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ROTFUCHS/103: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 149 - Juni 2010


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

13. Jahrgang, Nr. 149, Juni 2010



Inhalt
Gegen Blauäugigkeit und Worthülsen-Jargon
Woran sich die Geister scheiden
Warum die "Russen" für mich Freunde bleiben
In Stalingrad erlebt
Ein heldenhaftes Brüderpaar: die Koenens
Der besondere Gast
Unvergessener Jupp Angenfort
Dorn sticht Rösler
Karneval der Eitelkeiten
Gelächter über die "dritte Garnitur"
Was sind eigentlich Klassen?
Der wirtschaftliche Weltkrieg
Treuhänder als Totschläger
Als Filmvorführer unterwegs
NDPD: Trennung der Spreu vom Weizen
Merkels Garde der Mantelwender
Schwarze Zyniker
Bürgerrechtler oder Konterrevolutionäre?
RF-Extra "Volksaufstand" aus der RIAS-Retorte
RF-Extra Über Radfahrer und "Radfahrer"
Euros nach Athen tragen?
Streiflichter aus Litauen
Privatisierung des Krieges
Die "Moral" der CIA
Chronisten des Klassenkampfes
Panama: Aus für humanitäre Hilfe
Vorfreude auf Magdeburgs Ehrenbürgerin Angela Davis
Sozialismus des 21. Jahrhunderts?
Ergänzendes zur "Ruhmeshalle des Sports"
Ein Waschkorb voller Bücher
Karl Grünberg und das Ruhrgebiet
"Diese Stimme verjagte meine Apathie"
Rudi Kurz: Alte Filme?
Umfassendes Lexikon würdigt DDR-Künstler
Archie und die Enkelin Anne
Leserbriefe
Grafik des Monats

Raute

Deutsch, deutscher, am deutschesten?

Vor einiger Zeit erreichte die Redaktion ein bewegender Brief aus Piton-Saint-Leu auf der im Indischen Ozean gelegenen, 10.000 Kilometer von Paris entfernten und dennoch zu Frankreich gehörenden Insel La Réunion. Aus dieser traditionell roten Hochburg schrieb uns Dr. Hans-Dieter Hoffmann. Der Arzt, Major a. D. der Nationalen Volksarmee der DDR und ehemalige Hochschullehrer in Greifswald hat dort sein Altersquartier aufgeschlagen. Schon vor längerem hatte seine ebenfalls sehr engagierte Frau Marianne um regelmäßige Zusendung des RF gebeten. Jetzt äußerte sich Dr. Hoffmann, der seiner Weltanschauung treu geblieben ist, kritisch-solidarisch zu unserer Zeitschrift. Was ihm u. a. Kopfzerbrechen bereite, sei die Unterzeile des Titels. "Warum bezeichnet sich der 'RotFuchs' als Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland?", wollte er wissen. "Ist er nicht auch für uns Kommunisten in Frankreich oder Genossen in Kuba, Venezuela, China und Rußland bestimmt?" Übrigens hätten hier insgesamt 37 Staaten aufgezählt werden müssen, in denen der RF inzwischen Bezieher hat, folgt er doch der alten Losung von Marx und Engels: Proletarier aller Länder, vereinigt euch! Sie steht selbstbewußt im Kopf des kleinen Blattes - als Kampfansage an Nationalismus und Chauvinismus.

Als wir vor knapp zwölfeinhalb Jahren die erste Ausgabe des RF vorbereiteten, entbrannte eine heftige Diskussion über dessen potentielle Adressaten. Der von einem Genossen eingebrachte Vorschlag, die Zeitschrift "Tribüne deutscher Kommunisten" zu nennen, wurde als zu einengend verworfen. Nicht so vermessen, gleich für den "ganzen Erdball" schreiben zu wollen, einigten wir uns auf "Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland". Damit sind alle in der BRD lebenden Kampfgefährten, unabhängig von ethnischer Herkunft oder nationaler Zugehörigkeit, gemeint. Wir konnten damals indes nicht ahnen, daß uns schon bald ermutigende Signale aus vielen Ländern der Welt erreichen würden. Als proletarische Internationalisten überlassen wir anderen die dümmlich-bornierte Deutschtümelei oder das Bespeien der eigenen Nation durch die sogenannten Antideutschen. Die "RotFuchs"-Macher - sieht man von jungen Autoren einmal ab - waren entweder als DDR-Bürger Patrioten ihres sozialistischen Vaterlandes oder als Klassenkämpfer im Westen entschiedene Gegner der Macht des deutschen Kapitals. Etliche ihrer Vorbilder gingen dafür wie Jupp Angenfort und Robert Steigerwald in die Zuchthäuser und Gefängnisse des Adenauer-Regimes.

Im Herbst 1993 wechselte ich Briefe mit einer in Zweibrücken einsitzenden antiimperialistischen Kämpferin. Wir debattierten dabei freundschaftlich und bei ähnlicher Ausgangsposition über die Wechselwirkung von Nationalem und Internationalem. Es handelte sich um Inge Viett, von der ich annahm, daß sie hinsichtlich von mir vertretener Auffassungen zu dieser Thematik Sorgen wie Dr. Hoffmann hegte. So war es mir jedenfalls übermittelt worden. Inges Einverständnis voraussetzend, möchte ich mich ausnahmsweise einmal selbst zitieren. Am 19. Oktober 1993 schrieb ich an die bis zu ihrer Festnahme unter anderer Identität in der DDR ein neues Leben führende einstige Frau des bewaffneten Widerstandes u. a.: "Selbstverständlich bin ich der Meinung, daß es ein schrecklicher Irrtum wäre, wenn ausgerechnet wir uns vor den Karren der falschen 'Patrioten' eines imperialistischen Großdeutschlands und seiner nationalistischen Expansionspropaganda spannen ließen. Die Geschäfte der Bourgeoisie werden wir nicht besorgen. Aber im marxistischen Sinne gibt es ja immer 'zwei Nationen' im Schoße der einen: die herrschende und die unterdrückte, wobei die eine, die bourgeoise, den Ausverkauf aller echten Werte ihres Volkes betreibt - bis hin zur Preisgabe der nationalen Identität -, während die andere, historisch betrachtet, all das in sich aufnehmen und bewahren muß, was progressiv, revolutionär, tatsächlich demokratisch und humanistisch ist ...

Hier und heute sind wir natürlich keine Hurra-Patrioten der kapitalistischen Bundesrepublik, eher deren Staatsbürger wider Willen. Aber verglichen mit der herrschenden Klasse - die besseren Deutschen, Italiener, Franzosen, Russen, Chilenen usw. sind wir allemal. Wären wir indes nur Internationalisten ohne tiefe Wurzeln im eigenen Volk, unterschieden wir uns wohl kaum von liberalen Weltbürgern oder buntschillernden Kosmopoliten ..."

Inge Viett schrieb in einem Antwortbrief voll kluger Argumente einleitend: "Du kannst mir schon glauben, daß ich weit davon entfernt bin, Dich für einen Hurra-Patrioten zu halten. Und ich weiß ja auch, aus welchen Wurzeln Dein nationales Verständnis gewachsen ist."

Fast 17 Jahre später gilt es, dem Ansturm jener, welche andere Nationalstaaten Europas als Hindernisse auf dem Weg zur Errichtung ihrer kontinentalen Vorherrschaft zerschlagen wollen, sich im gleichen Atemzug aber deutsch, deutscher, am deutschesten gebärden, wie bisher beherzt entgegenzutreten. Für uns bleibt es bei den eindringlichen Worten der Brechtschen Kinderhymne: "Und nicht über und nicht unter andern Völkern wolln wir sein, von der See bis zu den Alpen, von der Oder bis zum Rhein."

Klaus Steiniger

Raute

Eigentumsfrage muß im Zentrum der Programmdebatte stehen

Gegen Blauäugigkeit und Worthülsen-Jargon

Zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Zeilen geschrieben werden, ist noch kein ostdeutscher Landesverband bereit gewesen, sich konstruktiv mit dem politischen Kern des Entwurfs für ein neues Parteiprogramm der "Linken" auseinanderzusetzen. Dafür meldeten sich gleich mehrere, die zu organisatorisch-strukturellen Fragen Bedenken geltend machten. Leider handelt es sich um eine typische Erscheinung in der Partei Die Linke. Ab und an wird ein Beschluß gefaßt, zur "Sachdiskussion" zurückzukehren, um dann munter die Personaldebatte oder die Erörterung eher technischer Fragen fortzusetzen. Die Partei, die Masse der Mitglieder sind offenbar dessen entwöhnt, daß es bei einem Grundsatzprogramm nun einmal um Grundsatzfragen geht.

Die "Doppelspitzen-Diskussion" erwies sich bei genauerem Hinsehen als Machtkampf und kleinkariertes Interessengerangel, patriarchalisch, unwürdig einer Partei der "Linken". Einer müsse "schließlich die Hosen anhaben", hieß es. "Westler" wollten ihren Mann sehen, Frauen eine Frau usw. Man bemühte sich erst gar nicht um Überlegungen, welche "Doppelspitzen" in unserer Vergangenheit miteinander zurecht gekommen sind. Beispielsweise Marx und Engels, August Bebel und Wilhelm Liebknecht, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl, um nur einige zu nennen.

Duos haben sich beim Fernsehen eingebürgert. In einer normalen Familie treffen wir nicht mehr unbedingt auf ein "Oberhaupt". Wir können uns drehen, wie wir wollen: Doppelspitze hat ein demokratisches Flair, die beiden können sich ad hoc austauschen, im Krankheitsfalle füreinander einspringen, die Partei an verschiedenen Orten gleichzeitig repräsentieren. Das Thema sollte nicht als Belastung empfunden werden oder zur Verwässerung der Programmdebatte dienen.

Jede Wortmeldung erhält bei der Meinungsbildung ihr Gewicht. Wir erfahren, was unsere Mitglieder und Denker - nicht "Vordenker" - uns zu sagen haben. Dabei sind Wortmeldungen wie die von Michael Brie im ND vom 22. März völlig wertlos. Er bezog dort die Position eines Überparteilichen, der lediglich diverse Positionen vorstellt, um das Ganze sorgfältig mit Fragezeichen zu versehen - insgesamt waren es 24 -, ohne dem Leser seine eigene Meinung auch nur anzudeuten. So kennen wir Michael Brie doch gar nicht: Bei der Bewertung des II. Weltkrieges war er sehr schnell mit der Einschätzung zur Hand, es habe sich um den "Krieg zweier Diktatoren" gehandelt.

Die Programmkommission hat eine beachtliche Arbeit bei der Entsorgung von politischem Strandgut geleistet. Eingeschleppte Worthülsen wie "Informationsgesellschaft", "Ende der Arbeitsgesellschaft", "Dienstleistungsgesellschaft", "Libertär", "finanzmarktgetrieben" wurden vermieden, der Entwurf in eine klare Sprache gefaßt. Das verdanken wir allerdings nicht allein der Programmkommission, sondern dem Umstand, daß sich die Macht des Kapitals in letzter Zeit so unmaskiert wie nie zuvor gezeigt hat. Da sind frühere Verniedlichungen wie "Heuschreckenkapitalismus" oder "Moderne" fehl am Platze.

Wesentliche Programmpunkte wie Vergesellschaftung der Banken und der Schlüsselindustrien einschließlich des Energiesektors, der Pharmaindustrie, des öffentlichen Transportwesens, der Bahn und des Nahverkehrs, der Fluggesellschaften sowie des Gesundheits- und Bildungswesens ebnen einleuchtenderweise den Weg zum demokratischen Sozialismus, wenn auch dieser Begriff an einen weißen Schimmel erinnert. Denn entweder ist Sozialismus demokratisch oder er ist kein Sozialismus. Uns fällt auf, daß diese Punkte des Programms in der DDR Selbstverständlichkeiten waren. Das hätte allerdings durchaus erwähnt werden können.

Mit dem Entwurf trennt sich "Die Linke" vom Begriff der sozialen Revolution - einer Definition Luxemburgs, Liebknechts und Lenins. Im vorliegenden Dokument wird statt dessen von "Transformation" als "emanzipatorischem Prozeß" gesprochen. Das verleiht der DDR eine neue Qualität. Auf der "Suche nach Wahrheit" wurde kaum danach "geforscht", woher dieser abgrundtiefe Haß und diese rastlose Giftsprüherei gegen die DDR kommen. Sie muß wohl als Negation, auch 20 Jahre nach ihrem Untergang, eine große Bedeutung für die Konservierung des kapitalistischen Systems der BRD besitzen. Es lohnt sich, diese permanente Verneinung vom Kopf auf die Füße zu stellen, um zu ermessen, daß viel Bewahrenswertes für eine wirkliche Transformation der Gesellschaft unersetzbar bleibt. Das geht weit über genannte Errungenschaften wie Mutterschutz, Konfliktkommissionen, Kindergärten, Sportgemeinschaften und Volkssolidarität hinaus. Geld war in der DDR nicht das Maß aller Dinge. Namen wie Patrice Lumumba, Angela Davis und Luis Corvalan, die im Zentrum unserer Solidarität standen, deuten an, daß wir einstigen DDR-Bürger in diesen "Transformationsprozeß" durchaus etwas einzubringen hätten.

Der Entwurf verweist immer wieder auf Artikel 15 des Grundgesetzes. Der gestattet eine gewaltfreie, zugleich aber tiefgreifende Veränderung der Gesellschaft, die in dem angebotenen "Prozeß" indes nur als Überzeugungsarbeit verstanden werden kann.

Dabei sollten wir niemals aus den Augen verlieren, daß dieser Aufklärung über die wahren Zusammenhänge Tag und Nacht ein gigantischer, mit allen Wassern gewaschener Medienapparat, diverse Stiftungen und Arbeitskreise, "Interessengemeinschaften" von Industrie und Handel sowie der überdimensionale Repressionsapparat des Staates gegenüberstehen. Deren Lobby will unter keinen Umständen Veränderungen zulassen. Sie wird alles einsetzen, um sie zu hintertreiben, leben wir doch in einer Gesellschaft wüstester Meinungsmanipulation. Man erinnere sich nur an den Schwindel mit der "Schweinegrippen"-Impfung. Die Wucht unserer Argumente wird "die Massen" also nur über gewaltige Sperranlagen "ergreifen" können.

Zuversicht in bezug auf das im Entwurf vorliegende Programm ist gerechtfertigt: Das darf aber nicht zu Blauäugigkeit verleiten. Es wäre schlecht um uns bestellt, wenn die bürgerliche Mehrheit des Bundestages und deren Hintermänner - im Wege einer Grundgesetzänderung - die Aufhebung des Artikels 15 bewirken würden. In der nach rechts driftenden BRD darf eine solche Gefahr nicht unterschätzt werden.

In der "Süddeutschen Zeitung" ließ sich der gerne vorprellende Bodo Ramelow zum Programmentwurf folgendermaßen vernehmen: "So etwas hätte ich nie geschrieben." Glücklicherweise ist der Entwurf ja nicht als Lokalausgabe für Thüringen gedacht. Seitdem Politiker der "Linken", die bisweilen anders blinken, Gastrollen bei "Focus", "Stern" und "Spiegel", ja selbst bei der "Bunten" übernommen haben, werden Sachdiskussionen - trotz gegenteiliger Appelle - immer wieder mit Personaldiskussionen zugeschüttet. Auch das ist eine Form der Manipulation. Der Weg zu einer ergiebigen Programmdebatte darf nicht von eigenen Leuten "bunt" gepflastert sein. Nur so können wir uns vor dem eingangs erwähnten Worthülsenjargon einigermaßen schützen.

Walter Ruge

Raute

Tiefgreifender Antikapitalismus oder systemkonformer Schmusekurs

Woran sich die Geister scheiden

Seit den 70er Jahren stößt das Kapital auf Grenzen, die es zu sprengen versucht. Eine kurze Atempause bescherte ihm die Niederlage des Sozialismus in Europa. Die Beseitigung der "dem Westen" bis dahin gezogenen Grenzen führte am Beginn der 90er Jahre zu einem Kraftakt ohnegleichen. Nahezu vier Jahrzehnte hatte der Kalte Krieg die Ressourcen auch des Kapitalismus beansprucht und Billionen Dollar verschlungen. Mit einem beispiellosen Aufwand war ab Mitte der 60er Jahre der Angriff auf die Nachkriegsordnung eingeleitet worden. Die Reaktion der sozialistischen Staaten darauf glich - bildlich gesprochen - einem Lufthauch gegenüber dem aufgeblasenen Sturmangriff des internationalen Kapitalismus. Die geistig-theoretische Erstarrung zwischen Amur und Elbe bewirkte eine verheerende Ignoranz gegenüber der sich objektiv vollziehenden Entwicklung außerhalb der Grenzen des sozialistischen Lagers. Die richtige These "Der Marxismus ist kein Dogma ..." war zu einer plakativen Formel verkommen. Mancher, der versuchte, das Eis aufzubrechen und die Dinge in positiver Hinsicht voranzutreiben, wurde verdächtigt, er stelle das Gesamtsystem in Frage. Seit der Niederlage des Sozialismus in Europa haben wir es auf unserem Kontinent mit einem Kapitalismus zu tun, der sich keinerlei territorialen oder "moralischen" Einschränkungen mehr unterworfen sieht. Ohne Rücksicht auf das Völkerrecht werden von NATO und EU souveräne Staaten angegriffen und fremde Territorien erobert. Insbesondere geht es dabei um rohstoffreiche Gebiete wie ehemalige Unionsrepubliken der UdSSR, Länder des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas.

In der BRD wird die Profitsicherung von einer maßlosen antikommunistisch-antisozialistischen Hetze flankiert. Sie zielt vor allem auf das Erbe der DDR. Gegen die konsequenten Kräfte und Strömungen innerhalb der Linken (hier ist nicht nur die Partei gleichen Namens gemeint) richtet sich eine nahezu einheitliche Front.

Ihr stehen - besonders im Osten Deutschlands - zahlenmäßig beachtliche Kräfte gegenüber. Es handelt sich um Menschen mit und ohne Parteibindung, die sich eine humanistische Grundhaltung bewahrt haben. Von Einheitlichkeit und Geschlossenheit im Denken und Handeln sind die Linken jedoch noch weit entfernt. In etlichen Fällen steht die Frage: Ist der Antikapitalismus wirklich tiefgreifend gemeint oder bezieht sich die Kritik lediglich auf besonders krasse Auswüchse der Kapitalherrschaft? Das sollte der Prüfstein für die Absicht tatsächlicher Systemüberwindung oder einer Anpassung an die bestehenden Verhältnisse sein. Es sind nicht die Kapriolen des Kapitalismus, die es zu bekämpfen gilt, sondern deren Ursachen. Einzelne negative Aspekte werden heute von vielen kritisch benannt. Das tun selbst sozialdemokratische, liberale und sogar konservative Kräfte. Ihr Motto: Wir sehen zwar Euer Elend, aber ändern können wir daran leider nichts. Dennoch: Ihr habt unser Mitgefühl! Daß hinter allen Übeln der Gesellschaft die unersättliche Profitgier derjenigen steht, welche sich die Macht zum Zugriff gesichert haben, bleibt unerwähnt.

Natürlich darf bei dieser prinzipiellen Orientierung nicht auf den Kampf für unmittelbare Tagesziele verzichtet werden. Die Linken müssen sich hier als Lokomotive erweisen. Das Ringen um eine gerechtere Welt beginnt nicht erst im "gelobten Land", sondern bereits hier und heute. Dabei müssen jene Probleme in den Mittelpunkt gerückt werden, die den Menschen auf den Nägeln brennen.

Die oft gerade von Dogmatikern bemühte Wahrheit, daß der Marxismus kein Dogma ist, trifft nach wie vor zu. Die Verbreitung eines "Katechismus eherner Formeln" sollten wir getrost der Kirche überlassen. Aus lauter Sorge, daß etwas schiefgehen könnte, haben wir auf eine schöpferische Weiterentwicklung des Marxismus-Leninismus verzichtet, als wir noch alle Möglichkeiten und Kapazitäten dazu besaßen. Konservatismus gegenüber unserer Theorie ist bei einem Teil der deutschen Linken ebenso verbreitet wie Bestrebungen, sie aufzuweichen oder abzuschütteln.

In der Partei Die Linke und darüber hinaus werden seit geraumer Zeit die Frage von Regierungsbeteiligungen in der BRD und das Verhältnis zur Europäischen Union heftig diskutiert. Unter Festhalten am prinzipiellen Ziel einer fundamentalen Umwandlung der gesellschaftlichen Verhältnisse muß die Linke alle Möglichkeiten der parlamentarischen Demokratie nutzen, um die Interessen der Lohnabhängigen und sozial Ausgegrenzten zu vertreten. Dadurch soll die künftige Kapitalentmachtung vorbereitet werden. Wir müssen den Menschen verständlich machen, daß nur eine vom Kapitalismus befreite Gesellschaft in der Lage ist, ihre Situation grundsätzlich zu ändern.

Im Ergebnis des ununterbrochenen Einwirkens der bürgerlichen Ideologie, der ihr unterworfenen Lehre und Erziehung, des breiten Spektrums vom Imperialismus kontrollierter Medien bis hin zur Konsumverlockung haben wir es heute in der BRD mit sehr diffusen Interessen und politischen Anschauungen, religiösen Dogmen und persönlichen Wertvorstellungen zu tun.

Demgegenüber besteht der Vorteil der Bevölkerung im Osten des Landes in einem relativ starken Weiterwirken sozialistischer Ideen. Es ist den bürgerlichen Machthabern nur bedingt gelungen, den Gedanken des Sozialismus aus den Köpfen zu verbannen. So konzentrierte man das Feuer auf das MfS. Immer mehr Menschen verstehen jedoch, daß jeder Staat mindestens einen Geheimdienst besitzt, der auch verdeckter Mitarbeiter bedarf. Wie viele CIA-Agenten mag es allein in Deutschland geben? Im Brandenburger Parlament sitzt mit Sven Petke sogar ein ehemals hauptamtlicher BND-Mann, der bis heute nicht aus seiner Verpflichtung entlassen worden ist.

Ein großer Teil der Ostdeutschen bekennt sich ganz oder teilweise zur DDR-Vergangenheit, auch wenn das häufig mit der Bemerkung versehen wird, es sei "nicht alles schlecht gewesen". Dabei sollte man allerdings in Betracht ziehen, daß der Anteil früherer DDR-Bürger an der ostdeutschen Gesamtbevölkerung aus biologischen und Abwanderungsgründen ständig geringer wird.

Die im März eröffnete Programmaussprache der Partei Die Linke böte Gelegenheit, über die hier dargelegten Gedanken und andere Probleme freimütig zu diskutieren. Dabei sollten wir davon ausgehen, daß eine linkssektiererische Politik ebenso schädlich ist wie jeglicher Schmusekurs gegenüber dem bürgerlichen Machtapparat. Die PDL geht nicht wegen der Lösung dieser oder jener Tagesfragen ins Parlament, so wichtig das auch sein mag, sondern unter dem Aspekt höherer gesellschaftlicher Anliegen, die der unterbreitete Programmentwurf umreißt. Diese gilt es gegen Verwässerungen und Amputationen zu behaupten.

Lenin schrieb in "Was tun?": "Je stärker der spontane Aufschwung der Massen ist, je breiter die Bewegung wird, desto stärker werden die Anforderungen an das Maß der Bewußtheit sowohl in der theoretischen als auch in der politischen und organisatorischen Arbeit ..."

Kurt Koopmann, Seddiner See

Raute

Warum die "Russen" für mich Freunde bleiben

Als 17jähriger wurde ich noch Mitte Januar 1945 zur faschistischen Wehrmacht einberufen, um so den Vormarsch der Roten Armee "aufzuhalten". Obwohl ich wegen schwacher Konstitution zweimal zurückgestellt worden war, mußte ich nun doch den feldgrauen Rock anziehen, allerdings nur für wenige Wochen. Mit der Kapitulation des Befehlshabers der in Posen (Poznan) eingesetzten Truppen geriet ich am 23. Februar in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Mich beschäftigte die bange Frage, was mich erwarten würde.

Zunächst waren alle Lagerkapazitäten ausgeschöpft. Fünf Tage lang irrte unsere Kolonne ohne Essen und Trinken auf der Suche nach einem Obdach umher, das sich endlich in einer früheren Kaserne fand. Ich war so geschwächt, daß ich kaum noch gehen konnte. Aufopferungsvoll behandelten mich zwei junge Militärärztinnen im Oberleutnantsrang mit verfügbaren Mitteln wie Lichtkasten. Schließlich kam ich wieder auf die Beine. Während der siebenmonatigen Gefangenschaft wurde ich human behandelt, arbeitete nur einen Tag in der Woche und hatte somit viel Freizeit, die ich zu Spaziergängen durch das Riesenlager nutzte. Sonntags standen Sport- und Musikveranstaltungen auf unserem Programm. Meine Tabakration tauschte ich bei den Wachsoldaten gegen Schwarzbrot ein, so daß ich nicht hungern mußte.

Aus Überzeugung wurde ich im Dezember 1950 Mitglied der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, hatte ich doch selbst erlebt, wie menschlich Bürger der UdSSR mit jenen umgingen, die so großes Leid über ihre Landsleute gebracht hatten. Viele Jahre Mitglied des Kreisvorstandes Plauen, erhielt ich die DSF-Ehrennadeln in Silber und Gold. Zu meinen unvergeßlichen Erlebnissen zählen die Freundschaftstreffen mit in unserer Stadt stationierten Angehörigen der Sowjetarmee. An ihren Gedenktagen besuchte ich stets mit einer kleinen Abordnung unsere Freunde im sowjetischen Hospital. Diese wiederum nahmen an unseren Betriebsveranstaltungen teil. Wenn die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften unseres Kreises Hilfe bei der Kartoffelernte benötigten, waren Sowjetsoldaten immer dabei.

Zu meinen angenehmsten Erinnerungen gehören vier Reisen in die UdSSR - nach Moskau, Leningrad, Kiew, Odessa und Uljanowsk. Überall konnte ich viele Gespräche mit Sowjetbürgern führen. Mich beeindruckte das einfache und freundliche Wesen von Menschen der verschiedensten Berufe und Tätigkeiten. Niemals spürte ich Voreingenommenheit oder gar Ablehnung jener, welche sicher während des Krieges Schlimmes von Deutschen erlebt hatten. Mein Vorteil war, daß ich in zwei Fernsehkursen etwas Russisch gelernt hatte.

Traurig war ich, als sich meine Freunde Anfang der 90er Jahre von uns verabschiedeten und die DSF, der ich 40 Jahre angehört hatte, aufgelöst wurde. Mit großer Enttäuschung und Verbitterung mußte ich erfahren, wie Gorbatschow und Jelzin als Verräter am Sozialismus die Völker der UdSSR den Kapitalisten auslieferten. Während zu Sowjetzeiten allen gesicherte Arbeitsplätze und ein bescheidener Lebensstandard garantiert waren, sind nun viele Millionen von Not und Elend betroffen, während eine kleine Oberschicht der "neuen Russen" in Saus und Braus lebt. Es wäre nur zu wünschen, daß die Völker Rußlands die Kraft fänden, ihre Ausbeuter in die Schranken zu weisen und ihr Schicksal wieder in die eigenen Hände zu nehmen.

Willi Ronz, Plauen

Raute

In Stalingrad erlebt

Zu den wichtigsten Eindrücken meiner FDJ-Zeit gehörte die Reise mit der ersten DDR-Studentenabordnung in die UdSSR. Auf dem Flughafen wurden wir wie eine Staatsdelegation empfangen. Man brachte uns im luxuriösen Hotel National unweit des Roten Platzes unter. Von unserem Fenster aus beobachteten wir eine riesige Menschenschlange, die vom Manegeplatz bis zum Lenin-Mausoleum reichte. Wir bewunderten jene, die geduldig warteten, um die letzte Ruhestätte des Begründers der Sowjetunion aufzusuchen. Natürlich beeindruckte uns die Metro mit ihren palastähnlichen Stationen. Die Stadt machte einen intakten Eindruck. Damals wurde bereits an verschiedenen Hochhäusern gebaut. Da die Temperaturen noch niedrig waren, pumpte man den Beton durch Leitungen hinauf, die mit Dampf erwärmt wurden.

An der Universität fiel uns zunächst auf, daß die meisten Studenten nicht mehr ganz jung waren. Das erklärte sich daraus, daß viele infolge des Krieges ihr Studium auf Jahre hatten unterbrechen müssen, weil sie an der Front kämpften.

Dann flogen wir nach Stalingrad. Schon vor der Landung stockte uns der Atem. Rund um die Stadt waren noch zahlreiche Schützengräben zu sehen, der urbane Kern bestand - von einigen Neubauten unweit der großen Wolgatreppe abgesehen - aus einem einzigen Trümmerfeld. Unsere Begleiterin - eine zierliche junge Frau, die an der Schlacht selbst teilgenommen hatte - gehörte als sowjetische Vertreterin einem internationalen Friedenskomitee an. Mit dem Bus fuhren wir zu jenem Haus, um das 64 Tage erbittert gekämpft worden war. Wir suchten den blutgetränkten Mamajew-Kurgan auf und besichtigten das wieder produzierende Stalingrader Traktorenwerk. Unterwegs zogen links und rechts Ruinen an uns vorüber. Ich hatte zuvor das zerstörte Dresden gesehen, doch nicht einmal die Stadt an der Elbe konnte damit verglichen werden. Schreckliches erlebten wir auf dem Mamajew-Hügel. Das Tauwetter hatte trotz mehrmaligen Absuchens der Fläche erneut Uniformfetzen und menschliche Knochen an die Oberfläche gebracht.

Auf der Fahrt zum Traktorenwerk fiel uns auf, daß an etlichen Stellen Rauch aus der Erde aufstieg. In ehemaligen Wehrmachtsbunkern kampierten Menschen, die nach der Evakuierung bei Kampfbeginn vorzeitig zurückgekehrt waren. Wohnungen für sie standen noch nicht zur Verfügung. In der Nähe des Traktorenwerks befand sich ein imposanter Kulturpalast. Wir fragten, warum man sich einen derartigen Luxus leiste, zumal die Quartiere der Menschen mehrheitlich noch äußerst schlecht seien. Man antwortete uns, die arg belasteten Stalingrader sollten wenigstens eine Möglichkeit haben, ihre Freizeit in angenehmer Umgebung zu verbringen. Ähnlich verhielt es sich mit neu erbauten Schulen. Inmitten der Trümmerlandschaft waren sie oft als einzige Gebäude errichtet worden.

Wir bewunderten den Heroismus der Stalingrader in Kriegs- und Friedenszeiten. Als ich dann 1975 bei einer Wolga-Don-Reise erneut in die Stadt kam - jetzt hieß sie bereits Wolgograd -, war sie vollständig wiedererrichtet. Wie Phönix aus der Asche hatte sie sich aus dem Schutt erhoben. Auf dem Mamajew-Kurgan stand nun das Denkmal für die Helden der großen Schlacht, mit deren Ausgang die Rote Armee die Wende im Verlauf des II. Weltkrieges erzwungen hatte.

Über der Gedenkstätte erhebt sich eine die Mutter Heimat verkörpernde Frauengestalt, in der Rechten das kampfbereite Schwert. Das Gegenstück dazu befindet sich im Treptower Park in Berlin. Dort richtet ein Soldat sein Schwert auf ein am Boden liegendes Hakenkreuz als Zeichen des Triumphes über den Faschismus.

Die Teilnahme an der Reise der ersten DDR-Studentendelegation in die Sowjetunion war nicht nur ein fundamentales Erlebnis meiner Jugend, sondern wirkt bis heute in mir fort.

Johanna Jawinsky, Adorf

Raute

Deutsche Antifaschisten in sowjetischer Uniform gegen Hitlers Horden

Ein heldenhaftes Brüderpaar: die Koenens

Moskau, 22. Juni 1941. Wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Nachricht vom Überfall Nazideutschlands auf die Sowjetunion. Frauen und Männer eilen in Massen zu den Armeekommissariaten, um sich als Freiwillige für die Verteidigung des Vaterlandes eintragen zu lassen. Als in der Meldestelle des Rote-Garde-Rayons ein schlanker junger Mann seinen Paß auf den Tisch legt, schaut ihn der Offizier einen Augenblick mißtrauisch an. Doch schließlich notiert er: Alfred Stafford, Deutscher, Politemigrant. Wenig später schreibt er auch den Namen des Bruders auf: Viktor Stafford. Dann schickt er die beiden fort, sie bekämen Bescheid.

