Fahrt mit dem Trabbi nach Moskau und Leningrad und später noch der Flug zum Baikalsee.

Keiner hat uns etwas geschenkt, alles war selbst erarbeitet und finanziert. Mit 60 Jahren beantragte meine Frau nach den Gesetzen der DDR die ordentliche Altersrente und erhielt sie - wo gibt es das heute noch? Nur mit großen Abschlägen, sonst bitte bis zum 65. Lebensjahr oder künftig noch darüber hinaus arbeiten!

19 Jahre in der BRD bedeuteten für mich vorzeitigen Renteneinstieg und Ende des Arbeitslebens. Die 40 Jahre DDR waren der beste Teil meines Lebens. Davon lasse ich mich nicht abbringen. Viele von uns haben solche oder ähnliche Biographien. Da das die Wahrheit ist, werden wir nicht schweigen, sondern sie unseren Enkeln und Urenkeln erzählen. Dazu gehört auch der Gedenkstein auf unserem Grundstück.

Gerd Rossignol

Raute

60 Jahre BRD - kein Grund zum Feiern

Bei mir in Niederbayern

Wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens hat, gilt als arm. So sagt es der Paritätische Wohlfahrtsverband und berichtet anhand von Materialien des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden, daß vor allem Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern jetzt besonders arm sind, während Bewohner von Baden-Württemberg und Bayern zu den "Wohlhabenden" gehören. Wer als Alleinstehender weniger als 736 Euro im Monat zur Verfügung hat, gilt demnach als arm. Das betrifft 7,4 Prozent im Schwarzwald, aber bis zu 27 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern.

Doch wie hoch ist das "mittlere Einkommen"?

Laut Presseinformationen soll das durchschnittliche Monatsgehalt eines Angestellten in Deutschland zur Zeit bei 3400 Euro liegen. Wenn man davon die Lohnsteuer und die Sozialnebenkosten abzieht, bleibt ein Betrag von ca. 1700 Euro netto. 60 Prozent davon sind nicht, wie vom Wohlfahrtsverband angegeben, 736 Euro, sondern 1020 Euro. Ehrlich gefragt, wer hat das? Bei mir in Niederbayern sind Leute Spitzenverdiener, wenn sie 1500 Euro im Monat brutto bezahlt bekommen. Ich schätze, daß über die Hälfte der Vollzeit-Beschäftigten in Ostbayern gerade mal so um die 1100 Euro netto erhält. Damit sind sie natürlich über der sogenannten Armutsgrenze. Aber viel leisten kann man sich damit auch nicht. Und wie viele Menschen beziehen weniger und befinden sich damit tatsächlich in Armut?

Ich möchte mich energisch gegen die immer wieder verwendete Formulierung wehren, diese Leute wären von "Armut bedroht". Nein, sie sind nicht bedroht, sie sind arm!

Wie man von so wenig Geld leben, ein Auto unterhalten sowie Miete bezahlen kann, ist mir ein Rätsel. Telefon, TV- und Internetgebühren, Lebensmittel, Getränke, Versicherungen, Kleidung, Schuhe, Schuhmacher, Reinigung, Brille, Zähne, Praxisgebühren und Zuzahlungen, eine Zeitung sollen ebenfalls davon abgehen. Von ein paar Büchern, einem Theater- oder Konzertbesuch, Vereinsbeiträgen oder Familienfeiern ganz abgesehen. Eine Urlaubsreise? Pustekuchen. Alles kostet Geld. Zehn Prozent der Deutschen besitzen 80 Prozent des gesamten Volksvermögens. Die Millionen mit nur wenig Einkommen haben nichts oder fast nichts und wissen nicht, wie sie alles Lebensnotwendige bezahlen sollen.

Wieder und wieder machen Firmen bei uns pleite. Nach der Insolvenz der Textilkette Wehmeyer, wo 1000 Beschäftigte ihren Job verloren haben, folgte Hertie mit 4100 Beschäftigten. Viele Quelle-"Mitarbeiter" werden erwerbslos. Das Glaswerk in Riedlhütte im Bayerischen Wald soll dichtgemacht werden. Das trifft die Region hart. Durch die Schließung werden 260 Arbeitsplätze wegfallen. Im Nachbarort Spiegelau sind schon zuvor Hunderte verlorengegangen, weil auch die dortige Glashütte geschlossen wurde. Bei Galvano Bauer in Obernberg an der Donau sollen 77 Leute entlassen werden, das insolvente Aparthotel Sankt Englmar hatte bereits 87 Mitarbeitern den Laufpaß gegeben. Bei dem Wohnwagenhersteller Knaus-Tabbert wurden schon über 400 Leute rausgeschmissen, bei vielen noch Beschäftigten geht die Angst um. Das Lüneburger Textilunternehmen Lucia AG hat Insolvenz angemeldet. Dort sind 200 Arbeitsplätze bedroht. Das Unternehmen Escada mit 194 Filialen und 226 Franchise Shops in 60 Ländern beschäftigte rund 2200 Arbeiter und Angestellte, etwa 500 davon allein am Stammsitz in Aschheim bei München. Wie viele werden auch von anderen Firmen in ganz Deutschland entlassen? Was wird aus Opel, den anderen Automobilfirmen und den Zulieferbetrieben? Fast eine Million Kurzarbeiter werden dann, wenn der Staat nicht mehr den verkürzten Lohn zahlt, möglicherweise auf die Straße gesetzt. Nur der Wahlen wegen hat die Bundesregierung die Zahlung der Kurzarbeiterlöhne ja verlängert. Müntefering marschierte an der Spitze des Demonstrationszuges des DGB in Berlin, um gegen Sozialabbau zu demonstrieren. Dabei weiß jedes Kind, daß er und seine SPD die Agenda 2010, Hartz IV, die Förderung der Minijobs und der Leiharbeit erfunden und eingeführt haben. Gegner des Kapitalismus werden verteufelt, man unterstellt ihnen, daß sie "Freiheit" und "Demokratie" beseitigen wollten. Ganze Heerscharen von Verfassungsschützern überwachen im Auftrag der Bundesregierung und der Länder jene, welche es wagen, das Grundgesetz so zu interpretieren, wie es 1949 einmal angedacht war.

Während die Reichen immer reicher werden, verweigert die Bundesregierung die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes, von dem man halbwegs leben könnte. Das Volk muß Abstriche machen, aber die CDU-Kanzlerin Merkel feiert feudale Feste auf Staatskosten mit den Bossen der Banken und der Konzerne. Die SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, die mit ihrer "Gesundheitsreform" unzähligen Armen die medizinische Hilfe gekürzt und durch hohe Zuzahlungen sogar unmöglich gemacht hat, fuhr ohne Gewissensbisse mit Chauffeur und gepanzerter Mercedes-Luxuslimousine nach Spanien in den Urlaub. Zugleich entzog der kapitalistische Staat Hunderttausenden Angestellten im öffentlichen Dienst bis zu 75 Prozent ihrer durch Beiträge vertraglich vereinbarten VBL-Zusatzrente. Andererseits leben Abgeordnete und Minister wie die Made im Speck. So hat Ulla Schmidt auch nach ihrem Ausscheiden aus der Regierung, obwohl sie als Kabinettsmitglied niemals auch nur einen einzigen Cent Beitrag für ihre Altersversorgung bezahlt hat, natürlich Anspruch auf eine Ministerpension, für deren Auszahlungs-Gegenwert ein normaler Arbeiter oder Angestellter mehrere hundert Jahre arbeiten und Beiträge zahlen müßte.

Zeitarbeitsfirmen werden gefördert, die Jobs zu miserablen Bedingungen anbieten, wo die Beschäftigten jederzeit fristlos gekündigt werden können und in der Regel nur halb so viel Lohn beziehen wie bei gleicher Beschäftigung sonst. Von 400-Euro-Jobs müssen mittlerweile fast sieben Millionen Menschen existieren. Mehrere Millionen bekommen trotz Vollzeitarbeit so wenig Lohn, daß sie gezwungen sind, zusätzlich Sozialhilfe zu beantragen. 10 Millionen Rentner erhalten monatlich weniger als 700 Euro. Über 400.000 Menschen sind nicht krankenversichert, weil sie sich das finanziell nicht leisten können. Grundsicherung bekommen Hunderttausende nicht, weil die Gesetze das erlauben. Zu den Suppenküchen strömen bundesweit immer mehr Bedürftige, weil sie sich nicht mehr ausreichend mit Lebensmitteln versorgen können. Es gibt nicht wenige Kranke, die außerstande sind, verschriebene Medikamente von der Apotheke abzuholen, weil sie das Geld für die Zuzahlungen nicht aufbringen. Immer mehr Menschen laufen mit Zahnlücken herum, weil sie die Kosten für den Zahnarzt nicht zu bestreiten vermögen, und nicht wenige Leute sind halbblind, weil ihnen eine neue Brille zu teuer ist. 60 Jahre BRD: Ist das etwa ein Grund zum Feiern?

Bernd Irmler, Sankt Englmar

Raute

Verschwörungsfabeln aus dem Kaffeesatz

Krjutschkows Besuche

Mitte August dieses Jahres erschienen in fast allen bundesdeutschen Zeitungen reißerisch aufgemachte Artikel mit Überschriften der Art "Wie Gorbatschow Honecker loswerden wollte" (Berliner Morgenpost). Die Bild-Zeitung titelte: "Der geheime Putschplan von Dresden". Alle wußten zu berichten, daß der damalige Generalsekretär der KPdSU, Gorbatschow, 1987 Überlegungen angestellt habe, wie er Erich Honecker als Generalsekretär der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR entmachten könne.

Alle beriefen sich letztlich auf Aussagen des Herrn Schabowski, eines früheren Politbüromitglieds, das inzwischen zum kaffeesatzlesenden Verschwörungstheoretiker mutiert ist. Dieser behauptet öffentlich, zu wissen, daß Gorbatschow in der DDR insbesondere zwei Personen für seinen Putschplan auserkoren habe: Hans Modrow, damaliger 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Dresden, und Generaloberst a. D. Markus Wolf, langjähriger Chef der Hauptverwaltung A im MfS. Als Organisator sei Armeegeneral Wladimir Krjutschkow, damals Chef der I. Hauptverwaltung (Aufklärung) und 1. Stellvertretender Vorsitzender des KGB, von Gorbatschow beauftragt worden. Man habe Markus Wolf veranlaßt, 1986 seinen Dienst im MfS aufzugeben, um sich ganz dieser Aufgabe widmen zu können. Krjutschkow sei 1987 zweimal unter dem Vorwand von Urlaubsaufenthalten in die DDR entsandt worden, um den Putsch vorzubereiten. Dabei habe man ihn beauftragt, den in Dresden lebenden und forschenden weltbekannten Wissenschaftler Manfred von Ardenne aufzusuchen, um ihn ebenfalls einzubeziehen.

Ich kann aus eigener Erfahrung zu alledem folgendes sagen: Diese Behauptungen sind frei erfunden. Es handelt sich um Mutmaßungen, die nirgendwo ihre Bestätigung finden. Die Behauptung, Markus Wolf sei seitens des KGB gedrängt worden, seinen Dienst im MfS zu quittieren, ist völliger Unsinn. Das KGB respektierte den persönlichen Wunsch Wolfs mit Bedauern. Er hat in seinen Büchern - und auch ich habe in meinem Buch "Bonn im Blick" - dargelegt, wie es zum Ausscheiden Wolfs aus dem MfS gekommen ist. Es waren rein persönliche Gründe, die ihn 1983 bewogen, anläßlich seines 60. Geburtstages den Entlassungsantrag zu stellen, dem dann 1986 stattgegeben wurde. Er wollte fortan schriftstellerisch tätig sein. Seinem Bruder Konrad hatte er auf dem Sterbebett versprochen, das von diesem angedachte Projekt "Die Troika" zu vollenden, was er dann ja auch 1989 mit der Herausgabe des Buches tat.

Aus persönlicher Nähe zu Markus Wolf weiß ich, daß er in keiner Weise an eine andere gesellschaftliche Tätigkeit in Partei oder Staat gedacht hat. Über derartige Spekulationen, insbesondere auch in den damaligen bundesdeutschen Medien, amüsierte er sich nur. In die Presse lancierte Behauptungen eines Herrn Bohnsack, der sich als Wolf- Vertrauter ausgab, daß er von den Putschplänen gewußt habe, sind ebenso erlogen wie andere "Informationen" dieser Art. Bohnsack, ehemals Oberstleutnant in der HVA des MfS, war niemals ein Vertrauter von Markus Wolf. 1989/90 wurde dieser Mann zum Verräter. Er verkauft sich heute den Medien als angeblich allwissender Insider. In Wirklichkeit ist sein operatives Wissen auf sein einstiges Arbeitsgebiet begrenzt.

Bestätigen kann ich indes einen Aufenthalt von Wladimir Krjutschkow im Juni 1987 in Berlin und Dresden. Er kam als Leiter der I. Hauptverwaltung des KGB zu einem Arbeitsbesuch zur HVA. In der Regel fanden solche Begegnungen jährlich abwechselnd in Moskau oder Berlin statt. Hauptthema war diesmal die Aufklärung atomarer Kriegsvorbereitung der NATO. Noch lief ja die gemeinsame Aktion "Ryan" (Atomarer Raketenangriff) der Aufklärungsdienste der sozialistischen Staaten. Auch mit Minister Mielke gab es eine Zusammenkunft. Ich war als Leiter der HVA bei diesem Arbeitsbesuch der unmittelbare Gesprächspartner von Krjutschkow. Mit Interesse nahmen wir zur Kenntnis, daß sich Krjutschkow neben den rein politisch-operativen Gesprächsinhalten auch für bestimmte Lebensbereiche in der DDR interessierte. So z. B. für Landwirtschaftliche und Handwerker-Produktionsgenossenschaften (LPG und PGH), für private Handwerksbetriebe, Einzelhändler und Gaststätten. Er begründete dies mit Erwägungen in der Sowjetunion, im Zuge von "Perestrojka" eventuell auch Unternehmen dieser Art zuzulassen.

So wurde auch verständlich, warum er bei der Bitte nach einem Aufenthalt in Dresden den Wunsch äußerte, gegebenenfalls den weltberühmten Wissenschaftler Manfred von Ardenne aufsuchen und sprechen zu können. Es war in unseren Beziehungen üblich, im Anschluß an Dienstgespräche auch Tage eines faktisch privaten Aufenthalts im Lande einzulegen. Über die Bezirksverwaltung Dresden des MfS organisierten wir dann kurzfristig einen Besuch bei Ardenne. Dortige leitende Mitarbeiter pflegten offizielle Kontakte zu ihm.

Der damals amtierende Leiter der BV Dresden, Oberst Anders, und ich begleiteten Krjutschkow. Ardenne hatte einen seiner leitenden Institutsmitarbeiter zur Seite. Das Gespräch fand in seiner Villa auf dem Weißen Hirsch statt. Es verlief in einer sehr freundschaftlichen Atmosphäre. Ardenne sprach zunächst über seinen Zwangsaufenthalt als Wissenschaftler in der Sowjetunion nach dem II. Weltkrieg. Er äußerte sich dankbar über seine Behandlung durch sowjetische Behörden und hob die sich entwickelnden Freundschaften zu Wissenschaftlern der UdSSR hervor. Dann informierte er über die von ihm entwickelte Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie zur Bekämpfung auch von Krebs. Weitere Themen waren aktuelle Forschungsprojekte seines Instituts. Auf Nachfrage schätzte er die Lage in der DDR-Wirtschaft ein und betonte die Notwendigkeit einer ökonomischen Erneuerung u. a. auch durch die Entwicklung eines mittelständischen Gewerbes. Darüber habe er auch schon mit Politbüromitglied Egon Krenz korrespondiert. Mit Erich Honecker oder Günter Mittag darüber sprechen zu wollen, lohne sich nicht. Krjutschkow nahm das alles mit großer Aufmerksamkeit zur Kenntnis. Mit Interesse verfolgten wir dann Erklärungen Ardennes zu Forschungsvorhaben am praktischen Beispiel in den Institutslaboren. Die Zusammenkunft endete bei voller Zufriedenheit der Beteiligten. Beste Wünsche wurden gegenseitig ausgetauscht.

Für mich gab es kurz darauf allerdings ein Nachspiel. Minister Mielke rügte mich telefonisch, weil ich ihn von der beabsichtigten Visite bei Ardenne vorher nicht informiert hatte. Wohlgemerkt, nicht wegen des Besuchs an sich, sondern wegen des Versäumnisses, ihn zu unterrichten. Seine Reaktion erfolgte, weil er durch Günter Mittag angerufen worden war, der sich wegen der Begegnung beschwert hatte. Wer wiederum Mittag berichtete, ist mir bis heute unbekannt. Später hörte ich, er habe veranlaßt, weitere Besuche verantwortlicher Sowjetbürger bei Ardenne nicht zu gestatten.

Generaloberst a. D. Werner Großmann

Unser Autor war Chef der Hauptverwaltung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR.

Raute

Ein Konzern, der die Wehrmacht wie die Bundeswehr ausrüstete

Vom Opel-Blitz zum Opel-Zafira

Es war der 14. November 1959. Vielerorts hatte man die Vorbereitungen für den tags darauf zu begehenden Volkstrauertag abgeschlossen. Irgendwo in der BRD fanden sich an jenem Samstag Männer zusammen, die keinen Gedanken an das bevorstehende Ereignis verschwendeten. Es waren Wehrmachtsoffiziere, Ritterkreuzträger und Generalstäbler, die alle im Top-Management Gewicht besaßen. Für ihren Kreis und ihre Zielsetzungen liehen sie sich die Namen Mars und Merkur. Mars - das war der Gott des zerstörerischen Krieges und der Schlachten, Merkur der des Handels und der Reisenden. Wer waren die Initiatoren dieses illustren und exklusiven Klüngels?

Neben dem Aufsichtsratsvorsitzenden Heinz Osterwind, Vorstand der Deutschen Bank, und Mannesmann-Chef Egon Overbeck zählten Dr. Udo Giulini, ehemals Rittmeister und inzwischen Mitinhaber der chemischen Fabrik Gebrüder Giulini GmbH in Ludwigshafen, zudem CDU-Bundestagabgeordneter (1965-1972), und sein Intimus Dr. rer. nat. h.c. Curt von Salmuth zu den Gründungsmitgliedern von "Mars und Merkur". Salmuth verdiente sich seine Reputation in dem feinen Klub als Offizier (1914-1918), später als SA-Sturmführer.

Statt all seine einflußreichen Posten in bedeutenden Unternehmen aufzuzählen (Röchling-Rheinmetall u. a.) ist das Buch Bernt Engelmanns "Das Reich zerfiel, die Reichen blieben" (1974) als Lektüre zu empfehlen. Er ordnet Röchling 4 Punkte (übersteigt alles und liegt an oder sogar weit über der Milliardengrenze) zu, Salmuth immerhin 3, was von außerordentlichem Reichtum zeugt. Hingegen wird Röchling nur mit 2 Sternchen ausgewiesen (die Vermögensbildung setzte vor 1830 ein, ehe die Industrialisierung richtig begann). Daß Militärangehörige zu Wirtschaftsbossen avancieren, ist im Kapitalismus europaweit nicht als Besonderheit zu vermerken. Es gibt Mars- & Merkur-Kreise in Belgien, Dänemark, Frankreich, Holland, Luxemburg, Polen, der Schweiz und Spanien. Inzwischen sind es nicht mehr nur Ritterkreuzträger, sondern Offiziere der jeweiligen "Verteidigungsarmeen". Ursprünglich erließ der damalige Chef des US-Generalstabs am 23. März 1945 eine als geheim überschriebene Anordnung, wonach etwa 1800 leitende deutsche Unternehmer zu verhaften seien. "Das sind Leute, die in hervorragender Weise unter dem Nazismus gediehen, ihn begrüßten, den Nazis zur Macht verhalfen, sie im Amt unterstützten, mit ihnen die Beute der Enteignung und der Eroberung teilten oder auf andere Weise aus dem Naziregime Nutzen zogen."

Opel mag hier als Beispiel dienen. Opel Deutschland produzierte den Lkw "Opel-Blitz", den die motorisierten Stoßarmeen für ihre Okkupation in fremde Länder zehntausendfach benutzten. "Herr von Opel selbst wurde vom Entnazifizierungsgericht Anfang 1947 als 'Mitläufer' eingestuft und zu der horrenden 'Strafe' von 2000 Mark verurteilt, wobei als strafmildernd der Umstand galt, daß er auf Veranlassung der amerikanischen General Motors in die Nazipartei eingetreten ist", schrieb Albert Norden 1947 in "Lehren deutscher Geschichte".

Und wie ging das weiter? Zum Bundeswehr-Fuhrpark gehört der "Opel Zafira". Das Dickicht der Verflechtungen von Wirtschaftsunternehmen und Militärapparat ist heute derart unübersichtlich - und wird auch bewußt so gestaltet -, um nach außen hin jederzeit eine weiße Weste präsentieren zu können.

Natürlich haben sich seit 1974, als Bernt Engelmann seine Recherchen zu Papier brachte, weitere Verfilzungen ergeben. Hier durch Tod, dort durch Heirat (Namenswechsel). Übrigens heiratet man immer noch gegenseitig in Wirtschaftsunternehmen ein und vergrößert so seine Marktanteile und Gewinnaussichten. Curt von Salmuth heiratete z. B. eine Röchling-Tochter - Alwine. Röchling-Tochter Sybille verlobte sich mit Graf Johannes Arthur Saurma von der Jeltsch-Lorzendorf. Der wiederum saß in der Geschäftsleitung der Röchlingschen Eisenhandelsgesellschaft in Ludwigshafen. Und dann steigt auch noch der eigene Nachwuchs in Spitzenpositionen auf, stößt Unrentables ab, kauft sich anderswo ein.

Glaubt irgendwer ernsthaft noch an das Märchen der Politiker, die angeblich Arbeitsplätze schützen und schaffen wollen?

"Mars und Merkur" war einst ein Kreis, der sich auf hundert Männer beschränkte. Heute ist er geeint mit der Bundeswehr, hat Krieg und Handel gleichermaßen im Visier. Personen aus diesem Spektrum streben ausschließlich eine Politik an, die maximalen Profit garantiert.

Übrigens: Bernt Engelmann wies 1974 mit Blick auf einen inzwischen klanglosen Namen nach: "An der Karstadt AG, dem größten Warenhauskonzern der Bundesrepublik mit 4,2 Milliarden Mark Jahresumsatz und 47.000 Beschäftigten, ist die Familie von Opel zu einem knappen Drittel beteiligt." Der vermeintliche Erlöser von insolventen Firmen, ein naßforscher Herr zu Guttenberg, war als Bundeswirtschaftsminister natürlich zuerst auf den Erhalt des eigenen Familienbesitzes von Weingütern und anderen Exquisitäten bedacht, so daß er keinen Anlaß sah, beim Zugrundegehen von Konkurrenzunternehmen den überirdischen Retter zu mimen. Die DDR-Politik war wohl gottlos, doch sie entmachtete die Industriebosse. Heute ist - um ein Beispiel zu nennen - der frühere VEB Büromaschinenwerk Sömmerda wieder im Besitz von Rheinmetall und ein Rüstungsbetrieb erster Güte.

Hans Horn

Raute

Als ein ND-Redakteur auf dem Bau Steine karrte

"Was haste denn ausjefressen?"

Mit großem Interesse habe ich im "RotFuchs" Nr. 140 den Bericht des Kapitäns zur See unserer damaligen Volksmarine, Peter Barth, gelesen. Er schilderte, wie leitende Offiziere eine Zeitlang freiwillig als einfache Soldaten in einer Einheit dienten, um in direktem Kontakt mit ihren Kameraden zu erfahren, was in der Leitungstätigkeit korrigiert werden müsse und wie Weisungen "unten" ankommen.

So etwas wurde Ende der 50er Jahre auch in vielen Betrieben und Einrichtungen der DDR praktiziert. Leitende Genossen sollten direkt "an der Basis", ohne jede Sonderrolle, die Probleme der Arbeiter persönlich kennenlernen, um anschließend entsprechend zu handeln. Auch wenn die Journalisten des "Neuen Deutschland", zu denen ich als Wirtschaftsredakteur für das Sachgebiet Bauindustrie gehörte, keine leitenden Funktionäre waren, griffen einige von uns diese Idee auch für sich selbst auf. Ich beantragte einen Einsatz von vier Wochen im schwachen, mit Planschulden beladenen Berliner Baubetrieb VEB Bau. Dem wurde zugestimmt, und man teilte mich der Jugendmaurerbrigade Meißner zu. Sie war auf der damals größten Baustelle des Betriebes am Pankower Stiftsweg an der Errichtung von viergeschossigen Wohnblöcken mit rund 400 Wohnungen beteiligt. Alles junge Bauarbeiter zwischen 19 und 25 Jahren. Aber dort gab es Probleme mit dem Materialnachschub und mit der Leitung der Baustelle.

Damals wurde in der DDR gerade mit Versuchen begonnen, die alte langsame und arbeitsaufwendige Mauerwerksbauweise "Ein Stein - ein Kalk" produktiver zu machen. Rekonstruktion der Bauindustrie hieß das Stichwort, denn mit dem althergebrachten Bauablauf war dem damals noch großen Wohnungsmangel nicht beizukommen. Deshalb sollte auch in Berlin etwas ganz Neues für den Wohnungsbau entwickelt werden: die Takt- und Fließfertigung. Man wollte den Bauablauf in bestimmte immer wiederkehrende technologische Abschnitte, in Takte, aufteilen, damit sich die Baukollektive spezialisieren konnten. Das begann mit dem Ausschachten für die Baugrube, dann folgte die Errichtung des Fundaments, dann das Kellergeschoß usw. bis zum Dach. Jeder dieser Takte sollte von einem speziellen Kollektiv ausgeführt werden. Zuvor wurde alles von allen gemacht. Von einer solchen Spezialisierung erwartete man eine wesentlich höhere Leistung. Aber wie der VEB Bau hatte auch die Baustelle am Stiftsweg Planschulden.

Ich stellte mich bei der Brigade Meißner vor, die die Kellergeschosse zu mauern hatte. Mit freundlichem Erstaunen wurde zur Kenntnis genommen, daß ich bei ihnen eine Zeitlang mitarbeiten wolle. "Kannste denn mauern?", fragte Brigadier Eddi. Nein, damit konnte ich nicht dienen. "Na dann fährste eben als Hucker Mauersteine an unsere Arbeitsplätze und schaffst Mörtel ran." So tauschte ich Bleistift und Stenoblock gegen derbe Schweinslederhandschuhe und eine Baukarre, mit der ich über schwankende schmale Bretter gemeinsam mit zwei anderen Bauhilfsarbeitern 14 Maurer zu bedienen hatte.

Es blieb nicht aus, daß mich meine Kollegen fragten: "Was haste denn ausjefressen? Wer ist denn so dämlich, einen guten Posten gegen das Steinekarren hier auf dem Bau einzutauschen?" Das gab lebhaften Gesprächsstoff auch über den Journalistenberuf. Sensationen, Skandale und Katastrophen sind im Kapitalismus ein Hauptgegenstand des redaktionellen Interesses. Wir ND-Redakteure, sagte ich meinen neuen Kollegen, sind nichts anderes als ihr, wir wollen mithelfen, daß es allen Menschen schrittweise besser geht. Nicht auf Job oder Honorare komme es uns an, sondern darauf, daß gute Erfahrungen überall bekanntgemacht, in unserem Fall, daß dringend benötigte Wohnungen schneller und besser als bisher gebaut würden.

Bei der täglichen Arbeit versuchte ich mich nicht zu blamieren und erwarb so die respektvolle Anerkennung der Brigademitglieder. Die anfängliche Reserviertheit hörte auf. Meine neuen Kollegen erzählten von ihren Erlebnissen und Ärgernissen, und ich berichtete von meiner Arbeit als Reporter auf den großen Baustellen der DDR. Jetzt war ich wirklich als Brigademitglied anerkannt. Besondere Zustimmung fand ich, als ich kritische Bemerkungen der Kollegen zum Bauablauf und zur Leitung der Baustelle durch Veröffentlichungen im ND gewissermaßen an die große Glocke hängte. Jetzt kamen meine jungen Kollegen von selbst mit Vorschlägen zu mir. So entstanden weitere kritische Beiträge in der Zeitung, die unter dem Beifall meiner neuen Freunde Wirbel auf der Baustelle auslösten und zu raschen Veränderungen führten. Es kam zu Diskussionen mit der Bauleitung über bessere Arbeitsorganisation, über Arbeitsschutz und ähnliche Probleme. Auch zur Arbeitsmoral einiger Kollegen, die es nicht so genau mit der nötigen Umsicht und Disziplin auf einer Baustelle nahmen. Unsere Brigade Meißner sah ein, daß Takt- und Fließfertigung mehr sein müßte als ein rein technologischer Arbeitsablauf. Das konnte nur etwas werden, wenn jeder mit seinen Fähigkeiten mithalf.

Immerhin sollten damals in Berlin nicht nur 9000 Wohnungen wie im Vorjahr 1958, sondern diesmal 11.000 Wohnungen fertig werden, damit die langen Wartelisten der Wohnungsämter kürzer würden. Doch mehr Arbeitskräfte standen nicht zur Verfügung. Das verstand man. Allein in meiner Brigade stieg die Produktivität durch das Takten auf fast auf das Doppelte an. Aber es kam immer wieder zu Zwangspausen, mal fehlte Material, mal reagierte die Leitung nicht auf Kritik. Sie sah das Ganze mehr als ein technisches Experiment an. Um das zu ändern forderten wir, wie es andernorts schon üblich war, sogenannte Produktionsberatungen. Hier wurde im Beisein der verantwortlichen Leiter von den Bauarbeitern alles zur Sprache gebracht. So gelang es uns durch bessere Abstimmung mit den anderen Taktbrigaden und fließende Materialbereitstellung leistungsfähiger zu mauern.

Schnell waren die vier Wochen rum. Ich hatte viel für meine weitere journalistische Arbeit auf den späteren Großbaustellen der Republik dazugelernt, meine jungen Kollegen sahen nun auch manches anders als vorher. Beim Abschied sammelten sie, als die Lohntüten gebracht wurden, für eine Prämie, die sie mir feierlich überreichten. Diese 50 Mark waren für mich die höchste und schönste Auszeichnung, die ich je erhalten habe. Wenn ich heute am Stiftsweg gegenüber dem Freibad Pankow vorbeikomme, ruft das viele Erinnerungen wach. Die Wohnblocks stehen auf Fundamenten, an denen ich eine Zeitlang mitgearbeitet habe. Das war der Anfang des industriellen Bauens in der DDR.

Leider wurde ein so vertrauensbildendes demokratisches Zusammenwirken später nicht mehr beibehalten. Uns im ND veranlaßte das, was als "Parteidisziplin" und als "demokratischer Zentralismus" bezeichnet wurde, zur Schönfärberei. Das war eine der verhängnisvollen Ursachen für den Untergang unserer DDR.

Hans Rehfeldt

Raute

Zur Kaufkraft der DDR-Mark

Für einen 100-Mark-Schein erhielt man in der DDR z. B.

• 10 bis 30 Theaterbesuche, je nach Platz und Haus oder 5 Eintrittskarten für den teuersten Platz der Staatsoper

• 1150 Fahrtkilometer mit dem D-Zug

• 500 Fahrten mit dem öffentlichen Nahverkehr

• 104 Bockwürste mit Brot und Senf

Raute

Lebendiges Erbe der Magdeburger Thälmannwerker

Die Krupps und die Krauses

Vor geraumer Zeit widmete der MDR dem Magdeburger Schwermaschinenbaukombinat "Ernst Thälmann" (SKET) zu später Stunde eine filmische Dokumentation. Sie entsprach im wesentlichen den Klischees des Wahl- und Jubiläumsjahres 2009. Delegitimierung der DDR um jeden Preis! Die Hintergründe wurden dann im Abspann sichtbar: Als Ideen- und Geldgeber des Streifens fungierte die Gedenkstätte Moritzplatz der Birthler-Behörde.

Und doch gab es etwas Hervorhebenswertes. Einige Thälmannwerker kamen selbst zu Wort, so eine Kranfahrerin, ein Auslandsmonteur des Walzwerksbaus sowie der Direktor für Forschung und Entwicklung des Kombinats. Zeitzeugen sind jetzt in Mode. Man will sich mit ihnen den Anschein der Objektivität geben. Die Erwähnten berichteten ungeschminkt über ihre Arbeit und ihr Leben in 40 Jahren SKET-Entwicklung seit der Enteignung des Krupp-Konzerns. Da gab es Probleme mit Material und Planerfüllung, Konsumgüterproduktion und Export, getreu dem Liedtext: Wer die Macht hat, der hat auch die Sorgen.

Als dann 1990 die politische Macht der Arbeiter und Bauern verlorenging, traten schnell die Sorgen der alten kapitalistischen Welt in den Vordergrund. Nun ging es um die nackte Existenz. Die Treuhand und die Konkurrenz auf dem Weltmarkt sorgten dafür. Noch heute sind gewisse Politiker der 90er Jahre stolz darauf, Magdeburg vom "Ruch" der Stadt des Schwermaschinenbaus "befreit" zu haben.