Noch am gleichen Abend schreiben die Brüder ein Gesuch: Wir sind Söhne eines deutschen Revolutionärs, sind Komsomolzen und wollen als Freiwillige in der Roten Armee gegen die Faschisten kämpfen. Den Namen Stafford mußten die beiden jungen Leute aus konspirativen Gründen annehmen, waren sie doch aus Nazideutschland geflüchtet. Geboren 1920 und 1921, waren Viktor und Alfred die Söhne von Bernard und Frieda Koenen, zwei weithin bekannten und geachteten Kommunisten im preußischen Regierungsbezirk Halle-Merseburg.

Die Jungen wachsen in dieser mitteldeutschen Industriestadt auf, besuchen dort die Grundschule. Frühzeitig bekommen sie den Haß ihrer bürgerlichen Umgebung zu spüren. Doch die beiden Koenens wehren sich so gut sie können.

Ist das Leben für diese kommunistische Familie in der Weimarer Republik schon schwer genug, dann wird es unter der Herrschaft der Faschisten existenzbedrohend. Sie muß das besonders am 12. Februar 1933 erfahren. An diesem Tag nimmt Bernard Koenen als Sekretär der KPD-Bezirksleitung an einer Parteiberatung in Eisleben teil, als 500 SA-Schläger das Versammlungslokal überfallen. Sie ermorden drei Teilnehmer und verletzen weitere schwer, darunter ihn selbst. Mutige Genossen retten Bernard und bringen ihn zu einem jüdischen Arzt nach Leipzig.

Bis Juni 1933 verbergen sich Mutter und Kinder voneinander getrennt und an verschiedenen Orten, bis es ihnen gelingt, mit Hilfe treuer Freunde und falscher Papiere in die Sowjetunion zu emigrieren, wohin sich inzwischen auch der wieder genesene Vater gerettet hat. Die Koenen-Jungen werden zuerst in einem Kinderheim in Iwanowo betreut, im Herbst beginnt dann der Unterricht, zunächst in der Moskauer Karl-Liebknecht-Schule. Natürlich werden die beiden Pioniere und Komsomolzen. Im Herbst 1937 nehmen sie im Autowerk eine Lehre als Werkzeugschlosser auf.

Fünf Tage nach ihrem Gesuch erhalten die jungen Männer die Einladung zu einem Gespräch, in dem sie gefragt werden, ob sie als Aufklärer der Roten Armee dienen wollen. Dem folgt eine entsprechende Ausbildung. Die Zeit drängt, die Naziwehrmacht rückt vor, so daß bald der erste Einsatz im Rücken des Feindes erfolgt. Mit ihren Aufklärungsergebnissen helfen sie drei sowjetischen Armeen. Bis Dezember 1941 finden weitere 13 solcher Einsätze statt, darunter etliche in Zivil oder in deutschen Uniformen.

Das Jahresende bringt die Trennung der Brüder. Viktor, der Ältere, wird einer Kampfgruppe zugeteilt, die über Polen abgesetzt werden und mit polnischen Patrioten operieren soll. Doch das Flugzeug wird abgeschossen. Keiner der Insassen überlebt. Alfred meldet sich am 5. Dezember 1941 beim Kommandeur einer Einheit, die in den Wäldern des Brjansker Gebietes gemeinsam mit dortigen Partisanen die Okkupanten angreifen soll.

Major Shabo schließt den jungen Deutschen sofort in sein Herz, tauft ihn auf den beliebten russischen Vornamen Jura. Er ernennt ihn zum Dolmetscher und Aufklärer. Die Truppe, der 280 Kämpfer angehören, liefert dem Gegner bis April 1942 so erfolgreiche Gefechte, daß sie vom Stab der Westfront im Tagesbericht lobend erwähnt wird. Zugleich wird der Rotarmist Alfred Jura Koenen für Tapferkeit vor dem Feind zum Leutnant ernannt und mit der Medaille "Für Verdienste im Kampf" ausgezeichnet.

Am 3. April werden die Männer um Major Shabo im Dorf Dubrowka von einem gegnerischen Aufklärungsflugzeug entdeckt und Minuten später durch Schlachtflieger angegriffen. Das Haus, in dem Alfred Deckung gesucht hat, erhält einen Volltreffer. Er wird von einem Splitter am Kopf getroffen und verschüttet. Die Genossen bergen ihn, aber die Verwundung erweist sich als lebensgefährlich, so daß er bei einer Bäuerin zurückgelassen werden muß. Da er im Fieberwahn deutsch redet, vermutet die Frau in ihm einen Nazi-Spion.

Für Alfred Koenen entsteht eine bedrohliche Lage. Erst nach Tagen kann der Irrtum aufgeklärt werden. Noch Monate muß Alfred im Partisanengebiet bleiben. Er kann wegen starker Schmerzen, Fieber und erheblich eingeschränktem Sehvermögen nicht mehr im Kampf eingesetzt werden.

Erst im September bringt man ihn nach Moskau zurück. Die Ärzte einer Spezialklinik stellen fest, daß der Splitter den rechten Sehnerv zerrissen hat. Die Mediziner erklären Leutnant Koenen für frontuntauglich. Der 21jährige will sich damit nicht abfinden. So schreibt er an das Verteidigungsministerium, an Wilhelm Pieck und an Walter Ulbricht. Er wird reaktiviert und ab August 1943 - inzwischen ist er Mitglied der KPD geworden - als Dolmetscher im Kriegsgefangenenlager 165 in Taliza eingesetzt.

Am 5. April 1946 beginnt für Alfred Koenen in Halle an der Saale ein neuer Lebensabschnitt. Zunächst hilft er beim Aufbau der Konsumgenossenschaft, als Lagerarbeiter und Buchhalter, schließlich als Kaderleiter. 1952 besucht er eine Parteischule, hat dort ein längeres Gespräch mit einem Genossen der KVP. Wenige Wochen später wird er als Kaderoffizier der KVP-Luft eingesetzt, dann der Nationalen Volksarmee.

1960 tritt er in den diplomatischen Dienst als Gehilfe des Militärattachés der Botschaft der DDR in Moskau ein. Anschließend arbeitet Oberstleutnant Alfred Koenen in der Stadtkommandantur Berlin. Anläßlich des 25. Jahrestages des Sieges der Sowjetunion über den Faschismus wird er durch die Regierung der UdSSR mit dem Orden des Großen Vaterländischen Krieges 1. Klasse ausgezeichnet. Er stirbt am 25. September 1995 in Berlin.

Günter Freyer


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

1941: Alfred (unten rechts) und Viktor Koenen (unten links) im Kreis sowjetischer Aufklärer

Raute

Als einer "von ganz oben" jungen Druckern Rede und Antwort stand

Der besondere Gast

Anfang der 50er Jahre war in der FDJ immer etwas los, und wenn wir nur mal mit einem Betriebs-LKW zum Baden nach Grünau fahren durften. Werners FDJ-"Haufen" war inzwischen durch den ständigen Zustrom an jungen Menschen im Betrieb beträchtlich angewachsen. Da er sich stets etwas einfallen ließ, beteiligten sie sich ebenso aktiv wie wir "Alten", weil es einfach Spaß machte, nicht aber weil wir eine "kommunistische Zwangsjugend" waren, wie ich es jüngst wieder in einer dieser Talkshows vernahm.

Es gab nur wenige Junge, die nicht mitmachten, es aber meist gerne getan hätten, wenn der elterliche Einfluß nicht in umgekehrter Richtung gewirkt hätte. Da galt dann Mutters: Laß bloß die Hände von der Politik!

Weil der "Haufen" aber inzwischen so groß geworden war, erwies es sich als notwendig, Untergruppen zu schaffen. Strukturieren nannte man das. Jetzt gab es eine FDJ-Leitung. Werner blieb der "Oberhäuptling", und ich erhielt den "FDJ-Auftrag" (das waren schon neue Töne), in der Abteilung Druck, eine eigene Gruppe zu bilden, was ich mit Feuereifer in Angriff nahm. Nur wie?

Räumlichkeiten waren dafür nicht vorhanden, also mußte ich mir etwas einfallen lassen. Im größten Drucksaal befand sich am Ende eine geräumige Toilette, die aber infolge defekter Abflußrohre nicht genutzt werden konnte. Vom Betriebsgrafiker, den es jetzt gab, um die ständig benötigten Transparente mit Losungen wie "Für Einheit und gerechten Frieden!" (die von der Sowjetunion und DDR-Politikern trotz der vollzogenen Bildung zweier deutscher Staaten immer noch propagiert wurde) anfertigen zu können, besorgte ich mir einen Eimer, weiße Farbe, Malerbürsten, blauen Fahnenstoff und Reißzwecken.

Mit meinen FDJodlern (wie man uns auch nannte) richteten wir das erwähnte Klo "FDJ-gemäß" her, bestimmten den Gründungstermin, holten Stühle aus dem Speisesaal herbei, und es konnte losgehen. Werner sagte mir, es sei ihm gelungen, einen Vertreter vom FDJ-Zentralrat als Gast zu gewinnen. So jemand war damals noch ein "hohes Tier", da wir die in uns steckende Obrigkeitshörigkeit aus Nazizeiten keineswegs bereits abgelegt hatten. Der Eingeladene erschien tatsächlich.

"Freundschaft, Freunde", sagte ich zur Eröffnung unserer ersten Versammlung auf dem "FDJ-Scheißhaus", wie es von den Nörglern und Miesmachern älterer Jahrgänge bezeichnet wurde. Ich benutzte den offiziellen Gruß und die FDJ-Anrede. Daran konnte nichts Schlechtes sein. Dann kam ich angesichts des hohen Gastes ins Stottern und konnte nur noch stammeln, daß wir ihn aus Anlaß der Gründung einer FDJ-Gruppe der Abteilung Druck herzlich begrüßten. Ich erteilte ihm "das Wort für seine weiteren Ausführungen", obwohl der Jugendfreund noch keinen einzigen Piep von sich gegeben hatte. Der fühlte sich total überrumpelt, während ich mich mit hochroten Ohren hinsetzte und ins Wesenlose starrte.

Der Vertreter des Zentralrats erhob sich, sah auf mich samt roter Ohren herab und begann zu sprechen, indem er ebenfalls sagte: "Freundschaft, Freunde!" Damit hatte er erst einmal gleichgezogen und eine Brücke zu uns geschlagen. Wir waren nicht mehr als acht FDJler. Schnell spürten wir, daß der Gast offenbar gar nicht "von oben" kam, sondern so sprach, wie ihm der Schnabel gewachsen war. Er beglückwünschte uns zur Bildung der Gruppe, meinte aber zugleich, daß wir damit nicht etwa ein "Privatverein" seien, sondern nur eine von Tausenden Basiseinheiten des Jugendverbandes. Er erläuterte uns das FDJ-Statut, wonach jeder junge Mensch, gleich welcher Konfession oder Weltanschauung, Mitglied sein könne. Es gelte, die Grundrechte der Jugend auf Arbeit, Bildung, Erholung und Freizeit in ganz Deutschland durchzusetzen. Unsere Zustimmung erhielt er durch Kopfnicken. Dann sprach der "Referent" über die Notwendigkeit des Kampfes für die Bewahrung der deutschen Einheit, und zwar trotz der Existenz zweier Staaten. Es gehe zugleich um einen gerechten Friedensvertrag, den die Sowjetunion immer wieder von den Westmächten fordere. Der Gast erklärte uns die wesentlichen Unterschiede zwischen Kapitalismus und Sozialismus und was das westliche Gerede von "Frieden in Freiheit" auf sich habe.

All das hatten wir zwar ständig in den Zeitungen lesen und im Radio hören können, doch der Vertreter des Zentralrats machte deutlich, daß man die Dinge stets im Zusammenhang betrachten müsse. Kurzum: Der "von oben" hielt eigentlich keine Rede, sondern unterhielt sich mit uns, so daß wir gar nicht merkten, wie wir in eine Diskussion mit ihm gerieten. Sie selbst anzustoßen, hätten wir uns damals nie und nimmer getraut. Auch in späteren Jahren machten viele nicht den Mund auf, wenn ein "Hoher" mit seiner wohlformulierten Rede fertig war.

Doch unser Gast war ein Fuchs. Er brachte uns sozusagen von hinten herum zum Sprechen, wovon wir dann auch regen Gebrauch machten, bis plötzlich jemand an die Tür hämmerte und rief: "Ick muß mal schei...!" Wütend griff ich als Kleinster nach der Klinke, doch der Schreier war weg. Solche Typen haben uns in all den Jahren begleitet, und es wird sie wohl immer und überall geben.

Eines hatte der Brüller erreicht: In unserem Dialog war ein Bruch entstanden. Der vom Zentralrat scherte sich nicht darum und meinte nur: "Wenn Ihr wollt, werde ich mich erst mal vorstellen." Dann begann er, aus seinem Leben zu erzählen. Manches davon habe ich vergessen, anderes jedoch behalten. In einem kommunistischen Elternhaus aufgewachsen, war er unter Hitler in den Krieg eingezogen worden und sollte an der Ostfront Jagd auf "Bolschewisten" machen, mit denen Nazi-Außenminister Ribbentrop noch kurz zuvor einen Nichtangriffspakt abgeschlossen hatte. Da ihm zutiefst zuwider war, Menschen umzubringen, tat er, was ihm sein Vater geraten hatte: Bei der erstbesten Gelegenheit, einem Spähtrupp, lief er zu den "Russen" über, die ihn zunächst gefangennahmen. Nach Klärung seines Falles wurde er für einen Einsatz ausgebildet und kämpfte dann auf Seiten der Roten Armee, wie viele andere anständige Deutsche, gegen die Faschisten. Dabei hatte er Glück: Zwar wurde er in Abwesenheit von der Nazi-Justiz zum Tode verurteilt und an der Front verwundet, überlebte aber und reihte sich nach dem Krieg sofort bei denen ein, die ein besseres Deutschland aufbauen wollten.

Die Einzelheiten, die der Gast berichtete, empfanden wir als so spannend, daß wir gar nicht wahrnahmen, wie die Zeit verging. So war es bestimmt eine der längsten Gründungsversammlungen, die je in einer FDJ-Gruppe stattgefunden haben.

Nur eine Woche später funktionierte seltsamerweise das defekt gewesene Klosett wieder, so daß es auch der Schreihals benutzen konnte. Wer dieser allerdings gewesen ist, haben wir nie herausbekommen.

Unser "hoher Gast" hieß übrigens Heinz Keßler. Es handelte sich haargenau um jenen erprobten Antifaschisten, der nach dem Tod des Spanienkämpfers Heinz Hoffmann Verteidigungsminister der DDR wurde, obwohl er die militärische Laufbahn überhaupt nicht hatte einschlagen wollen. Doch die Zeiten waren ja inzwischen ganz andere geworden.

Klaus J. Hesse, Berlin

Raute

Ein Antifaschist, der unter Adenauer fünf Jahre im Zuchthaus saß

Unvergessener Jupp Angenfort

Unser Freund und Genosse Josef "Jupp" Angenfort ist am 13. März gestorben. Wenn einer wie er geht, hinterläßt das eine Lücke, die nicht zu füllen ist. Unser Mitgefühl gilt seinen Angehörigen - zusammen mit ihnen und mit seinen Genossinnen und Genossen werden wir Jupps Weg weitergehen.

Jupp wurde 1924 in Düsseldorf geboren. Von den deutschen Faschisten in den Krieg gehetzt, erfuhr er, daß die Menschen in der Sowjetunion ganz anders sind, als die deutsche Propaganda dem Volk mit allen raffinierten Methoden vorlog.

Er traf bei seiner Gefangennahme auf sowjetische Soldaten, die ihn nicht erschossen. Er begegnete einem, der sich mit ihm in deutscher Sprache über den Philosophen Feuerbach unterhalten wollte. Überdies stellte sich ihm ein sowjetischer Major in einer auf deutsch geführten Unterhaltung als Jude vor, dessen Frau von den Faschisten erschossen worden war. "Vielleicht werden Sie das heute nicht mehr so verstehen. Damals war es für mich von größter Bedeutung, denn am ersten Tag der Kriegsgefangenschaft brach das ganze Lügengebäude zusammen, mit dem man uns in den Krieg und in die Schlacht gejagt hatte", sagte er später seinen Richtern. 1949 kehrte Jupp in seine Heimatstadt Düsseldorf zurück, wurde Mitglied und bald darauf Vorsitzender der Freien Deutschen Jugend in Westdeutschland. 1951 wurde er für die KPD der jüngste Landtagsabgeordnete in Nordrhein-Westfalen.

Die FDJ im Westen beteiligte sich 1951 an der Vorbereitung einer Volksbefragung zur Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. Am 24. April 1951 erging ein Verbotsbeschluß der Bundesregierung, der die Volksbefragung gegen Remilitarisierung, deren Ausschüsse sowie vier namentlich genannte Organisationen, darunter die VVN und die FDJ, beschuldigte, einen "Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung" zu unternehmen bzw. sich gegen diese zu richten; sie seien "daher durch Artikel 9 Absatz 2 GG verboten". Seine Immunität als KPD-Landtagsabgeordneter in NRW konnte Jupp Angenfort im März 1953 nicht vor der Festnahme durch die Sicherungsgruppe Bonn des Bundeskriminalamtes bewahren. Er wurde wegen Hochverrats angeklagt und vom Bundesgerichtshof wegen "Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens", wegen "Geheimbündelei" und Rädelsführerschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung zu 5 Jahren Zuchthaus (!) verurteilt. Gegen ihn richtete sich wohl das erste Zuchthausurteil eines bundesdeutschen Gerichts wegen einer politisch motivierten Straftat nach 1945. Es handelte sich um das höchste Strafmaß, das überhaupt in dieser Zeit gegen Kommunisten verhängt wurde.

Als man ihn im Februar 1962 erneut festnahm, entwich Angenfort auf einem Gefangenentransport, ging in die Illegalität und begab sich später in die DDR. Nach der Gründung der DKP im Jahre 1968 reiste er mehrfach illegal zu Parteiveranstaltungen in die Bundesrepublik ein. Dabei wurde er 1969 verhaftet, jedoch am 25. April d. J. wieder auf freien Fuß gesetzt.

Lange Jahre war Jupp Angenfort Mitglied der illegalen Leitung der KPD, dann Präsidiumsmitglied der DKP. Von 1988 bis 2002 war er Landesvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA). Bis zu seinem Tode war er einer ihrer Sprecher in Nordrhein-Westfalen und Mitglied des Bundesausschusses.

Für uns jüngere Düsseldorfer Antifaschisten war Jupp immer da, wenn es darum ging, Solidarität zu üben oder irgendwo Druck zu machen, damit eine Naziaktivität unterbunden werden konnte.

Jupp, du wirst fehlen!

Koordinierungskreis antifaschistischer Gruppen aus Düsseldorf und Neuss

Raute

Ein betagter Berliner Klinikpatient schrieb an Merkels Gesundheitsminister

Dorn sticht Rösler

Sehr geehrter Herr Minister Dr. Rösler,

eigenes Erleben und kritisch-prüfendes Überdenken der von Ihnen vertretenen Gesundheitspolitik veranlassen mich zu diesem Brief. Ich stehe im 84. Lebensjahr. Schwierige Umstände, die mit dem Gegenstand dieses Briefes nichts zu tun haben, zwangen mich zu einer chirurgischen Behandlung im Helios-Klinikum Berlin-Buch in drei Etappen, zusammen ca. 13 Wochen. Sie gab mir die Möglichkeit, den offiziell verkündeten gesundheitspolitischen Standpunkt mit der Wirklichkeit zu vergleichen. Zwischen beiden klaffen Welten.

Meine Kritik richtet sich nicht gegen die ärztlichen oder pflegerischen Dienstleistungen. Die waren hervorragend. In jeder Phase der Behandlungen incl. der notwendigen Operationen wurde ich nicht nur genau informiert und in die erforderlichen Behandlungsabläufe einbezogen, sondern immer mit größter Freundlichkeit und dem gewünschten Verständnis medizinisch gepflegt und versorgt.

Wenn man im Helios-Klinikum aufgenommen wird, erhält man entweder gleich oder später auf der Station ein Armband aus Plaste, auf dem neben Namen und Geburtstag auch "Fall-Nr." registriert ist. Es folgt eine achtstellige Ziffer. Nun kann ich ja verstehen, daß in einem Haus mit rund 1100 Betten, in dem man sich auch verlaufen kann, ein solches Armband ein Hilfsmittel für das Personal ist.

Dem Mitdenkenden fällt aber auf: Ich bin hier nicht Patient, sondern ein "Fall", bei dem die "Ziffer" wichtig ist. Da stellt sich einem doch die Frage, ob man sich möglicherweise in der Hausnummer geirrt hat, zumal sich direkt neben dem Klinikum eine Justizvollzugsanstalt befindet. Und es wird einem bewußt, daß man - gewissermaßen katalogisiert - eigentlich wie eine handelsübliche "Ware" mit Code in einem Versandhauskatalog einsortiert ist. Gesundheit als "Ware"? Da fällt einem unwillkürlich Artikel 1 des Grundgesetzes ein: "Die Würde des Menschen ist unantastbar."

Nun könnte man meinen, daß es sich hier nur um Formalien, aber nicht um reale Sachverhalte handelt. Weit gefehlt. Den scheinbaren Verwaltungsakt erlebt man zunächst sehr lebensecht bei der Krankenverpflegung. Die wird vom Frühstück über das Mittagsessen bis zum Abendbrot für die 1100 Betten des Helios-Klinikums in Bottrop produziert, in Folie verpackt, mit großen Lastzügen durch ganz Deutschland gekarrt und schließlich in Berlin aufgewärmt an die Patienten verteilt. Dementsprechend schauderhaft schmeckt sie auch. Ich kann die Qualität und Quantität des Naturalieneinsatzes nicht beurteilen, aber bin bei früheren Krankenhausaufenthalten nie mit solch erbärmlichem "Futter" versorgt worden. Ich weiß, daß es Ihrer liberal-freiheitlichen Auffassung widerspricht, aber wenn ich etwas zu entscheiden hätte, würde ich die dafür Verantwortlichen zwei Probewochen lang nur damit verpflegen lassen. Ich habe allein bei meinem letzten 4-Wochen-Aufenthalt 5 Kilo Gewicht verloren. Selbst wenn ich das noch tolerieren könnte, finde ich aber die weiteren Wirkungen unverantwortlich. Ich konnte fast täglich beobachten, in welchen Mengen auf solche Weise dargebotene Lebensmittel einfach in den Abfall wandern.

Kürzlich stellte die UNO in einem Bericht bedauernd fest, daß das angestrebte Ziel, die Zahl weltweit Hungernder zu halbieren, nicht nur verfehlt wurde, sondern daß deren Zahl sogar noch um mehr als 200 Millionen auf über 1 Milliarde Menschen gestiegen ist. Allein von dem, was in dem genannten Klinikum täglich an Lebensmitteln vernichtet wird, könnte man ein ganzes Dorf in Afrika (natürlich nicht in dieser Machart) sehr gut versorgen. Ständig wird dem Bürger eingebleut, wie sehr er mit seinem Auto, seiner Heizung oder seinen Glühlampen dazu beiträgt, die Umwelt zu belasten. Und hier transportiert man die schlecht zubereitete Verpflegung täglich Hunderte Kilometer weit.

Wie viele giftige Gase werden da wohl in die Umwelt geblasen? In Berlin-Buch gibt es außer dem genannten Klinikum noch zahlreiche andere Kliniken. Ich kann die Gesamtzahl der dort bereitstehenden Betten nicht benennen, schätze aber, daß es zusammen mindestens noch einmal 1000 sein müßten. Woher bekommen die dortigen Patienten denn ihre Verpflegung? Auch aus Bottrop? In dieser unsäglichen Qualität und zu diesen Bedingungen? "Es muß sich ja rechnen!", lautet der marktwirtschaftliche Standpunkt.

Ich weiß, daß es im Gesundheitswesen allerorten finanziell mangelt. Über 500 Milliarden Euro konnten für die Mißwirtschaft der Banken lockergemacht werden! Was kostet uns täglich der von der Mehrheit der Bundesbürger abgelehnte Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan?

Wäre es nicht Ihre politische Pflicht, als Gesundheitsminister gegen diese unsinnige Verschleuderung der durch Steuern aufgebrachten finanziellen Mittel des Staates einzuschreiten und dafür mehr Gelder für die Volksgesundheit zu verlangen?

Ganz schlimm wird es aber, wenn diese Gesundheitspolitik den medizinischen Bereich erfaßt. Ich schildere Ihnen einfach mal, wie sich das mir als Patient darstellt: Der verantwortliche Stationsarzt führte morgens um 7.30 Uhr die Visite durch, beschaute sich die Wunde und legte fest, daß er einen Vakuumverband anlegen müsse. Der Tag verstrich, den ganzen Vormittag hatte der Arzt Stationsdienste, danach war er mehrere Stunden im Operationssaal, gegen Abend vermutete ich, daß es mit dem neuen Verband wohl nichts mehr werde. 22.30 Uhr erschien der Arzt und legte ihn mir an schwieriger Körperstelle an, Millimeterarbeit in fast 45 Minuten, die mich zu der achtungsvollen Bemerkung veranlaßte, er sei mit einem Kunsthandwerker zu vergleichen. Gegen Mitternacht erfuhr ich durch Zufall, daß derselbe Arzt noch immer Dienst in der Rettungsstelle leiste. Am folgenden Morgen 7.30 Uhr kontrollierte er dann in seiner Visite das einwandfreie Funktionieren des Verbandes. Fazit: 24 Stunden und mehr im Einsatz. Und wer da meint, daß das eine einmalige Situation gewesen sei, irrt sich gründlich. Diese Belastung ist - wie ich in Erfahrung brachte - auch bei den anderen Ärzten der Station mehrmals in der Woche fast Normalität. Es fehlt einfach an der notwendigen Zahl von Medizinern. Wer soll das verantworten? Besteht da nicht die Gefahr von Fehlentscheidungen wegen Übermüdung? Und das in der Großstadt Berlin! Wie mag es da erst in ländlichen Gebieten aussehen? Niemand sage, daß es sich hier um eine Besonderheit in Kliniken handele und die Situation auf dem "freien Markt" der niedergelassenen Fachärzte ganz anders aussehe. Meine Verfassung nach den Krankenhausaufenthalten veranlaßte meine Hausärztin, mich zu einem Lungenspezialisten zu überweisen. Das war Mitte November. Nach langer Suche in verschiedenen Fachpraxen gelang es mir, einen frühestmöglichen Termin für den 19. Januar zu erhalten. Mehr als zwei Monate Voranmeldung! Ist das noch normal? Ich bin übrigens einer von den "unbelehrbaren Ostdeutschen", doch eine solche Gesundheitspolitik wäre in dem angeblich in Konkurs gegangenen "Unrechtsstaat" DDR undenkbar gewesen.

Hochachtungsvoll

Georg Dorn
Berlin, den 13.12.2009

Raute

Wortmeldungen zur Leserdebatte über Walter Ruges Wahl-Artikel

Gefahr der Beliebigkeit

Ich möchte den Gedanken von Walter Ruge im RF Nr. 146 ("Wenn Wahlen etwas änderten, wären sie schon längst verboten ... ") aufgreifen. Diesem Satz stimme ich voll zu. Um so nachdenklicher bin ich vor zwei Wochen geworden, als sich ein PDL-Genosse folgendermaßen äußerte: "Die Geschichte hat gezeigt, daß sich gesellschaftliche Umwälzungen nicht durch Revolution und Gewalt vollziehen lassen ..., das geht nur durch Wahlen und Regierungsbeteiligungen."

Nun weiß ich nicht, ob dieser Satz Auffassungen der Mehrheit der Mitglieder und des Vorstandes der PDL entspricht. Wenn das so wäre, würde das ja bedeuten, daß die PDL nicht nur die bestehende Parteienlandschaft und deren Wirkungsweise anerkennt, sondern auch mitträgt und unterstützt.

Sie würde sich in dieser Landschaft einrichten, ggf. Koalitionen und somit auch (faule!?) Kompromisse eingehen. Die Gefahr besteht, daß die PDL dadurch mittelfristig genauso beliebig wird wie andere Parteien auch. Als Beispiel kann man sich die SPD anschauen. Sie hat die letzten Jahrzehnte mit Schwarz, Gelb und Grün koaliert. Was ist dabei herausgekommen? Sie besitzt kein eigenes Profil mehr, schon gar nicht das einer Arbeiterpartei! Logischerweise laufen ihr Wähler wie Mitglieder weg. Die SPD hat mit den Grünen "Hartz IV" beschlossen und Veräußerungsgewinne steuerfrei gestellt.

Was sind die Folgen dieser Politik? Breite Bevölkerungsschichten verarmen, leben "von der Hand in den Mund". Viele müssen sich durch "1-Euro-Jobs" ausbeuten und erniedrigen lassen. Die Krönung des Ganzen: Arbeitslose werden zu "Praktika" verpflichtet und müssen ohne Bezahlung in gewinnorientierten Unternehmen arbeiten.

Da reibt sich der Kapitalist die Hände. Natürlich stellt er nun keine Menschen mit Arbeitsvertrag mehr ein. So werden - staatlich gelenkt - Arbeitsplätze vernichtet.

Durch die steuerfreien Veräußerungsgewinne hat die SPD die Tore für weltweit operierende Hedgefonds-Gesellschaften ("Heuschrecken") geöffnet.

Bekanntlich verfolgen diese Fonds nur ein Ziel: In kürzester Frist maximalen Profit zu "erwirtschaften". Die Konsequenzen sind verheerend. Besser hätten das die Schwarz-Gelben auch nicht hinbekommen! Unter der sogenannten großen Koalition wurde die gleiche unsoziale Politik weitergeführt. Was ändern nun Wahlen, wenn die jeweils gewinnenden Parteien nur dem System dienen, das vom Kapital und den großen Lobbyverbänden beherrscht wird?

Zweites Beispiel: die Grünen. Bei denen ist die Entwicklung ähnlich verlaufen. Anfang der 80er Jahre waren sie eine Alternative zur schwarzen Politik in der BRD. Sie hatten recht klare Standpunkte und nachvollziehbare Ideale. Viele von ihnen machen inzwischen gemeinsame Sache mit den Gegnern von einst und steigen mit diesen im Saarland sogar ins Koalitionsbett.

Um solcher Beliebigkeit entgegenzuwirken, muß die PDL klar Schiff machen und eindeutige Positionen beziehen. Wenn sie das im künftigen Programm täte - auch in bezug auf Marx, Engels und Lenin - würde sie sicher manche halbherzigen Mitglieder verlieren, aber mindestens ebenso viele bessere hinzugewinnen.

Heiko Wittich, Landkreis Güstrow


*


Zu einseitig gesehen?

Der Beitrag von Walter Ruge macht mich nicht sehr glücklich. Natürlich ist es richtig zu sagen, daß Wahlen nicht über die Machtfrage entscheiden. Aber es könnte beim Leser die Meinung gestärkt werden, daß der Kampf für ein demokratisches Wahlrecht (geheim, gleich, direkt) in der deutschen Arbeiterbewegung keine oder nur eine geringe Rolle gespielt hat. Das Gegenteil ist der Fall. Es gehört zu den wichtigsten Forderungen ihrer frühen Periode. Galt nicht der Widerstand der marxistischen Sozialdemokratie dem reaktionären Drei-Klassen-Wahlrecht? War es bedeutungslos, daß Karl Liebknecht ausgerechnet im Potsdamer (!) Wahlkreis gewann? Wenn die alte Sozialdemokratie das feierte, dann zu Recht, galt es doch, die Tribüne des Parlaments im Klassenkampf zu nutzen. Die Linken der SPD haben das Ziel einer demokratischen Republik stets mit ihrem Einsatz für das Wahlrecht verbunden, wobei auch die Erkämpfung des Frauenwahlrechts eine große Rolle spielte.

Handelte Rosa Luxemburg auf dem KPD-Gründungsparteitag etwa falsch, als sie vorschlug, die Wahlen zur Weimarer Nationalversammlung nicht zu boykottieren? Bekanntlich stimmten die Delegierten dann überwiegend doch für den Boykott. Das war ein Fehler.

Als die KPD bei den Novemberwahlen 1932 nicht weniger als 100 Reichstagssitze bei fast sechs Millionen Stimmen errang, war das ein Riesenerfolg. Blieb er deshalb bedeutungslos, weil man die Präsidialdiktatur dadurch nicht kippen und Hitler nicht verhindern konnte?