Ich selbst war nie Thälmannwerker, sondern Baumensch und Lehrer, der Studierende aus Asien, Afrika und Lateinamerika unterrichtete. Doch zur Veranschaulichung des Gelehrten nutzten wir häufige Abstecher in das Thälmannwerk. So besuchten auch die Studienseminare des MLSTP für mehrere Tage das SKET. Die Befreiungsorganisation der früheren portugiesischen Kolonie S’o Tomé und Príncipe hatte sich zur Avantgardepartei erklärt. Der kleine Inselstaat unter dem Äquator bekannte sich zum sozialistischen Weg, ohne daß dafür die materiellen, politischen und sozialen Voraussetzungen bereits bestanden hätten.

Unsere Gäste wurden vom Generaldirektor empfangen, besuchten wichtige Betriebsteile wie die Große Schmiede, den Walzwerksbau, Kindergärten und Berufsschule, Poliklinik und AMO-Kulturhaus. Als Abschluß und Höhepunkt besichtigten wir gemeinsam den Betrieb 36, die Formerei und Gießerei. Hier wurde die schwerste Arbeit geleistet.

Zwei Auswirkungen dieser Exkursion sind mir im Gedächtnis geblieben. Fast alle Studierenden aus dem MLSTP wollten gerade dort als Arbeiter tätig sein, hatten sie ihre besten Kumpels doch in vielen Gesprächen kennen- und schätzengelernt, auch im Privaten. Es kostete einige Mühe, sie an ihre Verantwortung gegenüber der fernen Heimat zu erinnern.

Vor dem Abflug aus Schönefeld wurden all ihre Freunde in Magdeburg von den Afrikanern besungen: "Viva, viva" - dann folgten besonders oft die Namen von Thälmannwerkern.

Daß nicht alle Blütenträume reiften, zeigte auch der weitere Verlauf der Ereignisse in dem kleinen Land der Dritten Welt. So konnte der einstige Sicherheitsberater des US-Präsidenten Jimmy Carter und Chefideologe in Sachen Konterrevolution Zbigniew Brzezinski in seinem Buch "Das gescheiterte Experiment Kommunismus" feststellen, daß auch die Pläne des linksgerichteten Präsidenten von S’o Tomé auf der Strecke geblieben seien. Obwohl er in Ostdeutschland studiert habe, sei er außerstande gewesen, die Kakaoplantagen seines Landes nach DDR-Vorbild zu verstaatlichen. Sicher wird dieser Mißerfolg nicht ohne äußeren Druck und Gelder der CIA zustande gekommen sein.

Doch zurück zur Gegenwart. Das DDR-Erbe und der Geist der SKET-Arbeiter wirken weiter. Am 18. August gedachten die Mitglieder des Vereins der Thälmannwerker des 65. Jahrestages der Ermordung Ernst Thälmanns. Die würdige Feier war sicher auch ein Verdienst seines Ehrenvorsitzenden Walter Bütow.

Dr. Heinz Sonntag, Magdeburg

Raute

Brief aus der "Heldenstadt"

Leipziger Schockzahlen

Kardinal Meisner stellte unlängst fest, die "soziale Marktwirtschaft" sei "zerbrochen". Bei uns in Leipzig ist das bei der heldenstädtischen Arbeitsagentur schon länger zu beobachten. Seit etlichen Jahren nehme ich regelmäßig den ständigen Ansturm von Arbeitslosen unter die Lupe. Monatlich sind das 6000 Neuanmeldungen, pro Jahr also über 70.000 und in 10 Jahren weit mehr als 700.000. Man muß in Rechnung stellen, daß es in Leipzig nur noch 200.000 Beschäftigte gibt. Diese enorme Antragsflut überrollt die Mitarbeiter. Im Vergleich zum Vorjahr gibt es einen 20prozentigen Anstieg.

Auf ostdeutscher Gesamtebene, wobei Westberlin mitgerechnet wird, sieht es nicht besser aus. Trotz ständig gepriesener Wirtschaftsförderung steigt die Beschäftigtenzahl nicht über 5,2 Millionen. Zu DDR-Zeiten lag sie, natürlich ohne Westberlin, bei 9,2 Millionen. Wirtschaft und Verwaltung verursachten seit 1990 insgesamt 40 Millionen Arbeitslos-Meldungen! Diese Schockzahlen werden von den Medien unterschlagen. Wie ist das Vorgehen bürgerlicher Reporter im als Betonklotz bezeichneten Leipziger Arbeitsamt? Sie passieren mit ausgeschalteter Technik die Schlangen im Empfangsbereich, vermeiden jeden Kontakt mit den Arbeitslosen und begeben sich direkt in den Konferenzraum, wo ihnen die Chefs umfangreiche mündliche und schriftliche Informationen zukommen lassen. Das ihnen Übermittelte kürzen sie dann in der Redaktion um 90 %, so daß alles Wesentliche herausfällt. Das nennt man dann "den letzten Stand der Dinge".

Ich verhalte mich da anders, lasse mir nichts einreden, sondern sehe an Ort und Stelle selbst nach. So streife ich die Gesichter der Verlierer stets mit einem Blick. Enttäuschung und Ärger, aber auch Resignation und Hilflosigkeit spiegeln sich in ihnen wider. Die meisten wissen nicht, daß und wie sie sich zur Wehr setzen sollen.

Bereits 1998 kamen bei einer damaligen Leipziger Arbeitslosenzahl von rund 40.000 nur ganze 300 Betroffene zur Demo. Jetzt sind es noch weniger. Sie zeigen sich auch nicht am 1. Mai. Beim Wahlkampfauftakt der Linkspartei sah es kaum anders aus.

Noch eine Ergänzung zur Industrie: 1989 zählte man 100.000 Stellen, 2009 waren es trotz der Vorführbetriebe BMW und Porsche in Leipzig weniger als 14.000. Der Versuch, alternative Arbeitsplätze gesichert anzubieten, muß als gescheitert gelten. Die Arbeitslos-Meldungen aus Erwerbstätigkeit liegen über denen, die von neuen Jobs berichten. Die "Heldenstadt" ist mit einer Quote von 15 % zusammen mit Berlin und Bautzen die arbeitslosenreichste Stadt des Anschlußgebiets. In den traditionellen Leipziger Arbeiterwohngebieten wie Volksmarsdorf im Osten, Lindenau und Leutzsch im Westen registriert man eine Dauerquote von rund 50 %.

Die "Abwanderung", besser gesagt die Westflucht, hält weiter an. Auf dem Ausbildungsstellenmarkt gibt es im Vergleich mit 2008 rund 38 % weniger Plätze und 42 % weniger Bewerber.

Märchenhaft agieren nur die politischen Märchenerzähler ...

Joachim Spitzner, Leipzig

Raute

Politische Justiz der BRD verfolgte Hunderttausende Oppositionelle

Hexenjagd im Stil McCarthys

In den 50er Jahren wohnte ich in Berlins Schönhauser Allee. Ich beherbergte dort öfter einen jungen Bergarbeiter aus dem Ruhrpott. Nennen wir ihn Karel. Er wurde mein Freund. Wenn er nicht "malochen" mußte - er war Hauer -, betätigte er sich in der FDJ. Die war zu dieser Zeit in der BRD bereits verboten. Kam Karel einige Wochenenden nicht, konnte ich davon ausgehen, daß er wieder einmal "saß". Er hatte bereits etliche bundesdeutsche Haftanstalten kennengelernt. Von Karel erfuhr ich, noch bevor ich selbst im Polizeigefängnis Ziethenstraße und später in Moabit eigene Erfahrungen sammeln konnte, wie man sich gegenüber der Polizei des Dr. Stumm - wir nannten sie deshalb Stummpolizei - und der bürgerlichen Justiz verhält. Was hatte der junge Bergarbeiter verbrochen, und weshalb wurden wir verfolgt? Der Hauptgrund: Wir traten gegen die unter Adenauer forcierte Remilitarisierung der BRD und für die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands ein. Dazu dienten Demos, Flugblätter, Hausagitation, Versammlungen, Kulturveranstaltungen, Treffen Jugendlicher aus Ost und West.

Während der III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Berlin demonstrierten am 15. August 1951 mehr als hunderttausend offiziell zum "Rüberkommen" eingeladene Mädchen und Jungen im Westteil der Stadt für Frieden und Völkerverständigung. Sie wurden von der Stummpolizei brutal überfallen. Es gab 976 Verletzte, darunter ernste Fälle. Am 9. Mai 1952 wurde bei einer vom Studentenpfarrer Mochalski und anderen Persönlichkeiten initiierten "Friedenskarawane" der junge Münchner Arbeiter Philipp Müller in Essen durch Polizeikugeln in den Rücken tödlich getroffen. Wir erfuhren von dem Mord noch am selben Tag während einer FDJ-Aktivtagung. Spontan formierte sich ein Protestzug, der mit Sprechchören durch den Stadtbezirk Prenzlauer Berg marschierte. Am liebsten hätten wir auch im Wedding, jenseits der Sektorengrenze, demonstriert.

Vor einigen Monaten hat die 1988 gegründete Initiativgruppe für die Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges (IROKK) eine überarbeitete Neuauflage ihrer "Nachdenkschrift" veröffentlicht. Der Titel lautet: "Die verdrängte Schuld der Bundesrepublik". Sie enthält konkrete Angaben zur systematischen Kriminalisierung, Verfolgung und Verurteilung linker Kräfte in der BRD. Es stellt sich heraus: Die BRD war und ist der deutsche Überwachungsstaat! Die Initiativgruppe fordert die Rehabilitierung seiner unzähligen Opfer, deren Entschädigung für erlittenes Unrecht, ein Ende politischer Strafjustiz und von Berufsverboten sowie die Aufhebung des unsäglichen KPD-Verbotsurteils. Sie hat sich wiederholt mit entsprechenden Petitionen an die Abgeordneten des Bundestages gewandt. Erwähnt werden in der Schrift auch die Bemühungen der PDS und der Fraktion der PDL, ein Gesetz zur Behebung und Wiedergutmachung politischen Unrechts in der BRD durchzusetzen. Alle diesbezüglichen Anträge wurden von den "Rechtsstaats-Parteien" CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen in den vergangenen Legislaturperioden abgelehnt.

Es geht dabei keineswegs um eine Bagatelle. Allein zwischen 1949 und 1968 wurden in der BRD politische Ermittlungsverfahren gegen etwa 200.000 unmittelbar und 500.000 mittelbar Betroffene eingeleitet. Mehr als 10.000 Antifaschisten erhielten teils langjährige Freiheitsstrafen. Als juristische Grundlage diente das eigens geschaffene Strafrechtsänderungsgesetz vom 30. August 1951 ("Blitzgesetz"). Es ermöglichte, auch Personen, denen keinerlei Rechtsbruch nachgewiesen werden konnte, wegen "Rädelsführerschaft in einer verfassungsfeindlichen Organisation" zu verurteilen. Zu solchen erklärte man die FDJ, den DFD, den Kulturbund, das Friedenskomitee, die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, die Aktion "Frohe Ferien für alle Kinder" u. a.

Am 17. August 1956 wurde die KPD verboten. Aufrechte Deutsche, die sich im Kampf gegen den Hitlerfaschismus bewährt und in Zuchthäusern und KZs gelitten hatten, wurden nun wegen ihres Eintretens für einen Friedensvertrag und die Wiedervereinigung Deutschlands abermals inhaftiert. Man entzog ihnen die bürgerlichen Ehrenrechte und ihre Entschädigungsrenten. Ihre Ankläger und Richter waren in vielen Fällen jene, welche noch bis zum Mai 1945 Todesurteile gefällt und langjährige Freiheitsstrafen gegen Antifaschisten verhängt hatten. Die Übernahme des Justizpersonals der Nazis durch die BRD und dessen Strafverfolgungspraxis wird in der Schrift konkret nachgewiesen.

Wer die Dokumentation aufmerksam liest, erkennt, daß Gesinnungsjustiz und antikommunistische Verfolgungswut mit den gesetzgeberischen Korrekturen von 1968 keineswegs ihr Ende fanden. Schon 1972 folgte der berüchtigte "Radikalenerlaß" mit massiven Berufsverboten. 1990 begann dann die politische Justizwillkür gegen frühere Bürger der DDR. Sie trifft bis heute deren Hoheitsträger und Mitarbeiter staatlicher Organe, aber auch Aktivisten der Friedensbewegung.

Am 2. April 2009 fuhr ein Bus aus Mecklenburg ins Elsaß. Die 38 Mitreisenden gehörten zum Rostocker Friedensbündnis und zur Deutschen Friedensgesellschaft. Ihr Ziel war die Teilnahme an den Protesten gegen den NATO-Gipfel in Strasbourg. Nach dort erfolgten Verhaftungen unterzogen das Landeskriminalamt und später dann auch die Staatsanwaltschaft Frau Cornelia Mannewitz, die Organisatorin der Fahrt, einem stundenlangen Verhör. Sie stellten ihre Wohnung auf den Kopf und beschlagnahmten ihren Computer. Offensichtlich wollte man in den Besitz der Teilnehmerliste gelangen. Als Frau Mannewitz von ihrem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machte, drohte man ihr mit halbjähriger Beugehaft.

Wer will angesichts solcher Praktiken behaupten, politische Strafverfolgung habe es in der BRD nur in den 50er und 60er Jahren gegeben? Das IROKK-Memorandum zitiert zu diesem Thema sachkundige Persönlichkeiten wie den ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann und die frühere Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Frau Prof. Dr. Limbach. Diese definiert politische Justiz als "Gebrauch von juristischen Verfahrensmöglichkeiten zu politischen Zwecken". Dabei beschränkte man sich in der BRD keineswegs auf die Zeit des Kalten Krieges. Wer hat übrigens diesen Krieg inszeniert und geführt? Um wessen Opfer geht es also? Ein kalter Krieg kann ebenso wenig "ausbrechen" wie ein heißer; beide werden von bestimmten Mächtegruppen mit sehr konkreten Zielen entfesselt. Seine Grundlage war das Streben der imperialistischen Bourgeoisie nach immer höheren Rüstungsprofiten. Allein zu diesem Zweck schuf sie die NATO. Bis heute verfährt sie nach derselben antikommunistischen Devise, mit der sie die Opfer des Kalten Krieges gnadenlos verfolgte.

Mein Freund Karel lebt nicht mehr. Wäre er noch unter uns, gehörte er gewiß zu den Organisatoren des Widerstandes gegen das deutsche Rüstungskapital, aller politischen Strafverfolgung zum Trotz.

Dr. Ernst Heinz

Die Nachdenkschrift ist für 4,50 Euro plus Porto bei Karl Stiffel, Hoffnungstraße 18, 45127 Essen erhältlich.

Raute

Ein Brief an das Bundesfinanzministerium

Wie die Treuhand das ESDA-Kombinat Bankrotteuren in den Rachen warf

An das
Bundesfinanzministerium
Wilhelmstr. 97
10117 Berlin
23.7.2009

Sehr geehrter Herr Bundesminister, angesichts des zunehmenden Zerfalls des weltweit verflochtenen Wirtschaftsystems scheint es mir dringend geboten, seitens der Regierung der BRD die Ursachen detaillierter und gründlicher als bisher zu untersuchen.

Als seit 1990 mit Berufsverbot belegte Philosophin und alleinerziehende freischaffende Mutter verfüge ich leider nicht über Möglichkeiten und Mittel für eine hintergründige Erforschung gegenwärtiger gesellschaftlicher Zusammenhänge.

Dennoch möchte ich Sie auf ein Dokument hinweisen, das mir bei meinen Recherchen im Internet auffiel. Aus diesem geht eindeutig hervor, welche grundlegenden Fehler bei der Umstrukturierung der Wirtschaft der DDR 1991 begangen wurden. Sie trugen mit Sicherheit zu der heute auf uns zukommenden Lawine bei.

Ich bitte Sie darum, folgendes Dokument umfassend zu analysieren:

Brief der Europäischen Kommission Nr. SG/99 D/10797 an den damaligen Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten Joschka Fischer, betreffs "Staatliche Beihilfe Nr. NN 4/99 (ex N 381/98) - Deutschland Beihilfe an die Esda Feinstrumpffabrik GmbH Sachsen vom 23.12.1999".

1. Aus diesem Dokument geht hervor, daß das ESDA Strumpfwarenkombinat Thalheim (Sachsen) - ein in der DDR außerordentlich gut gehendes Unternehmen, das im wesentlichen für den Export ins westliche Ausland produzierte - an eine hochverschuldete westdeutsche Firma vergeben wurde. Der einzige Grund: gemäß der Orientierung der Treuhandanstalt zu "privatisieren".

2. Die erwerbende Firma Kilianstädter Feinstrumpffabrik Gutwein & Perel GmbH & Co. KG (Kiliane) war - wie es in diesem Antrag auf Fördergelder heißt - verschuldet. Ein Umstand, den die Treuhandanstalt entweder nicht kannte oder nicht gründlich analysiert hatte. Das ist auf jeden Fall zu verurteilen, besonders angesichts der Tatsache, daß die Treuhand nicht selten hochgelobt wird, während man die volkseigenen Betriebe als heruntergekommene Wirtschaftseinheiten darstellt, was der Wahrheit bei weitem nicht entspricht. Uns DDR-Bürgern wurde Frau Breuel übrigens als Professorin für Wirtschaftswissenschaften offeriert, während wir heute wissen, daß sie gerade mal zwei Semester ohne Abschluß studiert hat und sich dann ihrer Ehe und der Erziehung ihrer Kinder widmete, um schließlich aufgrund ihrer CDU-Mitgliedschaft sofort ein Ministeramt in Niedersachsen zu übernehmen. Andererseits wurden hochqualifizierte Wirtschaftsspezialisten der DDR massenhaft ins absolute Aus gedrängt und diskriminiert.

3. Verdächtig scheint mir vor allem, wer in diesem Schreiben als Gläubiger von Kiliane benannt wird: Auf Seite 2 nennt man die Bank Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co. (SMH) als Hausbank jener Firma, welche ESDA erwarb. Inzwischen ist diese Bank in der Privatbank Münchmeyer Petersen Capital Hamburg aufgegangen. Die Tatsache, daß ausgerechnet die Treuhandchefin mit dieser Bank als Tochter des früheren Mitinhabers Alwin Münchmeyer und dessen Erben verbunden ist, scheint mir nicht unwesentlich zu sein. Weist es vielleicht auf Vetternwirtschaft hin?

4. Die Darlehensvereinbarung zwischen Kiliane und der SMH (die erst seit 1969 diesen Namen führt), besteht seit 1922, heißt es weiter in dem Brief. Fiel dieses Darlehen damit nicht unter den Altschuldenerlaß vom 27.2.1953? Wenn ja, warum nicht?

5. Nicht unerwähnt möchte ich lassen, daß die Privatbank SMH 1983 kurz vor dem Konkurs stand, während Münchmeyer Petersen Capital (MPC) heute eine der wenigen Banken ist, die weiterhin ansehnliche Gewinne einfahren.

Ist dies ein Einzelfall? Ein kleiner Fehler von Frau Breuel und ihrer Treuhand oder eine Art Verschleuderung bzw. private Aneignung des Volkseigentums der DDR hinter dem Rücken des Volkes der gesamten BRD? Steckt System dahinter?

Mir erscheint dieses hier behandelte Dokument zumindest einer Prüfung wert. Schließlich kommt es heute darauf an, nicht die Banken mit Geld zu bepflastern, sondern zu untersuchen, woher ihr Geld stammt und was sie damit gemacht haben.

Dr. Helga Helena Liebecke, Dresden

Raute

Gefühle eines Leiharbeiters

Seit einigen Jahren bin ich Leiharbeiter. Bin sozusagen Leih-Gut. Gut auf jeden Fall für die Verleihfirma und für den Betrieb, bei dem ich arbeite. Gut für mich? Wenn jemand sagt, Hauptsache Arbeit, dann ja. Für mich nicht mehr ja.

Jede Woche auf Strecke, wenn das so weitergeht, bleibe ich auf der Strecke.

Die Stammbelegschaft sieht uns mit gemischten Gefühlen, wir verdienen nur die Hälfte, und wir könnten doch, wenn es hart auf hart geht, eventuell ihre Arbeitsplätze einnehmen. Doch die Gesetze sind nicht so, noch nicht so. Wenn es um Entlassungen geht, bleiben die fest Eingestellten. Wir Leiharbeiter fliegen als erste. Die aus der Stammbelegschaft als zweite. Hier möchte jeder gern zweiter sein.

Jetzt will die Regierung die Pendlerpauschale ganz streichen. Die Leiharbeiter sollen sich gefälligst dort ansiedeln, wo sie arbeiten. Wer zieht denn gern weg, und wer soll denn die laufenden Umzugskosten und besonders die landesspezifischen Schulbücher der Kinder bezahlen?

Meine Frau macht das nicht mit. Sie hat ihre feste Arbeitstelle und wahrscheinlich einen neuen Freund.

Ja, flexibel muß man sein.

Hermann Friedrich

Raute

Zwei Genossen, die sich und der Sache zeitlebens treu blieben

Ruth und Jochen

Ruth ist in Hillersleben zu Hause, einem Dorf am Rande der Letzlinger Heide. Die DDR verlieh ihr den Vaterländischen Verdienstorden und die Clara-Zetkin-Medaille.

1945, mit 17, wurde Ruth für ihren ganzen weiteren Weg geprägt. Die junge Freiheit brachte ihr das vorerst schrecklichste Erleben, Eindrücke schlimmster Art mußte sie verarbeiten. Bei Farsleben waren im April über tausend Häftlinge des KZ Bergen-Belsen aus einem Eisenbahnzug befreit worden. In Hillersleben brachte man sie unter - Menschen, entkräftet, leidend unter tödlicher Schwäche. Flecktyphus wütete. Ruth war als Pflegerin gefordert. Das Lazarett befand sich im ehemaligen Offizierscasino.

Ruth heute: "Mein einziges Bestreben war zu helfen. Ich erlebte das Sterben so vieler unter meinen Händen mit."

War es da ein Wunder, daß ein junges Mädchen nach solcherlei Erfahrungen sehr bald den Weg in die Freie Deutsche Jugend fand?

Jochen war zu dieser Zeit Kriegsgefangener im Donbass, Hauer unter Tage. Er stammte aus Liegnitz im Schlesischen, absolvierte die Volksschule und die Domäne. Mittags ging es auf den Acker. Dann machten ihn die Faschisten zum Soldaten. Er fand sich in einer Division halber Kinder wieder. Schließlich ging er in Budapest in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Man verhörte ihn. Ein Offizier fragte auf deutsch: "Wo Deine Heimat? Ha, Liegnitz, wieso Du dann in Budapest? Was hier suchen?" Für Jochen war das ein erster Denkanstoß.

Im Lager begann er zu lesen. Anfangs "Ein Adelsnest" von Turgenjew und die Zeitung des Nationalkomitees "Freies Deutschland". Jochen fiel wohl auf. Weihnachten 1948 fragte ihn der Politoffizier, wie es mit einem Schulbesuch wäre.

1949 fuhr er nach Riga zur Antifa-Schule Nr. 2040. Einer seiner Lehrer war dort Professor Nikolai Janzen, ein Mann, den er später noch des öfteren treffen sollte. Im Sommer desselben Jahres kam er zurück nach Deutschland. Zunächst arbeitete er bei den FDJ-Kreisleitungen in Haldensleben und Gardelegen.

Ruth und Jochen lernten sich kennen und lieben. Ruth war zu dieser Zeit schon lange Verantwortliche für die Kindervereinigung der FDJ, danach für Aufbau und Leitung der Jungen Pioniere. Bald nach der Heirat kam die erste von vier Töchtern zur Welt. Im Juni 1953 zog das junge Paar nach Berlin, wo beide ihre Lebensaufgaben fanden.

Sie waren erst einen Tag dort, da standen sie bereits - am 17. Juni - in den Reihen der Verteidiger ihrer jungen Republik. Sie blickten der Konterrevolution ins Auge. Fortan lagen ihre Betätigungsfelder in der DDR-Hauptstadt. Ruth arbeitete lange Zeit im Parteiapparat der SED, später war sie viele Jahre stellvertretende Vorsitzende der URANIA. Ein Los des Nationalen Aufbauwerkes hatte sie übrigens zur Gewinnerin einer Wohnung in der damaligen Stalinallee werden lassen. Jochen war jahrzehntelang Mitarbeiter des ZK der SED. Bald hieß es für ihn, eine Parteischule zu besuchen. Er war wohl recht gut, profitierte nicht zuletzt von der Rigaer Antifaschule.

Der Weg des Genossen Hampel verlief geradlinig: Lehrer, Dozent, Tätigkeiten in den ZK-Abteilungen Agitation, Propaganda und Westarbeit. Er saß im Karl-Liebknecht-Haus, wo einst Ernst Thälmann gewirkt hatte. Über die Jahre lernte er zahllose Genossen kennen, deren Namen einen guten Klang in der Bewegung hatten. Zu ihnen gehörten Erich Glückauf, Albert Norden, Werner Lamberz und Werner Eberlein. Eine Vielzahl von Auslandseinsätzen als Lektor ist Teil seiner Biographie. Bis nach Kampuchea und Vietnam führte ihn sein Weg. Er erhielt den Vaterländischen Verdienstorden in Bronze und Silber.

Nun ist Jochen Hampel schon lange Rentner. Ein Leben lang blieb er sich, seiner Ruth und der Sache treu. Heute bewahrt und vermittelt er reiche Erfahrungen. Er besitzt eine riesige Bibliothek. Sie ist sein Heiligtum. Oft wiederholt er den Satz: "Typisch für mich von Kindheitstagen an war lesen, lesen, lesen."

Die Hampels sind beide über Achtzig. Dennoch sehen wir sie immer wieder. Wo? Bei jeder Ehrung unserer Toten, der Opfer des Faschismus, der gefallenen Kämpfer kann man mit ihnen rechnen. Kein 8. Mai, kein OdF-Tag wird von ihnen vergessen. Sie stehen in Haldensleben am Denkmal für die deutschen Antifaschisten und für jene, welche die Todesmärsche nicht überlebten. Immer wieder suchen sie auf dem Friedhof die Gräber der Rotarmisten und der Zwangsverschleppten auf, natürlich auch den Gedenkstein in ihrem Heimatort. Dort ruhen die 138 erst nach dem Krieg Verstorbenen von Bergen-Belsen.

Wo wir beiden seit 15 Jahren überdies stets begegnen, ist der allmonatliche Protestmarsch gegen den Mißbrauch der Colbitz-Letzlinger Heide durch BRD- und NATO-Militär.

Ein Wort prägt das Leben der Hampels: Solidarität! Heute ist sie für die alten Genossen vor allem mit Kuba verbunden. Natürlich besuchten sie die Insel und erlebten deren tapferes Volk. Als Ruth ihren 80. Geburtstag beging, lehnte sie Geschenke ab, animierte aber die Gäste zu Spenden für Fidels Heimat. Am Ende lagen 530 Euro auf dem Tisch.

Wen wundert es, daß sie sich mit einer solchen Vergangenheit und Gegenwart auch politisch engagieren. Ruth und Jochen sind Mitglieder der Partei Die Linke.

Karl Schlimme

Raute

Schönberger "Demokratie"

Eine Mehrheit aus Liberaler Wählergemeinschaft (LWS), CDU und SPD beschloß am 27. August, den Widersprüchen Michael Heinzes (Die Linke) gegen seine Absetzung als ehrenamtlicher Bürgermeister der im Kreis Grevesmühlen gelegenen Stadt Schönberg nicht stattzugeben. Dieselben Fraktionen hatten am 14. Juli die Entscheidung gegen den am 7. Juni mit einem Stimmenanteil von 72 % wiedergewählten Bürgermeister durchgesetzt.

Vier parteilose Mitglieder der Fraktion der Linken und ein Unabhängiger votierten dafür, die diskriminierenden Beschlüsse vom 14. Juli aufzuheben. Der Unabhängige Marian Stickel sagte: "Der Sitzungstermin ist bewußt gewählt worden, damit noch die alte Mehrheit entscheidet. Die am 7. Juni berufene neue Stadtvertretung mit einer Mehrheit aus Linken und Unabhängiger Wählergemeinschaft hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt aus formellen Gründen nicht konstituieren können. SPD, CDU und LWS warfen Heinze vor, er habe die Stadtvertretung in den Jahren 2004, 2005 und 2006 über "seine Tätigkeit als inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit arglistig getäuscht".

Die "Ostseezeitung" hatte im Juli Fotos und Meinungen von acht Bürgerinnen und Bürgern Schönbergs veröffentlicht. Sieben von ihnen erklärten unmißverständlich: Heinze ist unser Bürgermeister und soll es bleiben.

Am 9. September überschrieb das Lokalblatt "Grevesmühlener Zeitung" einen Bericht auf der Titelseite mit den Worten: "Lagerkampf spaltet Schönberg." Am 14. September wurde Karl-Heinz Düwel (CDU) "bis auf weiteres" amtierender Bürgermeister der Stadt.

RF, gestützt auf "Ostseezeitung" und "Grevesmühlener Zeitung"

Raute

Was hinter Egon Bahrs "Wandel durch Annäherung" steckte

Konterrevolution auf Filzlatschen

Im Mittelpunkt eines von Detlev Nakath herausgegebenen Sammelbandes der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg stehen Ansichten Egon Bahrs und dessen Verdienste um die "deutsche Einheit". Der Leser erfährt Bemerkenswertes über seine gegenwärtige Weltsicht sowie die politischen Ziele, die er der SPD und "Deutschland" empfiehlt.

Bahr gesteht: "Ich war ein kalter Krieger." Damit sind seine Aktivitäten in den 50er Jahren gemeint, als er Redakteur des US-Senders RIAS war und sich damit befaßte, die Konterrevolution in der DDR anzustacheln. Man erinnert sich unwillkürlich daran, welche Rolle Bahr am 17. Juni 1953 spielte.

Die Sicherung der Staatsgrenze der DDR am 13. August 1961, die das Scheitern der auf gewaltsame "Befreiung der Ostzone" gerichteten Deutschlandpolitik der BRD anzeigte, veranlaßte deren herrschende Klasse zu einer Strategiekorrektur. Bahr, Brandt und andere erkannten, daß die Beseitigung der DDR durch eine Politik der Stärke unmöglich war. Sie vollzogen einen Strategiewechsel, indem sie durch eine flexiblere "Ostpolitik" die "Konterrevolution auf Filzlatschen" (Otto Winzer) gegen den ersten deutschen Arbeiter-und-Bauern-Staat vorbereiteten. Bahr wurde auf einmal Entspannungs- und Friedenspolitiker, um seine "Vision" der "Überwindung der Spaltung Deutschlands" zu verwirklichen. Sein 1963 geprägter Spruch vom "Wandel durch Annäherung" brachte genau dies zum Ausdruck. So erklärt Bahr auch heute, daß er Verhandlungen in Moskau führte, "um letztlich über die deutsche Einheit zu reden".

Bahr betrachtete den Anschluß der DDR als Mittel zur Sicherung des Friedens. Seiner Auffassung nach ging von der "Spaltung Deutschlands" - und nicht etwa von der NATO - die Kriegsgefahr aus. Die als neue "Ostpolitik" bezeichnete Orientierung konzentrierte sich darauf, im Namen des Friedens und der Sicherheit den ersten deutschen Friedensstaat zu liquidieren. Die SPD förderte die europäische Integration der Bundesrepublik, vor allem aber das Bündnis mit den USA, die Kriegspolitik der NATO, die Militarisierung der BRD und den zwiespältigen KSZE-Prozeß.

Wie sieht Bahr das Resultat der "Konterrevolution auf Filzlatschen"? Neben der Genugtuung über das endlich erreichte Ziel der "Einheit Deutschlands", beklagt er die Entstehung einer Normalität von Kriegen, die bereits nach 1989 mehr als 100.000 Tote kosteten. Unerwähnt bleibt allerdings, daß Politiker wie er und seine Partei eine erhebliche Mitschuld an diesen Kriegen tragen.

Bahrs heutige "Vision" von der Zukunft der Menschheit sieht die Überwindung der Normalität von Kriegen durch ein Ordnungssystem vor, aus denen sich kein Staat mehr lösen kann.

Seine Vorstellungen von einer künftigen Vertragsgemeinschaft aller Staaten beruhen auf Illusionen. Das zeigt sich u. a. darin, daß er:

1. in der NATO einen Friedensgaranten sieht, der dafür sorgt, daß es in Europa keinen Krieg mehr zwischen den Staaten gibt und daß Deutschland keinen Krieg mehr anfangen kann: "Die NATO ist die Kontrolle über Deutschland, das nicht wieder verrückt spielen kann",
2. die Stärke der "Amerikaner" bewundert. Gleichzeitig bedauert er die Schwäche "Europas". Das Denken der "Europäer" hält er für ein Denken der Schwachen, Kritik der "Europäer" an den "Amerikanern" für eine "Kritik der Impotenten am Potenten",
3. von Westeuropa erwartet, seinen Status als eines Protektorats der USA zu akzeptieren und zwar so lange, bis es die Stärke erreicht hat, mit deren Einsatz es diesen Zustand überwinden kann,
4. für längere Zeit eine weltweite Arbeitsteilung zwischen "Amerika" und "Europa" empfiehlt. Die "Europäer" sollen dabei ihre Stärken einbringen: Gewaltverzicht, Verhandlungen, Vertragspolitik, Wirtschaftstätigkeit ... Sie sorgen für die friedliche Lösung von Problemen, so daß die "Amerikaner" gar keine Kriege zu führen brauchen. Bahr richtet sich an die militärisch überlegenen USA: "Es ist doch kein Risiko für euch. Eure Stärke ist doch dann unangetastet. Ihr könnt immer noch zuschlagen, wenn ihr glaubt, die Europäer schaffen das nicht. Also laßt uns Arbeitsteilung machen!"