Als 1946 die SED in allen Ländern der damaligen Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) fast 50 % der Stimmen erhielt, festigte das die im Entstehen begriffene antifaschistisch-demokratische Ordnung. Sind heute kommunistische Wahlerfolge etwa deshalb wertlos, weil sie die Machtverhältnisse nicht ändern?

Daß es revisionistisch ist, allein durch Wahlen zum Sozialismus gelangen zu wollen, steht außer Zweifel. Deren Stellenwert muß immer historisch konkret betrachtet werden. Zu keinem Zeitpunkt war es Kommunisten egal, in welcher Staatsform (Faschismus oder bürgerliche Demokratie) das Kapital seine Macht ausübte. Es geht, kurz gesagt, um die recht komplizierte Dialektik von Reform und Revolution.

Vielleicht sieht Genosse Walter Ruge die Sache doch zu einseitig.

Dr. Peter Fisch, Dresden

Raute

Über das "Betriebsklima" in kapitalistischen Konzernen

Karneval der Eitelkeiten

Als Wachmann kommt man viel herum. Man arbeitet immer wieder in anderen Betrieben, lernt deren Mitarbeiter und Kunden kennen, so daß man bald ein Gespür für das dort herrschende Betriebsklima bekommt. Oft genug denkt man sich seinen Teil dabei.

Ab und zu muß ich Dienst in einer Fabrik in Berlin-Neukölln leisten. Es ist ein altehrwürdiges Unternehmen, welches schon in der Kaiserzeit gegründet wurde. Ich fahre übrigens ungern dorthin. Das Betriebsklima, um bei dem Wort zu bleiben, ist mir schon lange nicht mehr fremd. Und den Teil, den ich mir dazu denke, will ich hier erzählen.

Habe ich Nachtdienst, erlebe ich die Arbeiter, die in diesen Stunden ihre Schicht leisten. Sie sind fast alle sehr nett, geradeheraus und unkompliziert. Mit ihnen fühle ich mich wohl. Wir machen Späße, unterhalten uns und finden schnell Zugang zueinander. Doch irgendwann kommt der Morgen. Dann erscheinen so nach und nach die Damen und Herren der Verwaltung. Von meiner Empfangskabine aus habe ich gewissermaßen einen Logenplatz auf dem Karneval der Eitelkeiten.

Gegen 7 Uhr zeigt sich der Produktionsleiter. Er hechtet jedesmal fast atemlos aus seinem Wagen und stürmt sofort in das Hauptgebäude, dann in die Werkhallen oder umgekehrt. Schließlich kommt bald der Direktor! Irgendwie wieselhaft und beflissen hastet er durch die Räume. Anweisungen oder Kritik erteilt er meist nur, wenn er möglichst viel Publikum hat. Denn darum geht es ihm: Jede Geste, jedes Wort muß irgendwie die eigene Wichtigkeit unterstreichen. So sind diese stets hochtrabend, laut und oft verletzend. Dieses Bad in der Bedeutsamkeit des Ego scheint wie eine Kur für ihn zu sein.

Erscheint der Direktor, dann wird der recht große Mann plötzlich sehr klein. Aber er ist keineswegs weniger aufgeregt. Könnte irgend etwas das göttliche Auge stören? Hat er ein Detail übersehen? In der Regel geschieht gar nichts. Der Direktor verschwindet wortkarg in seinem Büro, und der Produktionsleiter sinkt fast in sich zusammen. Puuh, ich habe alles richtig gemacht! Der Herr Direktor ist wieder sehr zufrieden mit mir! Ein Moment der Teilhabe an seiner Gnade.

Aber manchmal wird der Ärmste doch ins Büro des Chefs gerufen. Danach kommt er mit hochrotem Kopf wieder heraus und sucht sich ein Opfer, an dem er Wut und Enttäuschung über die eben empfangene Kritik auslassen kann. Die Suche dauert nicht lange. Arbeiter gibt es ja im Betrieb genug.

Das Bedürfnis, dem Direktor zu gefallen, kann durchaus tragikomische Züge annehmen. Neulich parkte zum Beispiel ein Auto auf dessen Parkplatz. Panik brach aus, nacktes Entsetzen! Die Telefondrähte glühten. Der arme Produktionsleiter stürmte durch die ganze Fabrik. Der Übeltäter, ein unwissender Fremdhandwerker, mußte sein Fahrzeug unverzüglich entfernen. Gipfel des Ganzen: Der Direktor weilte gerade für mehrere Wochen im Winterurlaub weit weg von Neukölln.

Als der alte Herr Direktor, dem man morgens sogar die Tür aufhalten sollte, in den Ruhestand ging, verzichtete sein Nachfolger auf derlei Rituale. Fast eine Revolution!

Das Klima des Buckelns und Tretens setzt sich natürlich in der Verwaltungshierarchie weiter fort. Es ist ansteckend. Die Sekretärin ist eine heilige Instanz, denn nur über sie erreicht man den "Alten". Die Personalchefin, ein knorriges Verwaltungsurgestein, das wahrscheinlich schon in der "Kaiserzeit" dabei war, ist sowieso der Meinung, nur sie allein arbeite überhaupt und sämtliche Verwaltungsdamen und -herren zusammen seien stets darauf bedacht, jedes kleine Privileg, jeden Aufstieg auch irgendwie nach außen sichtbar zu machen.

Eifersüchtig werden eingeübte Spielregeln gepflegt. Von einer bestimmten Position an holt man dem Betreffenden die Zeitung - der tut das nicht mehr selbst. Die Post muß dem dann von der Empfangsloge gebracht werden, auch wenn man sowieso an ihr vorbeigeht und das Büro gleich nebenan liegt. "Untergebene" zu grüßen ist ein Zeichen der Gnade, nicht aber der Höflichkeit. Jeder verteidigt seine kleine Welt und ist dankbar, daß es immer noch jemanden gibt, den man als unter sich stehend betrachten kann. Muß in dieser Richtung getreten werden, findet sich bestimmt ein Opfer. Nicht selten erwischt es am Ende die nette türkische Reinemachefrau oder eben auch mal den Pförtner. Oft frage ich mich, ob solche Leute ihre Mitmenschen überhaupt noch sehen, da sie doch mit ihren Statussymbolen allzu sehr beschäftigt sind.

Nachts gegen halb fünf kommt stets ein alter Mann. Er bringt die Zeitungen für jene, welche sich nicht mehr selbst um sie bemühen wollen. So bessert er seine schmale Rente auf. Das macht er seit vielen Jahren. Die Zeitungsempfänger kennen weder seinen Namen, noch wissen sie, daß er daheim eine todkranke Frau hat, die eine Chemotherapie erhält. Er raucht gern Zigarre. Kommt er mal später und man riecht morgens noch den Qualm, hagelt es Kritik. Auch der alte Herr Direktor rauchte. Er wurde dafür nie kritisiert, aber sicher waren seine Zigarren auch viel edler!

Ich frage mich oft, in was für eine Welt wir da vor 20 Jahren hineingestoßen wurden. Jeder Schüler oberer Klassen in der DDR kannte Heinrich Manns Buch "Der Untertan". Die Hauptfigur Diederich Heßling erschien mir damals wie ein Witz, ungefähr so zeitgemäß wie ein Spinnrad. Heute habe ich den Eindruck, als würde ich in einer Welt voller Diederich Heßlings leben. Und so lächerlich und erbärmlich sie auch wirken, so mächtig sind sie leider auch. Noch jedenfalls.

Mit einem gewissen Sarkasmus muß ich daran denken, daß es häufig solche Menschen waren, die uns vor 20 Jahren etwas vom "aufrechten Gang" erzählten, den es zu erlernen gelte. Was für eine Ironie!

Ein Mann wie der hier geschilderte Produktionsleiter in der Neuköllner Fabrik hätte in einem volkseigenen Betrieb nicht lange so weitermachen können. Dazu waren unsere Arbeiter viel zu stolz. Ihr Selbstbewußtsein wurde zusammen mit ihren Arbeitsplätzen von der Treuhand politisch gewollt zerstört. Denn klassenbewußte Arbeiter sind für die Bourgeoisie gefährlich. Was mich betrifft, so werde ich bescheiden das Meine dazu beitragen, diese Gefahr wieder aufleben zu lassen.

Ulrich Guhl

Raute

Wie Kiechles Staatssekretär im Osten durch den Kakao gezogen wurde

Gelächter über die "dritte Garnitur"

Es war zu jener Zeit vor 20 Jahren, als sich die letzte "DDR"-Volkskammer und die "DDR"-Regierung de Maizière (beide waren mit der DDR inhaltlich nicht mehr identisch und begingen durch ihr Votum für den Anschluß Landesverrat - d. R.) mit der alten BRD gerade zu "vereinigen" beschlossen hatten. Zuvor waren in Ostdeutschland zahlreiche Organisationen, Vereine und Verbände entstanden, die sich nun nach dem 3. Oktober wieder auflösen mußten. Dazu zählte auch der "Bauernverband der DDR". In ihm hatten sich die fünf Landesbauernverbände Ostdeutschlands zusammengefunden. Von den Organisatoren wurde die Veranstaltung, auf der ganz "demokratisch" die Auflösung verfügt werden mußte, ausgerechnet für den 22. Dezember nach Dahlenwarsleben in der Börde einberufen. Als verantwortlicher Landwirtschaftsredakteur beim ADN traf es mich, dort hinzufahren und darüber zu berichten.

Als ich ankam, war der Saal der örtlichen Genossenschaft schon gut besetzt. Vor allem LPG-Vorsitzende, VEG-Direktoren, aber auch andere Vertreter der grünen Branche hatten Platz genommen. Etwa 200 Mann faßte der Raum. Die Verbandsleitung hatte - aus welchem Grunde auch immer - den Präsidenten des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommerns, Harald Röpke, mit der Leitung der Versammlung beauftragt. Dieser war ein Kerl wie ein Baum, etwa Ende vierzig, mit wallendem Vollbart. Er besaß in Löcknitz (Vorpommern) einen landwirtschaftlichen Betrieb. Vor den Versammelten war das Präsidium aufgebaut. Es bestand aus etwa sieben bis acht Leuten, unter ihnen Staatssekretär Scholz aus dem Bonner Landwirtschaftsministerium des CSU-Mannes Ignaz Kiechle.

Scholz war in den wenigen Wochen seit dem Anschluß im Osten öffentlich kaum in Erscheinung getreten. So kannte er wohl die DDR-Landwirtschaft bestenfalls von links und rechts der Autobahn zwischen Helmstedt und Dreilinden. Röpke begrüßte alle Anwesenden, machte Notwendigkeit, Sinn und Zweck der Zusammenkunft deutlich, berichtete über die bisherige Arbeit des noch so jungen Verbandes und erteilte dann dem Bonner Staatssekretär das Wort. Dieser lobte zunächst die "deutsche Einheit", erläuterte kurz die Landwirtschaft in West und Ost und wies darauf hin, daß man es ja nun mit ganz unterschiedlichen Strukturen zu tun habe. Diese künftig weitgehend anzugleichen müsse besondere Aufmerksamkeit erfahren. Die Worte des Bonner Regierungsmannes wurden mit höflichem Beifall bedacht.

Als sich die Versammlung dann dem Ende näherte, ergriff Harald Röpke noch einmal das Wort. "Der Herr Staatssekretär hat vorhin schon einmal auf die unterschiedlichen Strukturen hingewiesen", sagte er. Das müsse fortan sehr wohl beachtet werden. "Aber, Herr Staatssekretär" - dabei beugte sich Röpke am Rednerpult nach links, um ihn auch deutlich anzusprechen - "wenn Sie zum Beispiel in Bayern die ersten LPG Typ I gründen müssen - wir haben ausgezeichnete Fachleute mit reichen Erfahrungen, die Sie dann unterstützen können."

Nicht enden wollender Beifall erfüllte den Saal, die Teilnehmer brachen in schallendes Gelächter aus. Als sich nach einiger Zeit die Gemüter wieder etwas beruhigt hatten, bemerkte der Mecklenburger Bauernpräsident, indem er sich Scholz erneut zuwandte: "Aber, Herr Staatssekretär, eines können wir Ihnen versichern" - nun herrschte im Saal Totenstille - "wir schicken Ihnen nicht die dritte Garnitur!" Ich dachte, das Dach hebt sich ab. Das spöttische Gejohle war unbeschreiblich und wollte kein Ende nehmen.

Wir etwa sieben oder acht Journalisten hatten im hinteren Teil des Saales an einem runden Tisch Platz genommen. Einige kannte ich von früheren Terminen. Als wir uns bei Röpkes Volltreffern lachend auf die Schenkel klopften und in Tränen ausbrachen, blieben zwei Männer am Tisch seltsam still und blickten verstört um sich. Sie kamen aus Redaktionsstuben in Helmstedt und Hannover.

Friedrich-Karl Helmholz, Berlin

Raute

Abc des Marxismus

Was sind eigentlich Klassen?

Als Augenzeuge der Oktoberrevolution berichtet der amerikanische Kommunist John Reed in "Zehn Tage, die die Welt erschütterten" von einem revolutionären Soldaten vor dem Bahnhof von Zarskoje Selo, den ein Student beschimpft. Geduldig antwortet der Soldat: "Mir erscheint die Sache ganz einfach; aber ich bin ja kein gebildeter Mann. Es gibt nur zwei Klassen, die Bourgeoisie und das Proletariat." Er komme schon wieder mit seinen dummen Phrasen, schrie der Student. Doch der Soldat blieb unbeirrt: "Nur zwei Klassen, und wer nicht auf der einen Seite ist, der ist auf der anderen."

Der Soldat war formell im Irrtum und dennoch hatte er die Wahrheit für sich.

Was sind Klassen? "Als Klassen bezeichnet man große Menschengruppen", schrieb Lenin, "die sich voneinander unterscheiden nach ihrem Platz in einem geschichtlich bestimmten System der gesellschaftlichen Produktion, nach ihrem (größtenteils in Gesetzen fixierten und formulierten) Verhältnis zu den Produktionsmitteln, nach ihrer Rolle in der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit und folglich nach der Art der Erlangung und der Größe des Anteils am gesellschaftlichen Reichtum, über den sie verfügen. Klassen sind Gruppen von Menschen, von denen die eine sich die Arbeit der anderen aneignen kann infolge der Verschiedenheit ihres Platzes in einem bestimmten System der gesellschaftlichen Wirtschaft." (Lenin Werke, Band 29, S. 410)

Man muß die genannten Merkmale in ihrer Einheit betrachten, um zu einer exakten Klassenanalyse zu gelangen. Es gibt demzufolge nicht nur Arbeiter und Kapitalisten, sondern auch die Bauernschaft (im Rußland des Jahres 1917 stellte sie die Mehrheit des Volkes), städtisches Kleinbürgertum und die ebenfalls sozial stark zerklüftete Schicht der Intelligenz, der offenbar jener oben erwähnte Student zuzuordnen war. Außerdem findet man selbst heutzutage in manchen Teilen der Welt noch Feudalherren und Fronbauern, Sklavenhalter und Sklaven und selbst Reste der Urgesellschaft, die noch keine Klassenspaltung kannte. - Doch unter den Klassen gibt es seit mehr als einem Jahrhundert in der Tat nur zwei - die Bourgeoisie auf der einen, die Arbeiterklasse auf der anderen Seite -, welche aufgrund ihrer Stellung in der Gesellschaft fähig sind, zum Führer (Hegemon) des jeweiligen Landes zu werden, das heißt, die Mehrheit der Angehörigen anderer Klassen und Schichten weltanschaulich und politisch auf ihre Seite zu ziehen oder wenigstens zu neutralisieren. Die grundlegenden ökonomischen, politischen und sozialen Interessen dieser beiden Klassen sind unvereinbar (antagonistisch) und können, trotz aller Bemühungen, diese Unvereinbarkeit zu leugnen, nicht überbrückt werden. So hatte also der Soldat von Zarskoje Selo das Entscheidende verstanden. Er wußte, was Bertolt Brecht in die Worte gefaßt hat:

Einer bleibt und einer muß weichen
Entweder ich oder du.
Und was immer ich auch noch lerne
Das bleibt das Einmaleins:
Nichts habe ich jemals gemeinsam
Mit der Sache des Klassenfeinds

RF

Raute

Warum die armen Völker den "reichen Westen" hassen

Der wirtschaftliche Weltkrieg

Unter dem Titel "Der Haß auf den Westen" brachte der Schweizer Soziologe Jean Ziegler im vergangenen Jahr sein neuestes Buch heraus, das unterdessen mit dem internationalen "Literaturpreis für Menschenrechte" ausgezeichnet wurde. Hierbei handelt es sich zweifellos um eine sehr wichtige Veröffentlichung. Ich habe Zieglers Buch mit innerer Erregung gelesen. Unwillkürlich mußte ich dabei an die Worte des Atom- und Quantenphysikers Prof. Hans-Peter Dürr denken, der 2002 in einem Vortrag den Standpunkt vertreten hatte: "Die Menschheit ist nicht vorbereitet, um aus der Zukunft etwas zu machen. ­... Es läuft alles total schief." Ziegler bekräftigte diese Aussage mit seiner faktenreichen Argumentation.

"Wie sich die armen Völker gegen den wirtschaftlichen Weltkrieg wehren", heißt es bei ihm im Untertitel. Zu Recht wird das gegenwärtige Produzieren und Verteilen als "wirtschaftlicher Weltkrieg" bezeichnet, in dem die reichen Länder und großen Konzerne ihren technologischen Vorsprung rücksichtslos nutzen, um die armen weiter in Schach zu halten. Profit ist ein Gesetz ohne Gnade, wies schon Karl Marx nach. Ziegler demonstriert, wohin das letztlich führt: Zu "Konflikten und schwerwiegenden Problemen, obwohl dabei unter Umständen das Überleben der gesamten Menschheit auf dem Spiel steht". In seinem Buch stimmt nach meiner Überzeugung jeder Satz. Es handelt sich um eine gründlich recherchierte, faktenreiche Arbeit ohne jegliche Phraseologie. Eigentlich müßte allen einflußreichen Politikern der Welt ein solches Werk als Pflichtlektüre verordnet werden.

Ich möchte hier lediglich einige Überlegungen vortragen, die mir selbst beim Lesen gekommen sind.

In den Zeiten der systembedingten Finanz- und Wirtschaftskrise müßten die Macher der Politik tiefe Scham darüber empfinden, daß Konzerne und Banken Milliarden-Zuschüsse aus Steuermitteln erhalten, damit sich ihre Bosse wieder zusätzliche Bonuszahlungen genehmigen können, während mehr als eine Milliarde Menschen hungert und im größten Elend vegetiert. Dabei ist die Tendenz der Verarmung trotz aller UNO-Beschlüsse, die Schall und Rauch sind, weiter steigend. Zu den Empfehlungen der Vereinten Nationen gehören "Vorgaben" zur Reduzierung von Umweltgefährdung, Armut, Hunger und Seuchen, zur Versorgung der Menschen mit sauberem Wasser, zur Schaffung besserer Bildungsmöglichkeiten u. a. Fast alle wurden und werden nicht eingehalten. Ist das die Freiheit, von der die Schwarz-Gelb-Rosa-Politiker ständig reden, ohne rot zu werden? Die Situation verschärft sich besonders in den Entwicklungsländern, während die Verursacher der Misere märchenhafte Profite einstreichen. Ohne Zweifel gibt es neben gewinnorientierten Betrügern auch humanitäre Organisationen und Solidaritätsvereine, die unablässig Spenden sammeln, um hungernden und kranken Kindern in den ärmsten Ländern zu helfen, Wasserbohrungen zu finanzieren, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Ich selbst erhalte ständig Appelle der verschiedensten Art. Dennoch reichen solche Gesten oder Bemühungen, selbst wenn sie ehrlich gemeint sind, bei weitem nicht aus, die Armut wirksam einzudämmen. Jean Ziegler schreibt dazu: "Die westliche Weltordnung beruht auf struktureller Gewalt." Anhand akribischer Untersuchungen macht er deutlich, mit welcher Brutalität die Mehrzahl der Völker geknebelt wird. Daran beteiligen sich außer den Plünderern aus dem "Westen" natürlich auch Oligarchen und die schmale Oberschicht der armen Länder. Sie treten nicht nur als Erfüllungsgehilfen der auswärtigen Profitjäger auf, sondern arbeiten natürlich auch in die eigene Tasche.

In der Tat findet ein wirtschaftlicher Weltkrieg beispiellosen Ausmaßes statt. Der "Frontverlauf" ist den meisten Menschen allerdings nicht klar. Die Agenten und Komplizen des internationalen Kapitals werden nicht nur von Geldgier getrieben, sondern auch durch lukrative Jobs angelockt und ihren Auftraggebern verpflichtet.

Vor 20 Jahren hat der Imperialismus einen großen Sieg errungen. Mit der Konterrevolution in den meisten sozialistischen Ländern - der zu zwei Kontinenten gehörenden UdSSR und den mit ihr verbundenen Staaten Europas - wurde ein trotz seiner Defizite in moralischer, politischer und sozialer Hinsicht historisch überlegenes Gesellschaftssystem "zurückgerollt". Es hatte jegliche Ausplünderung von Entwicklungsländern konsequent abgelehnt und ihnen statt dessen im Rahmen seiner zweifellos beschränkten Möglichkeiten eine beachtliche Hilfe gewährt. Die schmerzliche Niederlage des Sozialismus in Europa war keine "einfache Implosion", wie manchmal behauptet wird. Hier hatten Medien und Geheimdienste des "Westens" tüchtig nachgeholfen. Der Kalte Krieg führte am Ende dieser Etappe dazu, daß ein konterrevolutionärer Umschwung Erfolg hatte.

Liest man Zieglers Buch mit all den furchtbaren Schilderungen der kapitalistisch-feudalen Ausbeutung im "Rest der Welt", dann begreift man besser, was Prof. Dürr mit seinem Satz "Es läuft alles total schief" eigentlich gemeint hat. Er betrifft die entwickelten kapitalistischen Länder. In der BRD teilte das Fernsehen im Zusammenhang mit dem Freitod eines bekannten Fußballers mit, daß über fünf Millionen Landesbewohner unter Depressionen leiden, wobei die Dunkelziffer weit höher liegen dürfte. Zu den Hauptursachen dafür gehören ständige Überforderung, Versagensangst und Jobverlust. Auch die zugespitzte Lage auf dem Arbeitsmarkt zeigt Wirkung. Die Studentenproteste gegen reduzierte Einstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten, gegen Studiengebühren und Bildungsprivilegien widerspiegeln diese Situation. In allen "westlichen" Ländern stehen die Kapitalisten unter dem Zwang zu höherer Arbeitsproduktivität, was immer unmenschlichere Anforderungen an die "Mitarbeiter" zur Folge hat. Von ihnen verlangt man die schnelle Beherrschung der neuesten Technologie, von Programmen im Internet, Verhandlungsgeschick und Fremdsprachenkenntnisse. Ein gewaltiger Druck lastet auf den Menschen.

In den entwickelten Industrieländern des Imperialismus geht es den Herrschenden darum, den technologischen Vorsprung zu behaupten, koste es, was es wolle, Kriege eingeschlossen. Nicht zufällig nimmt die BRD im Waffenexport weltweit bereits den dritten Rang ein. An dieser Front sichern sich die führenden Konzerne mit ihrer Konzeption globalen Operierens enorme Extraprofite. Die Armeen der NATO-Staaten sorgen dafür, daß Rohstoffe beschafft und Absatzmärkte erhalten werden.

Der Widerpart des "westlichen" Aggressionspaktes - der friedenssichernde Warschauer Vertrag - besteht seit 20 Jahren nicht mehr. Wogegen soll die NATO demnach antreten? Geht es tatsächlich um Terroristen? Oder wirft man sich hier nicht eher in die Toga eines Weltgendarmen? Die arrogant von NATO und EU erhobenen Forderungen nach "mehr Menschenrechten" in China, Rußland, Iran und anderen Ländern sind pure Heuchelei. Man denke nur an Serbien, Irak und das Wüten der "westlichen" Soldateska in Afghanistan.

All das schürt den "Haß auf den Westen", von dem Ziegler spricht. Das Wissen um die Brutalität des Imperialismus kann die Menschheit, die derzeit darauf nicht vorbereitet ist, dazu führen, aus der Zukunft etwas zu machen.

Dr. Werner Liebig

Unser Autor war stellvertretender RGW-Sekretär für Maschinenbau.

Raute

Der Raub des DDR-Volksvermögens war ein Akt krimineller Gewalt

Treuhänder als Totschläger

Das Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz) vom 17. Juni 1990 ist als Meßlatte an die Tätigkeit der dann vom Bundesfinanzministerium eingesetzten Treuhand anzulegen. Es wurde von der letzten Volkskammer, zu deren Zeiten die Verfassung der DDR noch in Kraft war, beschlossen, obwohl seine Ausarbeitung verfassungswidrig war. Es widerspricht auch dem Grundgesetz der BRD, da eine Enteignung in Gang gesetzt wurde, die besonders dessen Artikel 14 untersagt. Dort heißt es nämlich: "Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig." Hier aber wurde auf dem Wohl des Volkes der noch bestehenden DDR herumgetrampelt.

Laut Gesetz sollte die Treuhand dafür sorgen, die Wirtschaft des Landes wettbewerbsfähiger zu machen. Und was geschah statt dessen? Massenhaft wurden Volkseigene Betriebe (VEB) demontiert und zu einem oftmals "symbolischen Preis" von einer DM "verkauft" oder sogar zu einem Negativpreis vergeben. Dem Staat bürdete man die Sanierungskosten für Betriebe auf, die oft schon wenig später geschlossen wurden. In der Präambel des Volkskammer-Gesetzes heißt es nebulös, aber in der Absicht erkennbar, "daß nach einer Bestandsaufnahme des volkseigenen Vermögens und seiner Ertragsfähigkeit sowie nach seiner vorrangigen Nutzung für Strukturanpassung der Wirtschaft und der Sanierung des Staatshaushalts den Sparern zu einem späteren Zeitpunkt für den bei der Gewährung am 2. Juni 1990 reduzierten Betrag ein verbrieftes Anteilsrecht an volkseigenem Vermögen eingeräumt werden kann".

Demnach bestand das Anliegen nicht darin, das Volk der DDR zu enteignen, wie es dann durch die Treuhand geschah. Es wurden nicht nur Produktionseinheiten privatisiert, sondern auch völlig gesetzeswidrig (gemäß Treuhandgesetz, Einigungsvertrag und Artikel 134/135 Grundgesetz) "das volkseigene Vermögen, das kommunalen Aufgaben und kommunalen Dienstleistungen dient".

So wurden Wasserwerke, Stromversorger, Telefongesellschaften, der Kraftverkehr, Hotels, Medien, Verlage und Kulturstätten, z. B. auch der Berliner Fernsehturm, privatisiert. Der angeblich zur Kontrolle der Tätigkeit der Treuhand geschaffene Bundestagsunterausschuß ist niemals in Aktion getreten. Statt dessen hat sich sein Vorsitzender Christian Neuling (CDU), der zugleich dem Aufsichtsrat der Treuhand angehörte, selbst als Enteigner betätigt. Gemeinsam mit dem CDU-Landesgeschäftsführer Klaus-Herrmann Wienhold gründete er die Firma AUBIS, welche massenhaft kommunale Wohnungen und Grundstücke der DDR zu Spottpreisen an sich riß.

Als im Sinne des Strafgesetzbuches kriminell sind auch die Handlungen der Treuhandchefin Birgit Breuel anzusehen, die u. a. den VEB Esda Strumpfwarenfabrik an eine bei der SMH (Schröder Münchmeyer Hengst) - der früheren Bank ihres Vaters Alois Münchmeyer - seit 1922 hochverschuldete Firma vergab. Übrigens besaß die "große Ökonomin" nicht einmal einen Hochschulabschluß.

Die rechtswidrige Enteignung des Volkes der DDR kannte buchstäblich keine Grenzen. Die finanziellen Zuwendungen, die volkseigene Betriebe nach Recht und Gesetz Einrichtungen wie Schulen und kulturellen Zentren gewährten, wurden unter Verdrehung der Tatsachen über Nacht zu sogenannten Altschulden erklärt. Man wandelte sie im Verhältnis 1:1 in DM um. Sie werden heute mit Zinsen von 11 % pro Jahr durch die Deutsche Kreditbank AG - ein privates Geldinstitut - eingetrieben.

Die Treuhand maßte sich an, bei der Veräußerung kommunaler Grundstücke in völlig illegitimer Weise auch das Baurecht gleich mitzuverkaufen. Sie und ihre Nachfolgeorganisationen BvS, BVVG und BIaM sind dem Bundesfinanzministerium unterstellt.

Ursprünglich wurden sie von Theo Waigels Staatssekretär Horst Köhler - dem heutigen Bundespräsidenten - "kontrolliert". Anders ausgedrückt: Man verzichtete auf jegliche Kontrolle und ließ die Macher vor Ort wie in der Zentrale gewähren.

Würde Herr Schäuble endlich versuchen, den Schleier über diesen kriminellen Operationen nur ein wenig zu lüften, dann brauchte er sich über die "Schulden" der BRD wohl keine Sorgen mehr zu machen. Soll doch der "einzige deutsche Rechtsstaat" einmal zeigen, was er kann und was er wert ist.

Dr. Helga Helena Liebecke, Dresden

Raute

Wie man die Zuschauer in bessere Zeiten zurückversetzen kann

Als Filmvorführer unterwegs

Wenn ich im Auftrag des Vereins, bei dem ich arbeite, in Kindergärten und Schulen mit meiner "Kinotechnik" unterwegs bin und ausgewählte Filme zeige, erlebe ich oftmals die gleiche Reaktion von Erziehern und Lehrern. Sie können aus meinem Angebot Spiel-, Märchen- und Trickfilme wählen. Es handelt sich um Produktionen von den 60er Jahren bis 2008. Die Entscheidung fällt überwiegend für Streifen der DEFA oder sowjetische Filme. Neuere Angebote werden kaum gewünscht und vom erzieherischen wie vom Unterhaltungswert als nicht so positiv eingestuft.

Beim Zeigen der DEFA-Spielfilme, besonders jener aus den späten 70er und 80er Jahren, kann ich regelrecht darauf warten, daß sich die inzwischen älter gewordenen Pädagogen plötzlich in DDR-Zeiten zurückversetzt fühlen, sich an längst vergessene Ausdrücke, Gesten und Umgangsformen erinnern, an die Herzlichkeit jener Tage - kurz und knapp: an das Leben, wie es war. Das alles bricht dann aus ihnen hervor. Ihnen wird schlagartig bewußt, daß es die Möglichkeit gab, ohne existentielle Angst zu arbeiten und zu wohnen. Bei den Filmen gehen sie richtig mit, lachen unbeschwert, erklären den Kindern Dinge, welche diese zwangsläufig weder kennen noch erfassen können.

Was passiert in diesen anderthalb Stunden mit den Erziehern? Ganz einfach: Sie sind wieder "zu Hause" angekommen, dort, wo sich ein Staat namens DDR entwickelte, der sich ganz neue Ziele setzte, auch wenn am Anfang kaum jemand bereits wußte, wie man so fehlerlos wie möglich beginnen sollte. Ein Staat, in dem es zweifellos so manche Defizite gab, zumal man Neuland betrat und von der ersten Stunde an mächtige Feinde hatte. Nichtsdestotrotz: Die Menschen, denen ich "meine" Filme vorführe, erinnern sich gern an schwere und schöne Jahre.

Wenn das Licht wieder angeht, werden die Zuschauer knallhart in die kalte Gegenwart zurückgerissen. Dennoch freuen mich die Reaktion meines Publikums und die Tatsache, daß die ewige Sauhatz der Medien gegen die DDR nicht alles im Gedächtnis ihrer früheren Bürger auszulöschen vermochte. Genährt wird dieses Gefühl auch, wenn die geringe Eintrittsgebühr, die mein Verein erheben muß, von Eltern, unter denen sich viele Arbeitslose und Bezieher von Kleinsteinkommen befinden, nicht aufgebracht werden kann. In solchen Fällen muß die schmale Klassenkasse oder die Altpapierbörse der Kindergärten solidarisch einspringen. Nun könnten die Leser ja meinen, man sollte einfach weniger Eintrittsgeld erheben. Darauf kann ich nur beunruhigend antworten: Auch uns hat man für diese wertvolle Kulturarbeit die Zuschüsse zusammengestrichen. Die Tendenz weist weiter nach unten. Bisweilen setzen wir sogar eigenes Geld für Treibstoff oder Büromaterial zu, obwohl unser Gehalt mehr als bescheiden ist. Übrigens hat sich die "so schwache und marode" DDR Kultur immer etwas kosten lassen, während die reiche BRD ihre ohnehin knapp bemessenen Fördergelder in engen Grenzen hält. Marx hat recht: Jeder Staat ist das Machtinstrument der herrschenden Klasse.