Bahr lehnt den Gedanken ab, Europa könnte zum Vasallen "Amerikas" werden. Gleichzeitig entwickelt er Vorstellungen, die dem Kontinent diesen Platz in der von ihm akzeptierten "Weltvorherrschaft der USA" zuweisen. Dabei bringt er für Kriegspolitik sehr viel Verständnis auf. In einem Interview zu Afghanistan stellt Bahr fest: "Wir befinden uns praktisch in einem Krieg, sind aber zu feige, es zuzugeben. Diese Tornados erinnern mich an die Scheckbuchdiplomatie. Wir sind halb dabei, aber nicht richtig. Wir klären auf, damit die anderen exakt bomben können. Wir werden nicht umhin können, den Preis für die globale Mitverantwortung, die wir tragen wollen, zu zahlen. Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß - das funktioniert nicht auf Dauer."

Bahr möchte, daß sich Deutschland engagierter am Krieg in Afghanistan und anderswo beteiligt.

Für ihn, der jeden bedeutenden Schritt der sozialdemokratischen Entspannungspolitik über einen Geheimkanal (den sogenannten Back Channel) mit den USA abstimmte, ist die Haltung zu "Amerika" der "Pferdefuß". Bahr ist ein Politiker, der die Kollaboration mit der "einzigen Weltmacht" (Brzezinski) erstrebt, um dem europäischen und dem deutschen Kapital einen angemessenen Anteil an der weltweiten Ausbeutung der Völker zu sichern. Seine Haltung zur NATO und zu den USA, sein Respekt vor der strategischen Entschlossenheit des Ex-Präsidenten George W. Bush weisen ihn als einen imperialistischen Politiker aus, der in Abhängigkeit von der jeweiligen Lage Friedens- und Kriegspolitik betreibt.

Der Beitrag der SPD zur Liquidierung der DDR und des Sozialismus im vermeintlichen Interesse der deutschen Nation und der Friedenssicherung war ihr folgenreichster Coup gegen die Arbeiter- und Friedensbewegung. Damit erleichterte sie dem deutschen Imperialismus und Militarismus erneut die aktive Kriegsbeteiligung. Bahrs heutige "Visionen" bedeuten nichts weiter als die Fortschreibung seiner bisherigen antisozialistischen Politik.

Dr. Ehrenfried Pößneck

Raute

Was am Schwarzen Brett einer Supermarkt-Filiale angeschlagen wurde

Ich arbeite gern im Einzelhandel ...

Ich bin in der Lage, gleichzeitig 4 Kunden zu bedienen, beim Kassiervorgang 5 Fragen zu beantworten, Bestellungen von 6 Kunden zu notieren, für 7 Kunden die Umtauschaktionen zu tätigen sowie eingehende Telefongespräche entgegenzunehmen.

Ich kenne die Preise aller Artikel. Ich spreche sämtliche Sprachen, auch jeden Dialekt und habe mit allen Bereichen dieser Filiale zu tun.

Ich kenne jeden Artikel, weiß genau, wann er lieferbar ist und natürlich all seine Eigenschaften.

Ich bin verantwortlich für die viel zu kleine Aufschrift auf der Verpackung, für fehlerhafte Ware, für unvollständige oder schlecht übersetzte Spielanleitungen, für eventuell später auftretende Mängel und natürlich auch für die ungünstigen Einkaufspreise.

Des weiteren hafte ich für das heutige Wetter, die unwürdigen Bedingungen der Kundenanreise, die vollen Busse, U- und S-Bahnen. Die verstopften Straßen und die überteuerten Parkhäuser, in denen kein Platz frei ist, gehen ebenfalls auf meine Kappe. Sie dürfen mich gerne anschreien!

Außerdem bin ich in der Lage, die Ware zu Ihren Wunschzeiten vorrätig zu haben. Ich kann die Bedürfnisse meinen Kunden von der Stirn ablesen. Ich weiß auch, daß Sie, wenn Sie eine Reservierung zum Freitag haben, diese in Wirklichkeit erst am Sonnabend abholen wollen.

Ich bin mitfühlend und verständnisvoll und ersetze meinen Kunden gern den Psychiater. Ich bin Ihnen natürlich beim Abbau Ihrer Aggressionen behilflich und ertrage in voller Selbstbeherrschung auch die schlimmsten Beschimpfungen und Bedrohungen. Alkohol- und Knoblauchfahnen sowie Schweißgeruch gehören zu meinen Lieblingsdüften. Hauchen Sie mich ruhig nach Herzenslust an.

Ich ersetze die Informationstafel, kann Kassen, Papierpressen, Aufzüge und Rolltreppen reparieren, die Preisschilder drucken und das Ständermaterial in Ordnung bringen.

Ich kenne weder Sonn- noch Feiertage, brauche keinen Urlaub, arbeite gern bis in die späten Abendstunden und bleibe am Inventurstichtag ohne Murren bis zum nächsten Morgen.

Meine Familie und meine Freunde sind mir unwichtig, denn persönliche Freizeit empfinde ich als Graus. Die einzige Freude meines Daseins ist es, den Besitzern meiner Firma und den Kunden zu dienen.

Ich arbeite gern im Einzelhandel ...

(Verfasser unbekannt)

Raute

Ackermanns Schamgefühl

Die Deutsche Bank, stolz auf ihre Größe und ihre Unabhängigkeit, würde "sich schämen", vom deutschen Staat Geld zu nehmen. Das sagte ihr Chef Ackermann - und hatte damit wissentlich gelogen. Die Postbank wollte er kaufen, hatte aber in der Finanzkrise nicht genug Flüssiges.

Also mußte Frau Merkel ran: Die Post kaufte Deutsche-Bank-Anteile im Wert von 8 %, als Liquiditätsspritze. Die Post gehört - über die bundeseigene KfW - zu 30 % dem Bund, weil die KfW Anteile in dieser Höhe besitzt. Die Post ist also teilweise ein staatliches Unternehmen. Wenn nun diese Post 8 % Anteile von der Deutschen Bank kauft, erhält die Geld, das vom Staat kommt. So viel zum Thema "Scham".

Kaum war Anfang des Jahres dieses Geschäft getätigt, machte prompt die Deutsche Bank einen Quartalsgewinn von 1,5 Milliarden Euro, doppelt soviel wie im Vergleichszeitraum. Das ging nur mit Gesetzen zur Unternehmens-Bilanzführung, die ein paar kleine Tricks erlauben.

Diese Gesetze stammen von der Großen Koalition, also von CDU/CSU und SPD gemeinsam. Gewinne dürfen danach in voller Höhe ausgewiesen werden. Wertpapiere aber, die durch die Zockerei der letzten Jahre in den Keller gegangen sind, darf man immer noch zum Nennwert berechnen, obwohl sie längst nicht mehr so viel wert sind. Weil nun all diese Dinge so schön gelaufen sind und weil der Staat zudem für Konjunktur und Bankenrettung 700 Mrd. Euro bereitgestellt hat, gibt es ein kleines Fest. Herr Ackermann hatte bekanntlich Geburtstag - nur konnte Frau Merkel nicht dabei sein. Also lud sie ihn und 30 Freunde, alles hochkarätige Wirtschaftsbosse, ins Kanzleramt. Auf Kosten der Republik, versteht sich. Denn Frau Merkel wird die Angelegenheit nicht aus eigener Tasche bezahlt haben.

Die Beteiligten spielen die Sache herunter, nur Herr Ackermann prahlt ein wenig. Jetzt ist das Kind im Brunnen. Aus dem "Gedankenaustausch" ist ein Skandal geworden. Die Kanzlerin flirtet mit den Bossen. Und die Bürger müssen sich von Glücksrittern wie Herrn Ackermann sagen lassen, daß sie zu faul und zu gierig sind. Und ein großmäuliger Banker läßt sich dafür feiern, daß er dem dummen Steuerzahler viel Geld aus der Tasche gezogen hat. Manchmal fällt einem nur noch der alte Bert Brecht ein. Der hat listig gefragt: Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank? Netter Scherz - oder etwa doch ein wenig mehr ...?

Aus "Die Rote Spindel", Kreiszeitung der DKP Nordhorn

Raute

Eine Gänsekeule für den "RotFuchs"

Wie jedes Jahr um diese Zeit legen wir der Novemberausgabe einen Überweisungsträger bei. Wir lassen also den symbolischen Hut kreisen, damit alle, die dazu in der Lage sind, ihre Münzen oder Scheine hineinwerfen können.

Kompromißlos parteilich und links angesiedelt, doch ohne Parteibindung, erhält der RF nicht einen einzigen Euro der sonst üppig verteilten Fördermittel.

Unser unbestechlich rotes, sich niemals vor dem Klassenfeind duckendes oder ihm gar nach dem Munde redendes Blatt besitzt, wie Ihr alle wißt, nicht jene herkömmlichen Mäzene, mit deren Zutun andere ihre Kassen aufzufüllen pflegen. Aber der arme kleine "RotFuchs" ist dennoch reicher als alle anderen zusammen: Er kann sich nämlich auf Zehntausende treue, solidarische und opferbereite Leser verlassen, die ihm jedes Jahr, wenn die für Notfälle angelegten Reserven bedrohlich dahingeschmolzen sind, tatkräftig unter die Arme greifen.

Wir haben die immer vor Weihnachten anlaufende Aktion recht bildhaft "Eine Gänsekeule für den 'RotFuchs'" genannt und bitten alle, die finanziell dazu in der Lage sind, uns schnell und wirksam zu unterstützen.

Wir RF-Macher brauchen stets, aber besonders jetzt, dringend Eure Hilfe, damit die von ihren Freunden geliebte und vom Gegner gehaßte kommunistisch-sozialistische Stimme auch im 13. Jahr ihres Bestehens erschallen kann.

Laßt den "RotFuchs" nicht im Regen stehen!

Die Redaktion

Raute

Nur 33,69 % der Stimmberechtigten votierten für Schwarz-Gelb

Keinen Bock aufs Wählen

Die Politkomödie "Wahlen zum Bundestag" ist beendet. Sie brachte nicht nur das vorausgesagte Debakel für die SPD, sondern machte auch das tiefsitzende Mißtrauen des "Wahlvolkes" - des Souveräns - gegenüber dem "demokratischen System" der Bundesrepublik deutlich. Ein knappes Drittel (29,2 %) der wahlberechtigten Bundesbürger versagte sich diesem Spektakel. Das war ein Zuwachs der Abstinenz von 6,8 %! Rechnet man noch die Zahl der ungültigen Stimmen hinzu, so haben nur 69,8 % an der Wahl teilgenommen!

Die relative Mehrheit der bürgerlichen Wahlsieger aus CDU/CSU und FDP schrumpft in diesem Licht auf 33,69 % statt der offiziellen 48,4 %. Mit anderen Worten: Die "Partei der Nichtwähler" erreicht annähernd das Ergebnis der triumphierenden Gewinner. Der Urnengang zeigte, daß "Die Linke" in sämtlichen Bundesländern, sogar im tiefschwarzen Bayern, die 5-%-Hürde überspringen und überall Stimmen hinzugewinnen konnte. Die Zahl ihrer Direktmandate stieg von 3 auf 16!

Die große Frage ist aber, was "Die Linke" aus diesem Vertrauenszuwachs macht. Wird sie es besser als bisher verstehen, das politische Wirken im Parlament mit massenpolitischen Aktionen an der Seite anderer kapitalismuskritischer Kräfte und der Gewerkschaften zu verbinden? Wird sie ihre Positionen zu Frieden und mehr sozialer Gerechtigkeit glaubhafter als bisher vermitteln können? Die bürgerliche "Crème de la crème" feierte dieser Tage nicht nur ihren Wiedereinzug in die Regierung, sondern auch den Jahrestag ihres Sieges über den anderen, den sozialistischen deutschen Staat. In diesem Zusammenhang drängen sich eine Vielzahl von Vergleichen auf. Hier eine Auswahl:

Wir hatten in der DDR zwar keine privaten Banken, dafür aber auch keine Bankenkrise und keine schamlosen Banker.

Wir hatten zwar keine Börse, dafür aber ein Wirtschaftssystem ohne kapitalistische Konzerne.

Wir hatten zwar keine Arbeitslosenversicherung, dafür aber auch keine Arbeitslosen.

Wir hatten zwar keinen freien Wohnungsmarkt, dafür aber bezahlbaren Wohnraum für jedermann und keine Obdachlosen.

Wir hatten zwar keine Manager, dafür aber eine große Zahl engagiert arbeitender Leiter in volkseigenen Betrieben und Genossenschaften.

Wir hatten zwar keine private Rentenversicherung, dafür aber Rentensicherheit.

Die DDR war zwar kein "bürgerlicher Rechtsstaat", garantierte aber ein hohes Maß an sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit. Es gab keine Schwärme von Rechtsanwälten und überlastete Gerichte, für welche die Regel gilt: Recht haben und Recht bekommen ist zweierlei.

Wir hatten zwar keine Energiekonzerne, dafür aber bezahlbare und konstante Energiepreise.

Wir kannten zwar keine Lobbyisten des Kapitals im Regierungsapparat, bemühten uns aber trotz vieler Probleme um eine sinnvolle und bedarfsgerechte Produktion.

Wir hatten zwar eine gut ausgerüstete und schlagkräftige Armee, waren aber nie an Kriegen in Europa und in der Welt beteiligt.

Wir hatten zwar kein teilprivatisiertes und unter Kleinstaaterei leidendes Bildungswesen, dafür aber ein einheitliches kostenloses System der Bildung und Erziehung.

Wir kannten zwar keine privaten Einrichtungen für Klein- und Vorschulkinder, besaßen aber kostengünstige Krippen und Kindergärten mit gut ausgebildeten Erzieherinnen und engagierten Pädagogen.

Wir kannten zwar keine 200 gesetzlichen und privaten Krankenkassen, verfügten aber über ein vorbildliches, allen Bürgern gleichermaßen dienendes einheitliches Gesundheits- und Sozialversicherungswesen.

Wir kannten keine in Privathand befindliche Daseinsfürsorge auf solchen Gebieten wie Wasser-, Energieversorgung, Post und Verkehrswesen.

Die Bürger der DDR besaßen zwar wesentlich weniger Autos, nutzten aber ein gut ausgebautes und für alle bezahlbares System des Fern- und Nahverkehrs.

Wir konnten zwar keine Urlaubsreisen in alle Welt antreten, hatten dafür aber einen von Millionen genutzten Feriendienst der Gewerkschaften, wobei viele Betriebe und Einrichtungen außerdem über eigene Ferienheime in den schönsten Gegenden der DDR verfügten.

Bei uns mußten die Gewerkschafter nicht vor den Betriebstoren stehen, um ihre Forderungen anzumelden, sondern waren in den Betrieben und Einrichtungen eine Macht!

Sicher fällt jedem unserer Leser noch eine ganze Menge eigener Vergleiche ein, die verdeutlichen, was sich in den vergangenen 20 Jahren im Osten Deutschlands verändert hat. Diesen Wandel jedem vor Augen zu führen, unsere Errungenschaften in das Bewußtsein der Menschen zurückzurufen, sie den Nachgeborenen, die diese Periode nicht selbst erlebt haben, zu vermitteln, sollte Aufgabe aller Linken sein. Voraussetzung dafür aber ist, daß mit unserer Vergangenheit verantwortungsbewußt und offensiv umgegangen wird, was manchen Prominenten schwerzufallen scheint. Es ist sicher bequemer, sich dem Mainstream der Meinungsmacher in den Medien zu unterwerfen, als gegen den Strom zu schwimmen.

Bei allen Unzulänglichkeiten, die es in der DDR gab, war sie ein sozial gerechter und friedliebender Staat. Daran ändern auch die Kampagnen zur Leugnung der Realität und zur Verunglimpfung des Sozialismus nicht das geringste.

Klaus Baunack

Raute

Flagge zeigen!

Der RF beglückwünscht Mitglieder und Wähler der Partei Die Linke in Ost und West zur Erringung von mehr als 5,1 Millionen Stimmen und 76 Bundestagssitzen, darunter 16 Direktmandaten. Hervorzuheben ist auch der zweite Rang in der Hauptstadt. Der engagierte Einsatz zahlloser Wahlkämpfer - von Oskar Lafontaine bis zu den Genossinnen und Genossen der Basis - hat zu diesem großartigen Ergebnis geführt. Das verstärkte Eingreifen der zahlenmäßig gewachsenen Fraktion einer linken und antifaschistisch-demokratischen Kraft wie der Partei Die Linke ist von erheblicher Bedeutung. Man muß hervorheben, daß sich die PDL in der Vergangenheit aktiv gegen jede Beteiligung der BRD an der Afghanistan-Aggression gewandt hat und für soziale Forderungen wie für die Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges eingetreten ist.

Die weitere Stärkung der Linkspartei ist gerade in einer Periode zugespitzter schwarz-gelber Reaktion ein dringendes Gebot. Rot muß jetzt Flagge zeigen und allen antisozialistisch-antikommunistischen Attacken - von wem sie auch immer ausgehen mögen - Paroli bieten.

K. S.

Raute

Was ein junger RF-Leser von der Linkspartei erwartet

Kampfgeist statt Schmusekurs

Das Superwahljahr 2009 wurde zum Blütejahr des Antikommunismus. Es ist auch ein Jahr, in dem sich die Linkspartei entscheiden muß, welchen Weg sie nach den Wahlen einschlagen will. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Anpassung oder Treue zur sozialistischen Idee.

In dieser Konjunktur für Lügen und Verleumdungen hat die bürgerliche Presse keine Gelegenheit ausgelassen, sogenannte Dokumentationen, einseitige Betrachtungen und Zeitzeugeninterviews mit Profiteuren des Anschlusses der DDR an die BRD gegen "Die Linke" zu instrumentalisieren. Dabei wird auch nicht davor zurückgeschreckt, Wähler wegen ihrer Option zu diskriminieren und zu diskreditieren. So stellt der "Stern" den typischen PDL-Anhänger als "DDR-nostalgisch" und als "Wende-Verlierer" dar.

Trotz des niedrigen Niveaus der Attacken wird ein Dilemma für die Linkspartei, deren rechter Flügel sich schon längst von den Kommunisten noch stärker distanzieren will, bloßgelegt: Wehrt sie sich gegen die Kampagne, dann wird ihr vorgeworfen, sie verhalte sich feindselig gegenüber den Medien und demonstriere mangelnde Teilnahme am "demokratischen" Spiel. Wehrt sie sich nicht, dann opfert sie eigene Mitglieder zugunsten einer falschen Popularität. Immerhin fordern und befürworten nicht wenige die Einbeziehung aller linken Denkweisen, also auch die der Kommunisten.

Mit dem Ärger über diese Angriffe auf die Partei und deren zersetzende Folgen geht indes auch eine gewisse Genugtuung einher, verdeutlicht doch die von ihren Gegnern an den Tag gelegte Aggressivität, daß "Die Linke" trotz all ihrer inneren Zerrissenheit noch immer einen Bedrohungsfaktor für das Establishment darstellt.

Und wenn es in ihr auch noch so viele Ramelows gibt, so finden sich dennoch in den Basisorganisationen und bei der Linksjugend solid nicht wenig rührige Geister, die Deutschland Seite an Seite mit Sozialisten, Kommunisten und anderen Fortschrittskräften verändern wollen. Das ist zweifellos ein langer Weg mit vielen kleinen Schritten.

Es wäre indes übertrieben, sich "Die Linke" als die revolutionäre Partei vorzustellen. Sie ist jedoch ein bitter nötiger Schutzschirm im Kampf für soziale Gerechtigkeit und Demokratie. Die PDL vertritt Arbeitslose, Benachteiligte und mittellose Studenten. Vor allem aber ist sie die einzige Bundestagspartei, die sich mit aller Vehemenz gegen den schmutzigen Krieg in Afghanistan wendet.

Im historischen Kontext wäre die PDL vielleicht am ehesten mit der USPD vergleichbar. Allerdings besaß diese das Potential, eine revolutionäre Kraft wie die KPD mit hervorzubringen. In bezug auf die PDL ist auch die Tatsache hervorzuheben, daß sie im Unterschied zu anderen Parteien von den Konzernen unabhängig ist.

Die Bewegung braucht alle linken Kräfte, hinreichend Kampfgeist und vor allem gemeinsame Foren wie den "RotFuchs". Schwächliche Kapitulanten, die den Neoliberalen nur Wattebäusche entgegenwerfen, oder pseudoradikale Revoluzzer, die sich auf "linke" Phrasendrescherei und das Anzünden von Mülltonnen verstehen, sind ihr nicht nützlich.

Ich selbst habe meine eigene Methode gefunden, um wirklich fortschrittliche Geister von Leuten anderer Art zu unterscheiden. In mein Arbeitszimmer hängte ich ein altes Foto von Erich Honecker, darunter einen Zettel mit der Aufschrift "Kritische Auseinandersetzung statt antikommunistischer Hetze". Der Antikommunist, der den Raum betritt, protestiert schon von weitem gegen das Porträt. Der Opportunist ignoriert es gänzlich oder gratuliert mir sogar dazu. Der kritische Denker aber tritt näher heran und liest erst einmal den Zettel. Mit so jemandem würde ich mich gern austauschen.

Markus Fiebig-Gottschall, Gordemitz

Raute

Erinnern an die Arnolds

Recht undurchsichtige Positionen nicht weniger Funktionsträger der Linkspartei sind mir Veranlassung, mich an die Haltung aufrechter Genossen früherer Jahre zu erinnern.

Der erste Leiter unserer Kreisparteischule in Schweinsburg (Zwickau-Land) war Ludwig Arnold. Ich möchte mit nur wenigen Strichen entscheidende Abschnitte seines Lebens skizzieren, weil er für uns in vieler Hinsicht ein Vorbild war. Arnold, ein junger Kommunist und klassenbewußter Metaller, ging 1926 in die Sowjetunion, um dem ersten sozialistischen Staat bei der Ausbildung von Facharbeitern zu helfen. Diese Aufgabe war nicht so leicht zu lösen, wie er sich das zunächst in seiner Heimatstadt Zwickau vorgestellt hatte. Wenn die ihm anvertrauten jungen Menschen, die noch nie eine Maschine zu Gesicht bekommen hatten, anfangs massenhaft Ausschuß produzierten oder das von ihnen genutzte Gerät beschädigten, wurde er manchmal mutlos und wollte fast verzweifeln. Aber er besaß eine Frau, die ihn immer wieder aufrichtete und von der Notwendigkeit seines Tuns überzeugte: Die amerikanische Lehrerin und Kommunistin Grace war auch aus Überzeugung nach Leningrad gekommen, um die sowjetischen Genossen an Ort und Stelle zu unterstützen. Sie erlebte nach dem Überfall der faschistischen Armeen Hitlers, wie die Bevölkerung der Stadt an der Newa angesichts der zurückweichenden Menschen plötzlich auf fünf Millionen Einwohner anschwoll. Sie machte aber auch die furchtbaren Zeiten durch, als nach der Einkreisung Leningrads Hunger und Seuchen die Menschen buchstäblich dahinrafften. Erwachsene mit nur noch 35 oder 40 kg Körpergewicht starben im Blockadewinter vor Hunger und Kälte. Die Naziführung rechnete mit einer "biologischen Lösung". Sie hatte den Hungertod von zwei Millionen Menschen einkalkuliert. Lenins Stadt sollte im Chaos versinken und kampflos in die Hände des Aggressors fallen. Doch Hitler hatte nicht damit gerechnet, daß die Rote Armee, wenn auch unter enormen Verlusten, erhebliche Mengen an Kriegsmaterial, Lebensmitteln und Medikamenten über den zugefrorenen Ladogasee nach Leningrad bringen und so den Ring um die alte Hauptstadt Rußlands sprengen könnte.

Genosse Ludwig Arnold, von dem hier die Rede ist, gehörte als Hauptmann der Roten Armee zu den Befreiern Deutschlands vom Faschismus. 1947 wurde er dann Leiter der Kreisparteischule unseres Territoriums. Nach seinem Tod ging Grace Arnold als Lehrerin an die Schule der People's Progressive Party Dr. Nkwame Nkrumahs nach Ghana.

Beide Genossen verdienen es, hier in Erinnerung gebracht zu werden, war doch ihr Leben Parteiverbundenheit, Geduld und Liebe zu den ihnen anvertrauten Menschen. Für ihre marxistische Überzeugung stellten sie viele persönliche Wünsche zurück. Eine Haltung, die für heutige "Linke" keineswegs immer bestimmend ist.

Manfred Wulf, Glauchau

Raute

Was ein 92jähriger Zwickauer gewissen "Autoritäten" zu sagen hat

Kein Respekt vor Obrigkeiten

1929! Weltwirtschaftskrise! Ich war zwölf. Auf dem Weg von der Schule nach Hause pfiff ich die Melodie von "Brüder zur Sonne, zur Freiheit". Plötzlich tauchte ein älterer Herr auf und schlug mir rechts und links ins Gesicht. "Elender Kommunistenlümmel", schrie er. Weinend ging ich weiter, ohne zu wissen, was ein Kommunist ist.

Väterlicherseits waren meine Angehörigen Radikalinskis. Sie folgten der Devise: Willst Du nicht mein Bruder sein ... Mütterlicherseits, vom Großvater abwärts, stammten sie aus Nossen und Döbeln. Alle waren in der SPD. Keiner von ihnen nahm mich zur Seite und versuchte, mich aufzuklären. Döbelns Oberbürgermeister war damals mein Onkel Arthur Dittrich. Nach meiner Rückkehr aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft, wo ich die Unions-Antifa-Schule absolviert hatte, ließ er mich wissen, er habe Tag und Nacht gebetet, daß es keinen Krieg geben möge. Eine solche Aussage steht im Widerspruch zur Politik der heutigen SPD-Führung. Sie ist jetzt eine Kriegspartei, von der die Arbeiterbewegung restlos verraten wurde. Ihr Kriegsminister erfand die Verteidigung am Hindukusch. Ein unbekannter Autor hat das in die Worte gefaßt: "Das Leben war ein Würfelspiel, wir würfeln alle Tage, dem einen bringt das Schicksal viel, dem and'ren wird's zur Plage!"

Nun bin ich allerdings der Meinung, daß es Zeit wird, mit dem Würfeln aufzuhören und sich statt dessen wieder dem Kampf um die Befreiung der Arbeiterklasse zuzuwenden. In Gestalt des Marxismus-Leninismus steht uns ein wissenschaftlicher Kompaß dafür zur Verfügung.

Ein paar Worte zu BRD-Politikern: Frau Merkel hat sich vom Paulus zum Saulus gewandelt. Ich bediene mich dieser Formulierung, weil sie sich als Christin ausgibt. Ich würde ihr empfehlen, den Doktortitel der verruchten DDR doch endlich abzulegen und sich statt dessen die neue Tapferkeitsmedaille der BRD ans Revers zu heften. Das paßt besser zu ihr.

Bei Herrn Jung (CDU) hege ich Zweifel hinsichtlich der Dauer seines Schulbesuchs. Auch er will Christ sein und kennt nicht einmal den Unterschied zwischen Aufbaueinsatz und Krieg.

Herr Jung! In Ihrem Nicht-Krieg werden ununterbrochen Menschen abgeschlachtet. Kommen Sie mir bloß nicht mit der Phrase, die "Jungs" der Bundeswehr seien für den Frieden gefallen. Mein Jahrgang 1917 kennt dieses Vokabular zur Genüge. Im Zweiten Weltkrieg war ich Infanterist. Auf meinem Koppelschloß stand "Gott mit uns!" Wo war er denn, Ihr Gott? Schauen Sie sich doch um, Herr Jung, die "Heldenfriedhöfe" lassen grüßen. War das alles Gottes Werk oder das Ergebnis der "Taten" von Kriegsverbrechern? Und schon wieder zieht man für Deutschland fern der Heimat in die Schlacht ... "über alles, über alles in der Welt". Es ist unglaublich, daß die Nationalhymne der BRD immer noch die alte ist.

Übrigens: Ich empfehle Ihnen, sich beim nächsten Spähtrupp persönlich für den Fronteinsatz zu melden. Dort können Sie Ihren Leidenschaften freien Lauf lassen.

Ist auch die Frage erlaubt, wo unser Bundespräsident eigentlich herkommt? Mir gelangte zu Ohren, daß er an der Zerschlagung des ersten deutschen Arbeiter-und-Bauern-Staates und der Verscherbelung des Volkseigentums der früheren DDR-Bürger ganz maßgeblich beteiligt war. Natürlich hat er sich damit die herausragende Position, die er jetzt bekleidet, redlich verdient.

Am 28. Juni sah ich im ZDF ein Interview mit Horst Köhler. Was da aus präsidialem Munde gesagt wurde, erschien mir dürftig. Ein einziges Schwelgen in Phrasen und Worthülsen. Im Mittelpunkt stand der Begriff "langfristig". Warum wohl? Vielleicht deshalb, weil kurzfristig für die in der BRD Herrschenden nicht viel zu holen ist.

Herr Präsident, Sie sind doch mit der deutschen Geschichte vertraut. Von Otto I. bis Merkel der Ersten wurden außer der Deutschen Demokratischen Republik, die 40 Jahre Friedenspolitik betrieb, nur Kriege geführt. Und da verunglimpfen Sie diese einzige deutsche Friedensrepublik auch noch als "Unrechtsstaat". Ich finde das schändlich. Noch eine Frage: Welcher deutsche Staat hat sich eigentlich als Rechtsnachfolger des faschistischen 3. Reiches deklariert - die BRD oder die DDR?

Der revolutionäre deutsche Dichter Georg Herwegh sagte 1848 ironisch: "Wie interessant, wie interessant, Gott schütze das liebe Vaterland!"

Ja, Ihr Oligarchen, wir wissen, wem Euer Vaterland gehört und wer es beschützt. Das erleben wir ja jeden Tag.

Da denke ich unwillkürlich an eine andere - meine - Melodie, deren Text in den Refrain mündet: "Völker hört die Signale!"

Herbert Meyer

Raute

Die braunen Wurzeln des BKA

So heißt ein 2001 erschienenes Buch des vormaligen Kriminaldirektors Dieter Schenk, der über Spitzenleute aus dem Reichssicherheitshauptamt der SS berichtet, die in der Führung der BRD-Kriminalpolizei maßgebliche Positionen einnahmen.

Das 1951 gegründete Bundeskriminalamt stützte sich auf die "Erfahrungen" der Sicherheitspolizei des Reichsführers SS Heinrich Himmler. Von den 47 leitenden Beamten des BKA waren zunächst 33 ehemalige SS-Führer, die sich an der Ermordung von deutschen Antifaschisten, an der Judenausrottung, der Jagd auf Sinti und Roma, auf entflohene Zwangsarbeiter sowie auf Partisanen unmittelbar beteiligt hatten. Als einer der "Architekten des BKA" galt Bernhard Niggemeyer. Bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1968 leitete der einstige SS-Sturmbannführer, dem im Krieg u. a. die Geheime Feldpolizei im Bereich der Heeresgruppe Mitte unterstanden hatte, das Kriminalistische Institut des BKA. Niggemeyers GFP-Gruppe brachte bis September 1943 insgesamt 3137 Juden und Partisanen um. Der frühere Abwehroffizier der Wehrmacht Paul Dickopf, der 1965 zum BKA-Präsidenten aufstieg, gruppierte um sich vorwiegend ehemalige Mitarbeiter des Reichskriminalpolizeiamtes. Sein Amtsvorgänger war Reinhard Dullien, der 1933 der NSDAP und der SS beigetreten war. Im Herbst 1941 fungierte er als Chef der Hauptabteilung III des Generalkommissariats Wolhynien und Podolien in der faschistisch okkupierten Ukraine.

Fazit: Wie man sieht, gründeten sich die Machtstrukturen des "freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates BRD" auf Kader aus den Reihen der Henker Hitlers und Himmlers, während die entsprechenden Organe des "Unrechtsstaates DDR" von ehemaligen KZ-Häftlingen, politischen Emigranten, Spanienkämpfern und roten Partisanen geführt wurden. Auch am Beispiel des BKA wird deutlich, wes Geistes Kind jene sind, die da im Glashaus sitzen und mit Steinen werfen.

RF

Raute

RF-Extra

Wie die bundesdeutsche Sozialdemokratie des "großen Alten" gedenkt

Im Trierer Karl-Marx-Haus

So weltfremd waren wir Bürger der kleinen sozialistischen DDR nun wirklich nicht, daß wir nicht gewußt hätten, wo die Stadt Trier in der großen kapitalistischen BRD zu finden ist. Immerhin war sie vor rund 2000 Jahren ein Regierungszentrum des Römischen Reiches gewesen. Überdies ist sie die Geburtsstadt von Karl Marx. Obwohl wir sie leicht auf der Landkarte fanden, konnten wir wegen des Kalten Krieges nicht dorthin fahren, um ihn zu ehren. Doch es gab Ausnahmen. Eines Tages erfuhr ich, der Schichtmeister einer Jugendbrigade im Gefrierschrankwerk Niederschmiedeberg des VEB dkk Scharfenstein werde mit Jugendtourist in die BRD und auch nach Trier reisen. Er war bereit, einen kurzen Bericht für die Betriebszeitung zu schreiben.

Unter dem Titel "Es ist nicht alles Gold, was glänzt" berichtete der junge Mann kurz und bündig: "Das größte Erlebnis für uns war der Besuch des Geburtshauses von Karl Marx. Eine Erstausgabe des Kommunistischen Manifests konnte dort im Original betrachtet werden. Das beeindruckte mich stark."