Andreas Lässig, Waldheim

Raute

NDPD: Trennung der Spreu vom Weizen

Auf dem skandalösen letzten Parteitag der NDPD im Januar/Februar 1990 wurde ein Parteivorstand von selbsternannten "Erneuerern" der Partei gewählt. Die kaum begonnene "Erneuerung" durch diese politischen Scharlatane führte schon 45 Tage später zur Löschung der NDPD aus dem Parteienregister der DDR. Verheerend war für die diesem politischen Kurs folgenden NDPD-"Erneuerer" ihr Ergebnis bei der Volkskammerwahl am 18. März 1990. Die Partei kam bei ehemals 110.000 Mitgliedern lediglich auf 0,38 % der Stimmen mit gerade einmal 44.000 Wählern.

Am 28. März 1990 trat die NDPD dann dem Bund Freier Demokraten - Die Liberalen bei. Die meisten Mitglieder taten diesen Schritt jedoch nicht, wurden Karteileichen oder traten aus. In der letzten NDPD-Parteiführung hatte es Kreaturen gegeben, die für Posten und ein Paar Silberlinge alles verrieten, was an nationalem und demokratischem Gedankengut möglich war. Die NDPD, eine Partei, die sich zum Sozialismus bekannte, endete mit dem Beitritt des Bundes Freier Demokraten - Die Liberalen zur bundesdeutschen FDP in einer Partei des Raubtierkapitalismus. Nur ein Restmitgliederbestand war jedoch zur Vorhutpartei des Unternehmertums - der heutigen Mövenpick-Spender-Partei des Herrn Westerwelle - mitgelaufen.

Ein Kern standhafter ehemaliger NDPD-Mitglieder blieb bei kritischer Sicht auf manche Seiten der DDR-Geschichte dem antiimperialistischen Gründungsanliegen ihrer Partei treu. Da die PDS die einzige ostdeutsche Interessenvertretung und alleinige Antikriegspartei im Bundestag war, entschieden wir uns trotz gewisser Vorbehalte bei den Bundestagswahlen 1994, 1998 und 2002 für deren Unterstützung. Mit ihren Wahlinitiativen und deren Echo in verschiedenen Publikationen sowie unseren inzwischen schon traditionellen Jahrestreffen hinterläßt die NDPD außer der Linkspartei nach der Rückwende zum Kapitalismus als einzige DDR-Partei ihre Spuren in der politischen Öffentlichkeit.

Unser Jahrestreffen 2010 fand wie gewohnt in solidarischem Geist im Berliner Karl-Liebknecht-Haus statt. Als Gesprächspartnerin konnten wir Dr. Gesine Lötzsch, stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion und zu dieser Zeit designierte Parteivorsitzende der Linkspartei, begrüßen. Sie erläuterte den an diesem Tag veröffentlichten Entwurf für ein Programm ihrer Partei, das die demokratische Vergesellschaftung strukturbestimmender Bereiche der Wirtschaft vorsieht. In diesem Zusammenhang verwies sie auf die vom politischen Gegner geschürte Angst der "kleinen Leute" vor der "Enteignung ihres Häuschens".

Die anschließende Aussprache war von einer solidarischen, kämpferischen Atmosphäre gekennzeichnet. Die Rentenbesteuerung und die nach wie vor bestehende Rentenungerechtigkeit Ost-West standen ebenso zur Debatte wie die Aktivitäten der staatlich geduldeten Neonazis.

Enttäuschung wurde über die Medienpolitik der Linkspartei geäußert. Auf der Woge des Erfolgs bei der Bundestagswahl und einigen Landtagswahlen hätte man eine Offensive der "Linken" in der Presse erwarten können. Mit aktuellen Forderungen gegen den drohenden weiteren Sozialabbau unter der schwarz-gelben Koalition wäre der Linkstrend zu fördern gewesen.

Statt den Wahlsieg zu nutzen, wurden indes Personalquerelen in der Parteiführung nicht etwa in Hinterzimmern, sondern öffentlich im ND ausgetragen. Wie können sich kluge Leute der Partei Die Linke gegenseitig attackieren, wenn die vier Kriegs- und Rentenkürzungsparteien des Bundestages zur gleichen Zeit immer noch 88,1 % der Stimmen einfahren?

Dr. Gesine Lötzsch wurde mit herzlichem Beifall verabschiedet, die Tagungsteilnehmer, die ihr Erfolg wünschten, hörten noch die Versicherung Hegels: "Der Maulwurf der Geschichte wühlt unentwegt weiter."

Erhard Lonscher, Berlin

Raute

Merkels Garde der Mantelwender

Im Vorfeld des 20. Jahrestages der Einverleibung der DDR durch die BRD beteiligen sich an der Hexenjagd nicht nur die Medien der Bourgeoisie und eingefleischte Politiker aus dem rechten Stall, sondern auch Wendehälse aller Kragenweiten. An Mantelwendern herrscht in der BRD kein Mangel. Dabei schwingt die "christliche" Kanzlerin Angela Merkel den Taktstock. Stellen wir einige ihrer "Getreuen", die gestern noch die ebenso "Getreuen" anderer waren, kurz vor:

Über Jahre diente ein gewisser Ulrich Junghanns als Wirtschaftsminister und CDU-Landesvorsitzender in Brandenburg. Dieser Frontenwechsler erklärte am 3. Juli 1989 als damaliger Berliner Bezirksvorsitzender der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands: "Was die Mauer betrifft, so lassen wir uns nicht deren Schutzfunktion ausreden - ganz einfach, weil wir den Schutz spüren vor all dem, was hinter der Mauer an brauner Pest wuchert." So konnte man es im "Bauernecho" nachlesen.

Junghanns trat 1974 als 18jähriger in die der SED eng verbundene Blockpartei DBD ein. Nach einer Tätigkeit beim Rat des Kreises Greiz beendete er 1986 ein fünfjähriges Fernstudium an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft in Potsdam-Babelsberg mit dem Diplom eines Staatswissenschaftlers. Er nahm den Weg vom DBD-Kreissekretär in Greiz über den politischen Mitarbeiter im Parteivorstand bis zum Vorsitzenden der Berliner DBD-Bezirksorganisation. 1988 erhielt Junghanns die Verdienstmedaille der DDR.

Ein anderer Charakterdarsteller gleicher Güte ist Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich. Der trat in eine andere mit der SED verbündete Blockpartei - die CDU - ein. Noch 1989 besuchte er einen Lehrgang der erwähnten Babelsberger Akademie, die als Kaderschmiede der DDR galt. Er war dann Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Kreises Kamenz.

Nach heutiger Lesart trat Tillich der DDR-CDU bei, "um Ruhe vor der SED zu haben". Wenn er sich heute nur noch lückenhaft an seine Biographie, darunter Kontakte mit dem MfS, zu erinnern vermag und nach der berühmten Salamitaktik nur scheibchenweise an die Öffentlichkeit gelangte Details zugibt, dann ist seine Scheinheiligkeit ebenso präsent, wenn er Linke attackiert und das politische System der DDR diffamiert.

Dieter Althaus (CDU) war früher Ministerpräsident in Thüringen und ist heute ein Konzernmann. Auch er gehört zur Riege derer, die unter Gedächtnisschwund leiden. Noch im August 1989 forderte er als stellvertretender Leiter der Polytechnischen Oberschule Geismar einen "festen Klassenstandpunkt" ein. Auch er hatte angeblich den "Werbeversuchen der SED" entgehen wollen.

Im November 1989 (!) dachte er in einem Artikel für die Zeitschrift "Unterricht und Erziehung" öffentlich darüber nach, wie man "unsere Schüler die Werte des Sozialismus als moralisch erstrebenswert erkennen lassen" könne. Am 9. November 1989, dem Tag der Öffnung der DDR-Staatsgrenze in Berlin, bat er in einem Schreiben an den Bezirksausschuß für Jugendweihe dringend um die Formulierung "eines zentralen Standpunktes" zu dieser Thematik. Nach dem Herbst 1989 übernahm Althaus die Schulamtsleitung in seinem Heimatkreis. Die Jungen Pioniere; die FDJ und das Unterrichtsfach Staatsbürgerkunde wurden nun durch ihn geächtet. Auch die Durchführung der Jugendweihe in schulischen Räumen untersagte jener Mann, welcher noch Wochen zuvor so leidenschaftlich für sie geworben hatte.

Der schmutzige Schaum der Konterrevolution ... Wie man sieht, sind die Karrieristen der einen immer auch die Karrieristen der anderen. Merkel macht's vor.

Generalmajor a. D. Klaus-Dieter Ölschläger, Homberg

Raute

Pseudochristliche Roßtäuscher operieren mit Zweckoptimismus

Schwarze Zyniker

Auf einem sogenannten kleinen Parteitag der CDU - der Tagung des Bundesausschusses - entstand am 22. März ein sechseinhalb Seiten umfassender Beschluß, der die politischen Realitäten weithin ausblendet. Die "deutsche Einheit" wird schöngeredet, Scheinoptimismus zur Schau gestellt und die CDU als volks- und fortschrittsnahe Partei angepriesen.

Bemerkenswert ist vor allem, wie oft das Wort Freiheit strapaziert wird. Es kommt gleich 15mal vor, meist in fragwürdiger Beziehung zur gesellschaftlichen Wirklichkeit. Freiheit bedeutet das Recht, ohne Zwang zwischen verschiedenen Möglichkeiten wählen zu können. Das setzt voraus, sich frei für eine zu entscheiden. Damit aber haben große Teile der BRD-Bevölkerung enorme Probleme. Im CDU-Papier sucht man vergeblich nach einem Hinweis darauf, daß Bundesbürger die Freiheit haben, arbeitslos zu sein, 1-Euro-Jobs anzunehmen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse einzugehen, Opfer des Sozialabbaus zu sein, Kriege mitzufinanzieren oder an ihnen teilzunehmen, immer häufiger auf Bildung und Kultur zu verzichten. Die Liste solcher "Freiheiten" ließe sich beliebig verlängern.

1990 steht angeblich für die "Vollendung der Einheit Deutschlands in Freiheit". Die Beweihräucherung der Rolle solcher CDU-Leute wie Kohl und de Maizière soll von dem seinerzeitigen Geschehen ablenken und eine heile Welt mit Gewinn an Recht und Demokratie vorgaukeln. Die Abgeordnetenmehrheit der "ersten freigewählten Volkskammer" bestand aus Erfüllungsgehilfen der Bonner Annexionspolitiker. Die Parlamentarier waren politisch und juristisch überfordert. In etwa sechs Monaten mußten sie den Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, den Zwei-plus-vier-Vertrag und den sogenannten Einigungsvertrag verabschieden. Hinzu kamen noch etwa 150 Gesetze und rund 100 Beschlüsse. Selbst höchstqualifizierte und erfahrene Fachleute hätten das nicht zu bewältigen vermocht, wohl aber die "Laienspieltruppe" der letzten "DDR"-Volkskammer. Bei all dem wurde der Auftrag des BRD-Grundgesetzes, im Zuge der Vereinigung beider deutscher Staaten eine neue, vom Volk zu bestätigende Verfassung zu erarbeiten, völlig ignoriert.

Auch der Begriff Einigkeit gehört im CDU-Papier zu den favorisierten Vokabeln. Seine Verfasser freuen sich über Unterschiede zwischen West und Ost. Diese seien Ausdruck von Freiheit, Kultur und Tradition.

Ein unglaublicher Zynismus! Ungleiche Löhne, ungleiche Renten, schlechtere Vergütung von Frauen bei gleicher Arbeit sind nicht gerade ein Ruhmesblatt. Als solches wird auch angesehen, daß die von Schwerindustrie mit Großkombinaten geprägte Wirtschaft der DDR in kürzester Frist zu einem ökonomischen Leichtgewicht umgewandelt wurde. Es handelte sich um die fast durchgängige Deindustrialisierung des Ostens. Die Konsequenzen sind bekannt. 95 % des Volkseigentums gerieten in westdeutsche und ausländische Hände. Die Wirtschaftskraft der "neuen Länder" habe angeblich 71 % des Westniveaus erreicht, wird von der CDU behauptet. Die Tatsachen sagen etwas anderes aus: Nach dem I. Weltkrieg sank die Industrieproduktion in Deutschland auf 60 Prozent des Vorkriegsstandes. 1945 blieben nur noch 40 Prozent übrig. Nach dem Anschluß der DDR an die BRD sackte die Industrieproduktion im Osten auf 30 Prozent des DDR-Niveaus ab. Parolen wie die durch Kohl vorausgesagten "blühenden Landschaften" und sein Versprechen, niemanden werde es "schlechter gehen", haben sich als Schall und Rauch erwiesen.

Die CDU schlägt in dem Papier zehn Maßnahmen vor, "um die deutsche Einheit wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch zu vollenden". Da ist z. B. von "Bürgerarbeit" zur Vollbeschäftigung die Rede - eine absolute Luftnummer. Die angestrebte "Aufarbeitung des SED-Unrechts" wird als vordringlich bezeichnet. Zunächst sollen die 2011 auslaufenden Überprüfungsvorschriften des "Stasi-Unterlagen-Gesetzes" verlängert werden. Mit anderen Worten: Die Hexenjagd geht weiter. Auch die CDU sollte zur Kenntnis nehmen, daß überhaupt nur zwei Prozent der DDR-Bevölkerung so oder so mit dem MfS zu tun hatten.

Bei "Opferrenten" will Merkels Partei "Korrekturen" vornehmen. Künftig sollen auch abgeurteilte Straftäter (Spione, Terroristen, Menschenhändler u. a.) eine "Opferrente" erhalten. Wie bisher will man rabiaten Antikommunismus mit als "Forschungsvorhaben zur Aufarbeitung des SED-Regimes" getarnten Diffamierungsaufträgen bedienen.

Schließlich widmet sich der CDU-Beschluß dem Umgang mit "deutschen Heimatvertriebenen". Die berüchtigte "Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung" soll noch kräftiger unterstützt werden. Man nimmt eine Schuldverschiebung nach Osten vor, wobei etwa 16 Millionen tatsächlich vertriebene Polen, Ukrainer u. a., die von den deutschen Faschisten während des II. Weltkrieges aus ihrer Heimat verjagt wurden, unberücksichtigt bleiben. Tatsache ist auch, daß von den etwa 15 Millionen seinerzeit betroffenen Deutschen etwa zwei Drittel durch NS-Gau- und -Kreisleiter, SS- und Wehrmachtseinheiten zur Flucht gezwungen wurden, nicht aber von Polen oder Tschechen.

"Heimatvertriebene" und deren Forderungskatalog unterstützende Parteien wie die CDU sollten lieber darüber nachdenken, daß jene, welche 1945 nach dem von Deutschen entfesselten blutigsten aller Kriege bedingungslos kapitulieren mußten, 65 Jahre später keine Ansprüche auf Revision der Geschichte zu stellen haben. Zwei Jahrzehnte nach dem Anschluß der DDR an die BRD - der denkbar schlechtesten Variante einer deutschen "Wiedervereinigung" - wäre der CDU zu empfehlen, lieber eine politische Bankrotterklärung abzugeben als weiter Optimismus vorzutäuschen.

Oberst a. D. Karl Rehbaum, Bernau

Raute

Wie aus "Freiheits"-Aposteln fanatische Inquisitoren wurden

Bürgerrechtler oder Konterrevolutionäre?

Jahrzehnte nach dem Untergang der DDR werden auch von manchen Linken die Akteure des Herbstes 1989 nach wie vor unterschiedslos als Bürgerrechtler bezeichnet. Damit stellen sie sich objektiv nicht nur auf die Position der bourgeoisen Geschichtsschreibung, sondern kommen auch jenen entgegen, die behaupten, in der DDR habe es keine oder nur sehr eingeschränkte Bürgerrechte gegeben, was den konterrevolutionären Umsturz legitimiert hätte.

Tatsächliche Bürgerrechtler sind in der Regel keine Umstürzler. Sie akzeptieren die bestehende Ordnung, deren Verfassung und das jeweils geltende Recht. Ihr Anliegen ist es, dieses unterschiedslos für alle durchzusetzen. Man denke nur an die legendäre Bürgerrechtsbewegung unter Martin Luther King. Sie kämpfte für die Gleichberechtigung der Afroamerikaner und anderer "Farbiger", nicht aber für eine Ausgrenzung der Weißen. Bei ihrem mutigen Aufbegehren stellte sie die USA-Gesellschaft keineswegs in Frage.

Die bekanntesten Vertreter jener Gruppierungen in der DDR-Endphase, die sich später im "Bündnis '90" versammelten, waren in diesem Sinne keine Bürgerrechtler. Den "harten Kern" der "Herbstrevolutionäre" - es handelte sich um etwa 60 Personen - prägten Sendungsbewußtsein, Geltungsdrang und politische Profilierungssucht. Es waren kleinbürgerliche Gegner des Sozialismus, von denen viele ungeachtet verschwommener und illusionärer Vorstellungen de facto auf den Sturz der verfassungsmäßigen Ordnung der DDR und ihrer Institutionen hinarbeiteten. Im Vergleich mit wirklichen Bürgerrechtlern hatten sie auch nie etwas Besonderes für ihr Land getan, dessen "Demokratisierung" sie jetzt lautstark verlangten. Etliche unter ihnen gehörten seit Jahren zu jenen, welche die DDR systematisch zu destabilisieren suchten. Einige waren dafür durch die Justiz zur Verantwortung gezogen worden.

An all dem ändert auch die Übernahme populärer Losungen und ein nebulöses Bekenntnis zu einer "besseren DDR" nichts. Heute geben die führenden Selbstdarsteller von damals ihre wahren Ziele unumwunden bekannt. Zu DDR-Zeiten hatten sie gelernt, daß eine Bewegung, die politisch erfolgreich sein will, stets in der Sprache des zu stürzenden Systems und unter entsprechenden Slogans auftreten muß. Ein offenes Bekenntnis zum Kapitalismus oder gar zu Bonn hätte ihnen kaum den zeitweiligen Massenanhang beschert. Daß sie dabei auch viele Menschen um sich zu scharen vermochten, denen die DDR durchaus am Herzen lag und die eine Rückkehr zur kapitalistischen Vergangenheit kategorisch ablehnten, ändert nichts daran, daß gerade auch jene unter falscher Flagge gesammelt und für staatsfeindliche Handlungen mobilisiert werden sollten, was auch geschah.

Der besonders destruktive Charakter des Auftretens der vermeintlichen Bürgerrechtler drückte sich auch darin aus, daß sie nach Zubilligung der von ihnen geforderten "Meinungs-, Versammlungs-, Reise- und Pressefreiheit" sofort die Staatsmacht und deren sicherheitspolitischen Eckpfeiler - das MfS - bei eindeutiger Fremdregie mit teilweise terroristischen Methoden angriffen. Eine Reihe von Mitarbeitern des MfS wurde in den Freitod getrieben. Die Besetzung, Verwüstung und Plünderung des Ministeriums für Staatssicherheit war der sichtbare Kulminationspunkt. All das hat wohl mit Bürgerrechten nichts zu tun, sondern erinnert eher an ein Pogrom.

Der Abnutzungseffekt solchen Handelns lag auf der Hand. Am 18. März 1990 erhielten die sogenannten Bürgerrechtler bei den "ersten freien Wahlen" die Quittung: Auf sie entfielen nur 2,9 % der Stimmen. Auch die Erfolge dieser "Vorkämpfer" bei den Wahlen zu den ostdeutschen Landtagen hielten sich in Grenzen. Obwohl sie keine Regierungspartei verkörperten und von der Mehrheit ihrer Landsleute im Osten abgelehnt wurden, lieferte ihnen die BRD-Regierung überall innenpolitisch sensible Inquisitionsbehörden aus, um ehemalige DDR-Bürger in Mißkredit zu bringen und Unfrieden unter ihnen zu stiften. Seither bilden die Gaucks und die Birthlers die Speerspitze einer finsteren Doktrin zur Diffamierung von Mitarbeitern des MfS und Funktionären der SED, zur reaktionären Disziplinierung Andersdenkender aus dem linken Spektrum.

Die "Stasi"-Jäger sind die fanatischsten Verfechter einer an den Rassenwahn in den USA-Südstaaten und Südafrikas einstige Apartheid erinnernden Ausgrenzung offizieller und inoffizieller Mitarbeiter des MfS. Ihnen wurde de facto das passive Wahlrecht entzogen und ganz offiziell der Zugang zum öffentlichen Dienst verwehrt. Die "Bürgerrechtler" verweigern ihnen trotz Qualifikation und Eignung elementarste Bürgerrechte. Heute läßt sich die Doppelzüngigkeit der Wortführer von einst vor allem an ihrem Verhalten gegenüber der BRD-Innen- und -Außenpolitik messen. Traten die Bürgerrechtler früher als Pazifisten gegen die DDR-Landesverteidigung auf, so stellten sich viele von ihnen später bedingungslos auf die Seite der NATO-Aggressionen - von Jugoslawien bis Afghanistan. Jene, welche in der DDR für Transparenz im Sinne von Gorbatschows Glasnost einzutreten vorgaben, stehen heute in den Reihen der rabiatesten Verdunkler, wenn es um die Tätigkeit westlicher Geheimdienste geht.

In den Landtagen Thüringens und Brandenburgs heißt ihr Lieblingsthema "Stasi". Um so unverständlicher ist es, daß die Fraktion der Partei Die Linke bei der Einsetzung einer brandenburgischen "Landesbeauftragten für die Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur" keinerlei Widerspruch, Ablehnung oder zumindest Enthaltung erkennen ließ. Was von der früheren "Bürgerrechtlerin" Ulrike Poppe, die für ihr Wühlen gegen die DDR 1995 das Bundesverdienstkreuz erhielt, in diesem Amt zu erwarten ist, dürfte sich schon bald noch deutlicher abzeichnen.

Dr. Bernhard Majorow

Raute

RF-Extra

Zu Ursachen und Hintergründen des 17. Juni 1953

"Volksaufstand" aus der RIAS-Retorte

Über den 17. Juni 1953 ist viel spekuliert worden. Bundesdeutsche Politiker behaupten, es habe sich um einen Volks- oder Arbeiteraufstand in der DDR gehandelt. Statt dagegen anzugehen, übernahmen führende Berliner PDS-Funktionäre ohne Widerspruch die von der SPD vorgegebene Interpretation der Ereignisse. Sie steht in der Präambel des ersten Koalitionsvertrages und war der Eintrittspreis für den "rot-roten Senat". Auch die seinerzeitige Version der SED-Führung, es habe sich um einen faschistischen Putsch gehandelt, trifft wohl so nicht zu.

Die innenpolitische Situation in den sozialistischen Ländern war nach Stalins Tod am 5. März 1953 unübersichtlich geworden. Es fehlte an einer klaren Orientierung. In der Sowjetunion spielten sich interne Machtkämpfe ab. Eine Schlüsselfigur hierbei war das für Sicherheitsfragen zuständige Politbüromitglied L.P. Berija. Er war bereit, die DDR für einen entsprechenden Preis zu verschachern. Sein enger Mitarbeiter Sudaplatow erklärte 1993, es habe einen sogenannten Berija-Plan gegeben, nach welchem alle Auslandskontakte Moskaus genutzt werden sollten, um das Gerücht zu verbreiten, die UdSSR sei in Sachen deutsche Einheit zu weitgehenden Kompromissen bereit. "Berija glaubte, durch das Gerede von einem neutralen Deutschland in einem Kuhhandel 10 Milliarden Dollar zum Wiederaufbau der UdSSR zu erhalten. Die DDR war ein zur Disposition gestelltes Objekt."

Der seinerzeitige DDR-Minister und spätere Publizist Fritz Selbmann schrieb dazu: "Oft wurde der 17. Juni 1953 als 'Tag X' bezeichnet. Dieser war großangelegt, wenn auch im Detail nicht durchdacht. Es handelte sich darum, auf dem Territorium der DDR die alten klassischen Kapitalismusverhältnisse wiederherzustellen. Es war die Zeit, als die von John Foster Dulles angestrebte Politik eines 'Roll back', also des Zurückdrängens des Einflusses des sozialistischen Weltsystems, wie es sich nach 1945 herausgebildet hatte, ihren ersten großen Anlauf nahm."

Damit sollte erreicht werden, ein Voranschreiten der DDR in Richtung Sozialismus zu verhindern. Der "Tag X" war Bestandteil des politischen Programms der westdeutschen Reaktionäre. Man wollte ihn ursprünglich schon im Herbst 1952 realisieren. Der "Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands" beim Bonner Minister für gesamtdeutsche Fragen Jakob Kaiser (CDU) beteiligte sich aktiv an den Vorbereitungen.

Heute weiß man, wie eng das Netz westlicher Geheimdienste auf dem Territorium der DDR im Jahre 1953 geknüpft war. Allein die CIA hatte dort 1500 ihrer Leute stationiert. Der westdeutsche BND war ebenfalls nicht untätig. Seine Vorläuferin - die Organisation Gehlen - mobilisierte rund um den 17. Juni nicht weniger als 558 Quellen und 17 Agentenführer auf DDR-Gebiet. Damit ist klar, daß aus einem ursprünglich rein wirtschaftlich orientierten Ostberliner Bauarbeiterstreik ein Putsch bis hin zu einem Volksaufstand werden sollte. Allerdings begann der Ausstand dann überraschend, ungeplant und ohne vorbereitete Strukturen.

Ein Jahr vor Stalins Tod - am 7. März 1952 - wurde die sogenannte Stalin-Note veröffentlicht, in der Moskau ungeachtet der Existenz der DDR "Verhandlungen über die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands auf der Grundlage freier Wahlen" vorschlug. Die Westmächte und Bundeskanzler Konrad Adenauer lehnten dieses Angebot ab. Dadurch wurde klar, daß es vermutlich auf lange Sicht zwei deutsche Staaten geben würde.

Auf ihrer II. Parteikonferenz im Juli 1952 beschloß die SED dann, "mit dem planmäßigen Aufbau der Grundlagen des Sozialismus in der DDR zu beginnen". Dieser Beschluß sah auch die Schaffung eigener militärischer Einheiten vor - angefangen mit der Kasernierten Volkspolizei (KVP). Das Parteistatut wurde geändert. Die Zielstellung, zunächst die Einheit Deutschlands anzustreben und erst danach den Aufbau des Sozialismus in ganz Deutschland anzuvisieren, entfiel damit. Der wohl übereilte Schritt belastete die DDR-Wirtschaft schwer, was zu erheblichen Komplikationen führte. Überdies forderte Stalin von der DDR erhebliche militärische Anstrengungen. Die künftigen DDR-Streitkräfte mußten ausgerüstet und bewaffnet werden.

Am 13. März 1953 - kurz nach dem Tod des sowjetischen Partei- und Staatsführers - hatte das Politbüro des ZK der SED in Unkenntnis oder Verkennung der Machtkämpfe im Kreml noch "Maßnahmen zur Verwirklichung des Vermächtnisses des großen Stalin" beschlossen. Das Papier war mit heißer Nadel genäht. Das Politbüro hatte zunächst vor, der Berliner Hochschule für Ökonomie den Namen Stalins zu verleihen, Magdeburg sollte ursprünglich in Stalinstadt und Fürstenberg in Karl-Marx-Stadt umbenannt werden.

Um der komplizierter gewordenen Wirtschaftslage in der DDR gegenzusteuern, faßte die Regierung am 28. Mai 1953 den Beschluß über administrative Normerhöhungen um zehn Prozent. Dafür, daß die Sowjetunion anfangs ein starkes Interesse an diesen Maßnahmen hatte, spricht u. a. die Tatsache, daß die in ihrem Auftrag herausgegebene Tageszeitung "Tägliche Rundschau" schon am 17. Mai Einzelheiten des erst elf Tage später gefaßten Beschlusses veröffentlichte.

Am 10. Juni 1953 verbreiteten Rundfunk und Presse dann überraschend das Kommuniqué über einen "Neuen Kurs". Darin war von Fehlern der Vergangenheit die Rede. Niemand erfuhr indes über Jahrzehnte hinweg etwas von der Vorgeschichte dieses Dokuments. In Moskau wurde damals hektisch und auch gegenläufig nach neuen Politikansätzen gesucht. Dabei ging es nicht nur um die DDR, sondern auch um die anderen sozialistischen Länder und die Sowjetunion selbst. Am 2. Juni 1953 wurden die Parteiführungen Ungarns, Polens und der DDR nach Moskau beordert. Die DDR-Delegation, der Otto Grotewohl, Walter Ulbricht und Fred Oelßner angehörten, sah sich mit einem am Vortag gefaßten Beschluß des Ministerrates der UdSSR "Über die Gesundung der Lage in der DDR" konfrontiert. Darin wurde Berlin allein die Schuld an schweren politischen Fehlern gegeben. Die DDR-Abordnung war von der scharfen Kritik völlig überrascht. Sie wurde aufgefordert, buchstäblich über Nacht eine eigene Stellungnahme zu erarbeiten, aus der hervorgehen sollte, daß der erst 1952 beschlossene Aufbau des Sozialismus in der DDR verlangsamt oder beendet werde.

Die Verhandlungen, die oft kontrovers verliefen, dauerten drei Tage. Für die Ausarbeitung einer neuen Politikvariante, wie sie von der Sowjetregierung vorgegeben worden war, verblieben den DDR-Repräsentanten ganze vier Tage. Rudolf Herrnstadt, damals Kandidat des Politbüros, wurde mit der Ausarbeitung des Kommuniqués vom 9. Juni 1953 beauftragt. Grotewohl, Ulbricht und Herrnstadt traten gegen eine voreilige Veröffentlichung des unausgereiften Dokuments auf. Sie wiesen darauf hin, daß es nur Verwirrung unter der Bevölkerung stiften könne. Semjonow, der damalige Botschafter der UdSSR in der DDR, dem die Befürchtungen vorgetragen wurden, erwiderte nur: "Morgen muß das Kommuniqué in der Zeitung stehen!" Es wurde dann am 10. Juni im ND veröffentlicht und löste sofort eine lebhafte Fehlerdiskussion aus, die den DDR-feindlichen Kräften natürlich nicht entging. Mit anderen Worten: Der Beschluß des Präsidiums des ZK der KPdSU "Zur Gesundung der politischen Lage in der DDR" war das genaue Gegenteil dessen, was die UdSSR nach der II. Parteikonferenz verlangt hatte.

Zweifellos haben die ungeklärten Machtverhältnisse in der Sowjetunion, Fehler in der Politik des SED-Politbüros und der DDR-Regierung sowie der massive Druck aus Moskau dazu beigetragen, daß es zu den Ereignissen des 17. Juni 1953 gekommen ist.

Bereits am Mittag des 16. Juni bewegte sich ein Demonstrationszug aus Bauarbeitern von der damaligen Stalinallee (heute Karl-Marx-Allee) in Richtung Alexanderplatz. Er gelangte bis zum Regierungsgebäude. Zur gleichen Zeit strömten randalierende junge Burschen durch das Brandenburger Tor in die Leipziger Straße, wo sie sich unter die Demonstranten mischten.

Der Publizist Fritz Selbmann hielt die Tatsache fest, daß zu diesem Zeitpunkt bereits DDR-feindliche Kräfte aus Westberlin, aufschlußreicherweise in blütenweißer Maurermontur, hetzerische Reden hielten und Parolen wie "Revolution, Freiheit, Aufstand" in die Menge trugen.

Am 16. Juni abends fand im alten Gebäude des Friedrichstadtpalastes eine Berliner Parteiaktivtagung der SED statt. Dort wurde der "Neue Kurs" bekanntgegeben und erläutert. Ein Satz in der Rede Otto Grotewohls, der bei der herrschenden Aufregung wohl etwas unterging, lautete: "Die unvorhergesehenen Verteidigungsausgaben seit 1952 waren eine der ersten tiefen und einschneidenden Ursachen für die entstandenen wirtschaftlichen Verwerfungen."