Als Redakteur staunte ich nicht schlecht darüber, daß dem "Vater" des wissenschaftlichen Sozialismus ausgerechnet von der Friedrich-Ebert-Stiftung der SPD ein Museum eingerichtet worden war. Sie gedachte also des "großen Alten" im Trierer Haus Brückenstraße 10. Außerdem bot die SPD den Besuchern ein "Studienzentrum Karl Marx" an. So etwas hatte ich nicht vermutet. Der Artikel des jungen Genossen war meine erste indirekte Kontaktaufnahme mit Trier. Erneut wurden wir an diese Stadt erinnert, als am 11. September 1987 im ND ein Bericht über den Aufenthalt Erich Honeckers im Karl-Marx-Haus veröffentlicht wurde. Er war in jenen Tagen ein geachteter und von allen tonangebenden Parteien hofierter Staatsgast in der BRD. Damals konnten wir nicht ahnen, daß unser Staatsratsvorsitzender nur gut zwei Jahre später von den gleichen Leuten gejagt, exiliert, eingekerkert und vor Gericht gestellt werden sollte.

Vorerst aber stand er - und damit die DDR - im Mittelpunkt des europäischen Interesses. Sämtliche Medien verkauften den Staatsbesuch als Sensation. Das ND titelte: "Intensiver politischer Meinungsaustausch mit den Regierungschefs von Rheinland-Pfalz und Saarland/Ministerpräsident Bernhard Vogel begleitete den Gast zur einstigen Wohnung der Familie Marx/Ehrendes Gedenken für den Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus/Honecker in seiner Geburtsstadt mit Ministerpräsident Oskar Lafontaine."

Welche Hoffnungen taten sich in jenem September 1987 für vernünftige Beziehungen beider deutscher Staaten auf und wie brutal wurden sie zwei Jahre später zerschlagen und in den Schmutz gezerrt! Aus dem geachteten Partner wurde der verteufelte "kommunistische Unrechtsstaat", der restlos liquidiert werden mußte!

Ja, vorerst hat das Kapital gesiegt, dem wir mehr als vier Jahrzehnte auf dem Boden der DDR seine Verwertungsbedingungen entzogen hatten, indem wir die Produktionsmittel in die Hände des Volkes legten.

Nach der "Wende" bot sich mir Gelegenheit, selbst die "alte BRD" in Augenschein zu nehmen. Im Wirtschaftswunderland mit seinem überaus reichlichen Warenangebot sahen wir uns um. Dabei nahmen wir Licht und Schatten wahr. Arbeitslose und Bettler, Jugendliche ohne Perspektive anzutreffen und dann über die "blühenden Landschaften" bei uns zu staunen, die Bundeskanzler Kohl den DDR-Bürgern in Dresden versprochen hatte - all das schuf ein bizarres Bild. Tatsächlich, im Osten des nun staatlich vereinigten Großdeutschland blühen dank des Wirkens der mit einem Falschnamen versehenen Treuhandanstalt an ehemaligen Industriestandorten Disteln, so weit die Werksruinen noch nicht beseitigt worden sind oder die Betriebe nicht von Konzernen aus dem Westen zur Profitmacherei genutzt werden. Karl Marx hat das alles bereits im "Kapital" beschrieben.

Mehrmals fuhren wir nach Zeltingen an die Mosel, lernten dort fleißige und bescheidene Weinbauern kennen, die hart arbeiten müssen. Sie empfingen uns Ossis nicht unfreundlich. Von den herrlichen Zeltinger Weinbergen nach Trier zu gelangen, ist mit dem Auto ein Katzensprung. Im Sommer 1996 besuchten wir erstmals die einstige Römerstadt. Wir nutzten dabei den Touristik-Service, um uns mit der ältesten urbanen Siedlung Deutschlands etwas vertraut zu machen. Die Porta Nigra, der Dom, die Basilika, die Kaiserthermen, das Kurfürstliche Palais wurden in Augenschein genommen.

Endlich gelangten wir über Feldstraße und Brückenstraße zum Karl-Marx-Haus. Nach dem heißen Sonnenbad empfing uns im Vorraum angenehme Kühle. Wir waren gespannt, wie man im Westen das Marxsche Werk interpretieren werde. Schließlich hatte Helmut Kohl im ND-Interview erklärt: "Wenn ich mal nicht weiter weiß, greife ich zu meiner Marx-Ausgabe und hole mir bei dem großen Ökonomen Rat." Hatte der Bonner Staatsmann, der sich mit dem Wiedervereinigungscoup selbst den "Mantel der Geschichte" überstreifte, das wirklich ernst gemeint? Da hätte er dann doch ganz anders handeln müssen und nicht seine von Staatssekretär Horst Köhler überwachten Treuhandräuber gegen uns, die wir die Ideen von Marx umzusetzen versucht hatten, in Marsch setzen dürfen!

Wie sich gläubige Christen fühlen mögen, wenn sie eine unbekannte Kirche betreten, so erging es nun uns. Hier also war Marx geboren. Wir besichtigten eine Ausstellung zur Geschichte des Hauses, sparten uns aber den adäquaten Videofilm und unternahmen selbst einen Rundgang. In den einzelnen Räumen erfuhr man viel Bekanntes über das Leben von Marx und Engels, deren wissenschaftliche Erkenntnisse, Vorläufer und Zeitgenossen. Die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie, aber auch die Erste Internationale wurden dargestellt. Nicht wenig Familiäres spielte eine Rolle. Dankenswerterweise findet man in dem Haus eine ausführliche und üppig illustrierte Marx-Biographie. Das Kommunistische Manifest liegt in zahlreichen Ausgaben vor, auch die anderen Werke der beiden Großen. Äußerst karg ist hingegen das, was man von dem dritten Klassiker - Wladimir Iljitsch Lenin - erfährt. Hier stockt die Wissenschaftlichkeit der SPD. Hingegen gibt es viele wunderbare Bilder, indes auch mancherlei Überflüssiges. Sie sollen die Gedanken der Besucher in die gewünschte Richtung lenken. Aufschlußreich ist, daß man die Ergebnisse Marxschen Denkens nur für die Zeit ihrer Entstehung gelten lassen will, keineswegs für später, schon gar nicht für den Imperialismus. Klassen und Klassenkampf - bitteschön -, aber nur für den Kapitalismus des 19. Jahrhunderts und keineswegs im Zusammenhang mit der "sozialen Marktwirtschaft". Völlig fehlt in Trier, wie in der DDR, der Sowjetunion und anderen Staaten begonnen wurde, die Marxsche Lehre zu verwirklichen.

Anders ausgedrückt, die Sieger entscheiden stets darüber, was historisch von Belang ist. Aber werden sie ewig oben liegen?

Auf dem Platz vor der Tourist-Information hatte ein Maler seine Werke ausgelegt. Der alte Marx mit seiner üppigen Haarpracht als Großporträt zwischen der Porta Nigra und der Turmspitze des Doms fiel uns auf. Ich sprach den Künstler an. "Sie nehmen sich aber etwas raus! Einfach den Marx hier so anzupreisen. Bei uns im Osten ist das längst ein Sakrileg, und Sie könnten damit arg in Mißkredit geraten. Die wollten sogar unseren Chemnitzer Marx-'Nischel' verhökern oder gar einschmelzen, bis sie merkten, daß sich daraus noch eine Attraktion für Touristen machen ließ", sagte ich. Der Mittdreißiger lachte fröhlich und äffte ein wenig mein Sächsisch nach. Dann erwiderte er: "Ihr habt Euch geirrt. Wieso konntet Ihr Chemnitz in Karl-Marx-Stadt ummodeln? Der Bärtige war doch nie da. Trier ist die wirkliche Karl-Marx-Stadt. Doch eine Umbenennung käme hier schon wegen der Römer nicht in Frage." Ich entgegnete: "Trier ist keine Industriestadt, anders als Karl-Marx-Stadt, wo es einst zahlreiche große Werke und eine starke Arbeiterklasse gab." Der Künstler lenkte ein: "Das könnte man gelten lassen." Ich kaufte ihm eines seiner Bilder ab.

Seitdem besuchen wir das Karl-Marx-Haus, wenn wir an die Mosel kommen. Im Juli 2008 fand ich es völlig umgestaltet. Auf elektronischen Lesetafeln kann man ganze Werke abrufen und Zitate heraussuchen. Auch Interpretationen findet man. So diese: Schon zu Lebzeiten von Marx habe man die Theorie der Ausbeutung der Werktätigen durch das Kapital angezweifelt, da "Arbeitnehmer" nun mal nicht ohne "Arbeitgeber" existieren könnten. Also sei der Mehrwert kassierende Unternehmer für den Fortbestand der menschlichen Gesellschaft unersetzbar. So ähnlich habe ich es da gelesen. Mit anderen Worten: Sozialismus ist Quatsch, Kapitalismus gottgewollt. Ähnliches war wohl mit dieser "Information" gemeint.

Am selben Tag traf ich noch einen Mann und eine Frau im Museum. Sie unterhielten sich über Marx, dessen Aktualität. Er, etwa 60, sprach mich an: "Sie interessieren sich für die Lehren von Marx, sind wohl gar ein Linker?" Kurz angebunden entgegnete ich: "Wäre ich sonst hier?" Er wollte wissen, wie ich das Museum fände. Eine Weile redeten wir freundlich miteinander. Der Mann, der sich nicht vorstellte, sagte von sich, er kenne die ganze SPD-Spitze von Brandt bis Schröder persönlich. Dann fragte er direkt: "Was halten Sie übrigens von Schröder?" Ich entgegnete schroff: "Mit seiner Agenda 2010 hat er das Letzte zertrampelt, was an der SPD noch sozialdemokratisch war. Nun gibt es keine wirkliche Sozialdemokratie mehr. Die SPD ist eine gewöhnliche bürgerliche Partei, kaum noch von der CDU zu unterscheiden. Deshalb hat Lafontaine auch sein Ministeramt quittiert."

Zu "Oskar", erwiderte mein Gesprächspartner, habe er seine "eigene Auffassung". Der mache auch nicht alles richtig. "Wissen Sie, was der eines Tages machen wird?" fragte ich ein wenig provozierend. "Er will Kanzlerkandidat der Linken werden und so doch noch ans Ziel gelangen." "Einen so hochfliegenden Gedanken habe ja nicht einmal ich gehabt", meinte der Mann. "Ist auch wenig realistisch." Dann fragte er direkt: "Warum habt Ihr SED-Funktionäre eigentlich nach der Wende alles hingeschmissen, nicht mehr gekämpft, sondern als Touristen die Reisebüros und die Busbesitzer reich gemacht? Ich denke, Ihr ward alle Kommunisten? Und nun dieser Fatalismus!"

"Was würden Sie tun", gab ich erbost, tief getroffen und ratlos zurück, "wenn Ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen wird, man Ihren Betrieb dicht macht und nichts mehr produziert werden kann, alles verschwunden ist, was Ihnen das Leben lebenswert machte? Wenn plötzlich nur noch das Geld zählt und nicht mehr der Mensch. Wenn man Ihre gesamte Lebensleistung negiert und Sie als Versager, ja als Verbrecher hinstellt, wobei all das Gute, für das Sie gearbeitet haben, der Lächerlichkeit preisgegeben wird?" Ich fügte hinzu: "Wir kämpfen schon, auf unsere Art, und eines sage ich Ihnen: Das letzte Wort der Geschichte steht noch aus. Am Ende wird jener Mann, der in diesem Haus geboren wurde, recht behalten und mit ihm Engels und Lenin."

Wir waren während des Gesprächs weitergegangen und in einen Raum eingetreten, den ich von früheren Besuchen her nicht kannte. Hier stellte man auf SPD-Art die DDR dar. Nichts als Haß und Delegitimierung. Walter Ulbricht sprach auf großflächiger Leinwand den Satz: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen." Mein Gegenüber meinte nun hämisch: "Ach, der Eunuche aus der DDR kommt schon wieder mit seinen Lügen." Der tausendfach anzuklagende Überwachungsstaat BRD stellte in diesem Raum die DDR als brutalen Überwachungsstaat dar, dessen Bürger von ständiger Angst vor SED und "Stasi" verfolgt worden seien. Unablässig hätten sie nach der Freiheit des Westens gehungert. Dort aber sei Karl Marx richtig verstanden worden, behaupteten die sich mit dem Alten aus Trier tarnenden Marx-Hasser aus der SPD.

"Nein", sagte der Mann neben mir nun, indem er sich verabschiedete: "So, wie Sie vieles schildern, habe ich das bisher nicht gesehen, mit den Folgen des Wirkens unserer Treuhand für die Bevölkerung im Osten. Wie in diesem Raum dargestellt, war die DDR nun wirklich nicht. Das ist eine Karikatur. Mehr Sachlichkeit, Exaktheit und Weitsicht für Deutschlands Zukunft wären wohl angebracht."

Erhard Otte, Ehrenfriedersdorf

Raute

Als Churchill den Kommunismus in der Wiege erdrosseln wollte

14 weiße Staaten gegen Sowjetrußland

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

Ende RF-Extra

Raute

BEILAGE

Ein Wendepunkt in der deutschen und europäischen Geschichte

Zentrale Veranstaltung zum 60. Jahrestag der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik am 26. September 2009 in Berlin

Rede des Vorsitzenden des "RotFuchs"-Fördervereins, Rolf Berthold


Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde!

In wenigen Tagen jährt sich zum 60. Mal der Gründungstag der Deutschen Demokratischen Republik. Wir erinnern mit Stolz und Würde an diesen Tag. Der 7. Oktober 1949 ist und bleibt ein bedeutendes Datum in der Geschichte unseres Volkes und des Sozialismus. Die Gründung der DDR war ein Wendepunkt in der deutschen und europäischen Geschichte. Auf einem Drittel des Territoriums Deutschlands, von dem aus der deutsche Imperialismus zwei verbrecherische Weltkriege entfesselt hatte, wurde ein Staat errichtet, der all seine Kraft in den Dienst der Erhaltung des Friedens stellte. Mit der DDR entstand ein antifaschistischer Staat, der mit aller Konsequenz die Lehren aus der unheilvollen Geschichte unseres Landes zog. Wir sind stolz darauf, an der Entwicklung und Gestaltung des ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden mitgewirkt zu haben. Wir sind stolz auf unseren Beitrag zur Eröffnung eines neuen Kapitels der Weltgeschichte.

Gegenwärtig erleben wir eine Haßkampagne, die ihresgleichen kaum findet. Wir lassen uns davon nicht beirren. Bei vielen Menschen schlägt sie bereits ins Gegenteil um. Es wird zunehmend klarer, daß die Angriffe gegen die DDR nicht mehr systemstabilisierend für die kapitalistische Gesellschaft, die sich in einer tiefen Krise befindet, wirken.

Die 40jährige Geschichte der DDR war geprägt von Schöpfertum und angestrengter Arbeit ihrer Bürger, der Arbeiter, Bauern, der Intelligenz und antifaschistischer Kräfte aus dem Bürgertum. Sie ist untrennbar verbunden mit dem Wirken so herausragender Persönlichkeiten wie Wilhelm Pieck, Otto Grotewohl und Walter Ulbricht, so bedeutender Politiker wie Johannes Dieckmann, Otto Nuschke, Lothar Bolz, Ernst Goldenbaum, Erich Correns, Herbert Warnke, Erich Honecker und vieler anderer. Wir gedenken heute der Bürger der DDR, die bei dem Putsch 1953, beim Schutz der Staatsgrenze der DDR, bei gegnerischen Anschlägen ermordet wurden, sowie auch derer, die infolge der Ereignisse 1989/90 aus dem Leben geschieden sind. Wir alle wissen, daß das keine Einzelfälle waren. Wir werden immer das Andenken solch hervorragender Aktivisten des Aufbaus wie Adolf Hennecke, Frieda Hockauf, bedeutender Wissenschaftler wie Prof. Manfred von Ardenne, Prof. Peter Adolf Thießen, bedeutender Kunst- und Kulturschaffender wie Johannes R. Becher, Bertolt Brecht, Hanns Eisler, Hermann Kant, Fritz Cremer, Willi Sitte und Walter Womacka, weltbekannter Sportler wie Täve Schur und Helmut Recknagel in Ehren halten. Es wären hier noch viele Namen zu nennen, aber laßt uns damit vor allem sagen, die DDR ist das Ergebnis des Kampfes und der Arbeit zahlloser Menschen, und wenn es auch nicht gelang, deren Wirken zu bewahren, so soll doch ihre Leistung nicht dem Vergessen preisgegeben werden. Wir überlassen das Geschichtsbild der DDR nicht ihren notorischen Feinden.

Heute und auch künftig bekennen wir uns dazu, die DDR mitgestaltet zu haben. Wir haben unsere Kräfte dafür eingesetzt, Krieg und Faschismus aus dem Leben der Völker zu verbannen und eine neue, sozialistische, völkerverbindende Gesellschaft zu schaffen und zu gestalten. Dafür werden wir uns auch niemals entschuldigen. Der persönliche Einsatz jedes einzelnen von uns, die wir uns heute hier versammelt haben, um der Geburtsstunde des ersten Arbeiter-und-Bauern-Staates in der deutschen Geschichte zu gedenken, ist unzerstörbarer Bestandteil unserer Geschichte. Gemeinsam haben wir das Land vorangebracht, wir haben das Wohl des Volkes in den Mittelpunkt gestellt, wir hatten eine gerechte Sozialpolitik, eine Gesundheits- und Bildungspolitik, an der sich heute manche eine Scheibe abschneiden könnten. Wir hatten eine Wohnungspolitik im Interesse der Werktätigen, wir hatten kein Heer der Arbeitslosen und Obdachlosen.

Die DDR entstand im Ergebnis der Zerschlagung des faschistischen deutschen Reiches durch die Antihitlerkoalition. Die Schuld Deutschlands an den über 65 Millionen Toten des II. Weltkrieges und den Verwüstungen in vielen Ländern darf durch nichts und niemanden aus den Geschichtsbüchern und dem Gedächtnis der Völker gestrichen werden. Der 8. und 9. Mai bleiben der Tag der Befreiung und der Tag des Sieges, auch wenn ein "Europa-Tag" daraus gemacht werden soll. Den Hauptanteil am Sieg gegen den faschistischen Aggressor erbrachte die Sowjetunion. Wir lassen nicht zu, daß auch dieser Teil der Geschichte verfälscht wird.

Die DDR steht in der Tradition der progressiven und revolutionären Kämpfe und Bewegungen des deutschen Volkes, von Thomas Münzer, des Bauernkrieges, der Revolution von 1848, von Karl Marx und Friedrich Engels, von August Bebel, der Revolution von 1918, von Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg und von Ernst Thälmann. Zu den Fundamenten der DDR gehört der opferreiche Kampf der deutschen Antifaschisten gegen die Nazibarbarei, nicht zuletzt in den Reihen der Armeen der Antihitlerkoalition.

Wir respektieren den historischen Platz der Weimarer Nationalversammlung und der Weimarer Verfassung, aber "die Geburtsstunde unserer Demokratie" war es nicht. Sozialistische und bürgerliche Demokratie sind nicht gleichzusetzen. Manche meinen das wohl, wenn gesagt wird, daß jetzt die "ostdeutsche Bevölkerung in Freiheit und Demokratie lebt, was sie vorher nicht kannte". Es gehört schon allerhand dazu, so etwas zu behaupten. Wo sind denn Demokratie und Freiheit für die Arbeitslosen, die Hartz-IV-Empfänger, die Obdachlosen, die große Zahl der unter unwürdigen sozialen Bedingungen Lebenden, für die ständig um ihren Arbeitsplatz Bangenden? Wo ist denn die Fürsorge der herrschenden Klasse für diejenigen, die mit dem erniedrigenden Begriff "Prekariat" belegt wurden? Wie heute die Herrschaft der Bourgeoisie praktiziert wird, erleben wir tagtäglich. Wer die sozialistische Demokratie als Prinzip verwirft, steht auch nicht auf sozialistischen Positionen. Wir sind und bleiben Verfechter der sozialistischen Demokratie, unser Ziel ist und bleibt die Schaffung einer sozialistischen Gesellschaft.

Die Gründung der DDR erfolgte im Ergebnis der antifaschistisch-demokratischen Entwicklung im Osten Deutschlands, die vor allem mit Unterstützung der sowjetischen Besatzungsmacht erfolgreich gestaltet wurde. Die DDR wurde Teil des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus, Bestandteil der neuen Epoche, die mit der Oktoberrevolution eingeleitet wurde. Diese Epoche des Überganges vom Kapitalismus zum Sozialismus ist trotz der Niederlage in der UdSSR und den europäischen sozialistischen Ländern nicht abgebrochen, sie wird nur anders verlaufen als vorher angenommen.

Im Osten Deutschlands wurden nach der Zerschlagung des faschistischen Machtapparates durch die Antihitlerkoalition neue antifaschistisch-demokratische Machtverhältnisse geschaffen. Diese waren zunächst noch nicht sozialistisch, aber die Macht des Großkapitals war bereits gebrochen. KPD und SPD vereinigten sich zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, der Demokratische Block wurde gebildet, demokratische Selbstverwaltungsorgane brachten das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben wieder in Gang. Von grundsätzlicher Bedeutung waren die Schließung der privaten Banken, die Enteignung der Nazi- und Kriegsverbrecher nach dem Volksentscheid in Sachsen, die Schaffung volkseigener Betriebe und die demokratische Bodenreform. Über 2,4 Millionen Hektar Land wurden an Landarbeiter, landarme Bauern und Umsiedler übertragen, 500 große volkseigene Güter geschaffen.

Erstmals in der deutschen Geschichte wurden dem Kapital die politische Macht und das Eigentum an den entscheidenden Produktionsmitteln entzogen. Das lastet man uns eigentlich an, wenn die DDR als Unrechtsstaat tituliert wird. Die Rückgängigmachung dieser Maßnahmen gehörte zu den ersten Schritten bei der Wiedererrichtung der Macht der Bourgeoisie im Osten Deutschlands. In dieses Szenarium gehörten auch der sofort erfolgte Abriß des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, dann des Lenin-Denkmals und trotz enormen Widerstandes des Palastes der Republik.

Es gibt die Meinung, im Osten Deutschlands habe nach 1945 keine Revolution stattgefunden, also könne es 1989/90 auch keine Konterrevolution gegeben haben. Aber es handelte sich doch um revolutionäre und zuletzt konterrevolutionäre Veränderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse. Es war 1989/90 eine Restauration der alten kapitalistischen Macht- und Eigentumsverhältnisse. Weder Revolution noch Konterrevolution entwickeln sich nach dem Lehrbuch. In revolutionäre, wie auch in konterrevolutionäre Prozesse werden viele Menschen einbezogen, die nicht alle, oft auch nicht in der Mehrheit, bewußt für Revolution oder Konterrevolution eintreten. Es ist nicht wahr, daß alle Demonstranten oder Kritiker als Konterrevolutionäre abgestempelt würden, wenn der Prozeß insgesamt als Konterrevolution eingeschätzt wird. Wir wenden uns auch entschieden gegen die Verdrehung, 1989/90 habe eine Revolution, noch dazu eine friedliche, stattgefunden. Noch zehn Jahre danach titelte der Spiegel mit der Parole von 1989 "Holt die Stricke raus!"

Die staatliche Entwicklung war in beiden Teilen Deutschlands mit der gesellschaftlichen Entwicklung eng verknüpft. Die im Westteil Deutschlands getroffenen Maßnahmen, die letztendlich zur Spaltung und zur Bildung der BRD als Separatstaat führten, waren auf die Sicherung der kapitalistischen Ordnung bei maximaler Ausdehnung ihres Herrschaftsgebietes möglichst auch auf den Osten Deutschlands angelegt. Die staatliche Entwicklung in Ostdeutschland bis hin zur Gründung der DDR war auf die Überwindung der verheerenden materiellen und geistigen Folgen der Naziherrschaft und des von den Faschisten begonnenen Krieges sowie die konsequente Fortsetzung und Sicherung der gesellschaftlichen Veränderungen orientiert. Erst 1952 wurde auf der 2. Parteikonferenz der SED der Aufbau der Grundlagen des Sozialismus beschlossen. Der Kampf gegen die Alleinvertretungsanmaßung der BRD war auch ein Kampf für die Sicherung des sozialistischen Entwicklungsweges in einem Teil Deutschlands.

Die Führung der SED war sich in Übereinstimmung mit der Führung der KPdSU durchaus darüber im klaren, daß der sozialistische Weg schrittweise gegangen werden muß, daß der Sozialismus eine langandauernde Entwicklungsphase ist. Ungeduld stellte sich im weiteren Verlauf der Entwicklung ein. Walter Ulbricht hatte noch betont, daß der Sozialismus eine relativ selbständige Gesellschaftsformation ist. Auf Parteitagen wurden dann aber in immer kürzeren Zeitabständen neue, höhere Stufen der sozialistischen gesellschaftlichen Entwicklung formuliert. Eine der Lehren aus der Geschichte der DDR besteht darin, daß die Etappen der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft nicht allein nach dem Stand der Produktionsverhältnisse beurteilt werden können. Das Niveau der Produktivkräfte und andere gesellschaftliche Faktoren spielen dabei eine wesentliche Rolle.

Die SED war stets bedacht, die Strategie der sozialistischen Entwicklung in der DDR unter Berücksichtigung der spezifischen Bedingungen der DDR zu erarbeiten. Ich nenne hier nur die Zusammenarbeit mehrerer demokratischer Parteien in der Nationalen Front unter Führung der Partei der Arbeiterklasse, das Fortbestehen von Privateigentum an Grund und Boden und die verschiedenen Übergangsformen im Prozeß der Kollektivierung der Landwirtschaft, Formen der staatskapitalistischen Wirtschaft im Bereich von Handel und Gewerbe usw. Einige dieser Maßnahmen fanden nicht immer das Verständnis unserer Bündnispartner. In seiner Grußansprache auf dem XX. Parteitag der KPdSU erklärte Walter Ulbricht: "Wir bemühen uns, entsprechend der Lehre des Marxismus-Leninismus die Formen und Methoden des Aufbaus des Sozialismus entsprechend den Entwicklungsbedingungen in Deutschland zu gestalten."

Viele spezifische politische und wirtschaftliche Maßnahmen der DDR ergaben sich auch aus der Existenz von zwei deutschen Staaten und noch dazu der besonderen politischen Einheit Westberlin. Es war nicht leicht, und es gelang auch zunehmend weniger, unter diesen komplizierten inneren und äußeren Bedingungen optimale Lösungen für die Probleme zu finden. In vielen Fragen verloren wir die Initiative des Handelns. Das in Angriff genommene Neue Ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft hätte ein Weg sein können, die spätere Erstarrung wichtiger gesellschaftlicher Strukturen zu vermeiden. Nicht nur in der DDR. Eine wirkliche Realisierungschance hätte eine solche Strategie auch nur als gemeinsame, koordinierte Aktion der sozialistischen Staatengemeinschaft gehabt.

Der XX. Parteitag der KPdSU hat lebenswichtige Fragen der Politik der sozialistischen Länder aufgeworfen. Das war dringend notwendig. Aber auf diesem Parteitag und in der Folgezeit wurde nicht erreicht, prinzipielle Konsequenzen für die Strategie der sozialistischen Staaten zu ziehen. Marxisten verfangen sich nicht in dem antikommunistischen Kampfbegriff Stalinismus, sie folgen den Lehren von Marx, Engels und Lenin, den Erfahrungen der internationalen kommunistischen Bewegung auf dem Weg in eine sozialistische Zukunft.

Bei allen Problemen in vielen Bereichen der gesellschaftlichen Entwicklung und ohne unsere Niederlage aus dem Blick zu verlieren stellen wir heute fest: In den 40 Jahren ihrer Existenz hat die DDR große und bleibende Leistungen erbracht.

Auf sie sind wir stolz, und wir lassen sie uns nicht kaputtreden. Die 40jährige Existenz der DDR ist die größte Errungenschaft im langen und opferreichen Kampf der deutschen Arbeiterklasse. Die DDR war ein Staat des Friedens, das wird sie für immer bleiben. Sie ist ihrem Versprechen, von deutschem Boden darf niemals wieder Krieg ausgehen, treu geblieben. Die BRD führt heute Krieg, jenseits ihrer Grenzen. Dieses Kainsmal des kapitalistischen Deutschland ist durch nichts auszubrennen. Nach zwei von Deutschland ausgegangenen Weltkriegen werden wieder Kriegsverbrechen verübt und als Verteidigung dieses Landes ausgegeben. Dazu werden wir nie schweigen, wir werden immer dagegen auftreten.

Die DDR war ein sozialistischer Staat, ohne Wenn und Aber. Unter den Bedingungen der weltweiten Systemauseinandersetzung können sich sozialistische gesellschaftliche Verhältnisse nur in staatlicher Gestalt entwickeln. Die Ablehnung eines sogenannten Staatssozialismus läuft auf die Ablehnung des Sozialismus generell hinaus. Alle bisherigen Herrschaftssysteme sind Diktaturen der machtausübenden Klassen gewesen. Das betrifft die Sklaverei, den Feudalismus und die Herrschaft der Bourgeoisie. Das Schlagwort von den "zwei deutschen Diktaturen" gehört zu den infamsten Geschichtsfälschungen unserer Tage. Diese Lüge stellt uns auf die gleiche Stufe wie die Faschisten. Der von Marx geprägte Begriff der Diktatur des Proletariats bedeutet Herrschaft der Werktätigen, der Krauses, und nicht mehr der Krupps. Es gehört zu den einprägsamsten Lehren der Geschichte, daß der Sozialismus der politischen Macht der arbeitenden Klassen bedarf.

Auch wir mußten erfahren, daß der Sozialismus nicht über Nacht eingeführt werden kann. Er benötigt eine lange Entwicklung, besonders unter Bedingungen ungünstiger Kräfteverhältnisse. Auch in dieser Frage gab es Fehleinschätzungen. Der Sozialismus wird von Menschen gemacht. Wir mußten erleben, wie sich Subjektivismus und Voluntarismus auswirken können. Nicht der wissenschaftliche Sozialismus war der Fehler, sondern der Umgang mit ihm. Der wissenschaftliche Sozialismus war Grundlage von Strategie und Taktik der SED, es wurden aber verhängnisvolle Fehler bei seiner Anwendung begangen. Der wissenschaftliche Sozialismus muß auch entsprechend der konkreten Lage ständig weiterentwickelt werden. Für Fehler und Irrtümer gibt es subjektive und objektive Gründe, und es sind Lehren daraus zu ziehen. Die Zerstörung der DDR vor nunmehr zwanzig Jahren schmerzt. Sie ist gleichzeitig Auftrag, aus Erfolgen und Niederlagen zu lernen. Dies ist vor allem unsere Aufgabe, die wir nicht unerledigt weitergeben können.

Die DDR wird heute von ihren politischen Gegnern aber nicht deshalb mit Gift und Galle überschüttet, weil sie Fehler begangen hat, ihr gilt der Haß, weil sie eine Barriere gegen die imperialistische BRD war, weil sie einen sozialistischen Weg ging. Nicht unsere Fehler, sondern unsere Vorzüge werden angegriffen. Jene, die heute die DDR schmähen und das dann "Aufarbeitung der Geschichte" nennen, wollen lediglich, daß nie wieder jemand auf die Idee kommt, es könnte doch eine dem Kapitalismus überlegene gesellschaftliche Ordnung die Zukunft bestimmen.

Die DDR hat prägende Wirkung auf die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland und darüber hinaus ausgeübt. Sie hat als antifaschistischer Staat, als konsequenter Kämpfer für die Erhaltung des Friedens, als aktiver Vertreter der Politik der friedlichen Koexistenz, als Vorbild für gleichberechtigte internationale Beziehungen ohne Vormachtstreben, als Förderer der Freundschaft zwischen den Völkern starke internationale Ausstrahlung gewonnen. Es kostete große Anstrengungen, aber es gelang, die feindliche Hallstein-Doktrin der Bonner diplomatischen Alleinvertretungsanmaßung zu durchbrechen und die weltweite Anerkennung der DDR zu erreichen. Die DDR war ein durch sein konstruktives Handeln geachtetes Mitglied der UNO und zahlreicher internationaler Organisationen. Daß nach dem II. Weltkrieg kein weiterer globaler militärischer Zusammenprall stattfand, ist auch ihrer Politik zu verdanken.

Die DDR hat beispielgebende und international beachtete Leistungen auf den Gebieten der Bildung, des Gesundheits- und Sozialwesens, der Wissenschaft und Kultur, in Industrie und Landwirtschaft aufzuweisen. All das hat auch die BRD in nicht zu übersehende Zwänge gebracht.

Die DDR hat die soziale Geborgenheit, die ständige Verbesserung des Lebensstandards ihrer Bürger angestrebt und den Weg zu neuen zwischenmenschlichen Beziehungen eingeschlagen. Dabei wurde vieles erreicht. Es erforderte große Kraftanstrengungen, die nach der Spaltung des Landes verbliebene Struktur unserer Wirtschaft zu verbessern, sie den Erfordernissen der ökonomischen Integration im RGW anzupassen und für die wissenschaftlich-technische Revolution auszustatten. Der Bau des Eisenhüttenkombinats Ost, des Niederschachtofenwerkes Calbe, der Werften und des Rostocker Überseehafens, der Maxhütte, des Kranbaus Eberswalde, der Schwarzen Pumpe, des Erdölverarbeitungskombinats Schwedt, der Mikroelektronik, Zeiß, neuer Infrastruktureinrichtungen, die Realisierung des Wohnungsbauprogramms - um nur einiges zu nennen - waren große Leistungen der DDR.

Ein besonderes Problem entstand dadurch, daß der materielle Lebensstandard in der DDR einerseits an dem in den anderen sozialistischen Ländern und andererseits an dem in der BRD gemessen wurde. Ein Ausweg aus dieser Situation wurde nicht gefunden. Die Konsequenzen daraus sind uns bekannt. Es gehört aber zum untauglichen Lügengespinst über unsere Niederlage, die DDR sei bankrott gewesen.

Die DDR hat eine aktive Arbeit zur Entwicklung der Beziehungen zwischen den sozialistischen Staaten geleistet. Das trifft auch auf die erneute Verbesserung der Beziehungen mit der VR China in den 80er Jahren zu. Als verläßlicher Partner im Warschauer Vertrag trug die DDR zur Sicherung der sozialistischen Staaten und zur Durchkreuzung der Kriegspläne des Imperialismus bei. Durch konstruktive, nach vorn orientierende Mitarbeit, wirtschaftliche und wissenschaftlich-technische Leistungen trug sie zur Entwicklung der Beziehungen im RGW bei. Eine sozialistische ökonomische Integration, die diesen Namen verdient hätte, wurde aber nicht erreicht.

Die DDR hat eine aktive und effektive Unterstützung für die nationale Befreiungsbewegung in vielen Ländern geleistet. Sie hat im Prozeß der Zerschlagung des imperialistischen Kolonialsystems auf der Seite des gesellschaftlichen Fortschritts gestanden. Unvergessen ist die Solidarität mit Vietnam, mit den Befreiungskämpfern vieler afrikanischer und arabischer Länder, mit dem chilenischen Volk nach dem CIA-Putsch, mit dem koreanischen Volk beim Wiederaufbau des zerstörten Landes, mit Kuba - es könnte noch vieles hinzugefügt werden. Oft ging die materielle Unterstützung auch an unsere Grenzen. Wir haben Hilfe in verschiedensten Bereichen geleistet, die in die Zukunft wirkt. In vielen Ländern erinnert man sich auch nach der Zerstörung der DDR mit Hochachtung unserer Solidarität. Die Schmähung der DDR durch die Herrschenden der BRD fördert deren internationales Ansehen nicht. Mit der Niederlage des Sozialismus in der UdSSR und den europäischen Ländern ist er nicht generell beseitigt worden, wie es manche gern hätten. Der Sozialismus lebt in den Herzen, Hirnen und Kampfzielen der Menschen vieler Länder, er schreitet voran in China, Kuba, Vietnam und anderen Ländern. Das Rad der Geschichte wurde abgebremst, aber es bleibt dabei: Es kann nicht aufgehalten werden. Am 1. Oktober feiert die VR China den 60. Jahrestag ihrer Gründung. Wir senden dem chinesischen Volk und der Kommunistischen Partei Chinas zu diesem großen Jubiläum herzliche Glückwünsche.

Die Geschichte der DDR vermittelt einen Schatz wertvoller Erfahrungen bei der Errichtung und Gestaltung der sozialistischen Gesellschaft unter den spezifischen Bedingungen, mit denen unser Staat konfrontiert war.

Die nicht zu ersetzende Aufgabe der Gestaltung einer sozialistischen Gesellschaft besteht in der Entwicklung der Produktivkräfte. Die Erfahrungen besagen, daß sie nach Schaffung sozialistischer Machtverhältnisse nicht unbedingt (bisher noch in keinem Fall) denen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung ebenbürtig oder überlegen sind. Deshalb muß die Strategie der neuen Ordnung zuerst und in erster Linie darin bestehen, die Produktivkräfte in all ihren Bestandteilen voranzubringen. Vorrangig geht es um die Befriedigung realer gesellschaftlicher Bedürfnisse. Dabei muß man stets die Bedürfnisse aller Menschen der Erde und die natürlichen Bedingungen im Auge haben. Es ist nicht gelungen, die politischen Möglichkeiten der sozialistischen Gesellschaftsordnung in einem doch beachtlichen Teil der Welt dafür zu mobilisieren. Die Ursachen dafür sind vor allem subjektiver Natur.

In den 40 Jahren der Entwicklung der DDR haben wir erlebt, wie kompliziert die Prozesse auf ideologischem Gebiet verlaufen. Ein international anerkanntes modernes Bildungswesen, die vorbildliche Pflege humanistischer Kultur, die Vermittlung sozialistischer Werte, all das mußte insbesondere in der DDR so erfolgen, daß es dem Druck der Systemauseinandersetzung standhalten konnte. Das erwies sich als eine schwere, letztendlich nicht erfüllte Aufgabe. Hierfür gibt es neben den objektiven ebenfalls subjektive Ursachen. Fehler in der ideologischen Arbeit haben sich unter den Bedingungen der DDR besonders nachhaltig ausgewirkt. Nicht zuletzt deshalb, weil in der letzten Phase das gemeinsame, abgestimmte Handeln der Bruderländer nicht mehr vorhanden war.

Wir waren wohl auch zu selbstsicher geworden. Zu lange haben wir an unsere eigene These des nicht mehr rückgängig zu machenden Sieges des Sozialismus in unserem Land geglaubt. Wir haben das Kräfteverhältnis falsch eingeschätzt und deshalb Fehler zugelassen, die verheerende Folgen hatten. Wir hatten eine Konzeption für die Entwicklung des revolutionären Prozesses, aber keine ständige Überprüfung und erforderlichenfalls Korrektur unserer Schritte, keine klare Analyse der konterrevolutionären Gefahren, geschweige denn eine Konzeption für die Abwehr einer Gegenrevolution. Rückblickend müssen wir feststellen, daß der Hauptangriff im Kalten Krieg, den ja nicht wir erfunden haben, nicht zuletzt gegen die DDR gerichtet war. Vieles, was in der DDR getan wurde, ergab sich aus Zwängen dieser Situation. Wir hatten es mit einem permanenten Zustand zu tun, in dem für äußere Einwirkungen spezielle Bedingungen gegeben waren.

Die erfolgreiche Entwicklung der DDR wie auch der Prozeß ihrer Schwächung und Zerstörung zwingen zu grundsätzlichen Lehren über die Rolle der führenden Partei. Dazu gehören die Notwendigkeit einer klaren und realistischen Einschätzung der Situation durch die Partei, eine den nationalen und internationalen Bedingungen gerecht werdende Strategie und Taktik, Konsequenz im Handeln und eine unzerstörbare Verwurzelung in den Massen. Die führende Partei muß die Interessen des Volkes beharrlich und überzeugend vertreten und die Bürger an deren Wahrnehmung aktiv beteiligen. Bereits Lenin warnte: Wenn die Verbindung zwischen der Kommunistischen Partei und den Massen verlorengeht, ist die Katastrophe unvermeidlich. Richtige Lehren aus dem konterrevolutionären Prozeß zu ziehen, bedeutet zugleich, allen Bestrebungen zu widerstehen, die Partei der Arbeiterklasse, auch wenn sie eine Niederlage erlitten hat, mit den verschiedensten Argumenten und Winkelzügen in eine bürgerliche Partei zu verwandeln. Letztendlich bleibt es eine unumstößliche Wahrheit, daß die Überwindung der kapitalistischen Ausbeuterordnung nur unter Führung einer marxistisch-leninistischen revolutionären Partei möglich ist. Das Kommunistische Manifest ist und bleibt unser Programm.

Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands hat Großes für die Gründung und Entwicklung der DDR geleistet. Sie hat unauslöschliche Verdienste im Kampf gegen Faschismus und Krieg, für Frieden, Völkerverständigung und Sozialismus. Die SED wird als politische Kraft des gesellschaftlichen Fortschritts in der Geschichte ihren Platz erhalten. Ich bin stolz - und sehr viele, die heute hier anwesend sind, empfinden das gleiche - auf viele Jahre Mitgliedschaft in der SED zurückblicken zu können.

Es darf auch nicht unerwähnt bleiben, daß das Ende der DDR und der SED keinesfalls als ehrenvoll charakterisiert werden kann. Viele Mitglieder und Funktionäre, insbesondere der Basis, haben sich indes ehrenvoll, prinzipienfest und mutig verhalten. Ihnen gilt unsere besondere Anerkennung.

Im Feldzug gegen die Deutsche Demokratische Republik stehen die Angriffe gegen das Ministerium für Staatssicherheit immer vornan. Das ist kein Zufall. Die Losung der Bourgeoisie lautete von Anfang an: "Die DDR muß weg!" Das MfS war jene Institution, welche die Aufgabe hatte, denen das Handwerk zu legen, die daran "arbeiteten". Und das waren viele: Organisationen, Institutionen und Einzeltäter der BRD und anderer Länder sowie deren Verbündete, Handlanger und Stoßtrupps in der DDR. Ihr Spektrum war breit gefächert. Entsprechend kompliziert war die Aufgabe des MfS.

Schon Kurt Schumacher hatte bei der Schaffung des Ostbüros der SPD erklärt: "Es hat sich die Notwendigkeit ergeben, daß wir in der SBZ eine weitverzweigte illegale Organisation schaffen müssen." Wenn im Rahmen der Klassenauseinandersetzung über Grenzen hinweg und innerhalb von Grenzen mit perfidesten geheimdienstlichen Mitteln angegriffen wird, ist die Verteidigung, auch mit geheimdienstlichen Mitteln, eine unerläßliche Notwendigkeit. Die geplante Sprengung einer Eisenbahnbrücke bei Erkner während der Durchfahrt eines D-Zuges wurde 1952 von Genossen des MfS verhindert, ebenfalls die Sprengung der Saaletalsperre, einer großen Brücke bei Weimar und zahlreiche andere Anschläge. Der heute offiziell als "Volksaufstand" gepriesene 17. Juni 1953 wurde zu jener Zeit in der BRD als "Tag X" bezeichnet. Es war der erste gewaltsame Versuch, die DDR zu zerstören. Die ehemalige SS-Kommandeuse im KZ Ravensbrück, Eva Dorn, wurde aus der Haft "befreit" und in den Hallenser Kommandostab der Organisatoren dieses sogenannten "Volksaufstandes" eingegliedert. All das und noch viel mehr soll aus dem Gedächtnis der Menschen getilgt werden. Wir werden nicht vergessen, daß es harter Klassenkampf war, in dem es das Recht und die Pflicht der DDR gewesen ist, sich zu verteidigen. Wer vom "Mauerfall" spricht, sollte nicht außer acht lassen, daß es sich um die sensibelste Grenze zwischen den größten Militärkoalitionen des 20. Jahrhunderts handelte. Auch werden wir nicht vergessen, daß die Kundschafter der DDR nicht wenige Pläne der NATO, darunter solche zur Vernichtung von Städten der DDR mit Kernwaffen, aufgedeckt haben. Die Verhinderung eines Krieges gegen die sozialistischen Staaten ist auch das Verdienst von Aufklärern des MfS und der Nationalen Volksarmee. Hier liegen die Hauptgründe für die Verunglimpfung der Sicherheitsorgane der DDR. Und deshalb erklären wir auch heute, daß wir solidarisch an der Seite der Genossen des Ministeriums für Staatssicherheit und der anderen bewaffneten Organe der DDR stehen.

Die Gründung und die erfolgreiche Entwicklung der DDR waren untrennbar verbunden mit der Unterstützung und der Zusammenarbeit im Bündnis mit der UdSSR und den anderen Bruderländern, ihrer gemeinsamen Entwicklung auf sozialistischem Weg. Ebenso war auch die Niederlage des Sozialismus in der UdSSR und den europäischen sozialistischen Ländern ein zusammenhängender Prozeß. Wir haben stets betont, daß eine erfolgreiche Entwicklung des Sozialismus in der DDR mit dem Voranschreiten auch der anderen Staaten der sozialistischen Gemeinschaft untrennbar verbunden ist. Das bestätigte sich schmerzhaft, als der gegenläufige Prozeß Wirkung zeigte. Eine effektive Verteidigung der sozialistischen DDR wäre unter der Bedingung des Systemwandels in den anderen Ländern nicht möglich gewesen. Bei der Beurteilung der Situation müssen wir die Lehren aus den eigenen Fehlern und Erfahrungen ziehen, dürfen zugleich aber nicht übersehen, daß es sich um einen konterrevolutionären Gesamtverlauf gehandelt hat. Bei aller Spezifik der betroffenen Länder gibt es viele Parallelen und Ähnlichkeiten hinsichtlich der Fehler der regierenden Parteien.

Der dauerhafte Sieg über die Herrschaft des Kapitalismus unter den Bedingungen der DDR, d. h. bei Fortexistenz und Wiedererstarken des kapitalistischen Systems im westlichen Teil Deutschlands, hätte strategische Konsequenzen erfordert, die nur im Rahmen der sozialistischen Staatengemeinschaft möglich gewesen wären.

Wenn wir heute des 60. Jahrestages der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik gedenken, dann tun wir das in der festen Überzeugung, daß die DDR ihren Platz in der Geschichte behaupten wird. Sie ist unauslöschbar, sie ist das bedeutendste Ergebnis des langen und opferreichen Kampfes der deutschen Arbeiterbewegung, des Sehnens des Volkes nach Frieden und gesellschaftlichem Fortschritt. Wir werden nicht zulassen, daß das Erbe der DDR getilgt wird, deshalb gibt es für uns auch keine "ehemalige" DDR. Wir werden uns auch künftig dafür einsetzen, daß ein historisch objektives Bild von der Entwicklung der DDR, von der Politik der SED den überschäumenden antikommunistischen Tiraden und Geschichtsfälschungen entgegengesetzt wird.

Angesichts des Feldzugs gegen die DDR sollten alle, die ihre eigene Sicht und ihre Erlebnisse niederschreiben wollen und können, das tun. Auch das gehört zu unserer Verpflichtung, die wir gegenüber den kommenden Generationen haben.

Wir wollen unsere Kräfte nicht schonen, das revolutionäre Erbe der Deutschen Demokratischen Republik zu verteidigen. Wir lassen den Mut nicht sinken. Die DDR wurde zerstört, wir werden sie in unseren Herzen und Hirnen bewahren und weitertragen. Die Zukunft gehört dem Sozialismus.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Moskau, 24. Juni 1945: Nazi-Standarten im Staub
Thälmann ist niemals gefallen
Bau auf, Bau auf: neue Mauersteine aus Ruinen
Studenten der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät
Gab den Auftakt zur Aktivistenbewegung: Adolf Hennecke
Margot Honecker gratuliert Wilhelm Pieck zur Präsidentenwahl
Walter Ulbricht und Otto Grotewohl
Berlin: Lenin-Denkmal von Lew Kerbel
Die herrschende Klasse
Erntepause von LPG-Bauern
Berlin, 13. August 1961
1961: Stop für US-Panzer an der Friedrichstraße

Impressum
"RotFuchs"
c/o Dr. Klaus Steiniger (V.i.S.d.P.)
Rheinsteinstraße 10, 10318 Berlin
Beilage zum "RotFuchs" Nr. 142 (November 2009)

Raute

Ein Dialog zwischen der britischen Premierministerin Thatcher und Gorbatschow

"Bremsen Sie die deutsche Wiedervereinigung!"

Zwei Monate vor dem Fall der Berliner Mauer erklärte die britische Premierministerin Margaret Thatcher dem sowjetischen Führer Michail Gorbatschow, weder Großbritannien noch Westeuropa wollten die Wiedervereinigung Deutschlands. Sie bat ihn, das ihm Mögliche zu tun, um diesen Prozeß zu bremsen. Bei einem außerordentlich freimütigen Zusammentreffen mit Gorbatschow, das im Herbst 1989 in Moskau stattfand und worüber nie zuvor vollständig berichtet worden ist, führte Thatcher aus, daß die Destabilisierung Osteuropas und ein Scheitern des Warschauer Pakts nicht im Interesse des Westens wären. Sie beobachte die riesigen Veränderungen, die sich in Osteuropa vollzögen, beharre aber darauf, daß der Westen nicht für eine "Entkommunistisierung" Druck ausüben und auch nichts unternehmen solle, was die Sicherheit der Sowjetunion in Gefahr brächte.

Sogar 20 Jahre danach werden die Beobachtungen der früheren Londoner Regierungschefin in bestimmten Kreisen Erschütterung auslösen, zeigen sie doch, daß sich der Inhalt des Gesagten sehr von öffentlichen Erklärungen und offiziellen Kommuniqués unterscheidet.

Die Protokolle geben im Detail wieder, wie die Russen auf die turbulenten Ereignisse von 1989 reagierten. Sie enthüllen zugleich die verzweifelten Bemühungen Großbritanniens und Frankreichs, das Handeln der UdSSR in der Vereinigungsfrage aufzuhalten. Ebenso zeigen sie die völlige Sprachlosigkeit des Kreml gegenüber den Unruhen in ganz Osteuropa und der Flucht Tausender Ostdeutscher nach Ungarn und in die Tschechoslowakei. Sie bringen zugleich den Haß Gorbatschows auf die kommunistischen Führer Osteuropas zum Ausdruck. Er bezog sich einmal auf Erich Honecker als eine "abscheuliche Person".

Thatcher wußte, daß ihre Wahrnehmungen eine Kontroverse auslösen würden, falls sie diese bekanntmachte. Damals sagte sie Gorbatschow, sie sei von dem Mut und Patriotismus des polnischen Parteiführers General Wojciech Jaruzelski "tief beeindruckt" gewesen. Sie wies indes billigend darauf hin, daß Gorbatschow auf die Ergebnisse der polnischen Wahlen, bei denen die Kommunisten zum ersten Mal in Osteuropa eine Niederlage erlitten, und auf andere Veränderungen in der Region "mit Ruhe reagiert" habe.

"Was ich an Ihrer Position verstehe, ist folgendes: Sie nehmen mit Wohlwollen auf, daß jedes Land sich auf seine Weise entwickelt, unter der Bedingung, daß der Warschauer Pakt weiterhin in Kraft bleibt. Ich verstehe diese Position perfekt", sagte Thatcher. Dann lancierte sie ihre Bombe. Sie forderte, daß ihre nachfolgenden Bemerkungen nicht im Protokoll festgehalten werden sollten. Gorbatschow akzeptierte, aber die Abschriften des Kreml hielten alles mit dem lakonischen Hinweis fest: "Der nachfolgende Teil der Unterhaltung wird aus der Erinnerung wiedergegeben." Sie sprach von ihrer "tiefen Sorge" über die Geschehnisse in Ostdeutschland. Dabei präzisierte sie, daß sich dort "große Veränderungen" vollziehen könnten. Ihre Befürchtung sei, daß all dies schließlich zur deutschen Wiedervereinigung führe. Das sei ein offizielles Ziel der westlichen Politik seit mehr als einer Generation.

Thatcher versicherte Gorbatschow, daß Präsident George Bush sen. auch nichts unternehmen wolle, was die Russen als Bedrohung ansehen könnten. Dasselbe hörte Gorbatschow dann beim Gipfel UdSSR-USA auf Malta.

Aber Thatcher war nicht die einzige, die das Thema beunruhigte. Einen Monat nach dem Fall der Berliner Mauer traf Jacques Attali, der Berater des französischen Präsidenten François Mitterrand, mit Gorbatschows Berater Wadim Sagladin zusammen. Vier Monate später, im April 1990, erklärte Attali, das Gespenst der deutschen Wiedervereinigung verursache französischen Politikern Alpträume. Die Dokumente zitieren Mitterrand, er würde, "zum Leben auf den Mars gehen", wenn dies geschehe.

Anatoli Tschernajew, Berater des Kreml und Beauftragter für die Beziehungen mit den anderen kommunistischen Parteien, notierte in seinem Tagebuch: "Und die ganze Welt säuselt in unser Gehör, es sei gut, daß die UdSSR ihre Position gegen die deutsche Wiedervereinigung ausgedrückt habe."

Die sich mit Beratern Gorbatschows in Europa treffenden Politiker bekundeten übereinstimmend, "daß niemand ein vereinigtes Deutschland will". Überrascht bemerkte Tschernajew, in Frankreich dächte Mitterrand sogar an eine Militärallianz mit Rußland, um es aufzuhalten.

"Wir wollen kein vereinigtes Deutschland. Dies würde zu Veränderungen bei den Nachkriegsgrenzen führen, und wir können das nicht gestatten, denn diese Tatsache würde allmählich die Stabilität der ganzen internationalen Lage schwächen und könnte unsere Sicherheit in Gefahr bringen", formulierte Margaret Thatcher.

Die hier zitierten Erklärungen stammen aus offiziellen Akten des Kreml, die auf geheimem Wege aus Moskau herausgeholt wurden. Nachdem Gorbatschow 1991 die Macht verlor, brachte man Kopien des Materials der Staatsarchive in seine Moskauer Privatstiftung. Vor einigen Jahren fotokopierte Pawel Stroilow, ein junger Schriftsteller, die Unterlagen, nachdem er deren enorme historische Bedeutung erfaßt hatte. Mehr als tausend Kopien führte er bei sich, als er nach London ging. Er hatte sie noch rechtzeitig gemacht, denn anschließend wurden alle russischen Archive versiegelt.

Michael Binyon, El Mercurio,
Übersetzung Isolda Bohler

Raute

Raúl Castro sprach Klartext

Kuba macht um heiße Eisen keinen Bogen

Embargo, Wirbelsturmschäden, Weltwirtschaftskrise, Nahrungsmittelmangel - Kuba sieht sich gewaltigen Herausforderungen gegenüber. Jetzt hat Raúl Castro mit großer Offenheit dazu Stellung genommen. Er machte keinen Bogen um heiße Eisen, zu denen jene Probleme gehören, mit welchen der sozialistische Karibikstaat seit langem zu ringen hat.

"Im vergangenen Jahr haben drei aufeinanderfolgende Zyklone einen Schaden von 10 Milliarden Dollar angerichtet. Kuba hat 20 % seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) verloren", sagte der Präsident. Enorme Auswirkungen habe auch die Krise der kapitalistischen Weltwirtschaft. "Wir rechneten für 2009 mit einem Wachstum des BIP von 6 %. Statt dessen betrug es im 1. Halbjahr nur 0,8 %, und am Jahresende könnten wir 1,7 % erreichen."

Infolge des Verfalls der Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt sei der kubanische Export drastisch gesunken. Für Nickel, ein wichtiges Ausfuhrgut der Republik, erziele man derzeit nur etwa die Hälfte des Erlöses von 2008.

Raúl Castro berührte auch die Frage der Auslandsschulden. Havanna bemühe sich hier um eine Neuverhandlung der Zahlungsbedingungen.

Trotz aller Erschwernisse halte das kubanische Volk dem gewachsenen Druck moralisch stand. Seine Antwort sei in erster Linie die Verstärkung der Solidarität untereinander. Am 20. Juli waren 43 % der 660.000 durch die Wirbelstürme in Mitleidenschaft gezogenen Wohnungen repariert.

Kubas Präsident machte um heiße Eisen keinen Bogen. Man müsse endlich damit aufhören, alle im Lande bestehenden Defizite und auftretenden Mängel allein auf die Blockade zu schieben. Um voranzukommen, gelte es vor allem, den grassierenden Bürokratismus zu überwinden. "Es gibt eine Reihe von Bedürfnissen", sagte Castro. "Ihre Befriedigung hängt vor allem von unserer Fähigkeit ab, fortan mehr und besser zu arbeiten. Man muß die unverantwortliche Haltung überwinden, auf Teufel komm raus konsumieren zu wollen, ohne danach zu fragen, was die Garantie des Verbrauchs das Land kostet."

Besondere Lücken bestünden auf dem Gebiet der Nahrungsgüterproduktion. Noch immer sei Kuba gezwungen, 80 % seiner Lebensmittel einzuführen. Es genüge nicht, unablässig "Vaterland oder Tod!" zu rufen, während zugleich nicht genügend dafür getan werde, die vielerorts brachliegenden Flächen zu bestellen. Dafür müsse mehr Schweiß als bisher vergossen werden. Die Erzeugung von Nahrungsgütern sei auch eine Frage der Sicherheit Kubas. Dabei komme es u. a. auf eine deutlich verbesserte Bewässerung der durch Dürre betroffenen Ländereien an.

Der Präsident berührte auch einen weiteren wunden Punkt: Es gäbe eine Unzahl von Universitätsdiplomen, die in bestimmten Disziplinen die realen Bedürfnisse Kubas erheblich übersteige, stellte Raúl Castro fest. 2 x 2 sei 4, aber niemals 5, ebensowenig 3, fügte er ironisch hinzu.

Das Fazit ziehend, bemerkte der kubanische Partei- und Staatsführer, daß sich sein Land in 50 Jahren nach CEPAL-Angaben aus einem Armenhaus Lateinamerikas zu einem der fünf wirtschaftlich solidesten Staaten des Subkontinents entwickelt habe. In sozialer Hinsicht sei es sogar Spitzenreiter.

Raúl Castro ging auch auf Fragen der Festigung von Ordnung und ökonomischer Disziplin sowie der internen Kontrolle ein. Es gelte, der weitverbreiteten Korruption energisch den Kampf anzusagen, wobei Bedingungen dafür zu schaffen seien, daß künftig kein Führer oder Funktionär mehr über Delikte dieser Art hinwegsehe.

Castro kündigte die Verschiebung des Parteitags der KP Kubas und - statt dessen - die Abhaltung einer Nationalkonferenz der Partei an, auf der neue Mitglieder in das Zentralkomitee gewählt werden sollten, da einige der bisherigen inzwischen verstorben oder nicht mehr auf ihren Posten seien.

RF, gestützt auf "Solidaire", Brüssel


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Fidel Castro empfing unlängst eine Delegation venezolanischer Jurastudenten
- Freiheit für die fünf in USA-Haft befindlichen kubanischen Helden! Schild in der kalifornischen Metropole Los Angeles

Raute

Ein polnischer Blick auf die DDR

Das beste Kapitel deutscher Geschichte

Vor 60 Jahren ist die Deutsche Demokratische Republik aus Ruinen und den Träumen mehrerer Generationen deutscher Kommunisten, Sozialisten und revolutionärer Sozialdemokraten erstanden. Sie war eine logische Fortsetzung der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution 1917 in Rußland und der revolutionären Situation, die sich am Ende des 2. Weltkrieges in Teilen Europas herausbildete. Damals haben die Völker Polens und anderer Länder Mittel- und Osteuropas unter Führung von Kommunisten und Sozialisten sowie mit maßgeblicher Hilfe der UdSSR und ihrer Roten Armee neue volksdemokratische Staaten errichtet, die später zum Aufbau des Sozialismus übergingen. Auch in Deutschland vollzogen sich große Veränderungen, besonders in der Sowjetischen Besatzungszone, aus der dann die DDR erwuchs. Erstmals wurde auf deutschem Boden die Arbeiter-und-Bauern-Macht errichtet. Die DDR setzte das Erbe und die besten Traditionen der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung fort. Sie war ein Ergebnis der jahrhundertealten Mühen und Kämpfe der deutschen Arbeiterklasse und aller progressiven Kräfte seit den Tagen des Bauernkrieges, der Aktivitäten des Bundes der Kommunisten von Marx und Engels, des revolutionären Flügels der I. und II. Internationale, der SPD, August Bebels und Wilhelm Liebknechts. Die DDR führte auch die theoretische und politisch-organisatorische Tätigkeit der KPD Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs, Ernst Thälmanns, Wilhelm Piecks und Walter Ulbrichts weiter. Alle genannten Organisationen und Persönlichkeiten sind vielen Polen gut bekannt.

Nach dem barbarischen 2. Weltkrieg, der vom deutschen Faschismus entfesselt worden war, entstanden in Ostdeutschland Bedingungen zur Schaffung einer antifaschistisch-demokratischen Ordnung und zum Aufbau der Grundlagen des Sozialismus. Voraussetzung dafür war die im April 1946 erfolgte Vereinigung von KPD und SPD auf marxistischer Grundlage zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Sie stellte fast 44 Jahre die politische und ideologische Hauptkraft im Prozeß der Demokratisierung Deutschlands und des seit 1952 in Angriff genommenen sozialistischen Aufbaus dar.

Die DDR entstand am 7. Oktober 1949 als Antwort auf die Spaltung Deutschlands durch die kapitalistischen Kräfte in den Westzonen und deren angloamerikanische Hintermänner. Ihr Volk hat mit Hilfe der UdSSR und anderer fortschrittlicher Kräfte auf dem Kontinent und in aller Welt die Macht der Ausbeuterklassen in Ostdeutschland gebrochen.

Die DDR bestand über 40 Jahre und durchlief verschiedene Entwicklungsetappen. Durch mehr als zwei Generationen wurde auf deutschem Boden eine neue Gesellschaftsordnung errichtet. Sie gründete sich auf neue Eigentums- und Produktionsverhältnisse in Gestalt volkseigener Betriebe, landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften und anderer ausbeutungsfreier Wirtschaftsformen.

Die DDR verankerte all diese Errungenschaften und Rechte der Bürger in ihrer Verfassung von 1968. Dank der Politik der SED errang der sozialistische deutsche Staat ein hohes Maß an internationaler Anerkennung und politischer Autorität.

Für uns Polen war die DDR ein guter und verläßlicher Nachbar, der von Beginn an eine Politik der Freundschaft und Zusammenarbeit mit unserem Land verfolgte. Die Volksrepublik Polen hat sie als einer der ersten Staaten völkerrechtlich anerkannt. Als Grundlagen der Zusammenarbeit zwischen Volkspolen und der DDR erwiesen sich die sozialistische Ideologie und die führende Rolle der SED im politischen System der DDR sowie eine ähnliche Position der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei. Meilensteine auf diesem Weg waren der Vertrag von Zgorzelec (Görlitz) vom Juli 1950 zur Anerkennung der Oder und der Lausitzer Neiße als friedliche Grenze sowie das Abkommen über Zusammenarbeit und Freundschaft zwischen Polen und der DDR, das 1967 abgeschlossen wurde. Beide Staaten gehörten gemeinsam dem Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe und dem Warschauer Vertrag an.

Es gab vielfältige und enge Kontakte zwischen zahlreichen Betrieben, Gewerkschaften und anderen Massenorganisationen, den Bildungssystemen, Kinder- und Jugendorganisationen usw. Anfang der 70er Jahre wurde die Grenze zwischen beiden Staaten ohne Visapflicht geöffnet. Diese Periode spielte in der Annäherung beider Völker und bei der Überwindung alter Vorurteile eine große Rolle.

Wir in Polen schätzen die ökonomischen, sozialen, kulturellen und politischen Errungenschaften der Werktätigen der DDR hoch ein. Wir sind der Meinung, daß dieser Staat das Beste in der Geschichte des deutschen Volkes und insbesondere der deutschen Arbeiterbewegung gewesen ist. Zusammen schufen wir eine neue Ära und eine neue Qualität in der wechselvollen Nachbarschaft unserer Völker. Deswegen bleibt das Erbe der DDR auch vielen Polen in teurer Erinnerung.

Es lebe die Deutsche Demokratische Republik! Es lebe ihr 60. Gründungstag! Hochachtung, Ehre und Dank all ihren Mitbegründern und Erbauern! Die DDR war, ist und bleibt lebendig und unvergessen! Auch in Polen!

Prof. Dr. Zbigniew Wiktor, Wroclaw


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Nach dem Entzug der Lizenz für den Bund Polnischer Kommunisten "Proletariat" entstand in Polen 2002 eine neue marxistisch-leninistische Vorhutpartei: die KPP. Ihr Poster symbolisiert die tiefen Wurzeln der kommunistischen Bewegung des Landes und drückt auf eindrucksvolle Art ihre Unzerstörbarkeit aus.

Raute

Genosse Kurt Stand schreibt aus dem USA-Gefängnis an den RF

Zum Tod meiner Mutter

Im Mai druckte der "RotFuchs" einen Geburtstagsgruß für meine Mutter. Es war eine Geste der Solidarität, die sie sehr glücklich machte. Sie starb am 16. August, sechs Wochen nach einer Herzoperation. Der Risiken war sie sich wohl bewußt, ließ sich jedoch von der Entschlossenheit leiten, weiter leben zu wollen. Dabei zeigte meine Mutter dieselbe Stärke, die ihr ganzes Leben gekennzeichnet hat. Wenn ich darf, würde ich Euch gerne einige Gedanken darüber mitteilen.

Meine Mutter Hannelore Stand wurde 1924 in einer Bergarbeiterfamilie in Ahlen (Westfalen) geboren. Diese zahlte während der Jahre des Faschismus für ihre kommunistischen Überzeugungen einen hohen Preis. Meine Mutter befand sich bis Ende 1933 in Deutschland, wurde also zur Zeugin früher Phasen von Grausamkeit und Brutalität der Nazis. Anschließend lebte sie in den Vereinigten Staaten, wobei sie immer jenen Prinzipien treu blieb, mit welchen sie aufgewachsen war. Sie spielte eine aktive Rolle in den Kämpfen für Frieden, soziale Gerechtigkeit und Gleichheit. Das umschloß auch ihre Teilnahme am 1963er Marsch auf Washington, bei dessen Abschlußkundgebung Martin Luther King seine berühmte Rede hielt: "Ich habe einen Traum ..." In späterer Zeit war meine Mutter, solange sie sich dazu in der Lage sah, ein engagiertes Mitglied der Internationalen Liga für Frieden und Freiheit.