Am 17. Juni wurde der Ausnahmezustand verkündet, obwohl sich die Protestbewegung im Laufe des Tages bereits deutlich abgeschwächt hatte. Von westlicher Seite wurde unterdessen alles getan, um den ursprünglichen Bauarbeiterstreik zum "Volksaufstand" umzufunktionieren. Der SPD-Politiker Egon Bahr, seinerzeit Chefredakteur des RIAS, ließ ungewollt die Katze aus dem Sack, als er schrieb: "Wir spürten, daß in der Zone der Druck zunahm und die Unzufriedenheit wuchs, weil die Normen erhöht wurden. ... Der Druck wurde so groß, daß etwas Unerwartetes passierte. Die Regierung korrigierte sich zu einem neuen Kurs."

Bahr gibt zu, daß zunächst nur die Bauarbeiter in der Stalinallee gestreikt und sich ihnen dann andere Bürger angeschlossen hätten. Er gesteht sogar ein, daß Volkspolizisten anfangs den Demonstranten den Weg freihielten. Erst als man regierungsfeindliche Parolen skandiert habe und es zu Ausschreitungen gekommen sei, habe die Polizei eingegriffen. Bahr berichtet weiter: "Bereits am Nachmittag des 16. Juni erschien eine Abordnung der Streikenden beim RIAS mit dem Wunsch, der Sender sollte zum Aufstand in der Zone aufrufen. Meine Frage, ob der Aufstand organisiert sei mit anderen Städten usw., wurde verneint." Bahr bezeichnet die Leute, die zu ihm kamen, als "Streikkomitee". Obwohl er nach seinen eigenen Worten wußte, daß es ohne Organisation keine "Revolution" geben konnte, formulierte er sofort fünf Hauptforderungen, die dann vom RIAS übertragen wurden: Absetzung der Regierung, freie und geheime Wahlen, Senkung der HO-Preise bzw. Liquidierung der HO, Freilassung der politischen Gefangenen und Herabsetzung der Normen.

Als die Amerikaner, denen die Station gehörte, weitere Übertragungen des Aufrufs unterbanden, war der Zweck bereits erfüllt. Denn die fünf Forderungen wurden schon in vielen Städten der DDR verbreitet.

Wer sich das Vorgehen Bahrs und des RIAS vor Augen führt, dem wird schlagartig klar, daß ausländische, vor allem aber Westberliner Politiker und jugendlicher Pöbel von der "anderen Seite", ihre Hände im Spiel hatten. Ihnen ging es nicht nur darum, die Stimmung anzuheizen, sondern auch direkt zu Gewalt und Brandstiftungen zu animieren.

Am Abend des 16. Juni erhielt der RIAS die Meldung, daß sich am Vormittag des folgenden Tages Streikende am Strausberger Platz versammeln wollten. Wie man bei Bahr zwischen den Zeilen lesen kann, traten daraufhin die Amerikaner und RIAS-Mitarbeiter in Aktion. Nachdem der Sender auf Geheiß seiner US-Chefs den Aufruf nicht mehr verbreiten durfte, schickten diese selbst einen Jeep nach Ostberlin, um sich an Ort und Stelle umzuschauen. Das Ergebnis: Nach der RIAS-Übertragung strömten sowohl nach Berlin als auch in andere Städte der DDR Scharen westlicher Aufrührer, vor allem jugendliche Rowdys, um die Bevölkerung anzustacheln, ihre Regierung zu stürzen und Bahrs fünf Forderungen durchzusetzen.

Dieser bekennt im nachhinein, daß es ohne den RIAS den "Aufstand" so nicht gegeben hätte. Die US-Station war zum Katalysator des konterrevolutionären Putschversuchs geworden. Ein deutlicheres Eingeständnis gibt es wohl nicht.

Die Vereinigten Staaten und vor allem die BRD haben sich massiv in die inneren Angelegenheiten der DDR eingemischt, wobei sie Schwierigkeiten und Fehlentscheidungen sowie die von Machtkämpfen in der UdSSR überschattete Situation ausnutzten. Damit wurde die Souveränität des zweiten deutschen Staates in gröblichster Weise verletzt.

Lediglich am 17. und 18. Juni gab es in der DDR Putschansätze, die in Städten wie Dresden, Jena, Görlitz, Halle, Magdeburg u. a. schärfere Formen annahmen, bis sowjetisches Militär auf seiten der noch ungefestigten DDR-Machtorgane eingriff und die Ordnung wiederherstellte. Insgesamt haben etwa sechs bis acht Prozent der DDR-Bürger an Streiks, Ausschreitungen und Demonstrationen teilgenommen. Kann man da von einem Volksaufstand sprechen?

Der Historiker Arnulf Baring, der bekanntlich nicht im Verdacht steht, ein Sympathisant der DDR gewesen zu sein, schrieb 1965: "Der Aufstand ist nicht durch sowjetische Panzer niedergewalzt worden. Der revolutionäre Wille war schon gebrochen, als die Russen aufmarschierten." Dieser notorische Antikommunist widerspricht damit der sattsam bekannten Rhetorik der meisten BRD-Medien, der "Aufstand" sei von sowjetischen Panzern beendet worden.

Fazit: Am 17. Juni 1953 fand ein ganz normaler Streik von Bauarbeitern statt, der durch den RIAS und die personelle Einmischung antisozialistischer Kräfte zum Volksaufstand hochgeputscht werden sollte. Es war weder eine Konterrevolution, obwohl konterrevolutionäre Elemente natürlich eine gehörige Rolle spielten, noch ein Volksaufstand, weil dafür die strukturellen Voraussetzungen fehlten und weil sich nur eine kleine Minderheit der Bevölkerung beteiligte. Als souveräner Staat hatte die DDR das Recht, sich selbst zu verteidigen und ihre Schutzmacht Sowjetunion um Hilfe zu bitten.

Wie wichtig den Imperialisten die Verdrehung der Wahrheit über den 17. Juni 1953 als Mittel zum Anheizen des Kalten Krieges war, zeigt sich auch darin, daß dieser Tag in der BRD zum Feiertag erklärt und die Verbindungschaussee zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule in "Straße des 17. Juni" umbenannt wurde.

Günter Bartsch, Berlin

Raute

Streiflichter erhellen das "verordnete" Leben der DDR-Bürger

Über Radfahrer und "Radfahrer"

In der BRD, wo es von Verordnungen geradezu wimmelt, kann der Begriff "verordnet" durchaus abwertende Bedeutung erlangen, wenn er rückwirkend auf die DDR gemünzt ist; da war nicht nur das Schlechte, das Ketzerische, da war sogar das Gute "verordnet", folglich ebenfalls schlecht, verwerflich. Man denke nur an den "verordneten Antifaschismus".

Hier soll der Versuch unternommen werden, dieses "verordnete" Leben etwas näher unter die Lupe zu nehmen - nicht die von Kinkel, sondern die von ahnungslosen DDR-Bürgern, die vor 25 Jahren nicht vermuten konnten, daß sie täglich ein "verordnetes" Leben zu führen hatten.

In den 80er Jahren war ich in der Radtouristik, die sich damals zunächst schlicht Radwandern nannte, sehr aktiv. Ich hatte als 62jähriger eine Sektion Radwandern bei der Betriebssportgemeinschaft Turbine des Energiekombinats Potsdam ins Leben gerufen, die sich bald Anerkennung im DDR-Maßstab erwarb. Unser Bekanntwerden brachte Arbeit und Verantwortung mit sich.

Man berief mich in die Kommission Radwandern des Radsportverbandes der DDR. Ein "freiheitlich-parlamentarisches" Aufnahmeverfahren gab es bei diesen Systemträgern nicht. So wurde ich einer von ihnen. Es fragte sich indes, welches Ressort mir zufallen würde. Das Ganze war natürlich mit keinerlei Diäten verbunden. Man bekam lediglich die Reisekosten erstattet. So etwas nannte sich damals "gesellschaftliche Arbeit". Der DDR-Breitensport basierte auf der Bereitschaft Hunderttausender, die völlig selbstlos ihre Zeit für die Gemeinschaft zur Verfügung stellten. Flankiert wurde unsere Tätigkeit von einem Netz gebührenfreier Schulungen zur Ausbildung von Übungsleitern, Fahrtenleitern, Sektionsleitern usw. Mir wurde das Ressort Presse/Medien zugeteilt. Gut, ich las viel Zeitung, hörte Rundfunk, besaß aber kein Fernsehgerät. Dennoch wurde ich für "tauglich" befunden und mit 65 "auf Schule" in die Redaktion "Der Radsportler" geschickt.

Die Arbeit machte Spaß. Ich legte diverse Schnellhefter an, verfaßte Artikel, fotografierte, suchte Sportgemeinschaften vor Ort auf. Vor allem aber hatte ich für unsere Kommission einen Jahresbericht über die Aktivitäten von Presse und Rundfunk aus der Sicht des Radsports, speziell des Radwanderns, vorzulegen.

Im Juni 1983 initiierten die Zeitschrift "FF dabei" und das "Magazin am Morgen" von Radio DDR eine Umfrage. Das Blatt zeigte das Foto einer radelnden Familie. Den Lesern und Hörern wurde die Aufgabe gestellt, herauszufinden, wer die Familie wohl sei, und etwas ausführlicher zu erzählen, welche radsportlichen Erlebnisse man selbst habe verbuchen können. Die beiden Redaktionen erreichte eine Flut interessanter Einsendungen, z. T. mit Fotos. Viele wurden veröffentlicht, einige sogar prämiert. Die gesuchten Radler erwiesen sich als die Familie des Weltmeisters und Olympiasiegers Gustav Adolf Schur - genannt "Täve".

Mir als "Pressemann" war sofort klar, daß aus dieser Resonanz mehr zu machen sei. Der Sender übergab mir seine wertvolle Sammlung von Zuschriften, so daß wir nützliche neue Verbindungen anknüpfen konnten.

Ein damals hergestellter Kontakt ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Es war die Bekanntschaft mit der Pionierexpedition "Meine Heimat DDR 68" aus Kahlau im Spreewald. Damals gehörte so etwas zum Alltag. Heute würde eine solche Initiative naserümpfend unter "verordnet" fallen. Der Kunsterziehungslehrer einer Kahlauer Schule war Geist und Herz dieses etwas ungewöhnlichen Unterfangens. Er hatte es sich in den Kopf gesetzt, mit einer Gruppe von etwa 40 durchtrainierten Schülern bis an die Ostsee nach Göhren auf Rügen zu fahren.

Das Vorhaben wurde in Kahlau Stadtgespräch. Die Presse - auch so etwas gab es in der DDR - schaltete sich ein. Mit starker gesellschaftlicher Unterstützung kamen die Ausrüstung - Zelte, Fahrräder, Anoraks, Kochgeschirr, Konserven - und auch das nötige Geld zusammen. Mir wurde die Ehre zuteil die "Expedition" als ältestes Mitglied zu begleiten. Es ging in Etappen von 50 bis 60 Kilometern nordwärts. Selbstverständlich machten wir uns unterwegs mit verschiedenen Sehenswürdigkeiten vertraut. Vor allem auch Gedenkstätten des antifaschistischen Widerstandskampfes standen auf unserem Programm. Disziplin, Ausdauer und Hilfsbereitschaft waren auf dieser Tour vorbildlich. Unsere kleine Zeltstadt mußte jeden Abend aufgebaut und morgens wieder abgerissen werden. Wir unterhielten ständig Verbindung zu unserer Lokalzeitung, eine Schülerin war beauftragt, ihr jeweils einen telefonischen Tagesbericht zu übermitteln, so daß nicht nur die lieben Angehörigen, sondern die ganze Stadt gewissermaßen "mitfuhren". Sofort nach unserer Rückkehr erschien im Blatt eine ganzseitige Fotoreportage von mir.

Uns hatte überdies ein Kamerateam des DDR-Fernsehens begleitet, so daß unsere Abenteuer auch über die damals noch keineswegs flachen Bildschirme der Republik gingen. Den Birthlers und Knabes bliebe nur noch herauszufinden, wer das alles "verordnet" hatte.

Heute bekommen die erhalten gebliebenen Antwortbriefe auf die erwähnte Ratesendung zur Familie Täve Schurs einen völlig neuen Stellenwert bei der Beurteilung unseres "verordneten" Lebens. Sie sprudeln geradezu von "nicht verordnetem" Glück. Mehr noch: Die Verfasser haben das Bedürfnis, ihre Erfahrungen und Erlebnisse mit anderen zu teilen, also öffentlich zu machen. Von "unvergeßlichen Eindrücken" und "nachwirkenden Begegnungen" ist da die Rede.

Unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte, d. h. mit verkürzten Namen, möchten wir im folgenden einige Passagen dieser Zeitdokumente wiedergeben.

Heinz A. aus Teltow schrieb: "Zweimal war ich mit dem Fahrrad in der Volksrepublik Polen, und zwar in der Hafenstadt Sczeczin. Im Dorf Ognica habe ich auch die sprichwörtliche polnische Gastfreundschaft kennengelernt. Dort versorgte mich ein Bauer freigiebig mit Speis' und Trank, nachdem ich über 20 Stunden ununterbrochen gefahren war, so daß ich gegen Morgen erschöpft auf dem Anger des Ortes liegenblieb. Er lud mich in sein Haus ein, wo ich großzügig bewirtet wurde. Es war für mich das größte Erlebnis, zeigte es doch im Kleinen das inzwischen enge Verhältnis zweier Völker, die durch die Oder-Neiße-Friedensgrenze verbunden sind."

"Als schönste Fahrt" bezeichnete Helmut K. aus Herzberg "die Tour mit acht Jungen und vier Mädchen einer 10. Klasse nach Prag. Wir waren 4 Kilometer vor der Hauptstadt der CSSR Gäste einer landwirtschaftlichen Genossenschaft, die mit einer LPG unseres Kreises seit über 20 Jahren enge Beziehungen unterhält."

Über die ersten schweren Jahre nach dem Krieg schrieb Gertrud W. aus Altdöbern: "Am 26. Mai 1946 ist durch Blitzschlag unser Stall abgebrannt. Nun hieß es ihn wieder aufbauen. Material war schwer zu bekommen. Da wurde mir geraten: Fahren Sie nach Luckenwalde, da wird gerade eine Ziegelei umgebaut. Nun wußte ich zwar nicht, wie weit Luckenwalde von uns entfernt ist, aber wir brauchten dringend Dachziegel, stand doch der Winter vor der Tür. Also habe ich mich an einem diesigen Morgen mit dem Fahrrad auf den Weg gemacht. Nun war das aber kein solches Gefährt, wie sie heute üblich sind. Es war nicht nur alt und unansehnlich, sondern besaß auch keine richtige Bereifung. Am Hinterrad befand sich ein Kabel und vorne waren kleine Gummiteilchen. Wir nannten es damals 'Stalin-Bereifung'... Den Berg hinauf lief ich. Hinunter bin ich solange gefahren, bis die Kette riß.

Ich mußte abermals nach oben und eine neue holen. Da mir in Heinersdorf niemand helfen konnte, fuhr ich drei Kilometer weiter bis zum nächsten Dorf. Dort reparierte man mir die Kette, so daß ich schließlich meine Fahrt fortsetzen konnte.

Im Dunkeln in Luckenwalde angekommen, blieb ich dort über Nacht. Mit den glücklicherweise ergatterten Dachziegeln trat ich dann am nächsten Morgen die Rückfahrt an. Um drei Uhr nachmittags war ich zu Hause. Der Hunger hatte mich schneller heimwärts getrieben. Es war eine schwere, aber schöne Fahrt."

Gertrud S. aus Dresden unternahm einen Abstecher in die Geschichte: "Beim Internationalen Jugendtreffen, das 1929 in Wien stattfand, lernte ich meinen Mann kennen. Ich war noch 17, er gerade mal 19. Ich hing gewissermaßen am Schürzenzipfel der Mutter, die als Betreuerin für die Mädchen der Dresdner SAJ-Gruppe mit nach Wien fuhr. Seit den Erlebnissen dort sind wir zusammengeblieben. Damals begannen unsere sonntäglichen Radtouren mit meiner Mutter sowie den Eltern und Geschwistern meines Mannes. Sie waren alle SPD-Genossen. Auch wir seit 1925 und 1929."

Alter ist für das Erleben, für das Glücksgefühl kein Hindernis. August K. aus Salzwedel schrieb: "Oftmals begegneten mir Sturm und Regen, Hitze, Kälte und Schnee - doch nichts konnte mich von meinem Vorhaben abhalten, hatte ich mir doch vorgenommen, bis zum Deutschen Turn- und Sportfest 1000 Meilen zu schaffen. Ich war stolz, daß ich bereits einige Wochen zuvor - kurz nach meinem 74. Geburtstag - die Ehrenurkunde in Empfang nehmen konnte. Wenn es auch oftmals mit den Nachtquartieren schlecht bestellt war - es kam schon vor, daß ich im Freien nächtigten mußte - überwiegen doch die netten Gesten der Kollegen und der Einwohner, denen ich unterwegs begegnete.

Ich denke dabei an den Bürgermeister der Gemeinde Kemnitz im Kreis Premnitz, der mir mein Eintreffen bestätigte. Man lud mich dort zu einer Kaffeetafel ein. Ich wurde sogar gebeten, die Runde mit einigen Liedern zu erfreuen.

Von Rostock kommend begegnete ich um 5.30 Uhr dem Milchmann. Er bot mir im Gespräch eine Flasche Milch an. Im Nachbardorf wurde ich dann gleich zum Frühstück eingeladen. Ein anderes Mal kam ich kurz vor Meißen in einem Geschäft mit Kunden über die Nützlichkeit des Radwanderns ins Gespräch. Auch hier bewirtete man mich mit Milch und leckerem Gebäck."

Schließlich will ich noch der Familie H.-Joachim Sch. aus Mühlhausen das Wort geben: "Im Sommer 82 hatten wir die Idee, aus unseren zwei Klapprädern ein Tandem zu bauen. Nach vielen Probefahrten in der bergreichen Thüringer Landschaft und manchen Veränderungen reichten wir unsere Konstruktion in der Absicht, auch anderen Menschen ein verkehrssicheres Gefährt zugute kommen zu lassen, beim Patentamt ein. Da ein solcher Vorgang jedoch nicht unkompliziert ist, zumal wir in keinem Betrieb arbeiteten, der daraus Nutzen hätte ziehen können, verzichteten wir nach dem ersten Prüfbescheid des Patentamtes auf eine Weiterverfolgung unseres Anliegens. Vor allem spart man bei einem Tandem dieser Art viel Material ein. Es ist ein schönes Fortbewegungsmittel für zwei Personen. Überall, wo wir hinkommen, findet es Anklang und Zuspruch." Abschließend noch ein paar Zeilen aus Weimar. Die Diplomingenieurin und Architektin Hannelore N. schrieb: "Wir brachen zeitig auf. Runde 70 Kilometer hatten wir uns vorgenommen. Wir waren beide nicht gerade sehr geübte Radfahrer. Als wir an den Kasernen der Sowjetarmee vorbeifuhren, wunderten wir uns, daß zu so früher Stunde schon die gesamte Beschallungsanlage voll aufgedreht war. Musik an allen Ecken und Kanten. Ein eigenartig aufgeregtes Gewimmel von Soldaten.

Wir empfanden, daß irgend etwas los sein mußte. Eine Erklärung hatten wir zunächst nicht. Da kam uns der Zufall zu Hilfe. Die Musik brach ab, und aus sämtlichen Lautsprechern erschallte es: "Goworit Moskwa - hier spricht Moskau".

Wir blieben sofort stehen. Nun vernahmen wir die Meldung: "Der Sowjetbürger Juri Gagarin befindet sich als erster Mensch im Weltall." Der restliche Text ging in einem unvorstellbaren Jubel unter. Die Soldaten umarmten sich und wirbelten durch die Luft. Ich habe meiner Freundin ganz schnell die Meldung übersetzt, und wir jubelten spontan mit.

Unsere Radtour haben wir danach fortgesetzt, aber die freudige Erregung in uns hielt lange an. Als wir am Abend müde und abgekämpft wieder bei unseren Kommilitonen eintrafen, wollten diese uns gleich die Neuigkeit erzählen. Wir berichteten ihnen von unserem Erlebnis am Morgen. Dabei waren wir nicht wenig stolz darauf, zu den allerersten in unserer Republik zu gehören, die von dem Ereignis wußten."

Was die Sportfreundin hier beschrieben hat, geschah am 16. April 1961. Im Jahr 1978 vermeldete die DDR dann ihren eigenen Kosmonauten Siegmund Jähn. An einen BRD-Bürger im Weltall war zu jener Zeit noch lange nicht zu denken. Wir konnten Sigmund Jähn später mit seinem sowjetischen Kosmospartner Valeri Bykowski in Potsdam stürmisch begrüßen.

Die da keine Mittel und Mühen scheuen, unser angeblich so freudloses Nischendasein in der DDR in den düstersten Farben zu malen, gönnen den Menschen im Osten Erlebnisse der geschilderten Art in keiner Weise. Sie passen nicht zur verkrüppelten "Aufarbeitung der Geschichte", wie man sie heutigen Schülern eintrichtert.

Als Zeitzeugen sollten wir mit der Wahrheit unserer Erfahrungen dagegenhalten und es nicht den Klitterern überlassen, ihr Spiel mit gezinkten Karten ungestört fortzusetzen. Wissen wir doch am besten, wie die DDR tatsächlich "von innen" aussah. Die hier zitierten Radfahrerbriefe beweisen es auf ihre Weise. Sie kontrastieren scharf mit dem, was die "Radfahrer" der heute in Deutschland Herrschenden von sich zu geben pflegen.

Walter Ruge


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Kurzer Halt am Lenin-Denkmal in Eisleben bei der Durchfahrt auf der Route Potsdam-Eisenach, die an einem Tag bewältigt wurde (dritter von rechts: Walter Ruge)

Ende RF-Extra

Raute

Wie eifrige "Staatsfinanzierer" den Griechen die Füße wegschlugen

Euros nach Athen tragen?

Die 2002 begonnene Einführung des Euro in nunmehr 16 Staaten der Europäischen Union hatte in Wirklichkeit nie etwas mit Freiheit oder freiem Reiseverkehr zu tun. Es ging immer nur um den unkontrollierten Kapitalverkehr, den ungehemmten Zugriff auf fremde Ressourcen und den Abbau nationaler Sicherungssysteme in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen sowie im Rahmen der EU. Mit anderen Worten: Es ging um Profite für Konzerne und Banken.

Dabei gaben die "führenden" europäischen Länder BRD und Frankreich den Ton an. Daß Griechenland, Spanien, Portugal und Italien überhaupt Mitglieder der Eurozone werden konnten, war bereits zum Einführungszeitpunkt nur gefälschten Angaben über Staatsverschuldung und andere Kennziffern wie die Inflationsrate dieser Länder zu verdanken.

Die Einführung der Gemeinschaftswährung bewirkte im Falle der wirtschaftlich schwächeren Partner den Verlust nationaler Entscheidungshoheit über die eigenen Wirtschafts-, Finanz- und Währungsbeziehungen.

Seit mehr als 12 Jahren spürt Griechenland die zunehmende ökonomische Ausplünderung. Es stand vor dem Staatsbankrott, weil seine korrupte, mit internationalen Konzernen liierte Führungsschicht eine enorme Staatsverschuldung von 300 Mrd. Euro anhäufte. Das kann auch daran festgemacht werden, daß wenige "Familien" seit vielen Jahren abwechselnd die Regierungschefs stellen. Das "Zweiparteiensystem" ND - PASOK funktioniert im Mutterland der Demokratie perfekt. Den Reichen unter den rund 11,3 Millionen Einwohnern geht es immer besser, während sich die Lebenslage der Arbeitenden unablässig verschlechtert. 2008 lag die Erwerbslosenquote noch bei 11,3 Prozent. Sie schnellte in diesem Jahr auf über 14 Prozent empor. Mit dem Antritt der neuen PASOK-Regierung stieg das Haushaltsdefizit von 3,7 auf 12,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für 2009 an. Die EU-Stabilitätskriterien erlauben jedoch lediglich 3 Prozent.

Seit 2007 wuchsen die öffentlichen Ausgaben von 42,9 auf 52 Prozent (2009) des BIP. Das sind etwa 22 Milliarden Euro mehr als vor zwei Jahren.

Während der sechsjährigen Regierungszeit des Konservativen Karamanlis von der Neuen Demokratie (ND) soll der Staatsapparat um 80.000 Personen aufgebläht worden sein. Fast jeder vierte Grieche arbeitet danach im öffentlichen Dienst. Das ist aber nicht einmal die halbe Wahrheit. Hinzu kommt nämlich die Mißwirtschaft in staatlichen Bereichen und Unternehmen.

Das Ungleichgewicht von Einnahmen und Ausgaben des griechischen Staates hat eine sehr spezifische Ursache: Das ganze "System" war bisher so angelegt, daß sich Konzerne und Betuchte ihrer Steuerpflicht mehr oder weniger problemlos entziehen konnten.

Die "Vorschläge" der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) - ein Damoklesschwert - sind in der jetzigen Situation kaum verwunderlich. Wir haben es mit "Empfehlungen" zu tun, die seit eh und je jedem kleinen, ausgeplünderten Entwicklungsland zur Sanierung seiner Staatsfinanzen erteilt werden. Man kann sie folgendermaßen zusammenfassen: Der Mann auf der Straße hat für das wirtschaftliche Versagen des Staates und des gesellschaftlichen Systems aufzukommen.

Zum Katalog der "vorgeschlagenen" Maßnahmen gehören die Verringerung der Sozialausgaben, die Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Vorverlegung des Renteneintrittsalters. Allein die Anhebung der Mehrwertsteuer auf 23 Prozent wirkt sich für die Mehrheit der Griechen katastrophal aus.

Ferner soll gespart werden, indem Staatsbetriebe wie die Eisenbahn privatisiert und die Märkte stärker geöffnet werden. Weitere "Vorschläge" der EU zielen auf eine umfassende Absenkung der Lohnkosten.

An der griechischen Staatsverschuldung haben europäische, aber auch US-Großbanken seit vielen Jahren gut verdient. Man bezeichnet sie als "Staatsfinanzierer". Sie befürchten nun, daß - ähnlich wie in Argentinien nach 2001 - die Gewinne bei einem Staatsbankrott nicht mehr fließen oder die Staatsanleihen gar entwertet werden.

Großspekulanten wie Hedgefonds, hinter denen sich ebenfalls Banken verbergen, setzen Griechenland, aber zugleich auch die Gemeinschaftswährung der EU zusätzlich unter Druck.

Die neue 10jährige Staatsanleihe in Höhe von 14 Mrd. Euro, die Hellas Anfang März auflegte, hat eine Verzinsung von 6,25 Prozent. Das sind ca. 3 % mehr als üblich.

Der letzte Stand der Dinge ist folgender: Athen erhält bis 2012 "Notfallkredite" in Höhe von maximal 110 Mrd. Euro. Im ersten Jahr werden die Länder der Euro-Zone bilaterale "Hilfen" im Volumen von bis zu 30 Mrd. Euro bereitstellen. Auf die BRD entfallen 2010 rund 8,4 Mrd. 15 Milliarden kommen vom Internationalen Währungsfonds (IWF).

Deutschlands Gesamtbeitrag zur "Griechenland-Hilfe" wird bis 2012 insgesamt 22,4 Mrd. Euro betragen. Ausreicher der "Griechenland-Hilfe" ist die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die ihrerseits das Geld bei privaten Banken leiht. Deren Risiko ist gleich Null. Bei einem Staatsbankrott Griechenlands haftet der deutsche Steuerzahler. Wie "Spiegel-online" berichtete, beläuft sich Athens vermutlicher Finanzbedarf bis 2015 auf ca. 230 Mrd. Euro. 90 Mrd. werden allein für Zinszahlungen fällig. Griechenlands maßgebliche Politiker folgten mit ihren Beschlüssen zur Sanierung der Staatsfinanzen den bei gezogenem Messer erteilten "Ratschlägen" der Europäischen Zentralbank (EZB) und des IWF. Die Lösung des Staatsverschuldungsproblems wird hundertprozentig auf die Arbeitenden abgewälzt. Das Einkommen der Masse sinkt bei gleichzeitigem Steigen der Preise. Es bleibt abzuwarten, ob das griechische Volk die neuen Belastungen hinnehmen wird. Machtvolle Kampfaktionen, darunter Generalstreiks, deuten eher das Gegenteil an.

Eine dauerhafte und wirkliche Lösung der Finanzprobleme Athens liegt fernab der Empfehlungen und Forderungen von EZB und IWF. Das Land müßte sich aus der wirtschaftspolitischen Bevormundung lösen, die Souveränität über seine Währungs- und Finanzbeziehungen sowie die wirtschaftliche Entwicklung zurückgewinnen. Das aber setzte voraus, daß die bestehenden Macht- und Eigentumsverhältnisse geändert, daß Schlüsselbereiche der Wirtschaft durch den Staat übernommen oder durch ihn streng kontrolliert werden. Zur Kasse sind jene Banken und Konzerne zu bitten, welche seit Jahrzehnten die Verantwortung für den Ausverkauf der griechischen Wirtschaft tragen.

Dr. Ulrich Sommerfeld, Berlin

Raute

Über "Freiheitsfahnen", Rostlauben und politischen Schrott

Streiflichter aus Litauen

Es ist doch erstaunlich, wie Gorbatschow und seine Komplizen in der Führung der KPdSU binnen kurzer Zeit den Untergang einer Weltmacht voranzutreiben vermochten. Der Erfinder von "Glasnost" und "Perestrojka" - inzwischen ein vielfacher Millionär - wird von den meisten einfachen Russen heute verachtet und gehaßt. Seine in Wahrheit irreführenden und inhaltsarmen Parolen klangen zunächst vielversprechend und fuhren der westlichen Politreklame ordentliche Gewinne ein. Gorbatschow eroberte mit ihnen anfangs die Herzen nichts Böses ahnender Bürger in Ost und West. Genauso verhielt es sich zunächst mit Barack Obama und dessen Schlagworten "Change" (Wechsel) und "Yes, we can" (Ja, wir können). Die Politiker des Imperialismus und deren Meinungsmacherzentralen schlossen beide Spezialisten für Roßtäuschung in ihr Herz. Die Katastrophe von Tschernobyl, mit der Gorbatschow selbst nichts zu tun hatte, trug dazu bei, ihm schon bald das Genick zu brechen. Das als Prelude.

Mit meiner Frau fuhr ich im August 1989 zu einem privaten Besuch bei Freunden nach Vilnius, das damals noch die Hauptstadt der Litauischen Sowjetrepublik war. Schon am Bahnhof wurden wir über die Menschenkette informiert, die sich an diesem Tag - dem 23.8. - aus Protest gegen den 50 Jahre zuvor geschlossenen "Hitler-Stalin-Pakt" von der estnischen Ostgrenze über ganz Lettland bis an die litauische Westgrenze formiert hatte. Ein ganz gewiß nicht im Selbstlauf zustande gekommenes Meisterwerk der Logistik, wenn man berücksichtigt, wie "brutal doch in diesem Völkergefängnis" - nach westlicher Lesart - von den sowjetischen Organen gegen jede Form nationalen Aufbegehrens eingeschritten wurde.

Wir bemerkten davon nichts und hatten auch bei früheren Besuchen derartiges nicht wahrgenommen. Allerdings verbrachten wir unsere Zeit nicht in Luxushotels für überwiegend westliche Besucher, sondern lebten stets inmitten befreundeter Familien oder in betrieblichen Einrichtungen. Außerdem fuhren wir überall dorthin, wo es Interessantes zu besichtigen gab. So kamen wir mit vielen Menschen, denen wir dort begegneten, ins Gespräch.

In den Tagen nach unserer Ankunft fanden im Kreis unserer Freunde heftige Debatten statt. Etliche junge Leute waren der antisowjetischen Agitation auf den Leim gegangen. Radio Free Europe und Radio Liberty trugen das Ihre dazu bei, gossen Öl ins Feuer. Besonders zwei junge Frauen schwenkten in ihren Wortgefechten mit uns die litauische Freiheitsfahne und priesen die vermeintlichen Vorzüge, welche sie von der "neuen Ordnung" erwarteten. Auf unsere Fragen nach den realen Möglichkeiten zur Erfüllung dieser hochgesteckten Wünsche bekamen wir zur Antwort: "Wir werden Schweine an die EU liefern." So einfach stellten sich auch viele andere Litauer den "Wechsel" vor. Nur die Älteren blickten nachdenklich drein. Unser Hinweis, daß es in der EU, zu der die litauischen Nationalisten in der Endphase des Bestehens der UdSSR drängten, schon riesige "Milchseen" und "Butterberge" gebe, so daß es wahrscheinlich mit den "Schweinen" nicht viel werden dürfte, prallte an jugendlicher Begeisterung für "etwas Neues" chancenlos ab. Yes, we can - allerdings auf litauisch - beendete den Disput.