Während der 50er und 60er Jahre gehörte sie wie mein Vater zum Redaktionsstab des "German-American" - einer Publikation, die mit der KP der USA verbunden war. Außer der Berichterstattung über Klassenkämpfe und soziale Auseinandersetzungen in den USA und Westdeutschland förderte der "GA" die Solidarität mit der DDR. Diese drückte meine Mutter auf vielfältige Weise auch in den darauffolgenden Jahren aus. Während sie der Arbeiterklasse und dem Sozialismus Vertrauen entgegenbrachte, scheute sie sich nicht, deren von ihr wahrgenommene Schwächen und Defizite zu kritisieren. Diese prinzipielle Haltung ist auch der Grund dafür, daß sie in ihren Überzeugungen nicht schwankend wurde - und zwar ungeachtet des Schocks und der tiefen Enttäuschung in der Zeit des Zusammenbruchs von DDR und Sowjetunion sowie des "Zurückrollens" des Sozialismus überall in Europa.

Nichtsdestoweniger waren die letzten Jahre für meine Mutter sehr schwer, besonders die acht Jahre der Präsidentschaft von George W. Bush, in denen die Glorifizierung des Krieges und die Rechtfertigung der Folter böse Kindheitserinnerungen an die Naziherrschaft in ihr wachriefen. Der Wahlsieg von Obama im November 2008 gab ihr neue Hoffnung, daß die demokratischen und humanistischen Ideale des Volkes der USA möglicherweise doch die Oberhand gewinnen könnten. Dennoch glaubte meine Mutter ihr Leben lang, daß die Ungerechtigkeiten der Gesellschaft nicht ohne Beseitigung des Kapitalismus zu überwinden seien.

Die frühen Jahre im Leben meiner Mutter sahen die Existenzbedingungen der Familie durch den deutschen Faschismus und die harschen Realitäten der Depression in den USA ständig bedroht. Aus dieser Erfahrung heraus entwickelte sie eine große Ergebenheit gegenüber ihrer Familie, die so unerschütterlich war wie die Treue zu den Idealen einer besseren Welt, für die sie kämpfte. Die Werte unabhängigen Denkens, des Friedens, der Gleichheit und der Solidarität mit allen Arbeitenden sind das Erbe, das sie uns zusammen mit ihrer Liebe hinterlassen hat.

Ich bin solidarisch mit Euch.

Kurt Stand

­# 42289-083
Virginia Hall
FCC Petersburg Low
P.O. Box 1000
Petersburg, VA 23804 U.S.A.

Raute

Ein Präsident aus der CIA-Westentasche

Wahl-Farce in Kabul

Die "Wahlen", die am 20. August in Afghanistan stattfanden, wurden von Freunden wie Feinden des Kabuler Marionettenregimes als Farce empfunden. Selbst offizielle Beobachter aus NATO, EU und UNO sprachen von einem makabren Spiel und zügelloser Wahlfälschung. Einige Abstimmungsakte mußten wiederholt werden.

Die afghanischen Pseudowahlen fanden auf den Bajonettspitzen der Aggressoren aus vieler Herren Länder statt, die - wie die amerikanischen GIs und Herrn Jungs illustrer Haufen in Kundus - nicht vor Massakern unter Zivilisten zurückschrecken. Einziger Wahlsieger seien die Taliban gewesen, meinte die Pariser "Humanité". Acht Jahre nach Beginn des "Afghanistanfeldzuges", der Osama Bin Laden als Rache für den 11. September 2001 in einer Felshöhle treffen und das Volk angeblich vom Obskurantismus der Islamisten befreien sollte, erweist sich die Operation Enduring Freedom als ein kostspieliger Schlag ins Wasser. Auch die unter Obama von dessen Kriegsminister Gates durchgesetzte Entsendung weiterer 21.000 Amokläufer in Marsmenschenuniformen der U.S. Army dürfte das Blatt kaum wenden. Doch ungeachtet der Tatsache, daß die Mehrheit der Briten, Franzosen und Deutschen den sofortigen Abzug des NATO-Expeditionskorps fordert, nimmt das blutige Geschehen am Hindukusch seinen Fortgang.

Das Kabuler Wahlspektakel gehört zur Kulisse. Schon am Vorabend der makabren Posse beglückwünschte die Kommission des als EU bezeichneten Europas der Monopole "die Afghanen zu den zweiten Präsidentschaftswahlen unter der demokratischen Verfassung aus dem Mondjahr 1382" (2004). Zum ersten Mal richte Kabul diesen Vorgang in eigener Regie aus. So seien die Wahlen "ein wichtiges Datum für die junge Demokratie".

Alles Hokuspokus. Nach Schätzungen des arabischen Senders "Al Jazeera" traten nur etwa 20 % der Stimmberechtigten an die Urnen. In einigen Regionen waren es sogar weniger als 10 %. Allein am Wahltag unternahmen die Taliban - einst von der CIA gegen die sowjetischen Verbündeten der seinerzeitigen Kabuler Linksregierung finanzierte und aufgebaute islamistische Glaubenskrieger, die heute die imperialistischen Besatzer attackieren - über 80 Angriffe. Wie nicht anders zu erwarten, wurde der frühere New Yorker Restaurantbesitzer Karsai als Präsident "wiedergewählt". Am 21. August sprach sein Hauptkonkurrent Abdullah von "millionenfachen Fälschungen". Die Internationale Wahlkommission - auch eine Farce - registrierte zu diesem Zeitpunkt 225 "schwere Fälle" wie Stimmenhandel auf dem Schwarzmarkt. In einer Region hatte man 400.000 Wahlzettel eingesammelt, obwohl es hier nur 150.000 Wähler gab.

Unterdessen charakterisierte Anthony Cordesman vom Washingtoner Zentrum für Strategische und Internationale Studien den alten und neuen "Präsidenten" Afghanistans als "korrupt, unfähig und meistens außer Landes". Wie der "Stern" berichtete, beschlagnahmten die britischen Truppen bei seinem Halbbruder "Tonnen von Opium". "Wer macht sich Gedanken um den Sieger von Kabul?" fragte BBC-News rhetorisch. "In jedem Fall wird doch Afghanistan durch Barack Obama dirigiert." Dessen Sonderbotschafter, der schon vom Balkan her berüchtigte Richard Holbrooke, faßte sein Urteil in die vier Worte: "Mehr Truppen müssen her."

RF, gestützt auf "Solidaire", Brüssel

Raute

11. Parteitag der KP Australiens beriet in Sydney

Erhobenen Hauptes

Anfang Oktober hat in Sydney der 11. Kongreß der KP Australiens stattgefunden. Er stand unter der Losung: "Die Partei für die Zukunft".

Ausgangspunkt der KP-Analyse ist die Tatsache, daß sich die nationale und internationale Szenerie seit dem 10. Parteitag (2005) wesentlich verändert hat. Zur Weltwirtschafts- und Systemkrise des Kapitalismus treten die Nahrungsmittel-, die Wasser- und die Umweltkrise hinzu. All das hat auch um Australien keinen Bogen gemacht.

In vielen Ländern sei der Widerstand gewachsen, bahnten sich neue oder veränderte Entwicklungen an, heißt es in einem noch vor dem Parteitag veröffentlichten Material. Die KPA hebt die Tatsache hervor, daß in den USA eine solche Figur wie George W. Bush von der Bildfläche verschwunden ist. Während der Wunschkandidat des Bush-Lagers, John McCain, am Votum gescheitert sei, hätten die Amerikaner zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten einen schwarzen Präsidenten gewählt. Auch in Australien habe der Wählerwille den konservativen Expremier John Howard aus dem Amt gefegt und den Labourpolitiker Rudd an seine Stelle gesetzt. Damit verbundene Erwartungen seien allerdings enttäuscht worden. Verbesserungen im Gesundheitswesen, beim Wohnungsbau und im Beschäftigungssektor sowie bei der Gleichstellung der Ureinwohner Australiens stünden nach wie vor aus.

Scharf attackiert die KPA das weiterhin USA-hörige Verhalten Canberras in der Afghanistanfrage. Statt die Truppen zurückzuziehen, habe Rudd weitere Kontingente auf den Schauplatz dieses schmutzigen Krieges geworfen.

An der Wirtschaftsfront wende die Regierung enorme Mittel für die Rettung des Big Business und des Finanzsektors auf. Andererseits würden die Reste des staatlichen und kommunalen Vermögens verschleudert.

Die traditionsreiche australische Gewerkschaftsbewegung habe den Unternehmern immer wieder große Schlachten geliefert. Dieser Kampf besitze indes nicht nur einen ökonomischen, sondern auch einen politisch-ideologischen Aspekt. Dabei gehe es um die Entwicklung eines höheren Bewußtseinsgrades der Arbeiter, damit sie die Klassennatur des kapitalistischen Systems und die Notwendigkeit des proletarischen Klassenkampfes erkennen.

Australiens Massenmedien stünden vollständig im Dienst der Monopolbourgeoisie und ihrer Profitmaschine. Bei sozialen Konflikten ergreife die Labour-Regierung stets Partei für die Unternehmer, verkünde aber zugleich, "für alle Australier da zu sein". Sie behaupte, den Kapitalismus besser managen zu können als die Kapitalisten selbst.

Da Labour die Sache der Arbeitenden preisgebe, bedürfe es der auf Klassenpositionen stehenden und im Sinne des proletarischen Internationalismus handelnden Kommunistischen Partei. Die KPA bekenne sich unbeirrbar zum Marxismus-Leninismus und kämpfe für eine sozialistische Gesellschaft. Ihre Mitglieder seien beschäftigte und erwerbslose Arbeiter, Studenten, Rentner, Intellektuelle, Farmer und Menschen anderer Lebensbereiche. Sie wirke besonders in den Gewerkschaften, Kommunen, Friedens- und Umweltorganisationen. Die KPA setze sich für die Rechte der Frauen und der Ureinwohner Australiens ein. Sie verteidige das öffentliche Erziehungswesen sowie das Gesundheitsprogramm Medicare. Auf ihrer Agenda stünden der Widerstand gegen die Privatisierung und die Abwehr gewerkschaftsfeindlicher Gesetze. Zu den Errungenschaften der Partei gehöre ihre kämpferisch-analytische Wochenzeitung "The Guardian".

Der 11. Kongreß der KPA wählte die Leitungsorgane der Partei. Generalsekretär wurde abermals Dr. Hannah Middleton, die in der DDR promoviert hat.

RF, gestützt auf "The Guardian", Sydney

Raute

Wer den Widerstand gegen Obamas Krankenversicherung schürt

Feuer aus allen Rohren

Präsident Obama hat wider den Stachel gelöckt: Seine "Öffentliche Option" - das Projekt einer umfassenden staatlich gestützten Krankenversicherung - bringt die Reaktion in Rage. Die "Public Option" soll neben privaten Kassen, deren Allmacht natürlich unangetastet bleibt, zusätzlich eingeführt werden. Es handelt sich dabei um einen "alten Traum" des Clinton-Clans der Demokratischen Partei. Er wurde von Hillary unter Bills Präsidentschaft anfangs mit großem Aufwand verkündet, bei einsetzendem Widerstand aber sofort wieder abgeblasen.

In der Frage der "Öffentlichen Option" hat sich auch Obama auf dünnes Eis begeben. Nach Meinungsumfragen wird das Projekt nur noch von der Hälfte der Amerikaner unterstützt - gegenüber 60 % im Juni. In den Medien findet seit Monaten eine erbitterte Auseinandersetzung zwischen Gegnern und Befürwortern der Reform statt, wobei der TV-Sender MSNBC die Überlegungen Obamas unterstützt, während die Fox-Kette unablässig Bilder seiner empörten Widersacher ausstrahlt, von denen die "finsteren Absichten des Präsidenten" wütend attackiert werden. Er wolle die freie Kassenwahl und damit die Freiheit Amerikas zerstören.

Im Grunde geht es darum, ob eine Konkurrenz zwischen der "Öffentlichen Option", die natürlich auch nicht vom Kapital wirklich abgekoppelt wäre, und den bestehenden Versicherungsgiganten zugelassen werden soll - wie es Obama will -, oder ob ein "etwas verzuckerter" Kompromiß herauskommt, der de facto alles beim alten läßt. Dieser zeichnet sich bereits in Gestalt der sogenannten Zwei-Parteien-Option ab. Auf deren Zustandekommen drängt der konservative Senatsflügel der Demokraten, der auf "Gegenliebe" bei der Mehrheit der republikanischen Senatoren stößt. Die Substanz dieser Variante besteht darin, eine durch den Staat finanziell gestützte Versicherung aller USA-Bürger durch die privaten Kassen durchzusetzen. Das wäre ein Bombengeschäft für die Konzerne.

Obama weiß, daß er seinen Plan ohne Kompromisse nicht durchbringen wird, während der gewerkschaftsnahe linke Flügel der Demokraten die "Öffentliche Option" ohne Abstriche umsetzen möchte. Außer den 50 Millionen derzeit überhaupt nicht versicherten USA-Bürgern gibt es weitere 40 Millionen, die im Laufe eines Jahres zeitweilig in diese Situation geraten.

Der Obama-Plan ist durchaus moderat und keineswegs revolutionär. Dennoch wäre seine Verwirklichung ein Schritt in die richtige Richtung. Deshalb schießt die Reaktion aus allen Rohren: Sie widersetzt sich dem Projekt der erstmaligen Einführung einer umfassenden Krankenversicherung in den Vereinigten Staaten und will es um jeden Preis zu Fall bringen. Alle Schleusen der Diffamierung des Präsidenten werden geöffnet. In der Presse wird offen von Attentatsgefahr gesprochen. Hinter der Haßkampagne stehen die Versicherungsriesen und vor allem die mächtige Pharmaindustrie, von der die Zulassung preiswerterer ausländischer Präparate befürchtet wird.

Obwohl Obama innerhalb des bestehenden Systems operiert, wird dieser bürgerliche Liberale und fähige Staatsmann der imperialistischen Hauptmacht wegen einiger neuer Akzente seiner Politik von den konservativsten Kräften der USA heftig angegriffen. Das ist in Rechnung zu stellen.

K. S., gestützt auf "Solidaire", Brüssel

Raute

Vor 40 Jahren starb Vietnams legendärer "Onkel Ho"

Ein Präsident zum Anfassen

Als Ho Chi Minh am 3. September 1969 im Alter von 79 Jahren starb, verlor nicht nur das vietnamesische Volk seine überragende Führergestalt. Kommunisten und andere fortschrittliche Menschen in aller Welt trauerten um einen großen Revolutionär und Freiheitshelden.

Der schmächtige, fast zerbrechlich wirkende "Onkel Ho", wie ihn die Kinder Vietnams, aber auch viele Erwachsene nannten, verkörperte eine unbändige Energie. Er spielte eine beispiellose Rolle in der Geschichte seines Landes und ganz Indochinas.

Der junge Ho Chi Minh wuchs unter französischer Fremdherrschaft auf. Sein Vater, ein furchtloser Mann, war Lehrer. Er wurde gefeuert, als er sich weigerte, die vorgeschriebene Sprache der Kolonialisten zu benutzen. Ho hielt sich ungern im unterworfenen Indochina auf.

Er bereiste die Welt - erst als Matrose an Bord eines französischen Schiffes, dann als Kellner und Gelegenheitsarbeiter in vielen Ländern Europas. In England erlernte er den Beruf eines Konditors. Doch diese Tätigkeit lag ihm nicht allzusehr. Er interessierte sich mehr für Politik und näherte sich kommunistischen Ideen. Zunächst wurde er Mitglied der FKP. 1923 besuchte Ho erstmals die Sowjetunion, 1930 gründete er gemeinsam mit anderen Genossen die KP Indochinas. Doch erst 1941 betrat er wieder vietnamesischen Boden.

Unterdessen waren die Japaner in Indochina eingefallen. So mußte der Kampf gleichzeitig an zwei Fronten organisiert werden. An seiner Spitze standen die Kommunisten. Sie forderten die Aufteilung des Bodens an Bauern und Landarbeiter. Ho behielt in dieser komplizierten Situation einen kühlen Kopf. Als ein Teil des Widerstandes den Partisanenkrieg gegen Franzosen und Japaner befürwortete, widersprach er mit dem Argument, dafür wäre es vorerst zu früh, da die Unterstützung durch das Volk noch ungenügend und die politische Führung noch nicht ausgereift seien.

Hos Geduld zahlte sich aus. Erst im August 1945 wandte er sich mit einem Appell zum Widerstand an die Massen. Schon im September wurde dann die Demokratische Republik Vietnam ausgerufen.

Die Franzosen protestierten heftig. Es dauerte bis 1954, daß sie endgültig aus dem Lande gejagt wurden. Die Amerikaner traten sofort an ihre Stelle und unterwarfen sich Südvietnam, da der kommunistische Norden - die DRV - angeblich die ganze Region "zu verseuchen" beabsichtige.

"Lieber alles opfern, als in Sklaverei leben", lautete nun Hos Maxime. Erneut bereitete er sich auf einen äußerst opferreichen Kampf von unvorstellbaren Ausmaßen vor. Ende der 60er Jahre befand sich eine halbe Million USA-Soldaten in Vietnam. Trotz pausenloser massiver Bombenangriffe und des Einsatzes der tödlichen Entlaubungschemikalie Agent Orange zwang Uncle Sam das Volk "Onkel Hos" nicht in die Knie. Im Gegenteil: Völlig desorientierte Amerikaner mußten mit ansehen, wie ihre Saigoner Botschaft bei der Tet-Offensive im Januar 1968 vorübergehend besetzt wurde.

Da Ho bereits 1969 starb, konnte er den fluchtartigen Abzug der USA-Truppen aus dem Süden nicht mehr erleben. Auf seinem Sterbebett schrieb er: "Mein einziger Wunsch ist es, daß unser Volk und die Partei, eng im Kampf verbündet, ein wiedervereinigtes, friedliches, unabhängiges, demokratisches und blühendes Vietnam aufbauen."

Ho Chi Minh war ein kommunistischer Präsident zum Anfassen. An der mit Bescheidenheit gepaarten Menschlichkeit dieses großen Staatsmannes war nichts vorgespiegelt oder aufgesetzt, wie man es anderen Ortes erleben konnte. Wir gedenken Hos mit Sympathie und Wärme.

RF, gestützt auf "Solidaire", Brüssel

Raute

Südkoreas Ausnahmepolitiker: Kim Dae-jung

Kim Dae-jung war der erste und einzige südkoreanische Präsident, der mit dem Führer der KVDR in der nordkoreanischen Hauptstadt zusammentraf.

Am 18. August ist der Politiker 85jährig gestorben. Urheber einer Politik der Annäherung von Nord- und Südkorea, war er ein Mann des Friedens. Nicht zufällig sandte Nordkoreas Kim Jong Il der Familie des Toten ein Beileidsschreiben, während eine hochrangige Delegation aus Pjöngjang an den Trauerfeierlichkeiten teilnahm.

Kim Dae-jungs Leben widerspiegelte die Haltung progressiver Kräfte Südkoreas. Unter der Herrschaft des durch Washington ausgehaltenen Diktators Park Chunghee wurde Kim 1973 für drei Jahre ins Gefängnis geworfen. Nach Parks Ermordung wieder auf freien Fuß gelangt, übernahm er die Führung der Opposition. Aus dieser Rolle heraus wählten ihn die Südkoreaner 1998 zum Präsidenten ihrer Republik. Er bekleidete das Amt bis 2003. Auch nach seinem Ausscheiden als Staatschef blieb er der Bewegung für die friedliche Wiedervereinigung Koreas eng verbunden.

Kim erhielt im Jahr 2000 den Friedensnobelpreis für seine "Politik des Sonnenscheins", die er bis zum Machtantritt des derzeitigen rechtsextremen Lee-Regimes verfolgte. Sie ging vom gegenseitigen Gewaltverzicht beider koreanischer Staaten aus. Im Jahr 2000 stattete Kim Dae-jung dem Norden einen Besuch ab, wobei er mit Kim Jong Il sprach.

Als Oppositionsführer war der linksliberale Politiker zweimal Ziel von Mordanschlägen, die man als Autounfälle zu tarnen suchte. 1973 wurde er durch Regierungsagenten gekidnappt, entkam jedoch seinen Häschern.

Kim Dae-jung war ein bürgerlicher Demokrat, der sich auf die Seite des Volkes zu stellen wagte.

RF, gestützt auf "People's Weekly World", New York

Raute

Wie ein Flakon und eine alte Liebe die Zeiten überdauerten

Jodtinktur "Rotes Moskau"

Der unvergessene russische Philosoph, Demokrat und Literaturkritiker - Verbannter des Zaren Alexander II. - Nikolai Gawrilowitsch Tschernyschewski (1828-1889) hat in seinem Roman "Was tun?" ein ethisches Modell der Zweisamkeit vorgestellt, das nach fast 150 Jahren seinen Charme nicht verloren hat und zum Nachdenken, nicht zum Nachahmen anregt: Dieses Modell fußt auf der absoluten Gleichberechtigung der Frau - für Zarenrußland eine undenkbare Vorstellung; auf der sexuellen Offenheit - im 19. Jahrhundert, nicht nur in Rußland, geradezu revolutionär; in erster Linie auf der Bewahrung des Zaubers der Persönlichkeit des Partners, unter Ausschaltung möglichst aller - und wenn auch noch so "natürlicher", "menschlicher" - Nebenerscheinungen.

In Tschernyschewskis Modell bewohnen die Partner eine Dreizimmerwohnung mit gemeinsamer Küche, haben aber getrennte Schlafzimmer, die in eine gemeinsame Wohnstube mit Bibliothek, einem Flügel münden - nicht um keusch zu bleiben, sondern um ihren "Begegnungen" jegliche Routine zu nehmen, sie jedes Mal wieder zu einem Ersterlebnis werden zu lassen. Zu einem Rendezvous laden sie sich ein, bitten um einen "Besuch", kündigen diesen vorher an, ein sicherer Weg, um vor die sexuelle Vereinigung die bitter nötige Erwartung zu spannen. So wird vermieden, daß sich die Partner verschlafen, ohne Brille, ungekämmt, mit Mundgeruch, womöglich ohne Zähne begegnen. Das hieß nicht, sich etwas vorzumachen, nur sollten die von Gott verschuldeten "Herstellungsmängel" des Homo sapiens den geliebten Partner und damit die Beziehung nicht belasten. Mit der Floskel "Ist doch alles natürlich" vergeuden Ehepaare nur allzu leicht diese Diskretion, gähnen und rülpsen ungeniert. Der Frau wird beigewohnt, weil sie gerade im Halbdunkel neben einem liegt; ihr bleibt gar keine Zeit, noch einen Schuß Parfum hinters Ohr zu kippen, die Erwartungshaltung - wie etwa durch Rosenöl bei der Vorbereitung auf den Sultan - wird gedankenlos vertan.

Das war sozusagen die erste Variante - natürlich gibt es eine zweite, eine Moskauer, eine platonische Variante; die wollen wir hier etwas genauer beleuchten. Die zum XVII. Parteitag (1934) aufgehobenen Lebensmittelkarten wandelten das Leben schlagartig - daran ändern alle Dispute, ob das nun "Frühsozialismus", "Realsozialismus" oder überhaupt kein Sozialismus war, recht wenig. Im Angebot gab es Backwaren in Hülle und Fülle, Fischkonserven, gute Radiogeräte und wie aus dem Erdboden gestampft auch Toilettenartikel und Kosmetika, Seifen, Parfums, Lippenstifte. Ließ sich bis dahin höchstens ein Rasierwasser erwerben, so betörten jetzt duftstarke russische Parfums "Roter Mohn" und "Rotes Moskau" Frauen wie Männer. Gewiß, es waren schwere, orientalische Düfte, die buchstäblich in der Luft stehen blieben, selbst wenn die Dame schon entschwunden war. Sie machten auch das Sowjetweib zum Fabelwesen.

Ich war damals - 1938 bis 1941 - Dozent zur Ausbildung von Röntgenassistentinnen am Zentralen Röntgeninstitut; Irina Sergejewna war eine Kursantin, kein blutjunges Ding, eine gestandene Person, ehemals Ehefrau, die sich nach einem Beruf umgesehen hatte. Wir wurden Freunde, gute Freunde - aber es wurde keine Beziehung, und sollte nie eine werden: Ich wüßte bis heute nicht zu sagen, warum eigentlich. Dem jungen Charmeur war dennoch klar, daß er hier nicht Hand anlegen durfte, wenn er nicht alles verlieren wollte. Wir wurden Kollegen, schließlich verhalf sie mir dazu, ihr Nachbar zu werden. Wir gingen "aus", ins Theater, auf den Tanzboden, wo wir uns aneinanderschmiegten, ich konnte ihren geschmeidigen Rücken erfühlen, gelegentlich küßten wir uns auch mal, in Gesellschaft mit anderen Freunden oder Kollegen wurden wir als "Paar" akzeptiert. Nachts kamen wir spät mit der S-Bahn zurück - da durfte ich kein Licht machen, damit niemand vermutete, daß wir gemeinsam zu dieser Stunde aus der Stadt heimgekehrt waren. Wahrscheinlich ist die platonische Zuneigung beständiger als die erotische - sie kann sich nicht "entspannen".

Irinas Ex-Ehemann Juri Michailowitsch lebte als Trawlerkapitän in Murmansk, besuchte sie hin und wieder, denn sie hatten eine gemeinsame Tochter Tatjana. Wir verstanden uns blendend. Genauso war das mit ihrer Mutter Elisawieta Lawrentjewna. Irgendwie gehörte ich zu den Truschtschinskis.

Aber es waren nicht nur gemeinsame Silvesterpartys - auch den Morgen des 22. Juni 1941, den Überfall der faschistischen Wehrmacht auf unsere Heimat, erlebten wir zusammen. Ich hatte es ganz früh über den Deutschlandsender gehört und ihr an unserem gemeinsamen Gartenzaun anvertraut. Wir schworen uns, zusammenzuhalten. Vier Tage später wurde ich im Dienst verhaftet, hatte sie nicht noch ein letztes Mal sehen können. Der Krieg brachte unser aller tödliche Bedrohung, der Arrest die sofortige schmerzliche Trennung ...

Mir blieb ein schwarzes Loch, das keine Ruhe ließ. In der Hoffnungslosigkeit bleibt die Hoffnung, daß wenigstens sie weiß, daß ich kein Staatsverbrecher bin. Nach fünf Jahren Haft wagte ich sie mit einem Brief zu behelligen, ja zu belasten - "Verbindung" zu einem abgeurteilten "Feind des Volkes" war eine schwere, riskante Belastung, der selbst nahe Verwandte nur durch ein absolutes "Lossagen" vom Betroffenen entgehen konnten. Unsere Beziehung hatte die Prüfung bestanden. Ihrer Solidarität konnte sie nicht Ausdruck verleihen, aber sie versetzte Berge; Irina antwortete mir und begleitete mich die "verbliebenen" fünf Jahre und die vier Jahre Verbannung bis zu Stalins Tod. Der Begriff "Treue" erlangte eine völlig neue Qualität, es war mehr als die Bewahrung des lasterhaften Fleisches, eher schon ein Bund auf Leben und Tod.

So kam der September 1958 in Moskau. Ein letztes Rendezvous - nun zu dritt, Irina Andrejewna, meine Frau, und Irina Sergejewna, meine Freundin seit 20 Jahren, die in schwerster Zeit nicht gezögert hatte, zu mir zu stehen. Inzwischen war sie zur promovierten Internistin avanciert. Sie übergab mir/uns ein flaches Fläschchen des bekannten Parfums "Krasnaja Moskwa" (Rotes Moskau) - heute Stadt der Banken und der goldbehangenen "Oligarchen" - mit eingeschliffenem Glasstöpsel. Statt des ursprünglichen Inhalts war der kleine Behälter bis zum Rand mit Jodtinktur gefüllt. "Das kann immer gut sein", sagte sie. Unwillkürlich wurde ich an Goethes König in Thule, "dem sterbend seine Buhle einen goldenen Becher gab", erinnert. Der Flakon begleitete uns in die DDR, wo man so etwas nicht so einfach erstehen konnte.

Wenn man den Glasstöpsel entfernte, schlug einem das leicht ätzende Aroma des Jods entgegen, das mir noch aus meiner Zeit als Operationspfleger in Omsk in Erinnerung war - jedes Mal eine Botschaft von Irina. Die kostbare Flüssigkeit wurde behutsam, per Wattestäbchen herausgehievt und aufgetragen, auf eine Schürfwunde, einen kleinen Schnitt, einen angehenden Pickel. Jod geht "unter die Haut", räumt gründlich im Gewebe auf. Zugegeben, es zwickt ein bißchen. Unsere Tochter Tatjana fing schon beim Anblick des Fläschchens an zu jammern. Für mich blieb dieses Beißen wie Balsam, eine Erinnerung an die ferne, verstorbene Irina, meine Irina aus den Moskauer Jahren, ein Gruß, fast eine Liebkosung. Selbst die Verschorfung, das Abheilen der Wunde symbolisierten die bleibende Kraft der unvergessenen Freundin.

Es ist nicht zu glauben: Dieses Jodfläschchen alias Parfumflakon "Krasnaja Moskwa" gibt es bis heute noch - 51 Jahre danach. Für den Notfall sind sogar noch ein paar segnende Jodtropfen drin. Nun, ich gehe auf die 95 zu. Da wird es für den "Rest" wahrscheinlich reichen.

Walter Ruge

Raute

Als Frauenrechtlerin und Ethikerin der DDR auf internationalem Parkett

Zwischen Uni und UNO

Von der trafo-Verlagsgruppe ist ein neues Buch herausgebracht worden. Die international geschätzte deutsche Philosophin und Frauenrechtlerin Prof. Dr. Helga Hörz hat ihm den Titel gegeben: "Zwischen Uni und UNO. Erfahrungen einer Ethikerin". Als Band 37 bereichert es die vom Verlag seit 1997 editierte Reihe Autobiographien, ist aber viel mehr als ein bloßer "Erlebnisbericht mit subjektiver Färbung". Die von der Autorin vermittelten Erfahrungen münden in wissenschaftliche und progressive politische Überlegungen, die heutigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern viele Anregungen zu kreativem Weiterdenken geben können, wenn das gewünscht wird.

Knappe Schilderungen aus Kindheit und Jugend weisen die Leser bereits auf die Sozialisierung der Verfasserin hin, die für ihr weiteres Leben, für Studium und Bewährung in der Praxis bestimmend waren. Ihr politisches Bekenntnis und ihr Wirken wurden schon frühzeitig vom antifaschistischen Kampf und der Verhaftung ihres Vaters unter der Nazidiktatur geprägt. Kriegserlebnisse, die neue Schule mit Abitur, das Hochschulstudium und die wissenschaftliche Aspirantur in Berlin sowie die Jugendarbeit im Betrieb NARVA gaben der Autorin Sinn und Richtung für ihr Leben.

Helga Hörz wurde Wissenschaftlerin und schon bald auch Diplomatin, denn sie gelangte über ein erfolgreiches Engagement in der Internationalen Demokratischen Frauenföderation (IDFF) zur UNO. Sie erwies sich als aktive Vertreterin der DDR in der UNO-Kommission zum "Status der Frau". Immer ging es ihr um die Realisierung des Frauenrechts als Menschenrecht in einer friedlichen Welt. Sie hielt sich dazu für doppelt motiviert: "Einmal forderte mein Gerechtigkeitsempfinden gleiche Chancen für Frauen in allen Lebensbereichen. Es gab mir Kraft für vielfältige Aktivitäten. Zum anderen wirkten meine persönlichen Erfahrungen in einer Ehe gleichberechtigter Partner, die mir bewiesen, was möglich ist. So bewährte sich die Familie als ruhender Pol in den Wirren der alltäglichen Auseinandersetzungen."

Die internationale Tätigkeit brachte eine Reihe neuer Anforderungen und Belastungen mit sich: Arbeiten an Konventionen und Vorbereitungen von Kommissionstagungen, Weltfrauenkonferenzen und Weltkongressen der Frauen und die dazu erforderlichen Reisen. Helga Hörz war viele Male mit der Leitung solcher Beratungen betraut, weil sie hohes Ansehen genoß, die Tagungen stets mit Geduld und Einfühlungsvermögen führte und oft trotz komplizierter Abstimmungssituationen Übereinstimmung anstrebte und auch erreichte. Das war nicht einfach, wenn z. B. die Politisierung von Fragen unerwünscht erschien. Nicht selten kamen der Autorin dann ihre ethischen Überzeugungen zugute. So erklärte sie den Zusammenhang von Frieden, Gleichberechtigung und Entwicklung zur Voraussetzung für den Fortschritt in der Frauenfrage. "Generell gilt für mich, daß ich keine Auffassung vertreten habe, von der ich nicht überzeugt war. Eher hätte ich mein Amt niedergelegt." Die Tätigkeit als Diplomatin endete mit einem Gefühl der Bitterkeit, da der Staat, den Helga Hörz über Jahre hin erfolgreich vertrat, mit dem 3. Oktober 1990 nicht mehr existierte und die auf ihrem Posten nachfolgende "Bürgerrechtlerin aus der DDR" wenig Interesse an Frauenproblemen und damit auch an den Menschenrechten hatte.

Zu Hause in Berlin warteten neue Aufgaben: Die marxistisch-leninistische Ethik sollte Lehr- und Forschungsaufgabe werden, der entsprechende Forschungsbereich an der Humboldt Universität war von Prof. Helga Hörz zu leiten. "Ethik war und ist Bestandteil und Konsequenz des Weltbildes, das eine Weltanschauung ausdrückt.