Hinzufügen möchte ich an dieser Stelle, daß wir seitdem mehrere Male in der baltischen Republik gewesen sind, von "blühenden Landschaften" aber ebensowenig zu entdecken vermochten wie daheim. Ein Freund schrieb uns aus Litauen, daß es jetzt 14 % Arbeitslose gebe. Wörtlich fügte er hinzu: "Die Pensionäre bekommen ein um 10 bis 20 % gekürztes Gnadengehalt."

Besonders auffällig ist heute, daß es in Vilnius und den anderen größeren Städten Litauens riesige Flächen gibt, auf denen ungezählte schrottreife Rostlauben aus ganz Europa stehen. Sie warten vergeblich auf Käufer. Ständig kommen weitere Altautos hinzu. Interessenten an Ort und Stelle gibt es schon lange nicht mehr - der Bedarf ist allemal gedeckt. Häufig wurde "Omas kleines Häuschen" verscherbelt, damit sich der Enkel einen "Westwagen" leisten konnte. Auf meine Frage, was nun mit diesen "Lauben" geschehe, erfuhr ich, sie würden an Kunden in Kasachstan gehen und dorthin per Eisenbahn verfrachtet. Dann laufen sie vermutlich noch ein oder zwei Jahre, um anschließend als Schrott in die VR China verkauft zu werden. Nach dem Einschmelzen dürften sie - wie Phönix aus der Asche - in Autogestalt wieder auftauchen. Die Neuwagen gehen nach Europa. So erhält die EU ihre Karren nach einem Wandlungsprozeß wieder zurück. Auch das ist Globalisierung!.

Doch greifen wir den Ausgangspunkt unserer Betrachtung - die Menschenkette gegen den "Hitler-Stalin-Pakt" - noch einmal auf. Er wurde in den baltischen Sowjetrepubliken für jene Kampagne mißbraucht, die letztlich zur Auslöschung aller positiven Ergebnisse der seit 1945 im Verbund mit den anderen Völkern der UdSSR geleisteten großen Arbeit geführt hat. Gorbatschow war als Generalsekretär der KPdSU weder willens noch imstande, sich dieser historischen Niederlage entgegenzustemmen. Der Kampf gegen das "Wässerchen" erschien ihm wohl wichtiger.

Zum "Pakt" ist schon viel und sehr Unterschiedliches geschrieben worden. Nach meiner Ansicht war er ein Meisterstück sowjetischer Diplomatie, wenn man die damals ablaufenden weltpolitischen Vorgänge im Zusammenhang mit den Aggressionsvorbereitungen des deutschen Faschismus betrachtet. Nachdem durch die Verschleppungstaktik der mit Moskau verhandelnden Westmächte klar wurde, daß man Hitler den Weg nach Osten freigeben wollte, konnte die Sowjetunion durch den Nichtangriffsvertrag Zeit gewinnen, wenn auch nur von kurzer Dauer. Daß im Zusammenhang mit der 1939 erfolgten sowjetischen Ausdehnung nach Westen nicht immer mit Samthandschuhen vorgegangen wurde, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Die Tatsache, daß dieser Pakt ein halbes Jahrhundert nach seiner Unterzeichnung noch immer ein antisowjetisches Haßpotential zu entfesseln vermag, zeigt uns, wie sich die Medien des Imperialismus bei geschickter psychologischer Führung einsetzen lassen. Im Ergebnis der Gorbatschow-Ära und im Gefolge von "Glasnost" und "Perestrojka" wurden die Völker im ost- und mitteleuropäischen Raum, die Kurs auf den Sozialismus genommen hatten, um eine ganze Gesellschaftsformation zurückgeworfen.

Dr. agr. Günther Freudenberg, Bernburg


Raute

Blackwaters Irak-Einsatz war nur die Spitze eines Eisbergs

Privatisierung des Krieges

Auf den Kriegsschauplätzen und in den Krisengebieten dieser Welt begegnet man immer mehr Privatsoldaten. Für wen sie kämpfen, wer sie bezahlt, wer sie dorthin geschickt hat, ist selten klar.

Ob und wem gegenüber sie verantwortlich sind, weiß niemand so recht zu sagen. Und auch woher sie ihr auf dem neuesten technologischen Stand befindliches Kriegsgerät - Panzer, Kampfhubschrauber, Granaten, Raketen - bezogen haben, will keiner eindeutig beantworten.

Früher nannte man sie Söldner. Heute sind sie Angestellte von Firmen, die Phantasienamen wie Blue Sky, Genric, Logicon oder Pistris tragen. Bekannt geworden ist Blackwater in Irak.

Die Söldnerbranche hat sich nach dem Ende des Ost-West-Konfliks zu einer globalen Industrie von Militärdienstleistern entwickelt.

Erstmals tauchten sie bei der Zerschlagung Jugoslawiens auf. In seinem Buch "Die Kriegs-AGs" schreibt Peter W. Singer über den Angriff der Kroaten mit ihrer "Operation Sturm" 1995, der die Serben völlig überraschend in die Defensive drängte. Die zusammengewürfelte kroatische Miliz war durch eine private amerikanische Firma (Sitz in Virginia) ganz plötzlich in eine Armee westlichen Stils verwandelt worden. Die bosnischen Moslems wollten von der gleichen Firma unterstützt werden.

Die Privatsoldaten gehören in der Mehrzahl zu keiner nationalen Streitmacht. Ob es sich um einen kroatischen, pakistanischen, kolumbianischen, irischen oder ukrainischen Kämpfer, um einen Angehörigen einer regulären Armee, einen Söldner, einen Rebellen oder um einen Terroristen handelt, wird man weder an der Kleidung noch am Reisepaß feststellen können. Alle Altersstufen sind vertreten, nahezu alle sozialen Schichten, Analphabeten und Universitätsabsolventen. Sie agieren als militärisch gut ausgebildete Angestellte von privaten Militärfirmen.

Nicht nur das soldatische Handwerk ist gefragt. Smarte Manager sind ebenso gesucht wie gewiefte Waffenhändler, auf Kriegsgerät spezialisierte Ingenieure, Computerfachleute oder Übersetzer, erfahrene Piloten und Leute, die etwas von Logistik oder Satellitenübertragung verstehen.

Es dominiert die Jobmentalität. Das Kriegshandwerk und alle mit bewaffneten Konflikten zusammenhängenden Tätigkeiten sind zu normalen Dienstleistungen geworden. Was für den Auftraggeber zählt, sind die professionelle Ausführung und der Erfolg; was den Ausführenden interessiert, ist die Bezahlung.

Um gleichzeitig die Lohnkosten zu senken, rekrutieren die privaten Militärfirmen den größten Teil des Personals oft am Ort ihrer Einsatzgebiete. Das Verhältnis zwischen hochspezialisierter Fachkraft, zum Beispiel dem ehemaligen Feldwebel einer Spezialeinheit in westlichen Armeen, und einheimischen Sicherheitskräften beträgt nicht selten 1:20 oder mehr. Da viele Ex-Soldaten oder -Polizisten in den Ländern der Dritten Welt arbeitslos sind, fällt es den Militärfirmen nicht schwer, billiges Personal zu finden. Das hat zwar Mängel in der militärischen Qualität, die aber ausgeglichen werden durch die Vertrautheit mit der Sprache und den heimischen Gewohnheiten. Sie garantieren ein leichteres und tieferes Eindringen in die Sozial- und Infrastrukturen der Konfliktgebiete. Getötete Dienstleister haben überdies den Vorteil, daß sie in keiner Statistik auftauchen. Sie hat es nie gegeben.

Sanho Tree vom Washingtoner Institute for Policy Studies erklärte 2004: "Einer der frustrierenden Punkte bei der Recherche über private Militärunternehmen ist folgender: Sie erfüllen staatliche Funktionen, bekommen Geld der US-Steuerzahler, betreiben Flugzeuge, die der US-Regierung gehören, nutzen die US-Luftwaffenbasen - sie tun alles, was sie tun, im Namen des amerikanischen Volkes, aber wenn man Informationen von ihnen möchte, dann sagen sie: 'Oh nein, wir sind ein privates Unternehmen, wir müssen nicht mit Ihnen reden.'"

Unlängst bekannten Offizielle aus dem Pentagon: "Wir sind heute ohne die privaten Militärfirmen nicht mehr in der Lage, einen Krieg zu führen." Die "Dienstleister" kämpfen im Afghanistan-Krieg als verdeckte paramilitärische Einheiten gegen die Taliban und steuern "Global Hawks", die neuesten Überwachungsflugzeuge. Im letzten Jahr wurden sie zunehmend nach Pakistan eingeschleust und gehören dort zu den Kräften, die das Land destabilisieren.

Die BRD nimmt private Firmen bisher vor allem für die Logistik (Aufbau von Feldlagern, Wasserversorgung) in Anspruch, aber auch für Lufttransport und Aufklärung. Das kann sich bei mehr Auslandseinsätzen schnell ändern. Tote Privatsoldaten werden nirgendwo registriert. Auch sie hat es nie gegeben.

Horst Neumann, Bad Kleinen

Raute

Allen Dulles ließ die Katze aus dem Sacke

Die Moral der CIA

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Seminar über Arbeiterfotografie im Madrider Museum Reina Sofía

Chronisten des Klassenkampfes

Sich der Bewegung der Arbeiterfotografie zu nähern, ist aus mancherlei Gründen motivierend. Mehr als 80 Jahre nach dem Patent von Daguerre, das den offiziellen Beginn der Fotografie kennzeichnet, hatte die technische Vereinfachung das hervorgebracht, was wir die illustrierte Chronik jener nennen könnten, deren Geschichte stets verleugnet wurde.

Zum ersten Mal unterstrich man den Arbeitern gegenüber die Wichtigkeit von Bildern im Klassenkampf, wobei sie Hilfe von ihren Freunden aus der Kommunistischen Partei erhielten. Willi Münzenberg, der Begründer der Arbeiter-Illustrierten-Zeitung (AIZ), schrieb: "Vor 30 oder 40 Jahren begriff die Bourgeoisie, daß die fotografische Aufnahme beim Beobachter einen Eindruck hinterläßt und einen einzigartigen Effekt auslöst. Sie wirkt auf das Auge des Menschen, das Geschehene reflektiert sich im Kopf desjenigen, der beobachtet, ohne daß sich dieser gezwungen sieht, komplizierte Denkübungen zu vollziehen. Auf diese Weise zeigt sich die Bourgeoisie nachsichtig mit der Schwerfälligkeit der Volksmassen, gleichzeitig macht sie ein rundes Geschäft, denn die illustrierten Zeitungen erreichen normalerweise Millionenauflagen."

Münzenberg, mit Spitznamen ironisch "roter Millionär" genannt, war bis zu Hitlers Machtantritt KPD-Reichtagsabgeordneter und eine zentrale Gestalt bei der Entwicklung der Arbeiterfotografie. Als Verantwortlicher für Agitation und Propaganda der Kommunistischen Internationale förderte er in den 20er Jahren Veröffentlichungen wie "Sowjetrußland im Bild" und "Der Arbeiter-Fotograf", die Auflagen von über 500.000 Exemplaren erreichten.

Ab Ende der 20er Jahre entsteht mit großem Einfluß auf Teile Europas, der USA und Mexikos diese neue Fotografie in einer UdSSR, die als ideologischer Leuchtturm wirkt, und in einem krisengeschüttelten Deutschland der späten Weimarer Republik, wo die Konfrontation zwischen Faschisten und Kommunisten täglich an Schärfe zunimmt. Auf diese Weise zeigt die Arbeiterfotografie einerseits ein nach den Erfolgen des ersten sowjetischen Fünfjahrplans jubelndes Proletariat, und widerspiegelt andererseits das sich durch die 1929 "ausgebrochene" Krise der kapitalistischen Weltwirtschaft multiplizierende Elend der deutschen Arbeiterklasse. Die Arbeiterfotografen, unter ihnen viele Amateure, zeigten ungeschminkt die Härte ihres Lebens, in Fabriken, auf Demonstrationen, in Arbeitslosenschlangen oder im privaten Bereich. Die Aufnahmen über den Hunger und die Armut des Proletariats dienten als Waffe der Agitation für eine Revolution, die jedoch nicht kam. Der Klassenkampf wurde so mit der Waffe der Bilder geführt.

An den Dokumentarfilm angelehnt und das Bild als "Schrift der Taten" verstehend, experimentierte die Arbeiterfotografie auf ihrer Suche nach neuen Blickpunkten unter Einbeziehung von Texten oder mit den neuen Techniken der Fotomontage.

Die von der AIZ ab 1930 veröffentlichten Arbeiten John Heartfields, eines der größten Meister dieser Technik, wurden zu visuellen Geschossen, die den Aufstieg des Faschismus mit Hilfe der Mächte des Kapitals ins Visier nahmen. Heartfield, eigentlich ein Berliner Dadaist mit dem Nachnamen Herzfelde, kombinierte auf brillante Weise Kunst und Politik, geißelte die Nazisymbolik und die Figur Hitler. Seine Fotomontagen wurden zu ideologischen Ikonen.

Die Arbeiterfotografie war eine Bewegung, die den Gedanken individueller Autorenschaft ablehnte, so daß es bei den veröffentlichten Aufnahmen keinerlei Hinweis auf deren Urheberschaft gab. Das Wichtige beruhte auf dem Werk an sich, das dem allgemeinen Interesse des Proletariats dienen sollte. Doch hinter solcher Anonymität können wir Arbeiten von einigen der Großen des Fotojournalismus finden, die im spanischen Bürgerkrieg zusammenfließen, so von Walter Reuter und Tina Modotti. Mit Hitler an der Macht und angesichts des Vormarsches der Faschisten in Europa ist der spanische Krieg die letzte Phase der Bewegung, sowohl im politischen als auch im ästhetischen Sinne.

2011 wird das Madrider Museum Reina Sofía eine Ausstellung unter dem Motto "Ein hartes Licht, ohne Mitleid. Die Bewegung der Arbeiterfotografie - 1926 bis 1939" präsentieren.

Juan Aballe in "Diagonal"

Übersetzung: Isolda Bohler †

Raute

Panamas Präsident Martinelli unterbindet Kubas "Operation Milagro"

Aus für humanitäre Hilfe

Kubas Augenärzte gelten in ganz Lateinamerika als Wunderheiler. Im Rahmen der "Operation Milagro" haben sie Hunderttausenden Blinden und Sehbehinderten auf dem Subkontinent das Augenlicht ganz oder teilweise wiedergegeben. Sämtliche erforderlichen medizinischen Eingriffe und Behandlungen, durch die vor allem mittellosen Menschen geholfen werden soll, erfolgen absolut unentgeltlich.

Allein in Panama konnten 44 486 Patienten mit eingeschränktem oder nicht mehr vorhandenem Sehvermögen durch kubanische Mediziner erfolgreich behandelt werden. Unter ihnen befinden sich vor allem vom Grauen und Grünen Star Betroffene, Diabetiker mit krankheitsbedingten Augenleiden, unter Netzhautablösung und Glaukomen Leidende.

Jetzt ist das im März 2007 aufgrund eines Abkommens mit der panamaischen Vorgängerregierung angelaufene Programm durch den neuen rechtsgerichteten Präsidenten Martinelli - einen vielmillionenschweren Unternehmer - brüsk beendet worden. Und das, obwohl es in Panama nach Feststellungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) allein 32.000 durch Katarakte auf einem oder beiden Augen Erblindete gibt. Die erfolgreich verlaufende "Operation Milagro", die ausschließlich humanitären Erwägungen folgt und auf dem Solidarprinzip beruht, mußte eingestellt werden.

Zuvor hatte Martinelli Panama nicht nur aus dem Zentralamerikanischen Parlament (Parlacen) herausgenommen, sondern auch zwei früher geschlossene US-Militärstützpunkte in der Piña-Bucht nahe der kolumbianischen Grenze und in Punta Coca dem Pentagon zurückgegeben.

Auch in anderem Zusammenhang deckte Martinelli seine in Washington gedruckten Karten auf. Er unterstützte nicht nur den vorjährigen Militärputsch gegen den rechtmäßigen honduranischen Präsidenten Manuel Zelaya, sondern nahm auch als einziger mittelamerikanischer Staatschef an der Amtseinführung dessen nach dubiosen Wahlen ans Ruder gebrachten Nachfolgers Porfirio Lobo teil.

Der Schlag gegen Kubas "Operation Milagro" und Panamas Sehbehinderte verdeutlicht einmal mehr, wessen Strohmann der rabiate Antikommunist Martinelli ist.

RF, gestützt auf Radio Havanna


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Eine kubanische Augenärztin untersucht einen Patienten in Panama-Stadt

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Vorfreude auf Magdeburgs Ehrenbürgerin

Magdeburg hat drei Ehrenbürger: den Ukrainer und ehemaligen Offizier der Sowjetarmee Igor Belikow, der am 13. März 1969 die damals vierjährige Kathrin Lehmann bei einem Sturz aus dem 5. Stock eines Wohnhauses in seinem Mantel auffing und damit rettete; den früheren Oberbürgermeister Willi Polte, der sich um die Stadtentwicklung verdient machte, und Angela Davis. Sie hatte die Elbestadt nach ihrem Freispruch im Prozeß von San Jose 1972 besucht, um sich für die Solidarität vieler Magdeburger zu bedanken.

Am 21. Juli 2006 veröffentlichte die Magdeburger "Volksstimme" einen sachlichfairen Bericht von Katja Tessnow unter der Schlagzeile "Mission Angela: Versuch einer Annäherung an die Ehrenbürgerin". Die Journalistin hatte sich schon wiederholt mit dem Thema beschäftigt und mehrere Beiträge dazu veröffentlicht.

In dem Bericht vom 21. Juli 2006 hieß es u. a.: "Eigentlich ist alles ganz simpel: Ehrenbürger sind zu ehren, zu pflegen und zu hohen Festen einzuladen. So steht es in der Magdeburger Ehrenbürger-Satzung. So gebietet es normaler Menschenverstand.

Bei Angela Davis ist alles anders. Zwar hatten sämtliche Nachwende-Volksvertretungen nicht das Kreuz, ihr die Ehrenbürgerwürde zu streichen, aber die Davis ehrend einladen? Der Rat diskutierte auf Antrag dieser (Linke.PDS) oder jener (Grüne) Fraktion immer mal wieder heftig darüber und lehnte am Ende stets mehrheitlich ab. Das ist wider Satzungsrecht.

Das ist eine Provinzposse. Das ist ein Ding, das der Ratsfraktion 'Bund für Magdeburg' so gegen den Strich geht, daß sie aktiv wurde.

Angela Davis erfährt bis heute reichlich Einladungen - von Menschenrechtsorganisationen z. B., von namhaften Universitäten auf der ganzen Welt. Davis, die heute in Kalifornien Sozialrecht und politische Wissenschaften lehrt und nicht müde wird, um Rechte für Schwache und Arme zu streiten, wird ohne Magdeburg leben können.

Aber Magdeburg ohne sie? Mit reinem Gewissen nicht."

Das meinte jedenfalls nicht nur Dieter Geske, Fraktionsgeschäftsführer des "Bundes für Magdeburg" im Stadtrat: "Auslöser für unsere Kontaktaufnahme war die jüngste Peinlichkeit im Oktober, als eine Ratsmehrheit zuerst eine Einladung von Frau Prof. Davis zum 1200. Stadtgeburtstag ablehnte, dann aber auch mehrheitlich gegen die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft stimmte."

Dieter Geske habe dann an Angela Davis geschrieben und ihr mitgeteilt, "daß es in Magdeburg Menschen gibt, die sie gerne einladen würden". Ob sie Interesse habe zu kommen. "Aber ja", schrieb Frau Davis prompt, "und daß sie bei Gelegenheit auch gerne die hiesige Universität kennenlernen würde", heißt es in dem Artikel Katja Tessnows. "Ihr Wunsch nach wissenschaftlicher Verständigung und Auseinandersetzung spricht für echtes Interesse." Allein nach Protokollarischem stehe Angela Davis offenbar nicht der Sinn.

Dieter Geske wußte damals zu berichten: "Mehrere Institute der Fakultät für Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften haben Interesse an einer Einladung von Prof. Davis nach Magdeburg."

Alles sieht danach aus, daß der Wunsch der Ehrenbürgerin nach einer Begegnung mit Magdeburgern diesmal in Erfüllung gehen wird.

RF


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Angela Davis mit Walter Bütow, dem Ehrenvorsitzenden des Magdeburger Vereins der Thälmannwerker, im Januar 2005 in Berlin-Friedrichsfelde


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Angela Davis bald beim "RotFuchs"

In diesem Monat folgt Angela Davis einer Einladung der Partei Die Linke und der Eulenspiegel-Verlagsgruppe. Sie will Berlin, Leipzig und Magdeburg besuchen. Im Mittelpunkt ihres Aufenthalts steht die Teilnahme am "Fest der Linken", das am 19. und 20. Juni in der Kulturbrauerei Berlin-Prenzlauer Berg, Schönhauser Allee 36-39, stattfindet.

Am 20. Juni um 15.30 Uhr nimmt sie an einer Vorstellung des Buches von Klaus Steiniger "Angela Davis - Eine Frau schreibt Geschichte" im Palais auf dem Gelände der Kulturbrauerei teil. Ab 16.45 Uhr ist sie für eine halbe Stunde zum Signieren des Buches, dessen Vorwort sie geschrieben hat, bereit.

Veranstalter der Präsentation sind die RF-Redaktion und der "RotFuchs"-Förderverein. Wir rufen alle Mitglieder, Leser und Freunde des RF zur Teilnahme am "Fest der Linken" und an der "RotFuchs"- Begegnung mit Angela Davis auf.


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Bewegender Gruß

Der langjährige Gerichtsreporter der "Ostsee-Zeitung" und in Schwerin lebende Autor Günter Jaffke redigierte 1972 die uns von ihm übersandte Abiturzeitung der Klasse 12 R 1 der 2. Erweiterten Oberschule Berlin-Mitte, vormals Graues Kloster. Der bewegende Gruß an Angela Davis ist dieser Publikation entnommen, die damals in einer Auflage von 500 Exemplaren erschien.

Klaus Steiniger war von 1949 bis 1952 FDJ-Sekretär am damaligen Gymnasium Zum Grauen Kloster.    RF

Raute

Venezuelas Präsident Hugo Chávez rief 5. Internationale aus

Sozialismus des 21. Jahrhunderts?

Im November 2009 fand in Caracas, der Hauptstadt Venezuelas, ein Treffen linker Parteien statt. Präsident Hugo Chávez erklärte dort, er halte die Zeit für gekommen, eine 5. Internationale ins Leben zu rufen. Die Zukunft der Menschheit sei von der Krise des Kapitalismus und permanenter Kriegsgefahr bedroht. Angesichts dessen mache sich eine engere Zusammenarbeit zwischen den linken und revolutionären Parteien erforderlich, die bereit seien, für den Sozialismus zu kämpfen.

Caracas war Treffpunkt traditioneller südamerikanischer sowie linker Parteien und neuerer Gruppen aus anderen Teilen der Welt. Das Protokoll vermerkte die Anwesenheit der Delegierten von 55 Formationen aus 31 Ländern. Darunter befanden sich Abgesandte kommunistischer und sozialdemokratischer Parteien Asiens und Europas, Vertreter nationaler Befreiungsbewegungen aus Afrika und dem Mittleren Osten sowie Politiker von jüngeren Organisationen wie der Partei Die Linke aus der BRD, Portugals Linksblock und Frankreichs Partei der Linken.

Unter den Teilnehmern bemerkte man neben Abgesandten lateinamerikanischer Gruppierungen wie der Sandinistischen Nationalen Befreiungsfront (FSLN) aus Nikaragua und der Bewegung zum Sozialismus (MAS) aus Bolivien natürlich auch den orientierunggebenden Veranstalter: die Sozialistische Einheitspartei Venezuelas (PSUV). Anwesend waren Sprecher der Gruppe "Freunde Venezuelas" in der britischen Labour Party sowie Mitglieder der australischen Sozialistischen Allianz.

Präsident Chávez betonte in seiner Ansprache, die 5. Internationale müsse aus Fehlern der Vergangenheit Schlüsse ziehen, wenn sie ihre "Agenda für das 21. Jahrhundert" definiere. Es sei sinnlos, alte Theorien, Konzepte und Strukturen wiederbeleben zu wollen. Die neue Internationale müsse "eine sozialistische und diversifizierte Alternative bieten". Während einige kommunistische Parteien, darunter die kampferprobte KP Venezuelas, Griechenlands KKE und die Brasilianische KP Bedenken und Vorbehalte gegenüber den unterbreiteten Vorschlägen geltend machten, bekundeten die erwähnten neuen Linksparteien Europas zwar Interesse, erklärten jedoch einschränkend, sie müßten zunächst mit ihren Organisationen Rücksprache halten.

José Martí, der die KP Kubas auf der Beratung repräsentierte, betonte, die linken Kräfte seien gegenwärtig nicht dazu imstande, den Herausforderungen ihrer Feinde hinreichend Widerstand entgegenzusetzen, was eine klar umrissene Strategie für den gemeinsamen Kampf besonders notwendig mache. Das Chávez-Konzept sei zwar "ausgezeichnet", die kubanische KP wolle sich aber nicht formell daran binden.

Die Mehrheit der Anwesenden stimmte dann für die Gründung einer "5. Internationale" als "Zentrum für sozialistisch ausgerichtete Parteien, Bewegungen und Strömungen", in dessen Rahmen eine gemeinsame Strategie für den Kampf gegen den Imperialismus, den Sturz des Kapitalismus und dessen Ersetzung durch den Sozialismus ausgearbeitet werden könne. Eine Arbeitsgruppe aus den Reihen der Teilnehmer wurde beauftragt, Zielsetzung, Inhalt und Mechanismen dieses Unterfangens für die Agenda einer formellen Gründungskonferenz vorzubereiten, deren Zeitpunkt auf April festgelegt wurde.

Als Hauptdokument nahmen die beteiligten Parteien und Organisationen die "Verpflichtung von Caracas" an. In ihr heißt es u. a., die strukturelle Krise des Kapitalismus schließe außer der Wirtschaftskrise die Umweltkrise, die Ernährungskrise und die Energiekrise mit ein. Sie bedeute eine tödliche Gefahr für die Menschheit. Die einzig mögliche Alternative sei der (durch seine Erfinder um Prof. Heinz Dieterich, Mexiko, bekanntlich vom klassischen Marxismus des 19. und vom Leninismus des 20. Jahrhunderts abgekoppelte) "Sozialismus des 21. Jahrhunderts".

Kurz nach dem Treffen in Caracas fand der 1. Außerordentliche Kongreß der Sozialistischen Einheitspartei Venezuelas (PSUV) statt. Dort konkretisierte Präsident Chávez in einer fünfstündigen Rede sein Konzept der 5. Internationale. Nach einem Blick auf die verschiedenen Internationalen, von der 1., die 1864 durch Marx und Engels gegründet wurde, der 1889 entstandenen 2., der Leninschen 3., die sich 1919 formierte und "unter Stalin degenerierte" und der 4. Leo Trotzkis (1938), die sich jedoch nach dessen Ermordung im Jahre 1940 niemals zu einer Massenbewegung entwickelt habe, sagte Chávez: "Ich übernehme die Verantwortung vor der Welt und denke, es ist an der Zeit, die 5. Internationale zusammenzurufen!" Diese werde keine Gebrauchsanweisungen verteilen, keinerlei Zwang ausüben und "Diversität" - ein anderes Wort für Pluralismus - respektieren. Die 5. Internationale müsse "verfehlte Projekte" wie den "realen Sozialismus" oder die Sozialdemokratie hinter sich lassen. Neben "großen Namen wie Marx, Engels, Clara Zetkin, Rosa Luxemburg, José Carlos Mariategui und Leo Trotzki" stünden die Ideen der südamerikanischen Radikalen und Befreier Simon Bolívar, Francisco Morazan, Maurice Bishop und Sandino.

In Venezuela sei es noch nicht gelungen, den Kapitalismus auszuschalten; man bewege sich aber in dieser Richtung. Die Ankündigung der inzwischen erfolgten Verstaatlichung von sieben Banken durch den Präsidenten wurde von den Delegierten mit stürmischem Beifall begrüßt.

"Heute versucht der Yankee-Imperialismus wieder, durch Kriege die Wirtschaftsmisere zu überwinden", warnte Chávez. Daher sei es dringend geboten, gemeinsam die 5. Internationale ins Leben zu rufen. "Wir haben viel Zeit mit Reden und Entschuldigungen für unsere Tatenlosigkeit vergeudet und die Hoffnungen unserer Völker verraten. Wir brauchen die Einheit der linken Parteien, wirklich linker Parteien!"

Nicht wenig spricht dafür, daß der mutige Antiimperialist Hugo Chávez bei seiner Entscheidung von den in Venezuela sehr aktiven Trotzkisten beraten worden ist. Politische Beobachter - auch hier in Australien - ordnen die Idee einer 5. Internationale eher diesen zu.

Dr. Vera Butler, Melbourne


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

In einer Reihe für ein vom Imperialismus befreites Lateinamerika: die Präsidenten Venezuelas Hugo Chávez, Kubas Raúl Castro und Boliviens Evo Morales

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Ergänzendes zur "Ruhmeshalle des Sports"

Im RF 147 war von der "Ruhmeshalle des deutschen Sports" und deren Mängeln die Rede. Daß man von einer solchen Einrichtung nicht viel Sympathie für die DDR erwarten konnte, dürfte jedem in der Gegenwart Lebenden schon vorher klar gewesen sein. So mußte es immerhin positiv auffallen, daß man Werner Seelenbinder einen Platz eingeräumt hatte, dessen Grab in Westberlin während des Kalten Krieges eingezäunt und verriegelt worden war.

Dem Verein Sport und Gesellschaft, der seit 1999 die renommiertesten Sportwissenschaftler der DDR vereinigt, ist es zu danken, daß sich die Schöpfer der "Ruhmeshalle" nun mit einem Problem konfrontiert sehen, welches eine Kernfrage des deutschen Sports tangiert. Der Verein empfahl dem zu dieser Zeit als Innenminister noch zuständigen Wolfgang Schäuble, Willibald Gebhardt in die Halle des Ruhms aufzunehmen. Der reagierte umgehend und ließ den Verein wissen, daß er den Vorschlag an die zuständigen Instanzen weitergegeben habe, woraus zu entnehmen war, daß er die Notwendigkeit, Gebhardt zu berücksichtigen, positiv beurteilte.

Wer war Willibald Gebhardt?

Als Baron de Coubertin 1894 der Welt die Idee unterbreitete, die antiken Olympischen Spiele der Griechen wieder auferstehen zu lassen, stieß er auf viel Opposition, weil das Thema Völkerfreundschaft in Europa wenig populär war. Den heftigsten Widerstand erntete er in Deutschland, wo man noch immer mit viel Aufwand den Sieg von Sedan feierte und die der Verbrüderung junger Athleten dienende Idee eines Franzosen - so wörtlich von den Sportführern formuliert - für "Landesverrat" hielt. Willibald Gebhardt, ein vielseitiger Berliner Chemiker, wandte sich gegen diese Front, sammelte eine Schar von Athleten, die sogleich alle aus ihren Verbänden ausgeschlossen wurden, und reiste mit ihr nach Athen, dem Schauplatz der ersten modernen Spiele. Coubertin holte ihn als ersten Deutschen in das Internationale Olympische Komitee, übertrug ihm viele knifflige Aufgaben und machte ihn sogar zu seinem Stellvertreter, als er fürchtete, daß die Spiele 1904 in St. Louis (USA) seine Pläne gefährden könnten.

Inzwischen hatte man in Deutschland begriffen, daß der Siegeszug der olympischen Idee nicht mehr aufzuhalten war. So bemühte man sich, kaiserliche Generale ins Internationale Olympische Komitee einzuschleusen. Voraussetzung schien ihnen allerdings, Gebhardt zuvor zum Rücktritt zu veranlassen. Also zwang man ihn, Coubertin 1907 mitzuteilen, daß er sich zurückziehen werde. Von diesem Tag an sorgte man dafür, daß er in Vergessenheit geriet. Als er 1921 bei einem Autounfall ums Leben kam, nahm nur die Fechterzeitung davon überhaupt Notiz. Fortan gehörte Gebhardt zu den von der deutschen offiziellen Sportöffentlichkeit ignorierten Persönlichkeiten.

Ich stieß auf seine Spur, als ich einen Köpenicker Bronzegießer traf, der auf Bitten seiner Witwe in den 20er Jahren nach einem Foto des Mannes eine Gebhardt-Bronzebüste geschaffen hatte, die spurlos aus dem damaligen Berliner Sportmuseum verschwand. Selbst als München 1972 die Olympischen Spiele ausrichtete, erinnerte man sich seiner nicht.

Und nun hat der Verein Sport und Gesellschaft - Präsident ist der frühere BSG-Vorsitzende Hasso Hettrich, Vizepräsident der langjährig an der Potsdamer Universität Sport lehrende Prof. Westphal - vorgeschlagen, Gebhardt in die Halle des Ruhms aufzunehmen. Als ersten Schritt hat er dessen Biographie herausgegeben. Die Auflage wurde auf 500 Exemplare beschränkt, aber jedes Buch ist handschriftlich von der DDR-Olympionikin Ruth Fuchs - zweimalige Olympiasiegerin im Speerwerfen -, Klaus Köste - Olympiasieger im Turnen - und Gustav-Adolf Schur - Medaillengewinner 1956 und 1960 - signiert. (Einige Exemplare sind bei dem Verein noch zu erwerben.)

Dr. Klaus Huhn

Raute

Heinz Knobloch war ein Meister des Berliner Feuilletons

Ein Waschkorb voller Bücher

Heinz Knobloch, am 3. März 1926 in Dresden geboren, nennt als eines seiner Vorbilder Victor Auburtin. Dieser fand: "Eine ernste Sache unterhaltend und in guter Form darzustellen, das ist es, was man Feuilletonismus nennt." - Knoblochs zu Papier gebrachte Wortmeldungen sind so zahlreich, daß man sie kaum noch überblicken kann. Zu seinen frühen Sammelbänden zählen u. a.: "Ein gewisser Reginald Hinz" (1963), "Herztöne und Zimmermannssplitter" (1962), "Die guten Sitten" (1964), "Du liebe Zeit" (1966), "Rund um das Bett" und "Täglich geöffnet" (beide 1970), "Bloß wegen der Liebe" (1971) und "Rund um das Buch" (1973).

Seine Feuilletons zeichnen sich durch gute Beobachtungsgabe und Entdeckungslust, Gedankenreichtum und Esprit aus. Über vier Jahrzehnte schrieb der "Meister der kleinen Form" solche Prosa. Langjährigen "Wochenpost"-Lesern war er ein Vertrauter, dessen Beiträge seit 1968 zur literarischen Kost dieses Blattes gehörten. Als Sammler und Herausgeber erwarb er sich das Verdienst, Feuilletons verschiedener Autoren zwischen 1842 und 1933 in dem Band "Der Berliner zweifelt immer" vorgestellt zu haben. Arbeiten dieses Genres aus 225 Jahren faßte er in "Allerlei Spielraum" zusammen. Unterhaltsame Bände aus eigener Feder sind auch: "Stäubchen aufwirbeln" (1974), "Das Lächeln der Zeitung" (1975), "Der Blumen-Schwejk" (1976), "Mehr war nicht drin" (1979) sowie "Nachträgliche Leckerbissen".

Knobloch hat wiederholt besonderes Gespür für Details bewiesen. Seine Erkundungen frappierten Berliner wie Nichtberliner, da er aus über drei Jahrhunderten Kulturhistorie manches Verschüttete "auszugraben" wußte. Er erkundete Geschichte und baute zugleich gedankliche Brücken zwischen den Zeitaltern. Erinnert sei an seine Feuilleton-Bände "Berliner Fenster" (1981), "Stadtmitte umsteigen" (3. Auflage 1987), "Nicht zu verleugnen" (1985), "Zur Feier des Alltags" (1986), "Berliner Grabsteine" (1987), "Im Lustgarten" (1989) und "Jüdische Friedhöfe".

Für Knoblochs Feuilletonbücher fanden sich stets exzellente Illustratoren.

Seinen vielbeachteten biographischen Büchern "Herr Moses in Berlin" und "Meine liebste Mathilde" folgte "Der beherzte Reviervorsteher" (1993). Darin wird an die Courage des Polizeioffiziers Wilhelm Krützfeld erinnert, der in der Pogromnacht 1938 die Berliner Synagoge vor der Vernichtung bewahrte.

Von den neueren Büchern mit Berliner Touch sind "Die schönen Umwege", "Beobachtungen" (1993) und "Mißtraut den Grünanlagen" (1996) zu nennen. Zu verweisen ist auf Knoblochs "Geisterbahnhöfe - Westlinien unter Ostberlin".

1995 legte der Autor sein Bändchen "Gartenlust & Gartenliebe. Abenteuer hinterm Zaun" mit feinsinnigen Illustrationen von Wolfgang Würfel vor. Unverstellt erzählt der Feuilletonist von sich selbst in "Nase im Winde. Zivile Abenteuer" (1994), "Eierschecke" (1995), "Mit beiden Augen" und "Die Suppenlina. Wiederbelebung einer Menschenfreundin" (1997).

Knobloch hat das literarische Feuilleton in unserer Literatur wieder in den Rang eines Kunstwerkes erhoben. Die Leser wurden durch seine Einsichten, Abschweifungen und aktuellen Seitenhiebe fasziniert. Außerdem verstand er es, Porträts und Skizzen, Erinnerungen an längst vergessene Personen und denkwürdige Augenblicke - nach akribischer Recherche - pointiert zu formulieren.

Knobloch hielt nochmals autobiographische Rückschau auf "Eine Berliner Kindheit. Zwischen Olympiade und Luftschutzkeller" (1999). Darin erzählte er kenntnisreich und unterhaltsam über diese Stadt, in die er als neunjähriger Dresdner Junge verpflanzt worden war.

Heinz Knobloch starb am 24. Juli 2003 in Berlin und wurde auf dem Dresdner Johannis-Friedhof beigesetzt.

Dieter Fechner

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Der Kohlenpott in der proletarischen Literatur

Karl Grünberg und das Ruhrgebiet

Unter dem Motto "Ruhr 2010" finden derzeit im Ruhrgebiet zahlreiche Veranstaltungen zu kulturellen Themen statt. Da darf die Arbeiterliteratur nicht fehlen, gibt es doch zahlreiche proletarische Schriftsteller, die das Leben der Ruhrgebietsmenschen durch all die Jahrzehnte begleitet haben. Manche waren eng mit dem Wirken der KPD verbunden, andere durchaus politisch engagiert, ohne einer Partei anzugehören. Wieder anderen kommt das Verdienst zu, die Situation der arbeitenden Menschen beständig in die Literatur eingebracht zu haben, wenn sie sich selbst auch gar nicht oder nur wenig in diesem Sinne betätigten. In einer kleinen Serie möchte der "RotFuchs" seine Leser mit der Ruhrgebietsliteratur bekannt machen.

Im Vorwort zu seinem Roman "Brennende Ruhr" schrieb Johannes R. Becher: "Mitten in der Wildnis der Großstadt ist unser Genosse Karl Grünberg aufgewachsen." Da haben wir ihn also, unseren typischen Ruhrgebietsschriftsteller. Doch nein. Karl Grünberg wurde 1891 in Berlin geboren und starb 1972 im hauptstädtischen Bezirk Pankow. Aber "Brennende Ruhr" gilt immerhin als seine "Hauptleistung, die vor allem thematisch einen Markstein in der proletarisch-revolutionären Literatur darstellt" (Meyers Taschenlexikon, Leipzig 1974).

Daß sich Grünberg in diesem Roman dem Kapp-Putsch des Jahres 1920 widmete, lag gar nicht so weit davon entfernt. In Berlin war er selbst an den Kämpfen gegen die reaktionären Putschisten aktiv beteiligt. Mittlerweile hatte er, der aus einer Arbeiterfamilie stammte, damit begonnen, sich schriftstellerisch zu betätigen. "Eines Tages fiel mir auf einem Bücherkarren ein Band in die Hände", berichtete Grünberg später einmal. "'Lava', ein typischer antibolschewistischer Schundroman, der den Kapp-Putsch glorifizierte und die Ruhrkumpel in den Dreck zog." Grünberg wurde klar, was den Proleten im Lande fehlte: "Ein Roman, der jene heroische Epoche der deutschen Arbeiterbewegung wahrheitsgetreu widerspiegelte."

Und so erschien 1928 "Brennende Ruhr". Das Buch führt den Leser in das fiktive Swertrup irgendwo bei Oberhausen. "Im kalten Licht der Bogenlampen dampften Kokereien und Hüttenwerke, ragten Schachttürme und Abraumhalden, loderten die glutroten Fackeln der Hochöfen. Dazwischen in gewissen Abständen, gleich Fremdkörpern in dieser Umgebung, kreuzgekrönte Türme protziger Kirchen." Ja, so war es, das alte Ruhrgebiet. Da mag sogar die bürgerliche Literatur noch folgen können. Nicht aber, wenn es um die Aktionseinheit der Arbeiter geht, die Streiks, die Schaffung der Roten Ruhrarmee, deren Kampf gegen die Freikorps, ihre Siege und die bittere Niederlage. All das beschreibt der Autor sehr eindrucksvoll.

"Karl Grünberg führt uns in diese Situation von ungeheurer geschichtlicher Tragik hinein", bemerkte Theodor Neubauer in der Einführung. "Nicht ohne uns vorher das Leben der Kumpel, das Elend der Inflationszeit, das Anschwellen der ersten faschistischen Welle, die arbeiterfeindliche Haltung der ganzen Staatsmaschinerie ... zu zeigen."

Wer will es dem Arbeiterschriftsteller verdenken, daß er in seinen frühen Werken noch "roh und ungeschlacht" daherkommt, wie Johannes R. Becher es nannte? Grünberg habe eben nicht die gepolsterte Ruhe für sein Werk gehabt, meinte er.

Aber was waren das auch für Zeiten! Zahlreiche Arbeiterkorrespondenten im Umfeld der KPD schrieben mittlerweile mehr als nur ihre kleinen Berichte. Sie wagten sich plötzlich an größere Themen heran, verfaßten Geschichten, bald auch ganze Romane.

Daß diese neuen Werke nicht perfekt sein konnten, wußten sie selbst. Dennoch haben sie es getan. Viele von ihnen waren dann an der Gründung des Bundes proletarischrevolutionärer Schriftsteller beteiligt, auch Karl Grünberg.

Einer wie er mußte zwangsläufig den Faschisten mißfallen. 1933 und 1934 wurde er, der seit 1920 KPD-Mitglied war, inhaftiert. Ab 1945 nahm er am demokratischen Aufbau im Osten Deutschlands teil, wurde für kurze Zeit Amtsgerichtsdirektor, dann Redakteur der Tageszeitung "Tägliche Rundschau". Als freischaffender Schriftsteller lebte er später in Berlin-Grünau. 1953 erhielt Karl Grünberg den Nationalpreis der DDR. "Brennende Ruhr" wurde noch zu seinen Lebzeiten im Jahr 1967 von Hans-Erich Korbschmitt für das Fernsehen verfilmt. - Wenn wir wegen der "Ruhr 2010" auch Grünbergs diesbezüglichen Roman in den Mittelpunkt gerückt haben, ist sein literarisches Werk natürlich umfassender. Genannt seien ältere Arbeiten wie "Mit der Zeitlupe durch die Weimarer Republik" (1977) oder jüngere wie "Von der Taiga bis zum Kaukasus. Erlebnisse auf neun Reisen in die Sowjetunion" (1970).

Paul Sielaff


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Eine der vielen Ausgaben des Buches erschien 1953 im Verlag Neues Leben (Umschlag: Kurt Zimmermann)

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Zum Briefwechsel zwischen Heinar Kipphardt und Ernst Busch

"Diese Stimme verjagte meine Apathie"

Ich lernte Ernst Busch in einem Schlammloch der russischen Front kennen, 1943, nachts auf dem Rückzug der geschlagenen faschistischen Armeen durch die Ukraine. Ich war naß, ich fror, ich hatte Hunger. Ich war müde, verlaust, apathisch, interesselos. Ein Lautsprecher eines Propagandatrupps der Roten Armee begann eines seiner Fünf-Minuten-Programme. Nachrichten, Informationen. Danach kam ein Lied von einer abgespielten Schallplatte über schrillen Lautsprecher aus etwa zwei Kilometer Entfernung. Ein deutsches Arbeiterlied. Die Stimme verjagte meine Apathie. Was packte mich an dieser Stimme? Diese Stimme wußte, was ich nicht wußte. Diese Stimme wußte, daß der Mensch, daß die Vernunft, daß die Wahrheit triumphieren werden."

So beschreibt der Schriftsteller Heinar Kipphardt seine erste Bekanntschaft mit dem Sänger und Schauspieler Ernst Busch.

Anfang der 50er Jahre begegnen sich beide in gemeinsamer Arbeit am Deutschen Theater Berlin. Kipphardt, der 1949 aus Überzeugung in die DDR gekommen war, arbeitet als Dramaturg, und Busch spielt seine großen Rollen, wie den Julius Fucik in Juri Burjakowskis gleichnamigem Stück, den Jago in Shakespeares "Othello" und den Mephisto in Goethes "Faust".

Auf Kipphardts Initiative hin startet das Deutsche Theater im Januar 1957 jene so erfolgreiche Kurt-Tucholsky-Matinee, in der Buschs Gesänge dem Dichter der Weltbühne alias Theobald Tiger ein unvergeßliches Denkmal setzen.

Busch erkannte in dem um eine Generation jüngeren Kollegen die Klugheit, die persönliche Integrität, die Ernsthaftigkeit der sozialen und politischen Haltung, die künstlerische Kreativität. Er begriff die Geistesverwandtschaft mit Kipphardt und schloß ihn in den Kreis der ihm Vertrauten ein. Seit jener Zeit verband sie etwas Besonderes. Beide waren überzeugt von der Gestaltbarkeit einer neuen, sozialistischen Gesellschaft, beide wußten um die "Mühen der Ebene". Und beide pflegten in offener Art und Weise die geistige Auseinandersetzung in diesem Land, das sie mitprägen wollten. Sie machten sich damit nicht nur Freunde.

Beide konnten sich nicht belügen und ließen sich nicht betrügen.

Ernst Busch, der von sich sagte "Ich konnte nirgends illegal leben. In keinem Land. Überall wo ich hinkam, gab es Plakate und Anzeigen, Pressenotizen und Kritiken, die mich lobten oder verrissen, aber alle waren überzeugt, daß ich aus meinem Herzen keine Mördergrube machte und an das glaubte, was ich sagte."

Heinar Kipphardt verstand sich nach seinem Weggang aus der DDR 1959 als ein Schriftsteller, "der an seinem alten Wohnort keine Arbeitsmöglichkeit mehr sah, ohne zum Lügner zu werden", der "an einen anderen Ort gezogen" ist, "das ist alles. Nicht daß der neue Ort ein Freund und Begünstiger der Wahrheit wäre - ich habe ihn gut gekannt, und ich bin über ihn ganz ohne Illusionen."

Die freundschaftliche Beziehung der beiden zerbrach an dem "Ortswechsel" nicht, den Kipphardt infolge heftiger kulturpolitischer Auseinandersetzungen vollzog.

Und die um diese Beziehung entstandene Korrespondenz legt Zeugnis einer besonderen Künstlerfreundschaft ab, die nicht so sehr auf den Austausch persönlicher Verhältnisse und Befindlichkeiten ausgelegt ist oder nur von der Kritik am Verhalten des jeweils anderen Staates bestimmt wird, sondern von dem Austausch über sozialpolitische Konstellationen und Perspektiven aus globaler Sicht geprägt ist. Kipphardt und Busch stehen auf beiden Seiten der deutsch-deutschen Grenze, nicht aber auf verschiedenen Seiten. Diese Eine-Welt-Sicht bleibt entscheidend für ihre gegenseitige Vertrautheit.

Und Heinar Kipphardts 1972 verfaßte Auslassung über die Dummheit ist geradezu eine weise Vorausnahme heutiger Verhältnisse:

"Lieber Ernst ... Was gegenwärtig hier vorgeht, ist beunruhigend. Eine neue Staatsfeindprojektion gegen die intellektuelle Linke mit Berufsverboten und Einschüchterungen der verschiedensten Art, in allen Bereichen der Meinungsbildung insbesondere. Die gute alte SPD immer stramm in der vordersten Front sich bewährend und sei es gegen sich selbst. Dazu die haarsträubende Unfähigkeit, ein anziehendes Bild von sich wenigstens für die Wahlen zu malen. Wenn es noch eine Chance für diese Partei gibt, so liegt die mehr im Abschreckungseffekt von Strauß und Barzel. Es kann gut sein, daß im November Strauß-Barzel mit absoluter Mehrheit regieren, und zwar mit den schönen Polizeigesetzen, die ihnen die SPD gemacht hat. Die Dummheit wächst. Dickhäutig und dickarschig sitzt sie auf unseren kleingewordenen Hoffnungen. Das kann doch nicht alles sein. Schwer, dabei zu arbeiten. Ich hoffe, Du bist in besserer Verfassung als ich. Dank für die Platten. Grüß Ulrike, sei umarmt von Deinem alten Kipp."

Demnächst erscheint der Briefwechsel Heinar Kipphardt - Ernst Busch, herausgegeben von den Musikwissenschaftlern und Gründungsmitgliedern des Freundeskreises Ernst Busch e.V. Carola Schramm und Jürgen Eisner.

Buschs Stimme ist unvergeßlich, Kipphardts Faszination ist begründet und schriftlich dokumentiert. Aber wie geht es weiter? Was sagen die Nachgeborenen heute, kann die Vernunft, die Wahrheit noch triumphieren?

Die Ernst-Busch-Tage, die am 29. und 30. Mai vom Freundeskreis Ernst Busch und dem Ernst-Busch-Chor Berlin im Kulturforum Berlin-Hellersdorf bzw. im Münzenberg-Saal des ND-Gebäudes veranstaltet wurden, suchten dieser Frage nachzugehen.

Dr. Carola Schramm


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Aus der Werkstatt eines prominenten DDR-Regisseurs

Alte Filme?

Vor mir sitzt ein junger Amerikaner, Stewart Anderson. 31 Jahre, aus Utah, USA, gläubiger Mormone, junger Kulturhistoriker. Er ist nach Deutschland gekommen wegen seiner Magisterarbeit. Er ist auf Spurensuche. Thema seiner Dissertation ist der Unterschied der "Vergangenheitsbewältigung" in den Fernsehanstalten beider deutscher Staaten nach dem 2. Weltkrieg, speziell in Dokumentationen und Spielfilmhandlungen. Eine Stunde war ausgemacht für Informationen, die er von mir erbat. Sieben Stunden sind es geworden. Drei Wochen später kam aus den USA eine Sendung mit 4 CDs unserer Unterhaltung und einem nochmaligen Dank: "Wir haben viel über Ethik gesprochen in der Kunst. Die Stunden werde ich lange in Erinnerung behalten. Sie sind mir kostbar ..." Er sprach mit Hochachtung, aber auch mit fragendem Blick von den Personen des antifaschistischen Widerstands, von denen er bisher nur die Namen um Oberst Stauffenberg kannte.

Es war schwer für mich, ihm eine plausible Erklärung für das Verschweigen und das Vergessen-Machen der unzähligen anderen zu geben, die in den KZs, den Zuchthäusern, unterm Schafott und an der unsichtbaren Front gefallen sind.

Thälmann, Beimler, Schneller ... zuerst wurden ihre Straßennamen getilgt. Dann verschwanden sie aus den Schulbüchern. Ihre Bilder wurden abgehängt. Dann sollten sie aus den Köpfen verdrängt werden. Nachdem sie in finsterster Zeit physisch vernichtet worden waren, soll jetzt jeder Gedanke an sie ausgemerzt, abgetötet werden.

Nach dem physischen sollten sie den psychischen, den Gedenk-Tod, erleiden. Da dies nach 20 Jahren noch immer nicht gelungen ist, greift man nun zu härteren Bandagen. Man schmäht sie. Man macht sie klein. So klein, wie man selber ist. Die Denkmäler sollten schrumpfen. Obwohl sie schon entsorgt sind, in Sandund Schlammgruben vergraben und versteckt, wachsen sie wieder heraus, wehren sich gegen ihre Verborgenheit. Hier findet man ein Stück Marmor, da zeigt sich ein Gesicht, dort eine Faust aus Stein. Menschen kann man töten, Geschichte kaum. Wahrheit nicht!

Vor einigen Tagen kam ein Brief von einem mir Unbekannten aus dem äußersten Teil unserer Nordprovinz: "Ich habe in meiner Schulzeit nur einmal nachsitzen müssen. Das wegen Hans Beimler. Im Jahre 1977 (ich war 8. Klasse) bekam unsere Schule den Namen 'Hans Beimler'. Alle Schüler sollten zum Fahnenappell das Hans-Beimler-Lied lernen. Ich tat das wohl nicht bzw. nicht richtig. Also nachsitzen.

Leider sind unsere Helden von einst in der heutigen Generation vergessen. Kürzlich fragte mich mein Sohn (18 Jahre), ob ich schon etwas von einem Werner Seelenbinder gehört hätte. Ich sagte zu ihm, bei uns in der DDR kannte diesen Namen jeder. Jeder einen Ernst Schneller, Artur Becker, Ernst Thälmann u. a. Schade, daß sie alle vergessen werden. Sie sind doch Teil unserer Geschichte. ..." Er schrieb weiter, daß er beim "Bund" arbeite und alte DDR-Filme sammeln würde, auch Widerstandsfilme.

Ein Widerspruch? Heute schreiben junge Germanisten, Filmwissenschaftler und Historiker in ihren Dissertationen über diese Filme. Auch über die meinigen, wie "Hans Beimler", "Ernst Schneller", "Artur Becker", "Archiv des Todes" u. a. m. Durch Zufall konnte ich eine dieser umfangreichen Arbeiten über eine meiner Serien in noch ungedrucktem Zustand einsehen. Selbst bei flüchtigem Lesen fielen mir viele Fehler auf, wie oberflächliche Recherchen, historische und gegenwärtige Unkorrektheiten, falsche Namensgebung bei Besetzungen u. a. m. Auf Auslegungs- und Interpretationsfragen gar nicht eingehend, bot ich dem angehenden Wissenschaftler Korrekturhilfe an. In der höflichen Antwort wurde mir gedankt, aber Zeitnot würde leider ein Gespräch verhindern. So verschieden wird also Zeit und Entfernung zwischen Utah und Berlin einerseits und Halle, Marbach, Leipzig oder Dresden und Berlin andererseits wahrgenommen ... Einer dieser jungen Leute entschuldigte sich sogar damit, daß er auf Nachfragen die Antwort erhielt, der Autor und Regisseur dieser Filme hätte längst das Zeitliche gesegnet. Der einhellige Grundtenor dieser Werke: gut und spannend gemacht, aber zuviel "Soziallyrik", Heroisierung unbeirrbarer Parteigänger und einseitige Geschichtsbetrachtung. Dabei kein Wort der Anteilnahme am Gegenstand, dem Schicksal der Protagonisten dieser Filme. Wie dick muß die Haut, um wieviel dicker noch die Seelenpolsterung bei unserem Nachwuchs sein, den Erben der Geschichte? Ich begegne dabei Arroganz, Ignoranz und absoluter Unfähigkeit, gesamtdeutsche Vergangenheit vorurteilsfrei zu rezipieren. Moderne Menschen mit Steinzeitherzen. Gegen mich gerichtet bleibt der Vorwurf, mit blühender Phantasie kommunistische Idealbilder konstruiert zu haben, die fernab jeder Wirklichkeit und historischen Wahrheit dazu dienen sollten, der Jugend unseres Landes nachahmenswerte Helden vorzugaukeln. Mit dem wirklichen Leben habe das wenig zu tun. Außerdem seien wohl auch die Zeiten lange vorbei gewesen, in denen man noch gesicherte Erkenntnisse erlangen konnte. Zeitgenossen hätte es kaum noch gegeben ...

Es sind inzwischen viele Jahrzehnte vergangen, daß ich die Filme "Hans Beimler, Kamerad", "Artur Becker", "Ernst Schneller" u. a. geschrieben und gedreht hatte.

Bei Beimler lebte noch die Ehefrau Centa, bis zu ihrem Tode Mitglied im Münchener Dachaukomitee, seine Tochter Rosi, die mit einem Spanienkämpfer verheiratet war, und sein Sohn Hans, mein Jahrgang, seit Jahrzehnten vielgeschätzter und hochdekorierter Dokumentarfilmregisseur in Mexiko. Von Artur Becker lebte noch seine ehemalige Frau in Berlin und sein Bruder in Wuppertal. Von Ernst Schneller neben seiner klugen Frau Hilde ihr gemeinsamer Sohn, der sich als Schriftsteller das Pseudonym Rascher zugelegt hatte und unter anderem für das Kabarett "Die Distel" arbeitete. Mit allen stand ich in engem persönlichem und brieflichem Kontakt.

Ich hatte also neben alten Mitkämpfern und Weggefährten, die ich für Umwelt und Hintergrund meiner Filme benötigte, authentische Zeugen und Begleitpersonen. Oft entstand daraus eine langwährende freundschaftliche Beziehung. Daß es nun nicht ganz einfach war, tatsächlich Vorgefallenes mit Fiktivem, Bewiesenes mit Vermutetem, also Dokumentarisches mit Spielfilmgemäßem zu vermischen, liegt auf der Hand. Es gab natürlich im Vorfeld auch Spannungen und hemmende Auseinandersetzungen mit den noch lebenden Personen aus dem privaten Kreis der im Film handelnden Personen.

Als kleines Beispiel Auszüge aus einem Briefwechsel mit der damals 91jährigen Hilde Schneller, dem lange persönliche, fruchtbare Auseinandersetzungen vorausgingen. Hilde glaubte ihren Mann Ernst im Film nicht so wiederzufinden, wie sie ihn in Erinnerung hatte:

"Verehrte Hilde!
­... Kein Schauspieler wird zu dem, kann zu dem werden, den er darstellt. Es findet niemals eine Deckungsgleichheit von Darsteller und Darzustellendem statt. Der Schauspieler ist ein Medium, ein Mittler. Kein Schauspieler wird zum Mörder, wenn er auf der Leinwand einen Mord begehen soll. Das Publikum weiß das. Es weiß auch, daß die Dekoration aus Pappe besteht und daß Südamerika bei uns durch die Landschaft von Bulgarien dargestellt wird. Es ist eine stille unausgesprochene Vereinbarung zwischen Publikum und Künstler, daß die Darstellung so genommen wird 'als ob'. Bitte löse Dich von der Vorstellung, daß ein Spielfilm ein Dokumentarbericht zu sein hat. Er hat natürlich unter anderem auch das zu sein. Gewiß. Aber nicht als photographische Abbildung der Wirklichkeit, sondern als Erhellung der gesellschaftlichen und der historischen Wahrheit. Die Kunst arbeitet mit überhöhenden und verallgemeinernden Mitteln und Symbolen und muß weit mehr zeigen und auslösen, als Detailtreue zu geben in der Lage ist ... Kein Historiker würde Goethe den 'Egmont' vorwerfen.

Kein Geschichtslehrer oder Gesellschaftswissenschaftler würde wagen, über Schillers 'Don Carlos' oder 'Wilhelm Tell', 'Maria Stuart' oder 'Wallenstein' verächtlich zu reden, weil keine volle Übereinstimmung zwischen der konkreten historischen Person und der dort mit den Mitteln der Kunst entstandenen Persönlichkeitsfigur herrscht ... Der ausführliche Brief soll Dir nur zeigen, daß wir nicht oberflächlich, sondern sehr verantwortungsbewußt an dieses Projekt herangehen. Die Ausführlichkeit soll aber auch ein Stück Selbstverständigung für mich sein, eine Art Verpflichtung. Ich bitte Dich nun ein übriges Mal um Dein Vertrauen, das ich brauche. Ich freue mich auf unser nächstes Zusammentreffen und wünsche Dir von Herzen alles Gute. In Verehrung. Dein Rudi Kurz"

Hilde Schneller war eine kluge Frau und hat mit einem verständnisvollen Brief reagiert. Unter anderem schreibt sie: "Dein großer Brief hat mich sehr erfreut. Ich danke Dir dafür. Ich fürchtete schon. Du grollst mir, doch ich lese eine Lektion über die Kunst und die Schwierigkeiten unseres Films. Deine Beispiele sind überzeugend, und ich bin friedlich." Der Frieden zwischen uns war wiederhergestellt. Ich habe diese biographischen Filme gemacht im Andenken an all diejenigen, die im Kampf gegen den Faschismus unzählige Leiden und Qualen erdulden und von denen viele, sehr viele, ihre Standhaftigkeit und ihren Mut mit dem Leben bezahlen mußten. Diese Filme waren weder reine Biographien noch Dokumentationen. Sie waren Spielfilme und sollten emotionale Erlebnisse vermitteln. Die offizielle Geschichtsschreibung ist geprägt durch Weglassen. Vertuschen, Verdrehen und aneinandergereihte Halbwahrheiten. Ich fürchte, daß unter diesem Wust die ehrliche und ungeschönte geschichtliche Wahrheit für immer verschwindet, wenn nicht ausreichend dagegengehalten wird.

Ich wollte mit den Filmen auch einen kleinen Teil der Schuld abtragen, die viele meiner Generation nicht nur durch schweigendes Mitmachen, sondern durch jubelndes Zustimmen auf sich geladen haben.

Rudi Kurz


Unser Autor beging am 19. Mai seinen 89. Geburtstag. Der "RotFuchs" gratulierte.

Raute

Umfassendes Lexikon würdigt DDR-Künstler

Langsam, aber sicher entwickelt sich der Verlag Neues Leben zum Dreh- und Angelpunkt der Rückschau auf die DDR-Kunst. Vor kurzem erst kam ein opulenter und herrlich übergroßer Band mit Reproduktionen bekannter Bilder auf den Markt (s. RF 146), nun schieben die rührigen Verlagsmenschen ein dickes Lexikon nach.

Während in den verschiedenen Ausstellungen stets "vergessen" wird, daß es in der DDR eine intakte Kunstszene gab, wird diese Tatsache hier mit aller Macht in den Mittelpunkt gerückt. Keiner der Maler, Illustratoren, Textilgestalter, Modedesigner, Karikaturisten, Grafiker, Fotografen, Fotografiker, Porzellan- und Holzgestalter, Bühnenbildner und Bildhauer wurde vergessen. Man wundert sich beim Durchblättern und der Lektüre - auch als gelernter DDR-Bürger - schon, wie viele Künstler es in den verschiedensten Genres gab. Das Buch hat nämlich über 1080 Seiten und dürfte alles beinhalten, was der Interessierte so braucht.

Der Herausgeber Dietmar Eisold wurde 1947 in Leipzig geboren, machte 1966 das Abitur und dann erst einmal den Abschluß als Maurer. Danach studierte er an der Karl-Marx-Universität seiner Heimatstadt Kunsterziehung und Geschichte, wobei er außerdem Vorlesungen und Seminare der Sektion Journalistik besuchte. Sein Studium schloß Eisold mit einem Diplom als Kunstwissenschaftler ab. Von 1971 bis 1992 arbeitete er mit großem Feinsinn als Redakteur für bildende Kunst bei der Tageszeitung "Neues Deutschland".

Da stellt sich doch gleich die Frage, welches Blatt sich heutzutage überhaupt noch einen solchen Mitarbeiter leistet, obendrein auch noch einen mit derart fundiertem Wissen. Nötig hätten es die bunten, großflächigen und schreienden Blätter allemal, aber leider steht dort die bildende Kunst ganz hinten auf der Liste der Berichterstattungen. Zuerst kommen bei denen die Affären geiler Kirchenmänner und immer wieder Mordgeschichten, natürlich auch ohne Unterlaß haarsträubende Staatssicherheitsmärchen.

Das Buch "Lexikon Künstler in der DDR" kann leider nur zu jeder Person wenige Zeilen vermerken, die aber viel aussagen und Kunstinteressierte mit einer hohen Dosis Wissen füttern. Erfaßt wurden Menschen, welche die Kunst als ihren Beruf ansahen, vorher in der DDR studiert hatten und dem Verband Bildender Künstler angehörten.