Sie hat mehr zu leisten, als nur Wegweiser mit Normen aufzustellen, nach denen dann zu gehen ist." Schließlich wurde die Autorin 1987 zur Direktorin der Sektion marxistisch-leninistische Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin berufen und mit noch höheren Anforderungen konfrontiert. Aber all das endete 1990 mit der "doppelten Abwicklung". Doch die ausgewiesene Ethikerin - nun emeritiert - gab nicht auf. Ihr Leitspruch war: "Schöpferisch sein heißt einen Prozeß in Abhängigkeit von seinen Bedingungen auf neue Weise beherrschen."

Schon war sie bei Diskussionsrunden von Ethik-Veranstaltungen in den Berliner Spittelkolonaden aktiv und wurde zur engagierten Leiterin der Bildungsakademie der Volkssolidarität. Diese Funktion übt sie heute noch aus.

Der Frauenforschung ist sie nach wie vor treu geblieben. Diese sollte nicht isoliert, sondern interdisziplinär erfolgen. Darum schließt ihre Autobiographie mit "Gedanken zur Frauenforschung". Mögen junge Leute daraus Anregungen für eigene wissenschaftliche Arbeiten gewinnen!

Die Autobiographie der anerkannten Wissenschaftlerin Helga Hörz beweist, daß die Autorin keine Vorzeigefrau im üblichen Sprachverständnis ist. Sie war eine national und international wirkende DDR-Bürgerin und ist heute noch als eine auf ihrem Spezialgebiet tätige Vordenkerin aktiv. In der DDR-Frauenzeitschrift "Für Dich" wurde sie schon 1968 als lebenstüchtige Philosophin unserer Tage bezeichnet.

Für Kommunisten und Sozialisten ist sicher interessant, wie in dem vorliegenden Buch die Fragen beantwortet werden, welche einst die Töchter von Karl Marx an ihren Vater gerichtet hatten. Sie belegen, daß Helga Hörz nicht nur die Ethik in der Theorie beherrscht, sondern auch die des Alltags meistert. Dem Buch ist eine große Leserschaft zu wünschen.

Siegfried Birkner

Raute

Warum im Jubiläumsjahr eine Jubiläumsschrift unterdrückt wurde

40 Jahre Dresdner Kulturpalast

Im Oktober beging der Dresdner Kulturpalast unter dem Motto "Der Kulturpalast lacht, rockt und swingt" sein 40jähriges Jubiläum. Die erfolgreiche Tätigkeit des Hauses sollte in einer Festschrift, verfaßt vom Architekten, Betreibern, Künstlern und Besuchern, abgesegnet von der Obrigkeit, gewürdigt werden. Der Kulturbürgermeister der Kunst- und Kulturstadt Dresden stoppte den Druck, wobei er sich offenbar an Christian Morgensterns Worte erinnerte: "...weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf".

Die DDR-Geschichte hat es - zumindest so - nicht gegeben. Da der Palast der Republik in Berlin dem Erdboden gleichgemacht worden ist, konnte doch nicht ein Palast des Volkes im schwarz-gelben Freistaat Sachsen auf solche Weise in den Himmel gehoben werden. Dabei ignorierte man völlig, daß der Dresdner Kulturpalast nicht nur vor der sogenannten Wende, sondern auch danach als einziger Mehrzwecksaal der Elbestadt für Konzerte, Tanz- und Unterhaltungsveranstaltungen sowie Tagungen und Kongresse genutzt wurde und wird. Im Juli 2009 konnte der 30-millionste Besucher seit Öffnung des Hauses im Jahre 1969 begrüßt werden. Seitdem haben über 98.000 Veranstaltungen stattgefunden. 60 % aller Besucher kamen zu den Konzerten und Shows der Unterhaltungskunst.

Der Kulturpalast wurde im Stil der Bauhaus-Moderne nach Entwürfen des Dresdner Architekten Wolfgang Hänsch, der im Juni 2009 von der TU Dresden mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet wurde, zwischen 1962 und 1969 erbaut. Der multifunktionale Festsaal mit 2435 Plätzen ist durch ein besonderes Kipp-Parkett in einen bestuhlten Zuschauerraum oder in einen Bankettsaal verwandelbar. Er wurde in seiner Raumakustik für die Multifunktionalität optimiert und kann als Konzertsaal oder für elektronisch verstärkte Musik- bzw. Sprechveranstaltungen dienen. Dadurch ist allerdings eine Akustik für Konzerte vergleichbar mit der eines reinen Konzertsaals nicht erreichbar, was vor allem von der Dresdner Philharmonie bestandet wird. Aus unterschiedlichen Motiven wie aus Kostengründen wird der Neubau eines eigenen Philharmoniegebäudes, ähnlich dem Leipziger Gewandhaus, abgelehnt.

Da im Kulturpalast Dresden erstaunlicherweise nach 1989 keine Asbestbelastungen festgestellt werden konnten, kam ein Abriß des seit 2008 als herausragendes Baudenkmal der DDR-Moderne unter Schutz stehenden Gebäudes nicht in Frage. Deshalb plant die Stadt Dresden 2012 den Umbau des Kulturpalasts, wobei der Festsaal ein reiner Konzertsaal der Dresdner Philharmonie werden soll. Zur besseren Auslastung des Hauses sollen das Kabarett "Herkuleskeule" und die Hauptbibliothek der Städtischen Bibliotheken Unterkunft finden.

Dagegen will ein Bündnis aus Künstlern, Linken und Veranstaltern den Kulturpalast als Stadthalle erhalten. Rock, Pop, Schlager und Volksmusik sollen auch weiterhin dort beheimatet sein. Diese Veranstalter wurden als bisherige Hauptnutzer des Kulturpalastes allerdings bei der Planung der Stadt nicht einbezogen.

Positive Erinnerungen und Eindrücke, die von der Festschrift zum 40jährigen Jubiläum des Kulturpalastes vermittelt werden, passen offenbar nicht in das Jahr der Jubiläen und Gedenktage der BRD. Sie sollen deshalb unterbunden werden.

Wir aber lassen uns unser Erbe nicht nehmen.

Prof. Dr. Harry Conrad u. Werner Matschke,
Direktor des Kulturpalasts (1969-1991), Dresden

Raute

Arnulf Baring über "verzwergte" DDR-Bürger

Das DDR-Regime hat fast ein halbes Jahrhundert die Menschen verzwergt, ihre Erziehung, ihre Ausbildung verhunzt. Jeder sollte nur ein hirnloses Rädchen im Getriebe sein, ein willenloser Gehilfe. Ob sich heute einer dort Jurist nennt oder Ökonom, Psychologe, Soziologe, selbst Arzt oder Ingenieur, das ist völlig egal. Sein Wissen ist über weite Strecken völlig unbrauchbar ... Sie (die DDR-Bürger) haben einfach nichts gelernt, was sie in eine freie Marktwirtschaft einbringen könnten ..."

Als ich diese 1991 formulierten Worte des Philosophen Arnulf Baring zum ersten Mal las, gefror mir das Blut in den Adern. Unwillkürlich mußte ich an die Beschreibung anderer Rassen, Menschen anderer Völker durch die Deutschtums-Propagandisten der Nazis denken. Ist es eine Übertreibung zu behaupten, daß man ähnlich klingende Worte über andere Kulturen vor 70 Jahren auch im "Stürmer" eines Julius Streicher lesen konnte? "Verhunzt", "verzwergt", "unbrauchbar" - so hätte wohl auch ein Josef Goebbels andere Völker beschreiben können. Das sind nicht einfach nur die Worte eines kranken Gehirns, es sind Gedanken eines Mannes, der in den Medien der BRD und deren meinungsbildenden Tribünen Gehör findet, immer wieder eingeladen wird und dort seine faschistoiden Ideen öffentlich machen darf.

Baring, der in Auschwitz schon mal nur einen "historischen Fehler" sah, äußert sich hier ohne alle Skrupel über die Ostdeutschen. Da lösen sich sämtliche wohlfeilen Sonntagsreden über das "unteilbare und vereinigte eine deutsche Volk" in Schall und Rauch auf.

Barings Weltanschauung ist so von Herrenmenschendünkeln durchdrungen, daß da die parallelen Phrasen über "Brüder und Schwestern" wie Seifenblasen platzen. Dieser Philosoph der deutschen Bourgeoisie verkörpert - von allen geschickten Schnörkeln abgesehen - das dumpfe Überlegenheitsgefühl einer selbsternannten Oberschicht, dem er einen intellektuellen Anstrich zu verleihen sucht. Statt mit Bier stößt man an solchen Stammtischen mit Champagner an, doch das geistige Gebräu ist widerlich.

Es erscheint müßig, darüber nachzudenken, warum man die angeblich so unbrauchbaren und verzwergten DDR-Bürger jahrzehntelang gezielt abwarb, wobei gerade die Ingenieure und Ärzte in der Alt-BRD mit Kußhand genommen wurden. Es ist ebenso überflüssig zu erwähnen, daß die Gesundheitsversorgung in Teilen Westdeutschlands ohne den Personaltransfer verhunzter Ostdeutscher vermutlich zusammengebrochen wäre. Das Schlimmste an Barings Empfehlungen aber ist, daß mit den Ostdeutschen nach der Okkupation haargenau so verfahren worden ist. Unzählige hochqualifizierte Fachleute verrichten heute Hilfsarbeiten. Ihr Lebenswerk, ihre Erfahrungswelt, ihre Gefühle und nicht zuletzt ihre Menschenwürde wurden rücksichtslos mißachtet. Wenn ich das oben angeführte Zitat heute aus der Versenkung hole, dann nur deshalb, weil es in gewisser Weise die Begleitmusik zu jenen verlogenen Jubelfeiern liefert, welche wir noch weit in das kommende Jahr werden ertragen müssen. In ihnen steckt der wahre Geist der staatstragenden "Eliten" und deren Pseudo-Einheit. Das sollte niemand, der als verzwergter und verhunzter DDR-Bürger geboren wurde, je vergessen.

Ulrich Guhl

Raute

2000 Jahre nach der Schlacht im Teutoburger Wald

Abbilder und Zerrbilder

Aus dem bunten Reigen historischer Gedenktage 2009 wähle ich mir den ältesten heraus. Dabei befinde ich mich (aber nur in der Auswahl, nicht in der Wertung) in der Nähe der staatsnahen Medien. Diese sagen manchmal sogar ungewollt die Wahrheit über ihre Motive. So schrieb die Sächsische Zeitung vom 10./11. Januar d. J. über Germanenkult und Heldenverehrung: "... immer dann, wenn es national ein wenig eng zu werden scheint, (wird) Arminius aus dem Geschichtsbuch geholt, um den Deutschen als Lichtgestalt zu dienen." Es muß in der Krise sehr eng zugehen, wenn vom Kneipenwirt in Detmold (Cheruskergrillstube, Hermannswein, Kräuterlikör "Harter Hermann") über das Deutsche Historische Museum in Berlin ("Urknall der deutschen - ! - Geschichte") bis zur Kanzlerin bei der Einweihung eines neuen Museums in Kalkriese alle Arminius für gut befinden, das in der Krise gebeutelte Volk nationalistisch aufzuputschen.

So bediente sich auch die SZ der germanisch-nationalistischen Krücke, indem sie uns Gegenwartsdeutsche zu Germanen erklärte und mehrfach schrieb, daß "wir" (gemeint sind die Germanen) im Vergleich zu den Römern dies hatten (z. B. Getreidebrei und Bier) oder jenes nicht hatten (z. B. Schrift, Städte, Fenster, Straßen).

Das Ereignis von 9 u. Z. wird seit Tacitus immer noch Schlacht im Teutoburger Wald genannt. Die Darstellung von deren Folgen gehört zu den gängigsten Verfälschungen der Geschichtsschreibung. Bewußt sind Zerrbilder geschaffen worden: Die Gegner der Römer werden als die Urdeutschen, der Sieg als Geburtsstunde Deutschlands und der Deutschen verfälscht. Aber die Krieger unter Arminius waren Germanen, keine Deutschen. Und der erste deutsche Staat entstand 919, die deutsche Nation formierte sich endgültig erst im 19. Jahrhundert.

Ich setze geschichtliche Tatsachen gegen die Zerrbilder.

1. Caesar besiegte 58-51 v. u. Z. die Gallier. (Bitte nicht die Brechtsche Frage vergessen: "Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?") Die Folge war die Romanisierung Galliens: Jahrhundertelang wurden römischer Geist und griechische Philosophie bei Kelten und später bei den fränkischgermanischen Eroberern heimisch.

2. In der Schlacht im "Teutoburger Wald" besiegten im Jahre 9 germanische Stämme unter der Führung des Arminius, eines römischen Offiziers germanischer Abkunft im (heute würden wir sagen) Generalsrang, den Römerführer Varus.

Die Folgen: Die Römer mußten trotz anschließender Strafexpeditionen Germanien als Provinz aufgeben, begannen 83 den Bau des Limes - eine antike "Mauer" zur Eingrenzung und Abwehr der barbarischen Germanen, so daß keine Romanisierung des germanischen Geistes erfolgen konnte.

Als aus Byzanz das Arianische Christentum zu germanischen Stämmen kam, nahmen viele diese Lesart des Christentums an. Arius hatte gelehrt, daß Jesus Christus nicht der Schöpfergott allen Seins, sondern selbst nur ein Geschöpf Gottes, aber sein erstes und vollkommenstes sei. Die Ausbreitung dieses Christentums wurde durch zwei Faktoren begünstigt.

1. Der arianische Bischof Wulfila, ein Westgote, hatte im 4. Jh. die Bibel ins Gotische übersetzt, so daß wir heute noch diese Sprache kennen und schon die Goten das Neue Testament in ihrer Muttersprache lesen und verstehen konnten.

2. 375 begann die große germanische Völkerwanderung. Alle Germanen, die die Stammlande des römischen Imperiums angriffen, waren Arianer, z. B. die Ost- und Westgoten, Vandalen, Burgunder, Sueben, Langobarden u. a. Auch im Römischen Reich war der Arianismus Staatsreligion, denn Constantius II. hatte nach dem Tod seines Vaters Konstantin 337 dieses verfügt. In den Geschichtsbüchern steht, daß Kaiser Theodosius 391 das Christentum zur Staatsreligion erhoben hat. Das ist eine Verzerrung der Wahrheit: Der Arianismus als Staatsreligion seit 337 wird unterschlagen. Theodosius verbot alle Religionen außer der katholischen, also auch die arianische, die damit logisch zu einer heidnischen Religion erklärt wurde.

Die Spätfolge des Baus des Limes nach der verlorenen Schlacht war die kulturelle Spaltung Europas in zwei feindliche christliche Religionen: in den römisch-lateinischen, also katholischen, und den germanisch-arianischen Teil, so daß der Kampf um Rom, der 476 mit dem Untergang des katholischen Weströmischen Reiches endete, eigentlich ein Religionskrieg zwischen den germanischen Arianern und den katholischen Römern war.

Eine zweite Teilung Europas erfolgte durch die politische Teilung des Römischen Reiches in eine Ost- und eine Westhälfte durch Kaiser Diocletian 393.

Diese kulturellen und religiösen Spaltungen Europas und seiner Menschen hatten ihren Ausgang im Sieg der Germanen im Jahre 9, im Machtverlust des Römerreiches dadurch und der Verhinderung der Romanisierung der Menschen östlich des Limes. Die lateinisch-katholische Welt hat dem germanischen (später deutschen) und slawischen Kulturkreis nie deren kulturelle Einflußname verziehen und sie stets als Trauma verinnerlicht:

den Ansturm des germanischen Arianismus auf der Basis der gotischen Sprache, der mit dem Untergang des katholischen Römischen Reiches endete,
die Zerstörung der Einheit der katholischen Kirche durch die Reformation auf der Grundlage der deutschen Sprache,
die atheistische Aufklärung in den nicht-lateinischen Nationalsprachen Europas, unter anderem wieder des Deutschen, mit den Prinzipien von Gewissens- und Religionsfreiheit,
den Zerfall des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation in die National- und Territorialstaaten und das Ende der lateinischen Sprache als allgemeines Verständigungsmittel in Kirche, Verwaltung, Wissenschaft und Kultur,
die Entstehung eines preußisch-deutschen Nationalstaates mit einem evangelischen Kaiser
und schließlich die Entstehung des Sozialismus, der mit Marx und Engels auch aus dem deutschen Sprachraum kam.

Das alte Römerwort "Aus dem Osten kommt das Licht" verlor fortan seine Bedeutung. Denn der Osten wurde verteufelt.

Ein fernes vulgäres Echo des römischkatholischen Kulturtraumas ist sowohl die bayerische "Saupreußen"-Phobie als auch die Wessi-Ossi-Aversion nach dem Anschluß der DDR an die BRD im Jahre 1990.

Horst Gröger, Bautzen

Raute

Ein "RotFuchs"-Gruß an die namhafte Autorin

Elfriede Brüning zum 99. Geburtstag

Die in Berlin lebende Schriftstellerin Elfriede Brüning kann am 6. November ihren 99. Geburtstag begehen. Sie ist das letzte lebende Mitglied des 1928 gegründeten Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller. Ihr Weg war seit ihrem 16. Lebensjahr von der Leidenschaft zu schreiben bestimmt. Mit 18 publizierte sie ihre ersten Feuilletons in großen bürgerlichen Zeitungen. Elfriede Brüning versuchte sich erfolgreich in vielen literarischen Genres, schrieb Reportagen, Erzählungen, Porträts, Romane, Kinderbücher, Theaterstücke und Fernsehspiele. Die Autorin erreichte mit ihren über 30 Büchern einen beachtlichen Kreis mehrerer Lesergenerationen. Als Zweiundzwanzigjährige legte sie ihren ersten Roman "Handwerk hat goldenen Boden" vor, für den sie indes keinen Verleger fand. Er erschien erst 1970 unter dem Titel "Kleine Leute". Ihre Bücher erfuhren in der DDR jeweils etliche Auflagen. Nach ihrem Roman "... damit du weiter lebst" (1949) über die Widerstandskämpfer Hans und Hilde Coppi erschien 1950 "Ein Kind für sich allein", in dem die Autorin Konflikte alleinstehender Frauen aufgriff. Einen endgültig festen Platz sicherte sich Elfriede Brüning mit "Regine Haberkorn" (1955) und "Gabriele, ein Tagebuch" (1956), die beide lebhaft diskutiert wurden. Mit ihrem Buch "Kinder ohne Eltern" (1969) bemühte sich die Autorin um die Gestaltung von Jugendfragen und entsprechenden Aufgabenstellungen.

Ihr Buch "Partnerinnen" (1978) enthielt vier erzählerische Monologe von Frauen verschiedener Generationen. "Zu meiner Zeit - Ausgewähltes aus vier Jahrzehnten" (1978) bildete ein Stück Autobiographie und eine Bilanz der Autorin. In ihrem Roman "Wie andere Leute auch" (1983) erzählte sie wiederum eine Geschichte über Frauen aus deren Sichten. 1986 legte sie sieben Geschichten über Lebenswege von Frauen in "Altweiberspiele" vor. Elfriede Brünings Bücher sprechen fast ausnahmslos Verstand und Gefühl an. Sie stellte immer wieder Lebenswege und Schicksale, Entscheidungen und Konflikte von sehr unterschiedlichen Frauen aus mehreren Generationen im 20. Jahrhundert vor. Der Autorin gelang es unpathetisch und überzeugend, ungeschminkt bittere Wahrheiten vor dem jeweiligen historischen Hintergrund zu vermitteln und zu erhellen. So vermochte sie ungewöhnliche Frauenschicksale dem Vergessenwerden zu entreißen.

Weitere ihrer Werke erlebten nach Jahrzehnten geradezu eine Auferstehung, so der Roman "Und außerdem ist Sommer" (ursprünglich 1934, zwischenzeitlich in den 60er, 70er bis 80er Jahren und 2004), "Ein Kind für mich allein" (1950, 10. Auflage 1958 und 2004), "Septemberreise" (1974, wieder 2004) und "Partnerinnen" (1978, jetzt wieder 2006). Von Elfriede Brünings Autobiographie "Und außerdem war es mein Leben" (1994) erschienen drei Neuausgaben. 2005 übergab die in Berlin lebende Schriftstellerin ihren literarischen Nachlaß dem Dortmunder Fritz-Hüser-Institut.

Auch im hohen Alter war Elfriede Brüning unermüdlich tätig. Sie veröffentlichte ihre Feuilletons und Reportagen aus sieben Jahrzehnten unter dem Titel "Zeit-Besichtigung" (2003). Im Jahre 2006 folgte ihr Bändchen "Gedankensplitter. Von Freunden, Zeitläuften und Zeitgenossen". Ihr Briefwechsel mit Zeitgenossen aus den Jahren 1930 bis 2007 gab Eleonore Sent unter dem Titel "Ich mußte einfach schreiben, unbedingt" (2008) heraus. Hier wird nicht nur die Lebensleistung der Schriftstellerin erhellt und gewürdigt, sondern auch ein umfassender Einblick in die Verlags- und Literaturlandschaft der DDR gewährt.

1934 war Elfriede Brüning auf die Kurische Nehrung verschlagen worden. Sie verbrachte mehrere Monate in Pillkoppen, dem letzten Ort vor der Grenze zu Litauen (heute russisches Gebiet). Sie hatte von einer Zeitschrift den Auftrag erhalten, eine Artikelserie über das dortige Segelflieger-Lager zu verfassen. Sie gab den Auftrag zurück. Als Journalistin war sie aber von der Landschaft fasziniert, mietete sich mehrere Monate in Pillkoppen ein, um das harte Leben der Bewohner näher kennenzulernen. In den folgenden Jahren schrieb sie den Roman "Auf schmalem Land", in dem sie den Existenzkampf der Fischer äußerst realistisch schilderte. Das 1938 im Verlag Staackmann, Leipzig, verlegte Buch ist 2009 im Scheunen-Verlag Kückenhagen neu herausgekommen. (ISBN 978-3-938398-80-7)

Die RF-Leser dürfte es freuen, daß sich diese Zeitzeugin des 20. Jahrhunderts mit einem Teil ihres beachtlichen Lebenswerkes auch im neuen Jahrtausend durchzusetzen wußte.

Herzlichen Glückwunsch, liebe Elfriede Brüning, zum 99. Geburtstag. Gesundheit und Kraft für das 100. Lebensjahr!

Dieter Fechner

Raute

Archie macht sich eine "Platte"

Wenn Archie irgendwer in einem Interview fragen sollte, wie es ihm denn ginge, wüßte er nicht so recht zu antworten. Vielleicht auf diese Weise: altergemäß, an der Schwelle zum Verdämmern, nicht mitten in der Gesellschaft, aber auch nicht ganz außerhalb, Knie ohne Knorpel, viel, doch mit Mühe lesend, Augenlicht beeinträchtigt, seit dem 56. Lebensjahr durch den Anschluß der DDR an die BRD aus dem Beruf gestoßen wie Hunderttausende andere Akademiker auch. Als Mann mit sozialistischer Überzeugung und langjähriger aktiver Berufserfahrung, als Lektor, Dramaturg und Übersetzer in der Hauptstadt der DDR beim Theater, Fernsehen und Spielfilm in der BRD nicht mehr denkbar. Und das im Gegensatz zu Hunderttausenden früheren Nazis, mit denen, wie allgemein bekannt, ganz anders verfahren wurde. Menschen können ihren Gott verlieren, ohne daran Schuld zu sein. Archie hatte seine Gesellschaft verloren, sein Biotop. Man versuchte, ihn zu demütigen, und als er nicht abschwor, grenzte man ihn aus. Disziplinieren durch Abwickeln nennt man das, auch materiell. Leben reduziert auf Stoffwechsel und Fernsehen.

Aber der geistige Stoffwechsel blieb, Armut muß nicht verblöden, wenn man genug an Bildung hat. Bei den Arbeitsämtern galt Archie als mehrfach überqualifiziert. Es schien den Mitarbeitern Genugtuung zu bereiten, ihm das um die Ohren zu hauen. Für einen umfassend Gebildeten reicht auch die Bildzeitung aus, um sich ein Bild von dieser Gesellschaft zu machen. Aber Archie war nie verlegen, sich Literatur zu beschaffen. Er, der Nicht-Genosse aus DDR-Zeiten, jedoch zutiefst überzeugt, daß der Kapitalismus die Probleme nicht löst, sondern verschlimmert, wurde jetzt im Innern zu einem härteren Genossen als viele einstige Parteimitglieder, die sich Rettungsringe mit der Aufschrift "Reform-Kapitalismus" zuwarfen.

Für diesen Begriff war ihnen das Kapital dankbar, und es begann sofort mit Reformen, die bis heute andauern. Rente mit 67 und Hartz IV, um nur einige zu nennen. Archie wurde klar: Wer sich von dieser Gesellschaft nicht verdummen läßt, die in ihrem Mainstream alles wie in einem Medien-Tsunami und Waren-Lavastrom als Schlammlawine fortspült, der zählt zu den wahren Leistungsträgern.

Archie kann schon nicht mehr hinhören und wartet nur darauf, daß bei der winzigsten Kritik an der BRD als Präambel vorausgeschickt wird: "Die DDR will ich aber auf keinen Fall wiederhaben." Neulich in der Diskussion über einen neuen Titel in einer Buchhandlung sagte Archie gleich zu Beginn: "Im übrigen, um Mißverständnissen vorzubeugen - ich persönlich möchte die DDR wiederhaben und zwar, je mehr sie in der Vergangenheit verschwindet, um so dringender. Sie bot alles, was der Mensch zum Leben braucht, vor allem Frieden." Die Leute waren derart verdutzt, daß einer sich so bekannte, da konnte Archie seinen Beitrag zunächst in große Stille hinein beginnen. Doch dann wurde es turbulent.

Man stritt über das Thema: Was braucht der Mensch wirklich zum Leben?

Eigentlich aber ging es um das Thema Beton - beim Bauen wie in den Köpfen. Das Mischen des bürgerlichen Demokratie-Betons beginnt man stets mit dem Spruch: Unsere heutige Demokratie ist zwar die schlechteste, die es gibt, aber wir haben noch keine bessere. Das ist Dummenfang. Dann gibt man Markt dazu, viel Markt, viel Privatwirtschaft, eine Menge Global-Player-Kies, natürlich auch Wasser der Freiheit, vermengt mit Blut, Schweiß und Tränen der Völker der Dritten Welt.

Das Ganze bringt die richtige Festigkeit für den Bürger-Beton in den Köpfen, leider zum Teil auch in denen von Angehörigen der "Unterschicht".

Aber eigentlich ging es ja bei der Debatte um den Baubeton, der vorwiegend in der DDR bei den Plattenbau-Wohnklötzen verwendet wurde. Man darf diese Platte nicht mit der "Platte" verwechseln, die sich Obdachlose auf der Suche nach einem Dach überm Kopf machen.

Bei seinen Reisen durch die Welt hat Archie in westlichen Vorstädten soviel häßliche Betonhochhäuser gesehen, daß ihm Hellersdorf und Marzahn geradezu idyllisch vorkommen. Auch in der Türkei werden nach wie vor Beton-Plattenbauten hochgezogen, so uniform, daß man die Stadt, in der man sich gerade befindet, nur erraten kann. Mallorca wird so zubetoniert, daß es schon zu Massenprotesten der Bevölkerung gekommen ist. Spaniens Südküste oder auch Portugals Algarve sehen aus, als wären sie von einer Riesenfaust mit Beton zugekleckert worden. All das zählt nicht, auch die Betonbunker in den Vorstädten von Paris, wo sich die sozialen Unruhen potenzieren, fallen nicht ins Gewicht.

Wenn Beton am Bau negativ erwähnt wird, wenn man uniformiert häßliche Bauten, die es bekanntlich weltweit in Hülle und Fülle gibt, besonders auch in den USA, an den Pranger stellen will, dann fällt nur der DDR-Beton ins Gewicht, wird nur die DDR-Platte angezählt. Das sitzt so fest in den Köpfen westlicher Politiker und Journalisten, inzwischen leider auch Angepaßter aus dem Osten, wie der Beton, aus dem sie gemacht worden ist.

Die unleidlichen DDR-Plattenbauten, mit denen die Wohnungsfrage als soziales Problem zunächst einmal gelöst wurde, sind fast so ein Schreckgespenst wie die DDR-Kinderkrippen, wo man die Kleinen alle zur gleichen Zeit aufs Töpfchen setzte, wohlbehütet zwar von gut ausgebildeten Fachkräften, aber schrecklich unterdrückt durch diese kollektiv übliche Zwangsmaßnahme.

Hier eine Gegenmeinung aus dem Buch "Wenn Mutti früh zur Arbeit geht ­..." zur Geschichte des Kindergartens in der DDR. Es wurde 1997 vom Deutschen Hygiene-Museum Dresden herausgebracht. Zitat: "Für nicht wenige im Westen ist die gestorbene DDR ein vom eigenen Leben weit entferntes Reich der Schatten, in dem es nur Grau und Schwarz gibt. ­... Für nicht wenige im Osten ist der Westen von Leuten bevölkert, die ihnen ständig vorhalten, endlich umzulernen, aber selber meinen, nichts dazulernen zu müssen."

Manfred Hocke

Raute

Leserbriefe an ROTFUCHS

An meinem 76. Geburtstag hat mir ein sehr guter Freund und Genosse, den ich schon fast für verschollen hielt, die Ausgaben Mai bis Juli des "RotFuchs" überreicht. Ich bin ehrlich: ein schöneres Geschenk habe ich in den letzten 20 Jahren nicht erhalten. Vielen Dank! Ich habe wieder eine politische Heimat. Es ist die Bestätigung für meine ungebrochene Haltung zu Marx und Lenin.

Inzwischen habe ich die Hefte schweren Herzens an Genossen in meinem Umfeld weitergegeben. Ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr mich in Euren Verteiler aufnehmen könntet. Selbstverständlich möchte ich im Rahmen meiner Möglichkeiten auch Mitglied des Fördervereins werden.

Volker Fongern, Berlin


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Durch den Leitartikel im September-RF angeregt, will ich mich zum Überfall auf den Sender Gleiwitz äußern. Ich wohnte damals etwa sechs Kilometer von ihm entfernt, in Birkenau bei Altgleiwitz.

In der letzten Augustwoche 1939 kam ein Trupp berittener Soldaten auf die Wiese unseres Dorfes und blieb dort etwa drei Tage. Das war für uns ein Erlebnis. Wir dachten nicht an Krieg. Einen Tag später, am 28. August, erhielt unser Vater den Einberufungsbefehl zum Landsturm. Am 29. war er schon weg. Am 31. mußten wir in unserer kleinen Wohnung fünf Soldaten aufnehmen.

Die Einquartierten aßen gerade Abendbrot, als sie plötzlich alarmiert wurden. Sie mußten sofort auf die Straße, wo andere "Landser" auf sie warteten. Mein 15jähriger Bruder, ich und andere Kinder waren natürlich draußen. Wir hörten von einem Überfall auf den Sender Gleiwitz. Aus der Küche vernahmen wir im Radio halb deutsch, halb polnisch folgende Meldung: "Tu Radio Breslau, browochnamie Gleiwitz, Görlitz i Troppau, teras Radio Königsberg." Dann gab es verschiedene Geräusche. Am Ende hörten wir noch: "... und schon ist der Gleiwitzer Sender in unseren Händen".

Die Soldaten rannten querfeldein in Richtung Sender. Wir hinterher, wurden aber am Ende des Dorfes aufgehalten und mußten zurück. Als die Soldaten wiederkamen, erzählte einer, er habe einen Toten in polnischer Uniform aus dem nahegelegenen Ort Ostropa erkannt, der eigentlich im Konzentrationslager inhaftiert sei. Durch das geschilderte Ereignis wurde die Stadt Gleiwitz weltbekannt. Am nächsten Tag, dem 1. September 1939, begann der 2. Weltkrieg. Die Rede Hitlers wurde bejubelt, als er verkündete: "Ab 5.45 Uhr wird zurückgeschossen."

Erst Jahre später erfuhren wir, daß es eine SS-Spezialeinheit in polnischen Uniformen war, um Deutschland einen Vorwand für die Kriegserklärung an Polen zu liefern.

Dr. Hans Spyra, Hönow


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Täglich verfolge ich die Nachrichtensendungen der Deutschen Welle im hiesigen Fernsehen. Im Saarland und in Thüringen hat "Die Linke" offensichtlich gut abgeschnitten - nicht verwunderlich. Schlechter scheint es in Sachsen bestellt zu sein - warum wohl?

Übrigens spielt es in meinen Augen keine Rolle, daß "Die Linke" von einer klassischen marxistischen Perspektive aus betrachtet viele Mängel aufweist.

Man darf die Dinge nicht überstürzen, die Menschen sind zu lange verdummt und aufgehetzt worden. Man sehe sich nur die Merkel und den Steinmeier an - beides skrupellose Demagogen!

Zu allem Überfluß gibt es auch noch einen neuen Stern am deutschen Parteien-Firmament: Herr zu Guttenberg, ein treuer Sohn der CSU aus Bayern und allem verschrieben, wofür dieses reaktionärste aller deutschen Lande bekannt und berüchtigt ist. Die Londoner "Times" lobt ihn dafür und unsere reaktionäre australische Murdoch-Presse nicht minder.

Dr. Vera Butler, Melbourne


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Im ND vom 29./30. August werden Sie, Pfarrer Gauck, folgendermaßen zitiert: "Manches versteht man nicht. Eben waren wir noch die Sieger der Geschichte, dann waren wir die Gesellen. Wir mußten lernen. Wir brauchten die westdeutschen Berater. Die Leute selber haben verlangt: 'Laßt das doch den Helmut machen'."

Sind Sie "man", "der manches nicht versteht", oder ist jedermann gemeint? Was ist unter "manches" zu verstehen? Für Sie - für wen noch? Gilt, daß die "Sieger der Geschichte" bald "Gesellen" wurden? Wer gehört zu den "wir", die 1990 "Sieger" wurden? Das "Volk"? Einige Pfarrer oder "Bürgerrechtler"? Wann ist ein Pfarrer "Sieger der Geschichte"? Über wen hat er gesiegt? Wurde 1990 nicht offiziell die "friedliche Wiedervereinigung" bejubelt und "Versöhnung" angesagt? Bei welcher Tätigkeit wurden Sie wessen "Geselle"? Manche bei der Einführung der Inquisition in der DDR, andere als Spießgesellen bei der Ausplünderung der volkseigenen Betriebe durch die Treuhand?

Wozu brauchten Sie "westdeutsche Berater"? Wer sind die "Leute", die Helmut Kohl - aus welchen Gründen - als Schirmherrn benötigten? Was war "ihre Aufgabe"?

PS: Hat nicht jeder Ostdeutsche andere Erinnerungen und Erfahrungen? Brauchen sie Gaucks Nachhilfe? Ich jedenfalls nicht. Und die meisten, die ich kenne, benötigen solcherlei "Seelsorge" ebensowenig.

Prof. Dr. Horst Schneider, Dresden


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Die Krise scheint nun auch auf die "Erinnerungsindustrie" einzuschlagen. Knabes Gruselkabinett ist offenbar von ihr getroffen worden. Laut "Bild" beklagt sich der Kabinettsverwalter darüber, daß seine Ausgaben die Einnahmen übersteigen, obwohl Zehntausende Schüler in sein Museum gekarrt werden. Dem sonst so umtriebigen Herrn fehlt es lediglich an einer zündenden Geschäftsidee. Hier zwei Tips:

Erstens: In der Lessingstadt Kamenz steht ein nutzloses Stadtgefängnis. Hier hat der Kamenzer Karnevalsclub im Juni ein "Event" veranstaltet: eine "Einschließparty" mit allen Narren, die Spaß haben wollten. Das wäre in Berlin doch auch möglich, zumal Zellen und Narren dort in viel größerer Zahl vorhanden sind.

Zweitens: Herr Knabe könnte ein "Themenhotel" im Hohenschönhausener Zellentrakt einrichten und den Gästen jene Torturen in Rechnung stellen, welche den Besuchern stets beschwörend eingeredet werden. Im "U-Boot" könnte eine Folterkammer mit Streckbank, Spanischem Stiefel und Daumenschrauben zu den schon vorhandenen "Wasserfolterzellen" geschaffen werden. Herr Nooke sollte als erfahrener Menschenrechtler dort Hand an die Gäste legen, damit eine gewisse Glaubwürdigkeit der Gruselgeschichten entsteht. Das neue Friedrichshainer Busenwunder, Frau Lengsfeld, könnte in den Vernehmungsräumen ein Domina-Studio betreiben, und Herr Knabe sollte in der Zelle von Jürgen Fuchs mit den Gästen Meditationsübungen machen.

Gerd Brunecker, Kamenz


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In alter Verbundenheit mit dem RF schicke ich Euch anläßlich des 60. Jahrestages der Gründung unserer Deutschen Demokratischen Republik und des bevorstehenden Jubelfestes aller Alt- und Neu-Kaltkrieger, aller Konterrevolutionäre, der großen und kleinen Verräter und Verleumder, aller, die schnell gelernt hatten, für die Deee-Mark mit den Wölfen zu heulen, zum 20. Jahrestag der Zerschlagung des ersten deutschen Sozial- und Friedenstaates diese Zeilen. Die nachfolgende Überlegung kam mir in einer schlaflosen Nacht in den Sinn, nachdem ich mir dummerweise wieder mal eine ihrer dreckigen Sendungen reingezogen hatte, was für Herz und Kreislauf schädlich ist. Ich schlage Euch zur Titelung einschlägiger Artikel die Einführung der Schreibweise UN-Rechtsstaat DDR vor. Derzeit wetteifern die deutschen Medien im Gebrauch der Wortmißbildung "Unrechtsstaat DDR". Ihr größtes Problem ist aber die Schreibweise. Die Deutsche Demokratische Republik war - als Mitglied der Vereinten Nationen - ein UN-Rechtsstaat. Dieser Begriff hört sich nicht nur gut an, sondern stimmt sogar aufs Wort, wenn wir uns das Gegenstück dazu ansehen - von Adenauers Remilitarisierung bis zu den Jungschen Untaten in Merkels Afghanistankrieg.

Klaus J. Hesse, Berlin


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Die Magdeburger RF-Regionalgruppe hatte unlängst den Genossen Werner Großmann zu Gast. Gebannt verfolgten die Zuhörer seine Ausführungen zum erfolgreichen Wirken der Hauptverwaltung Aufklärung.

Sein Vortrag war ein voller Erfolg. Die Stühle in dem kleinen Saal reichten kaum aus. In der anschließenden Diskussion wurden viele Fragen aufgeworfen und Meinungen ausgetauscht. Etliche Teilnehmer ließen sich Werner Großmanns Buch "Bonn im Blick", das bereits in der dritten Auflage erschienen ist, signieren.

Klaus Fischer, Magdeburg


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Einer seit 87 Jahren bestehenden Tradition der Arbeiterbewegung folgend, nahmen wir am diesjährigen Riesengebirgstreffen in Mala Upa teil. 24 Mitglieder der Reisegruppe aus Berlin, Hamburg, Coswig und Leipzig sowie Freunde und Genossen aus Dresden, Chemnitz, Magdeburg, Erfurt und Zittau, aber auch aus Polen, Frankreich, der Slowakei und Rußland wurden vom tschechischen Gastgeber, der KP Böhmens und Mährens, herzlich begrüßt. Eine von Linken aus Böhmen, Mähren und Schlesien einst begründete Tradition, hat sich das internationale antifaschistische Bündnis über Jahrzehnte bewährt.

Wolfgang Kratzert, Berlin


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Ich grüße alle Menschen, alle Genossen und früheren DDR-Bürger, die ihr Vaterland nicht vergessen haben. Gerade beim Wahlkampf für die Linkspartei haben wir zu dieser Position sehr viel Zustimmung erfahren. Die Medien können noch so viel hetzen. An den meisten Lebenserfahrenen beißen sie sich die Zähne aus.

Günther Lidke, Wolfen


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Nach großer Erwartung habe ich mich intensiv mit dem September-RF beschäftigt. Es war nämlich im September 1949, als ich meinen Dienst an der Offiziersschule in Döbeln antrat, um das militärische Handwerk zu erlernen. Ein Vierteljahr zuvor war ich der SED beigetreten.

Beim Lesen des Beitrags "Teppichbombardement mit Lügen" erinnerte ich mich an einen Abschnitt meiner Zeit nach der NVA-Zugehörigkeit.

Nachdem Pfarrer Eppelmann, als "DDR-Verteidigungs- und Abrüstungsminister" verkleidet, die Armeeangehörigen samt Technik an die Bundeswehr verschachert hatte, meldete sich der Bundeswehrverband und warb gezielt unter ehemaligen Berufssoldaten der NVA neue Mitglieder. Man gab sich als deren Interessenvertretung aus, wollte man doch die Ehemaligen unter die Kontrolle der Bundeswehr bringen, um sie künftigen Kriegszielen des imperialistischen Deutschlands zugänglich zu machen.

Der Verband warb mit dem Versprechen gerechter Rentenvergütung (nicht erfüllt) und der Anerkennung der Dienstgrade (bis heute offiziell ebenfalls nicht erfüllt). Man unternahm sogar den Versuch, hinter der Bezeichnung a. D. "gedient in fremden Heeren" einzuführen, was am heftigen Protest ehemaliger NVA-Reservisten scheiterte.

Mein Urteil über die angebliche Armee der Einheit wird durch die neue Gedenkstätte am Bendlerbau nicht positiv beeinflußt. Sie erinnert sehr an Monumentalbauten Hitlers. Der Text der Inschrift spricht für sich selbst: "Den Toten unserer Bundeswehr". Der zweite Teil der Widmung könnte eher der NVA gelten, denn sie allein stand "für Frieden, Recht und Freiheit".

Oberstleutnant a. D. Werner Franke, Meißen


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Für manchen Stabsoffizier der Bundeswehr finden die Kriegsspiele nicht in der Vergangenheit statt, als man noch auf der Heereskriegsschule das strategische Einmaleins erlernte. Schließlich muß man sein Wissen doch auch irgendwie umsetzen können. Was liegt da näher, als sich im Ausland auszuprobieren! Gesagt getan: Ein in Afghanistan "am Wiederaufbau beteiligter" Oberst stand gänzlich im Rausch des Jagdfiebers und träumte vom großen Sieg über die Taliban. Was störten ihn da ein paar lumpige Zivilisten oder gar Kinder fremder Völker?! So ließ er einfach losschlagen. Zwei Kessel-Tankwagen, die in einer Furt steckengeblieben waren, wurden samt umstehender Dorfbewohner aufs Korn genommen und vernichtet. Schließlich ging es ja "um Deutschlands Zukunft".

Dieter Kramp, Grevesmühlen


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In der Septemberausgabe des RF bewegt mich besonders die Geschichte von den beiden sowjetischen Soldaten und dem Treptower Ehrenmal. Kurz vor dem Tod von Boris Polewoi war der sowjetische Schriftsteller Ehrengast der Berliner SED-Bezirksleitung. Konrad Naumann, damals ihr 1. Sekretär, schickte mich zu Polewoi in das Schmöckwitzer Gästehaus der Partei. Ich schrieb über die Begegnung einen Bericht für die BZ.

Wir - Boris und ich - saßen lange (zwar bei Wodka, aber dennoch klaren Kopfes) zusammen. Natürlich fragte ich nach dem Buch "Frontlinie Eisenstraße". Polewoi erzählte mir: "Als ich die Reportage schrieb, war das Straßenschild in Treptow zerschossen. Vom "l" im Namen der Elsenstraße war bloß noch ein "i" übriggeblieben. Deshalb habe er gedacht, die Straße heiße Eisenstraße. Ich denke, es war keine Legende aus Kriegstagen.

Ralf Rüdiger, Berlin


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Im Internet habe ich bisher das ND, die "junge Welt" und ein paar Zeitschriften gelesen. Auf den "RotFuchs" bin ich leider erst vor einiger Zeit gestoßen. Inzwischen ist er für mich unverzichtbar geworden. Er gehört jetzt auch zu meinem "Internet-Programm".

Botschafter a. D. Günther Scharfenberg, Kühlungsborn


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Ich gehöre nicht zu den 15- bis 25jährigen, sondern zu den fast 80jährigen - also nicht zur Zielgruppe der "RotFuchs"-Beilage "Ehrliche Auskünfte". Ich möchte aber an der Diskussion mit einer Frage teilnehmen, die im Text außer acht gelassen worden ist. Sie lautet: Wäre 1989/1990 ein erheblicher Teil der DDR-Bürger auch den Demagogen gefolgt, wenn sie in einer "sozialistischen Überfluß- und Wegwerfgesellschaft" gelebt hätten? Hätten sie dann an der sozialistischen Demokratie, der Diktatur des Proletariats und anderem etwas Anstößiges gefunden?

Hans Schneider, Erfurt


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Beim Lesen des Leitartikels im September-RF kam mir in den Sinn, daß man ihn auch mit "Arglistige Täuschungen" hätte überschreiben können. Deren Kette ist länger als im Artikel vermerkt. Sie reicht vom Sozialistengesetz 1878, ausgelöst durch ein Attentat auf den Kaiser von Mitgliedern der christlich-sozialen Partei, über die Hintergründe des durch die Nazis gelegten Reichstagsbrandes bis zur heutigen bundesrepublikanischen Realität. Hinzu kommen internationale Beispiele wie die fragwürdigen Umstände der Zerstörung des New Yorker Welthandelszentrums am 11. September 2001.

Als Kind in Nazideutschland mußte ich übrigens lernen, daß der britische Premier und sein Außenminister als die seinerzeit größten Lügner zu gelten hatten, über die einheimischen Lügner sprach auch damals schon niemand. Es sind eben immer die anderen. Ich bin erstaunt, mit welchem Einfallsreichtum und mit welcher Unverfrorenheit die Handlanger der herrschenden Kreise zur Durchsetzung deren politischer Ziele oder auch aus Gründen der Verschleierung realer Machtverhältnisse ihre Hirngespinste in Szene setzen.

Ich denke dabei vor allem auch an solche harmlos klingenden Bezeichnungen wie das in Mode gekommene Wort von der "Gier der Manager" als angeblicher Ursache der Weltwirtschaftskrise oder das bei Herrn Westerwelle besonders beliebte "bürgerliche Lager" mit dem sich etliche Leute identifizieren. All das dient nur der Verschleierung der gesellschaftlichen Realität.

Helmut Müller, Berlin


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Betrug muß sich endlich wieder lohnen: Arcandor-Chef Eick geht da mit gutem Beispiel voran. Wer nach sechs Monaten Dienst 15 Millionen abzockt, ist ein eiskalter Betrüger. Was hat denn Herr Eick in dieser Zeit geleistet? Etwa Jobs gerettet? Fehlanzeige! Das Unternehmen erhalten? Fehlanzeige!

Der Abzock-Betrag von 15 Millionen entspricht einem Tagessalär von 80.000 Euro. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wie dreist dieser Mann die von ihm ergaunerten Unsummen damit "rechtfertigt", er habe immerhin ein halbes Jahr im Schweiße seines Angesichts hart gearbeitet. Was haben wohl die übrigen Arcandor-Beschäftigten getan?

Hier sind auch die "Führungsqualitäten" des Herrn Eick als stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom ins Feld zu führen, die ihm pro Jahr immerhin 14 Millionen Euro einbrachten. In dieser Position konnte er als oberster Finanzmanager zusammen mit Ron Sommer beweisen, was er so alles drauf hat. Von den beiden "Top-Strategen" wurden z. B. die USA-Mobilfunkgesellschaften zum 40fachen ihres eigentlichen Wertes aufgekauft. - Und die Aktienkurse begannen mit ihrer unaufhaltbaren Talfahrt.

Bernd Passoth, Gera


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Der September-RF war wieder eine politische Erbauung, das direkte Gegenteil zu dem täglich auf die Hirne der Menschen einwirkenden Mainstream. "Archie" hat erneut den Nagel auf den Kopf getroffen. Solche wie Herbert Köfer haben trotz Broterwerbs im Kapitalismus einigermaßen die Nerven behalten, trotz seines pflichtgemäßen Reue-Spruches, denke ich.

Es gibt andere aus diesem Kreis, die den Meinungsmachern der Monopole bereits erlegen sind. Ich meine solche Mimen, die um des Geldes willen schon den durch Dr. Vera Butler vorgeführten "Menschenformern" zum Opfer gefallen sind und deren Lügen mit zu gestalten suchen, statt aufrecht und ehrlich ein solches Spiel abzulehnen. Der ZDF-Krimi "Soko Leipzig", der am 4. September ausgestrahlt wurde, lieferte ein Beispiel für die im "Jubeljahr" forcierte Hetze gegen die DDR und das MfS. Übrigens ist Volksverhetzung in der BRD ein Straftatbestand.

Gert Thiede, Suhl


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Als Beilage zum September-RF gab es Georg Dorns "Ehrliche Auskünfte". Überzeugend wird hier dargestellt, was in der DDR wesentlich demokratischer war als jene Verhältnisse, welche jetzt in Gestalt der BRD über uns gekommen sind. Mit einfachen Worten bringt der Autor das zum Ausdruck, was man allen Menschen, vor allem aber den Jüngeren und Jungen, nahebringen muß. Vielen Dank, Georg Dorn! Ich werde Deinen Artikel mehrfach kopieren und den Hausbewohnern in die Briefkästen stecken.

Dr. Werner Liebig, Berlin


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Ich weiß, daß mir diese Pauschalisierung keine Freunde einbringt, aber ich kann es nicht anders ausdrücken: Den Medien geht es lediglich darum, die Menschen systematisch zu verblöden. Selbst einige Linke äußern immer wieder Satzfragmente wie: "Na, das war doch in der DDR Scheiße" oder: "Zu Ostzeiten hat mein Chef, der nichts konnte, aber in der Partei war"..., das und das getan. Sie merken nicht, daß sie damit das Vokabular von Leuten benutzen, die der DDR nicht wohlgesonnen sind. Natürlich gab und gibt es in jeder Gesellschaft Fehler und Fehlentwicklungen.

Aber Menschen, die noch klar denken können, sollten nicht vergessen, daß die meisten Defizite nicht durch den Sozialismus oder die DDR bedingt waren, sondern jeweils von Menschen abhingen. Jeder von uns kennt sicher irgendein DDR-Faselmaul, einen "sozialistischen" Dummschwätzer. Das ändert doch aber nichts an der Tatsache, daß die DDR-Gesellschaft weit menschlicher war als jede vorher existierende Ordnung und daß sie ihre Bürger nicht dazu mißbraucht hat, im Ausland Krieg zu führen.

Karsten Tittel, Rudolstadt


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Seit der Konterrevolution habe ich - jetzt 83 - nach dem Maß meiner Kräfte, Erkenntnisse und Erfahrungen am Kampf gegen den Kapitalismus teilgenommen. Dabei hat mich der "RotFuchs" begleitet. Marx, Engels und Lenin bleiben unsere Vorkämpfer. Sie gaben uns die Kraft, neue Wege zu gehen, auf die sich irgendwann auch die uns Nachfolgenden begeben werden.

Horst Rocktäschel, Erfurt


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Seit 2004 bin ich Leser des RF und seit 2006 auch Mitglied des Fördervereins. Ein alter Freund und Genosse - Dr. Werner Ettelt - vermittelte mir damals den Zugang zur Zeitschrift. Seitdem wird jedes Heft von meiner Frau und mir sehnlichst erwartet. Es ist für uns immer wieder ermutigend festzustellen, daß es noch viele gibt, die so denken und fühlen wie wir. Das jeweils aktuelle Heft bleibt bis zum Erscheinen des folgenden auf unserem Couchtisch im Wohnzimmer liegen, wird immer wieder zur Hand genommen, auch von Gästen, und wandert dann ins Archiv.

Der RF ist stets pünktlich im Briefkasten. Dafür möchten wir bei dieser Gelegenheit allen an der Herstellung und am Vertrieb beteiligten Freunden und Genossen recht herzlich danken.

Dr. Werner Freigang, Leipzig


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Der Hauptvorstand der CDU hatte im September 2008 beschlossen, das geschichtsträchtige Jahr 2009 zu einer breit angelegten Anti-DDR-Kampagne zu nutzen. Besondere Ereignisse wie der 60. Jahrestag der BRD, der 60. Gründungstag der DDR und der 20. Jahrestag des "Mauerfalls" sollten zum Anlaß genommen werden, der einstigen DDR-Bevölkerung vor Augen zu führen, in welchem entsetzlichen Regime sie hatte leben müssen. Als ideologischen Zentralbegriff wählte man "Unrechtsstaat DDR", dessen Bejahung zum Prüfstein rechtsstaatlicher Verläßlichkeit erklärt wurde.

Seitdem springen nicht wenige Politiker, darunter auch Vorständler der Linkspartei und Leitungsmitglieder in den östlichen Bundesländern - über jeden Stock, den ihnen die CDU-Ideologen hinhalten. Der eine springt ganz hoch und erklärt die DDR flugs zum Unrechtsregime.

Der andere versucht es mit einer halben Flanke und meint, sie sei ja nicht ganz ein Unrechtsstaat gewesen und habe auch gute Seiten gehabt. Die Variationen sind mannigfach. Über die Motive für solche Verbeugungen vor der CDU-Prominenz wollen wir nichts mehr sagen, spricht doch die Haltung für sich selbst.

Übrigens: Wer würde wohl heute noch seinen sicheren Arbeitsplatz gegen Bananen eintauschen?

Dr. Manfred Bewersdorf, Neubrandenburg


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Nachdem vor 20 Jahren der Osten Deutschlands ein Teil der BRD wurde, wäre es an der Zeit, den durch die Annexion einverleibten Menschen auch die Geschichte jenes Staates zu vermitteln, welchem sie jetzt angehören. Es müßte aber die wahre Geschichte sein - nicht etwa in der Art, wie vor Jahrhunderten in den Schreibstuben der Klöster die Historie nach den Wünschen der Obrigkeit zurechtgebogen wurde. Halbwahrheiten statt Wahrheiten, gezielte Desinformation durch Weglassungen haben wir genug erlebt - auch in den letzten Jahren der DDR hat das Retuschieren oder Nichtwahrhabenwollen von Tatsachen zu nichts Gutem geführt. In Leipzigs Schulen will man den Kindern die Geschichte der DDR im Geiste von Menschen "nahebringen", denen der Geifer im Maul steht, wenn sie nur die drei Buchstaben gebrauchen. Das ist ein Unding, doch die Norm.

Vertreter der Medien drücken sich nicht nur in gewissen "Runden Ecken" und zeitgeschichtlichen Foren herum, sondern leisten auch "aktive Jugendarbeit". Dies sollte Aufgabe der Partei Die Linke sein, allerdings nicht im Sinne von Petra Pau.

Es ist wieder - wie jeden Monat - eine Freude, den "RotFuchs" zu lesen.

Günter Werzlau, Taucha


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Nachdem Tausende VEBs plattgewalzt, Genossenschaften in den Ruin getrieben worden sind und Westbanken wie andere Raubritter sich am DDR-Volksvermögen bereichert haben, glaubt man, inzwischen sei bereits alles verscherbelt worden. Dabei übersieht man noch vorhandenes kommunales Eigentum.

Hunderte Geraer Bürger erhielten als Hausbesitzer unlängst ein Anschreiben, mit dem sich ein Herr Engel als neuer Geschäftsführer der Geraer Umweltdienste GmbH vorstellte. Erinnert sei daran, daß sich unser SPD-Oberbürgermeister vor zwei Jahren mit Vehemenz für die Privatisierung der Geraer Stadtwirtschaft einsetzte. Das soll jetzt auf die Spitze getrieben werden. Als einzige Partei stimmte "Die Linke" im Geraer Stadtrat gegen den Verkauf des kommunalen Eigentums. Das hatte wohl einen prinzipiellen, aber auch einen spezifischen Grund. Denn der erzielte Kaufpreis betrug 0,00 Euro. Nun fragt man sich unwillkürlich, wieso ein SPD-Oberbürgermeister ein derart "hervorragendes" kaufmännisches Ergebnis einfahren kann. Wenn er Direktor einer Bank wäre, könnte man ihm gratulieren, daß er in Zeiten der Krise kein Ergebnis unter Null erreicht hat.

Karl Fröhlich, Gera


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Ich bin Jahrgang 1928, und als Kind bedrückte mich die Arbeitslosigkeit meiner Eltern. Mit 15 mußte ich noch in den verbrecherischen Krieg, erlebte die sinnlose Ermordung vieler Menschen und auch die Zerstörung Dresdens. Da war es kein Wunder, daß ich mich nach der Befreiung unseres Volkes vom Faschismus einbrachte, solches fortan zu verhindern. Ich wurde Mitglied der SPD, lernte dort Genossen kennen, die in Konzentrationslagern an der Seite von Kommunisten Fürchterliches hatten durchmachen müssen. Die Vereinigung beider Arbeiterparteien erschien mir folgerichtig und wurde von den SPD-Genossen begrüßt.

Während meiner Tätigkeit in den Reihen der Volkspolizei, im Ausländeramt, lernte ich Tausende Menschen kennen, die heimatlos nach einem neuen Zuhause suchten. Die Erfassung der Akten im Landgericht Dresden zur Verurteilung von Ausländern durch die Faschisten verstärkten meine politische Auffassung. Wir wollten einen Staat aufbauen, in dem der Mensch und nicht das Geld im Mittelpunkt steht. Dieses Vorhaben war einmalig.

Das ist alles verlorengegangen. Aber dafür haben wir ja jetzt die Freiheit.

Siegfried Anders, Dresden


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In der DDR waren viele der von den etablierten Parteien im Wahlkampf - meist aus demagogischen Motiven - verkündeten Ziele ganz oder in Teilen längst verwirklicht. Übrigens haben vor der Rückwende seit 1949 rund drei Millionen Bürger die DDR verlassen, danach aber waren es noch einmal drei Millionen, die wegen der Zerstörung ihrer Existenzgrundlagen im Osten in den Westen gegangen sind.

Und auch diese Tatsache mag nicht unerwähnt bleiben: 60 % der "Ossis" sind bis heute nach Umfragen noch nicht in der BRD politisch und sozial angekommen. Solche Sondierungen haben auch ergeben, daß sich 70 % der Ostdeutschen für die sofortige Beendigung der Afghanistan-Aggression ausgesprochen haben.

Günther Stegner, Ilsenburg/Harz


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1957 begann ich in meinem erlernten Beruf als Dreher im Reparaturwerk Neubrandenburg. Zwei Jahre später wies man unserer Familie eine Vier-Zimmer-Neubauwohnung mit Bad und WC für 71 Mark monatliche Miete zu. Im Reparaturwerk gab man mir, der ich nur eine 3klassige Dorfschule besucht hatte, die Möglichkeit, mich fachlich zu qualifizieren und im Abendstudium, ohne persönliche Kosten, den Abschluß als Meister im Maschinenbau zu erreichen. Durch ein pädagogisches Zusatzstudium als Lehrmeister und durch ein Fachschulstudium als Ökonom-Pädagoge war ich dazu imstande, in der Berufsausbildung und als Abteilungsleiter Polytechnik im Werk tätig zu sein.

In meinem ganzen Berufsleben war ich nicht einen Tag arbeitslos. Dieser Begriff war für uns DDR-Bürger ein Fremdwort. Meine Familie besaß nie einen Palast, aber immer eine Wohnung, so daß wir auch das Wort Obdachlosigkeit nicht kannten. Trotz unserer sieben Kinder war meine Frau bis zu ihrem 60. Geburtstag auf einer Vollzeitstelle beschäftigt. Unsere Kinder besuchten betriebliche Vorschuleinrichtungen, wo sie von ausgebildeten Kindergärtnerinnen betreut wurden. Wir zahlten pro Kind 4,80 Mark die Woche. Unser Nachwuchs absolvierte später die Polytechnische Oberschule. Auch der Übergang zur Berufsbildung verlief komplikationslos und ohne Wartezeiten. Meine drei Söhne leisteten ihren Ehrendienst in den Reihen der NVA. Sie schützten die DDR, ohne auch nur einen einzigen Tag in den Krieg ziehen zu müssen, wie das heute Angehörigen der Bundeswehr zustoßen kann.

Kurt Reschke, Neubrandenburg


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Den maßgeblichen Politikern der BRD empfehle ich, ehe sie reden oder schreiben, an den Satz Bismarcks zu denken: "Es wird nie so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und bei der Jagd."

1782 schrieb Goethe an Knebel, "... daß oben an einem Tag immer mehr verzehrt wird, als unten an einem Tag beigebracht werden kann".

Das ist die Norm, nach der in diesem Land Politik gemacht wird.

Wolfgang Hilbert, Kahla


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Am 1. September hat die alte und neue Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Westerplatte bei Gdansk eine Rede gehalten, mit der sie in die Geschichte eingehen wollte. Dort postulierte sie die "Friedensverantwortung Deutschlands". Wörtlich sagte die für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr verantwortliche Politikerin: "Die Greuel des Zweiten Weltkrieges können wir nicht ungeschehen machen. Die Narben werden weiterhin sichtbar bleiben. Aber die Zukunft im Bewußtsein unserer immerwährenden Verantwortung zu gestalten - das ist unser Auftrag." Das greift indes viel zu kurz. Bezieht sich die Friedensverantwortung der BRD nicht auch auf den Krieg am Hindukusch, der von 57 % der Deutschen abgelehnt wird? Aber diese Mehrheitsmeinung wird von Frau Merkel gar nicht erst zur Kenntnis genommen. Der letzte DDR-Innenminister unter Lothar de Maizière, Peter-Michael Diestel (CDU), reagierte auf diese Haltung so: "Wir alle ... tragen Verantwortung für die Toten am Hindukusch, weil wir die Verantwortlichen in diese Position gewählt haben." Oder anders ausgedrückt: In Deutschland sind wieder Leute an die Macht gewählt worden, die Krieg mit vernünftiger Politik verwechseln. Ist es nicht verbrecherisch, wenn ohne Gewissen Zivilisten mit in den Tod gerissen werden, weil ein Oberst vorher seiner Dienstaufsicht nicht gerecht geworden ist? Folglich: Wer im Krieg falsche Befehle erteilt, kann zum Verbrecher werden. Was aber ist mit jenen, welche diesen Krieg von höchster Stelle aus befohlen haben? Darf man Verbrecher ins Parlament wählen oder in Regierungsverantwortung berufen?

Am 1. September - jenem Tag, an dem Angela Merkel auf der Westerplatte sprach - fand in der Nähe des Friedhofes Stukenbrock, der an der Bundesstraße 68 zwischen Bielefeld und Paderborn gelegen ist, der diesjährige Antikriegstag statt. Ausgehend von den historischen Erfahrungen forderte der dortige Arbeitskreis "Blumen für Stukenbrock", der seit Jahrzehnten dieses jährliche Gedenken organisiert, den Abzug deutscher Soldaten aus Afghanistan und zugleich aller Atomwaffen aus Deutschland. Warum findet sich eigentlich der Begriff "Antikriegstag" nicht in der oben erwähnen Merkel-Rede wieder?

Oberst a. D. Dr. Dieter Langer, Königs Wusterhausen


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Über den Schriftsteller Werner Steinberg ist im RF 138 ein informativer Artikel von Dieter Fechner erschienen. Erwähnt wird darin der 1974 herausgekommene DDR-Gegenwartsroman "Pferdewechsel". Als Dramaturg beim DEFA-Spielfilmstudio bot ich ihn zusammen mit dem Autor als Verfilmungsstoff an. Wir waren zu der Überzeugung gelangt, daß aus der Romanvorlage ein interessanter Gegenwartsstreifen mit dramatischen Konflikten entstehen könnte. Wir begannen, dafür Gedanken zusammenzutragen und schickten das Buch an verschiedene DEFA-Regisseure. Doch deren Antworten waren zögerlich und enthielten sogar versteckte Absagen. Niemand wollte sich offenbar an heißen Eisen die Finger verbrennen. Auch wäre der Aufwand erheblich gewesen, mit einem großen Figurenensemble in einem Chemiebetrieb. Der Titel "Pferdewechsel" ist bereits ein Programm.

Um was geht es? Ein 60jähriger Werkdirektor mit "goldenen Händen" wird seiner Funktion enthoben, weil die Universitätsgeneration unerbittlich nachrückt. Er wird genötigt, eine Nachfolgerin einzuarbeiten und selbst ins zweite Glied zurückzutreten. Wie sich der Hauptheld Peter Legion in dieser für ihn schicksalhaften Situation verhält, kann man heute noch nachlesen.

Der DEFA-Film kam leider nicht zustande. Man sollte Steinbergs Buch, aber auch Romane von Werner Heiduczek und Horst Deichfuß wieder der Öffentlichkeit vorstellen, um die Wahrheit über die DDR zu erfahren. Stück für Stück, objektiv und subjektiv betrachtet, ohne pausenlose Häme und ständige Verleumdung, wie es in den bürgerlichen Medien inzwischen Stil ist.

Manfred Hocke, Berlin


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In der Mai-Nummer des vom Bundesinnenministerium verantworteten Bulletins "Innenpolitik" gab Wolfgang Schäuble ein Interview zum Thema "Freiheit und Einheit". Er bedauerte, "daß die meisten DDR-Bewohner gegen ihren Willen in der Diktatur leben mußten". Was hat der Mann eigentlich für eine Vorstellung vom Alltag in der DDR? Schenkt ihm sein Verfassungsschutz keinen reinen Wein ein? Werten die hochdotierten Staatsschützer für ihn nicht aus, was in den letzten Jahren Tausende ehemalige DDR-Bürger über ihr Erleben der "Diktatur" zu Papier gebracht haben? Während in den 90er Jahren nur wenige den Mut besaßen, ihre Sicht zu dokumentieren, nimmt deren Zahl inzwischen ständig zu.

Schock und Angst sind gewichen. Ich selbst mußte einst erfahren, daß mich die seinerzeitige Präsidentin des Bundestages, Prof. Rita Süßmuth, nachdrücklich davor gewarnt hat, die Wahrheit über die DDR zu verbreiten. Inzwischen ist die Zahl entsprechender Veröffentlichungen Legion. Allein der GNN-Verlag Schkeuditz hat zwischen 1999 und 2009 etliche Dokumentationen mit Tausenden von Seiten herausgebracht, auf denen die Wirklichkeit porträtiert wird.

Der mit der Überwachung von Hinz und Kunz befaßte Innenminister läßt vermutlich auch den "RotFuchs" durch einschlägige Experten auswerten. Wenn er denn wollte, könnte er sich auch durch dessen Lektüre ein authentisches Bild über die DDR verschaffen. Aber Schäuble und seinesgleichen wollen das ja gar nicht. Sie möchten, daß an der Karikatur vom sozialistischen deutschen Staat kein Strich geändert wird. Diese Herrschaften sollten bedenken, daß immer weniger Menschen mit DDR-Hintergrund bereit sind, sich vor den Verleumdern zu ducken. Sie mußten dies nicht in der DDR, und sie gedenken es auch in ihrem jetzigen Leben nicht zu tun.

Werner Feigel, Chemnitz

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RotFuchs Nr. 142, 12. Jahrgang, November 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Dezember 2009