Natürlich sollten die Künstlerinnen und Künstler nach der Zerschlagung der NS-Diktatur am kulturellen Neubeginn auf das Intensivste beteiligt werden. Berücksichtigung fanden außerdem alle Kunstschaffenden, die bis 1989 die Szene betraten. Unter den Erwähnten sind Ausländer, die zeitweilig oder dauerhaft ihren Wohn- und Arbeitsplatz in der DDR nahmen, aber auch solche, die zu irgendeinem Zeitpunkt unzufrieden ihre Heimat verließen. Neben den biographischen Daten gibt es Angaben über die künstlerische Entwicklung, über Studienreisen und Werke. Diese wurden danach ausgewählt, ob sie als Abbildungen in der Literatur vorliegen. Einzelausstellungen werden genannt sowie Literaturangaben vermittelt.

Dietmar Eisold versucht mit seinem Lexikon, das leider keine Abbildungen enthält, an die Arbeit Hans Vollmers anzuknüpfen, der mit einem sechsbändigen Werk die Kunstzeit bis Ende der 50er Jahre darstellte.

Nun endlich führt ein Wissender diese Arbeit fort und schließt damit eine große Lücke. Das "Lexikon Künstler in der DDR" sollte bei keinem fehlen, der sich mit der heutigen Zeit kritisch auseinandersetzt und die DDR-Kunst so hoch bewertet, wie sie tatsächlich zu sehen war.

Thomas Behlert

Dietmar Eisold (Hrsg.): Lexikon Künstler in der DDR,
Verlag Neues Leben, 39,90 Euro, ISBN 978-3-355-01761-9

Raute

Archie und die Enkelin Anne

Damals, als die Sonne schön wie nie über der DDR schien, fuhr Archie mit Trabbi oder Wartburg so oft er konnte, vor allem zum Wochenende, gelegentlich auch schon früher, allein oder mit Enkelin Anne, die zu der Zeit etwa 5 Jahre alt war, auf sein beinahe zu großes Pachtgrundstück. Es maß 2000 Quadratmeter, war lang und schmal, leider nicht teilbar. Dorthin begab er sich, um zu werkeln, zu hämmern, zu sägen und zu nageln, zu säen und zu graben, vor allem Zäune zu reparieren gegen den Einfall von Wildschweinen, die alles durchfurchten und abfraßen.

Der Ort hieß früher Alt-Sauwalde, dann zu Sahwalde umgewandelt, gelegen vor den Toren Berlins bei einer Kleinstadt, die kurioserweise einen Strauß ins Wappen bekam, obwohl sie ein Wildschwein verdient hätte.

Enkelin Anne hatte einen scharfen Blick und erstarrte stets, wenn sie am Treptower Park in Berlin beim Spazierengehen mit Opa den riesigen Sowjetsoldaten mit dem Kind auf dem Arm sah, hoch droben. Sie hob dann den kleinen dicken Zeigefinger und flüsterte: "Puppe!"

So sah sie auch die vielen kleinen Kröten am Frauensee bei Alt-Sauwalde, die vom Wald zum See wechselten. Sie klopfte von hinten, unvorschriftsmäßig im Trabbi stehend, bei kurzen Strecken so lange dem Opa auf die Schulter, bis dieser anhielt, wendete und einen anderen Weg suchte. Dabei stieß er fast mit einem Lada zusammen, der durch den Pilgerzug der Kröten hindurchbrauste.

Anne konnte die lieben Mitmenschen schon nerven, aber nicht den Opa, weshalb sie ihn öfter allein aufs Grundstück begleitete, wenn die Oma noch nicht mit konnte. Sie stellte pausenlos ihre Gretchenfragen und plapperte auch ununterbrochen. Archie brachte das nicht in Verlegenheit oder aus der Ruhe. Er erzählte ihr beinahe wahre oder auch erfundene Geschichten, beschäftigte damit ihre Phantasie und auch seine eigene. Er war oft über die Einfälle der kleinen pummeligen Enkelin erstaunt, der nichts entging, was da so kreuchte und fleuchte. Selbst das leiseste Quietschen einer kleinen braunen Erdkröte hörte sie, so daß sie Opa warnen konnte, nicht draufzutreten. Aber sie beiseite zu tragen vermochten beide nicht, das konnte nur die Oma, aber die war noch in der Schule, wo sie als Lehrerin arbeitete. Sie graulte sich nicht vor solchem Getier wie Kröten, Fröschen und Blindschleichen.

"Ein blindes Huhn findet manchmal auch ein Korn", sagte Anne altklug und mit glockenheller Stimme. "Aber wie ist das mit einer Blindschleiche?" Archie sah in seinen Lexika nach, die er alle aufs Grundstück geschleppt hatte, und sagte: "Blindschleichen fressen wohl keine Körner, aber sie haben im Gegensatz zu Schlangen sogar Augenlider." Anne klatschte in die Hände und sagte: "Au fein, sie schleicht also nicht blind!" Und so lernten sie beide mit- und voneinander.

Archie hatte verlernt, das Wichtige in der Welt mit den naiven, neugierigen Blicken eines Kindes zu sehen, und mußte sich diese Fähigkeit erst mühsam wieder aneignen. Der Nachteil war, daß ihm vieles durch die Brille eines Kindes im Leben der Erwachsenen unsinnig vorkam, zum Beispiel die fehlende Geduld der Menschen, einander zuzuhören, genau hinzusehen bei Pech oder Versagen anderer oder sich nur mit dem eigenen Befinden zu beschäftigen. Besonders fiel das Archie in jener Zeit auf, die von Medien und Politikern als "Wende" angepriesen wurde. Anne hätte damals nie gefragt: "Wie geht es Dir, Opa?", ohne an der Antwort interessiert zu sein.

Als sie diesmal mit dem Trabbi in das Grundstück mit den hohen Bäumen einfuhren, kam ihnen aus der Hundehütte, die Archie kurz zuvor vom Nachbarn bekommen hatte, eine Flugente entgegen, die einen Flügel hängen ließ. Der Nachbar, der eine Taubenzucht betrieb und immer alles genau beobachtete, rief: "Da muß noch eine kleine Katze in der Hütte sein!" Tatsächlich schienen Ente und Katze zusammenzugehören, zum Entzücken von Anne, die gleich anfing, sich um Futter zu kümmern, worauf ihr die Ente hinterherwatschelte und die junge Katze die Bäume rauf und runter raste.

Da sagte der Nachbar von der anderen Seite, der stets mit einer dicken Tabakspfeife erschien und bei dem die Wildschweine rudelweise im Garten standen, um dann Archies Drahtzaun zu unterwühlen: "Da war noch ein Köter dabei auf euerm Grundstück heut nacht. Der hat gekläfft und die Wildschweine verscheucht. Ein junger Hund offenbar, der noch keiner Bache mit Frischlingen begegnet ist."

Tatsächlich fanden Anne und Opa Archie einen kleinen Hund mit Schlappohren schlafend unter einer jungen Fichte. Als er zu kläffen begann und an Anne hochsprang, kam die Ente mit schlagenden Flügeln angewatschelt, offenbar um ihn zu besänftigen, die Katze folgte ihr. Da standen sie nun zu dritt: Ente in der Mitte, Hund und Katze rechts und links. Sie sahen kläglich drein. Später fraßen alle aus einer Schüssel und verschwanden dann in der Hütte, um ein Nickerchen zu machen. Die Ente trieb die beiden Vierbeiner mit Geschnatter hinein, legte sich davor und steckte den Kopf in die Federn. "Wie mögen die nur zusammengekommen sein?", fragte Archie laut. "Vielleicht nach dem Motto Vereint sind wir stärker". "Oder, dreie kommen durch die ganze Welt", ergänzte Anne. Am Abend, als sie das "Sandmännchen" aus Adlershof sah, rief sie erfreut aus: "Siehst du, Herr Fuchs und Frau Elster kommen auch miteinander aus." "Gerade so", sagte Archie, "aber eigentlich hast du recht, warum sollten sich nicht auch Ente, Hund und Katze vertragen?" "Weißt du, Opa, wenn ich wieder zu Hause und im Kindergarten bin, glaubt mir das keiner, dem ich das erzähle. Alle werden wieder sagen: Du und die Geschichten von Deinem Opa, da lachen ja die Hühner! Und wenn ich hier in Alt-Sauwalde bin, da lachen die Hühner wirklich." Da mußte auch Archie lachen und meinte: "Viele Dinge, die unwirklich scheinen, sind im Leben wichtig."

Heute ist Anne eine große junge Frau, 26 Jahre, alleinerziehend mit Töchterchen Pia, genauso alt wie sie damals, als sie mit Opa Archie auf dem Grundstück war, das längst nicht mehr existiert. Anne, die Master-Studentin für Betriebswirtschaftslehre, hat wenig Zeit für ihre Tochter. "Gretchenfragen" erörtert sie heute nicht mehr mit ihrem Opa. - Leider!

Manfred Hocke

Raute

Leserbriefe an ROTFUCHS

Hallo, schönen Tag aus Windhoek! Seit Jahren übersendet Ihr mir freundlicherweise regelmäßig den RF. Er dient nicht nur meiner Erbauung, sondern auch vielen kritischen Überlegungen zu unserer DDR-Geschichte. Ich war bis zum Schluß DDR-Botschafter im mittlerweile zugrunde gerichteten schönen Simbabwe und lebe nun seit zehn Jahren in Namibia unter Freunden, welche die Hilfe der DDR für sie nie vergessen haben. Ein weiterer ehemaliger Kollege befindet sich seit Jahren im angolanischen Luanda und bat mich, doch auch für ihn die Zustellung des RF zu organisieren. Mit dem mir übersandten Exemplar habe ich schon vielen wieder Mut machen können. Habt Dank!

Uwe Zeise, Windhoek, Namibia


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Im Buch eines ehemaligen Fremdenlegionärs mit dem Titel "Dort, wo man stirbt - vielleicht" sagt der französische General de Négrier: "Kameraden, Ihr seid Soldaten, um zu sterben! Und ich werde Euch dorthin schicken, wo man stirbt." Das war 1954 vor der den Indochinakrieg entscheidenden Schlacht um Dien Bien Phu.

Als der Bundestag kürzlich "mit überwältigender Mehrheit" das Afghanistanmandat verlängerte, hätte doch Kriegsminister zu Guttenberg dieses Zitat an den Anfang seiner Rede stellen können!

Der von mir geschätzte Journalist Peter Scholl-Latour besuchte die Kommandozentrale der Bundeswehr in Afghanistan. "Uneinnehmbar", erklärte der Kommandeur. Scholl-Latour, der 1954 als blutjunger französischer Soldat mit dem Kommandanten der "uneinnehmbaren" Dschungelfestung Dien Bien Phu, Oberst de Castries, gesprochen hat, erinnerte sich an dessen Worte: "Die 'Viets' kommen in diesem unwegsamen bergigen Gelände nie durch!" Sie kamen durch, selbst mit "Stalinorgeln" aus dem 2. Weltkrieg.

Drei Monate später hatten die "Viets" Stützpunkt für Stützpunkt der Kolonialtruppen niedergekämpft. Wer von diesen nicht gefallen oder vermißt war, ging in Gefangenschaft. Es waren nicht mehr viele. Sie wurden von den "Viets" nach der Genfer Konvention behandelt, nicht gerade zimperlich, aber weitgehend korrekt, und kamen schließlich nach Frankreich zurück.

Dr. med. Hans-Dieter Hoffmann, Piton-Saint-Leu, La Réunion


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Die beiden im RF Nr. 145 veröffentlichten Artikel "Schach den Schmähern" von Dr. Klaus Steiniger und "Kühler Kopf, heißes Herz, saubere Hände" von Dr. Dieter Lehmann widerspiegeln sehr objektiv die herausragende Rolle des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR im Kampf gegen feindliche Geheimdienste des Westens, die jahrelang alles unternahmen, um die DDR wirtschaftlich und politisch zugrunde zu richten. Im Laufe meiner langjährigen Tätigkeit in der DDR habe ich viele seiner Mitarbeiter kennengelernt. Gemeinsam kämpften wir für das Wohlergehen unserer Völker und Länder.

Mit einigen Genossen - so Dr. Lehmann - verbinden mich bis heute freundschaftliche Beziehungen. Seit 20 Jahren werden diese wahren deutschen Patrioten im vereinigten Land als Feinde betrachtet. Dabei hätten sie Anerkennung und Aufmerksamkeit verdient.

Oberst a. D. Witali Korotkow, Moskau


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Den Wert der Aussage des in sehr leidenschaftlichen Worten gehaltenen Leitartikels der Mai-Ausgabe des RF soll eine kleine Ergänzung nicht mindern. Erwähnung findet dort eine Pariser Metrostation. Sie liegt an einem Platz, der den heute ausgelöschten Namen jener russischen Stadt trägt, die zum Schauplatz der größten Schlacht des 2. Weltkrieges wurde. Sie endete mit einer vernichtenden Niederlage der faschistischen deutschen Wehrmacht. Place de Stalingrad.

Nach der schändlichen Namensänderung unter Chruschtschow wurde im Pariser Stadtrat der Antrag eingebracht, dem Platz ebenfalls einen anderen Namen zu geben. Er wurde mit Mehrheit zurückgewiesen, obwohl die Kommunisten in diesem Gremium minoritär waren. Französische Patrioten sahen im Namen Stalingrad ein Symbol des Sieges über den Hitlerfaschismus. Einem solchen Symbol gibt man keinen anderen Namen. So heißt der Platz noch heute: Place de Stalingrad.

Dieter Junghans, Neubrandenburg


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Kurz vor seinem 83. Geburtstag verstarb mein Vater Alfred B. Neumann nach kurzer schwerer Krankheit. Politisch sehr engagiert, gestaltete er die DDR in verschiedenen Bereichen (FDJ, Sport und Außenpolitik) aktiv mit. Nach unserer Niederlage setzte er sich für die Erhaltung der Würde in Not geratener Genossen und Freunde ein. Seine besondere Liebe galt Kuba. So spendete er bei jeder Gelegenheit für das Projekt "Milch für Kubas Kinder". Seinem Wunsch entsprechend zeichnete die Trauergemeinde am 18. März - dem Tag seiner Beisetzung - einen Gesamtbetrag von 475 Euro für dieses internationalistische Anliegen.

Natürlich war mein Vater ein treuer "RotFuchs"-Leser.

Heinz Neumann, Potsdam


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Die Anfang April in Afghanistan getöteten drei Bundeswehrangehörigen waren gerade beigesetzt, da meldeten die Medien die nächsten vier Kriegstoten. Ihre Leichname zeigen auf jene, die den Tod dieser BRD-Bürger zu verantworten haben: auf Kanzlerin Merkel, Kriegsminister zu Guttenberg und jene Bundestagsabgeordneten, die den Einsatz deutscher Soldaten am Hindukusch beschlossen haben.

70 % der Bundesbürger wollen ein Ende dieses sinnlosen, verbrecherischen Krieges. Arrogant und heuchlerisch setzten sich Kanzlerin und Kriegsminister in salbungsvollen Leichenreden über die Meinung der Wähler hinweg und forderten den weiteren Kampfeinsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Mich packen Wut und Empörung über die erbärmliche Phrasendrescherei derer, die behaupten, dort würden Freiheit und Demokratie der BRD verteidigt.

Friedhelm Schulz, Hoyerswerda


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Nun ist es genug! Wiederholt mußten junge Menschen ihr Leben in einem Krieg lassen - man benutzt ja jetzt diesen "umgangsprachlichen" Ausdruck -, den das deutsche Volk ganz überwiegend verabscheut. Die Verantwortlichen haben jegliches Vertrauen verspielt, denn wer der Jugend keine andere Perspektive als den Tod zu bieten vermag, hat kein Recht, im Namen des deutschen Volkes zu regieren.

Thea Kleine, Berlin


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Wo sind wir hingeraten, daß uns der Krieg und seine Opfer so gleichgültig lassen!? In Leipzig, der "Heldenstadt", fanden sich lediglich 100 bis 150 Bürger zum Protest ein. Ist das die "Leipziger Freiheit", mit der sich die Halbmillionenstadt schmückt? Und das, obwohl sich auf dem Flughafen der Messestadt ein Zwischenstopp für die Verlegung amerikanischer Truppen nach Afghanistan befindet! Indirekt ist auch das eine Kriegsbeteiligung.

Wo sind die Bürgerbewegten, die 1989 hier gegen einen Staat demonstrierten, der keinen Krieg führte? Wo sind die Protestierer, die unentwegt gegen den Sozialismus zu Felde zogen und ziehen? Wo sind die Genossen von einst und von heute? Ist es Desinteresse, Gleichgültigkeit, Bequemlichkeit oder alles zusammen?

Oberstleutnant a. D. Hans Böttcher, Leipzig


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Eines muß jedem klar sein, der sich Gedanken um die Systemfrage macht: Dieser Kapitalismus ist bis an die Zähne bewaffnet und wie jedes politische System, das ohne Moral existiert, wird er sich bis zum Äußersten verteidigen, wenn er sich in die Ecke gedrängt sieht. In einem solchen Falle dürfte sein Untergang anders verlaufen als 1989/90 das Verschwinden des Sozialismus in der DDR. Damals gab es Verantwortungsträger, die verhinderten, daß auf Demonstranten geschossen wurde. Es war Leuten wie Egon Krenz zu verdanken, daß die Panzer in den Kasernen blieben.

Dafür warfen ihn die "Sieger" dann ins Gefängnis. Doch ein Innenminister wie de Maizière, ein Kriegsminister wie Guttenberg oder eine Kanzlerin wie Merkel dürften von derlei Skrupeln wohl kaum geplagt sein. Man will den Einsatz der Bundeswehr auch im Inland zur Routine werden lassen und baut nicht ohne Grund einen Orwellschen Überwachungsstaat auf. Wenn das Herrschaftssystem des Kapitals ins Wanken gerät, wird es bedenkenlos töten. Das sollte man auch aus der Geschichte gelernt haben. Ich denke nur an 1918/19.

Neben den USA und Großbritannien zählt die BRD heute zu den aggressivsten Staaten der westlichen Welt. Gewaltanwendung im Ausland ist längst zur Routine geworden. Wer hier einmal auf den Geschmack gekommen ist, hat nur noch eine kleine Hemmschwelle zu überwinden, auch im Inland schießen zu lassen.

Ulrich Guhl, Berlin


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Der von Barack Obama und Dmitri Medwedjew hochgelobte neue Start-Vertrag, durch Westerwelle als "Meilenstein für die weltweiten Abrüstungsbemühungen" bezeichnet, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Mogelpackung. Die angebliche Abrüstung betrifft lediglich die strategischen Atomwaffen, die nur ein Viertel aller Bestände ausmachen und vor allem während des Kalten Krieges relevant waren. Der Vertrag sieht keine Verschrottung der Sprengköpfe und der Trägersysteme vor. Beide werden lediglich "eingemottet" und können jederzeit reaktiviert werden.

Zeitgleich verkündete Obama die "neue Nuklearstrategie" der USA. Danach halten sie an der "Rechts"anmaßung fest, als erste Atomwaffen einzusetzen. Außerdem sollen die existierenden Typen weiterentwickelt und modernisiert werden können.

Uwe Bossart, Lüdenscheid


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RF-Chefredakteur Klaus Steiniger bevorzugt gewöhnlich klare Worte in starken, treffsicheren Argumentationen. In seinem Beitrag "Der verlorene Krieg" (April-RF) "eiert" er allerdings herum, wenn er zum Einmarsch sowjetischer Truppen 1979 in Afghanistan schreibt: "Die Entscheidung Breshnews, der Bitte Kabuls zu folgen, war nicht ohne Zwiespältigkeiten und Risiken."

Im wesentlichen war diese Entscheidung nämlich falsch, folgenschwer und verhängnisvoll. Es gab damals selbst aus der KPdSU-Führung Warnungen vor einem Versuch des Exports der sozialistischen Revolution (J. Andropow) und Sorgen um das politische Image des sozialistischen Lagers, speziell um die Olympischen Spiele 1980 in Moskau (A. Gromyko). Leider hat sich die "kollektive Weisheit" sowjetischer Geostrategen durchgesetzt, so daß die UdSSR "ihr Vietnam" bekam.

Widersprechen möchte ich, wenn es im genannten Beitrag über die Taliban heißt, sie seien zwar ideologisch im Mittelalter angesiedelt, würden sich heute jedoch objektiv als afghanische Patrioten erweisen. Ich kann an der religiös verbrämten, repressiven Gewaltherrschaft der radikal-islamistischen Taliban nichts Patriotisches für den gesellschaftlichen Fortschritt am Hindukusch erkennen. Der RF sollte klarstellen, daß unser "Raus aus Afghanistan!" niemals ein "Afghanistan den Taliban!" bedeuten kann.

Dr. Wolfgang Künzel, Bad Blankenburg


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Der Aufmacher der Aprilausgabe findet weitgehend meine Zustimmung. Vergessen wurde nur zu erwähnen, daß die Amerikaner und in deren Gefolge letztlich auch die Bundeswehr wohl kaum einmarschiert wären, wenn die Taliban das Ansinnen einer Pipeline durch ihr Land nicht störrisch ausgeschlagen hätten. Andernfalls dürften sie ihr Regime gewiß bis heute ausleben.

Ferner blieb die mir wichtig erscheinende Tatsache unerwähnt, daß deutsche Rüstungsunternehmen an diesem Feldzug samt toten jungen Männern glänzend verdienen.

Energisch widersprechen möchte ich allerdings der Kopplung: Taliban - objektiv Patrioten/deutsche Linke an der Seite aller Afghanen, die ... Unerschütterlich an der Seite von Gulbuddin Hekmatyar und anderen Spießgesellen bis Massenmördern sollten sich anständige Bewohner dieses Landes dann doch nicht wiederfinden wollen. Aber vielleicht war es ja so auch nicht gemeint.

Rüdiger Becker, Berlin


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Ich mußte im 2. Weltkrieg vom ersten Tag an Soldat der Wehrmacht sein. Als Sanitätsdienstgrad wurde ich zunächst drei Jahre lang nicht an der Front eingesetzt. In dieser Zeit hörte ich am Radio etliche Reden von Hitler, Goebbels und Konsorten. Nach dem Überfall auf die UdSSR suchten sie die Deutschen davon zu überzeugen, daß der Krieg gegen den "Bolschewismus" unerläßlich sei, um die Welt vor großem Schaden zu bewahren. Heute weiß jeder, wie die Sache ausging.

Jetzt verfolgte ich am Bildschirm die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zum Afghanistan-Krieg. Nicht nur ihre Worte, sondern vor allem auch die Beiträge der Vertreter von CDU und FDP erinnerten mich unwillkürlich an die Durchhalteparolen der Nazis zwischen 1939 und 1945. Der Unterschied: Diesmal geht die Gefahr nicht vom "Bolschewismus", sondern von dem an seine Stelle getretenen "Terrorismus" aus. Man nimmt die Taliban ins Visier, wobei man nicht verschweigen kann, daß hinter ihnen große Teile der afghanischen Bevölkerung stehen.

Etwa 70 % der Deutschen wollen diesen Krieg nicht. Das Besondere unserer "Demokratie" besteht aber darin, daß diese Mehrheit durch die Regierung völlig ignoriert wird. Allein die Linkspartei bezieht in dieser Frage eine dem Volkswillen entsprechende Position.

Horst Zimmermann, Cottbus


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In wenigen Tagen werden die Medien wieder ein großes Geschrei über den angeblichen Volksaufstand vom 17. Juni 1953 anstimmen, bei dem es sich um eine versuchte Konterrevolution handelte. Damals gehörte ich dem Wachregiment in Berlin-Adlershof an. Am 17. und 18. Juni kamen wir in der Leipziger Straße/Ecke Wilhelmstraße am Haus der Ministerien zum Einsatz. Die gegenüberliegende HO-Verkaufsstelle war ausgeraubt, Lebensmittel lagen auf der Straße, eine Telefonzelle brannte, aus einem Haus am Potsdamer Platz wurden brennende Möbel auf die Straße geworfen. Hier waren bezahlte Elemente aus Westberlin am Werk. Sie erhielten von der Laufschrift auf dem Springer-Gebäude ständig neue Anweisungen. Wir mußten mit ansehen, wie Berliner Volkspolizisten zusammengeschlagen oder von Autos überrollt wurden.

Übrigens hatten wir zwar jeder einen Karabiner, aber keinen einzigen Schuß Munition. Für uns galt schon damals der Grundsatz einer friedlichen Regelung von Konflikten.

Heute bin ich davon überzeugt, daß wir die Gangsterpogrome in mehreren Städten der DDR allein nicht in den Griff bekommen hätten. Zum Glück kamen uns die sowjetischen Genossen zu Hilfe.

Wolfgang Müller, Bad Düben


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Erhard Römer hat im RF 147 kenntnisreich über die "Defizite" der DDR geschrieben. Ich polemisiere dennoch gegen zwei seiner Formulierungen.

Die BRD habe "von der DDR etliche Strafgefangene freigekauft", schreibt er.

Israel verlangt von jenen Bürgern, die das Land dauerhaft verlassen wollen, die Rückzahlung sämtlicher in sie investierten Ausbildungskosten. Warum sollte die DDR qualifizierte Fachkräfte, die ihr Wissen und Können fortan einem anderen Staat zur Verfügung stellten, kostenlos ziehen lassen?

Zum MfS bemerkt Römer, dies gebe es nicht mehr, ebenso "dessen einstmals informelle Mitarbeiter". Vielleicht ist das nur ein Lapsus beim Redigieren. Offenbar sind "Inoffizielle Mitarbeiter" gemeint. Das MfS hatte sie genauso wie in US-Filmen glorifizierte "Undercover-Agenten" oder V-Leute des Verfassungsschutzes, die im NPD-Verbotstheater tragikomische Rollen spielen. Und auch in aller Welt gibt es ähnliches.

Wolfgang Kroschel, Cottbus


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Beim Stöbern tauchen plötzlich Bücher aus vergangenen, aber nicht vergessenen Zeiten auf. Bald steht ein ganzer Karton mit meinen einstigen Kinderschätzen vor mir. Ich greife nach "Neger Nobi", "Jenny", "Die Jagd nach dem Stiefel", "Ponny Pedro", "Die Reise nach Sundevit", "Mohr und die Raben von London", "Käuzchenkuhle", "Tschuk und Gek", "Der kleine Trompeter" und natürlich auch nach "Egon und das achte Weltwunder". Gedanklich sitze ich wieder im Hort oder in der Kinderbibliothek und erobere mir die Bücherwelt. Die alte Faszination ist geblieben. Da kann man der grauen Gegenwart entfliehen. Keine Fotoerinnerung könnte schöner sein als das Gefühl: Es war einmal, und es war kein Märchen, sondern Realität.

Wie kann ich diese Empfindungen meinen Enkeln vermitteln, so daß mein Augenleuchten ihre Herzen und ihren Verstand erreicht? Für die nächsten Ferien habe ich ihnen das Stöbern in meiner Bücherkiste schon schmackhaft gemacht, wenn sie ihre Gameboys zu Hause lassen. Beim Eintauchen in meine "alten Zeiten" (ich bin fast 56) kommt es mir so vor, als ob ich ihnen (9 und 14) Märchen erzähle. Immer wieder frage ich mich: Was bekommen sie heute bloß in der Schule und im Internet vorgesetzt? Man könnte fast meinen, wir hätten umsonst gelebt. Aber das werde ich nicht zulassen, denn das, was ich ihnen mit auf den Weg gebe, brauchen sie für ihr Leben. Wärme und Geborgenheit strahlen die goldenen Seiten meiner Kinderzeit immer noch aus.

Cornelia Noack, Beeskow


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Mich empört die tendenziöse Berichterstattung über Jugendwerkhöfe und Heime für schwererziehbare Kinder in der DDR. Ich empfinde es als unerträglich, wie Verbrechen an Kindern in katholischen Heimen der BRD jetzt gegen die DDR instrumentalisiert werden. Gewiß dürfte es auch bei uns vereinzelte Übergriffe von Erziehern gegenüber Kindern und Jugendlichen gegeben haben. Aber die Dinge so hinzustellen, als ob dies der "systembedingte" Kern der Erziehung gewesen sei, ist glatt gelogen. Hier werden die Lebensleistungen von Lehrern und Erziehern der DDR bewußt in den Schmutz gezogen, um von den Schweinereien in einigen Klöstern und Internaten der BRD abzulenken. Es ist doch eigenartig: Immer, wenn in den alten Bundesländern üble Vorkommnisse ans Tageslicht kommen, muß man nicht lange warten, bis sich Vertreter der Birthler-Behörde und deren "DDR-Opfer" zu Wort melden, um über gleichartige oder schlimmere Erlebnisse, die es in der DDR gegeben haben soll, zu berichten.

Helmut Baumgarten, Halle (Saale)


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Mich erstaunt noch immer, wie Westerwelle derart aus der Schule geplaudert hat, was die politisch Herrschenden aus diesem Land gemacht haben: Die BRD ist tatsächlich ein "Billiglohnland" und deshalb für bestimmte ausländische Anleger interessant. Wenn Arbeitslöhne nicht einmal das Hartz-IV-Niveau erreichen, dann ist das doch von irgend jemandem so gewollt. Westerwelle stellte fest, daß sich Arbeit für viele in diesem Staat gar nicht lohnt, weil sie vom Lohn allein kaum noch leben können. Wer das bisher nicht wußte, weiß es jetzt - dank Herrn Westerwelle.

Generalmajor a. D. Heinz-Joachim Calvelage, Delitzsch


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Schon am 30. April feierte unsere Omi Erika Püttner in Freiberg bei wieder guter Gesundheit ihren 90. Geburtstag. Gemeinsam mit dem "RotFuchs" übermitteln wir ihr nachträglich einen lieben Gruß.

"Olle Leo" für die Enkel aus Karl-Chemnitz


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Im Beitrag Prof. Schneiders "Wölfe im Schafspelz" (RF 147) geht es u. a. um die Anerkennung oder Nichtanerkennung der Oder-Neiße-Grenze. Als Angehöriger einer jüngeren Generation stellt sich mir die Frage, was wohl geschehen wäre, hätte Otto Grotewohl nicht das getan, was seitens des naziverseuchten Revanchistenstaates BRD tunlichst vermieden wurde? Dort fürchtete man die Anerkennung der Westgrenze Polens wie der Teufel das Weihwasser.

Darf man spekulieren, daß die Erika Steinbachs jener Tage schon vor 50 Jahren ihre Finger nach Territorien ausgestreckt hätten, die ihnen nicht gehören? Und darf man ebenso bange Fragen hinsichtlich des Erfolgs eines solchen Gaunerstückes stellen?

Peter Hünerbein, Hellenthal


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Über meine Schwiegermutter bekam ich zum ersten Mal Euren "RotFuchs" in die Hand. Wenn ich auch nicht mit allem konform gehe, so ist doch der Grundgedanke unter wirklich Linksorientierten immer derselbe. Als ehemaliges Mitglied der SED habe ich meine politische Einstellung nicht geändert, obwohl ich heute keiner Partei mehr angehöre. Mich regt vor allem auf, daß alles, was DDR-"behaftet" ist, als Unrecht abgetan wird. Doch als Einzelner steht man oft mit seiner Meinung allein da.

Mathias Thonig, Berlin


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Durch einen guten Freund erfuhr ich vor einiger Zeit von der Existenz Eurer Zeitschrift. Seit mehreren Monaten bin ich nun Bezieher dieser hervorragenden Lektüre. Meine Frau und ich warten stets mit Spannung auf die neue Ausgabe. Über die verschiedenen Beiträge unterhalten wir uns dann intensiv. Nach dem Studieren reichen wir den RF im Bekanntenkreis weiter. Es ist herzerfrischend, wie es den Autoren, besonders dem Leitartikler, immer aufs neue gelingt, den Kapitalismus unserer Tage zu entlarven.

Ernst Gallert, Rudolstadt


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Ich danke für die interessante, tiefgründig orientierende Informationsflut des RF.

Ein paar Bemerkungen zu dem Artikel "Laßt die Toten ruhen!" in der Ausgabe Nr. 145:

Die Luftangriffe auf meine Heimatstadt Dresden haben sich für immer tief in mein Gedächtnis eingegraben. Ich war damals zehn Jahre alt, Kriegs- und Nachkriegserlebnisse bestimmten meine Kindheit. Wir wohnten im Zentrum des Grauens, am Hauptbahnhof. Es erschüttert mich immer wieder, wenn nach dem Motto "So schlimm war es ja nicht!" versucht wird, Zahlen aufzulisten oder zu verfälschen. Einwohner, Durchreisende, Flüchtlinge, Verwundete, Kriegsgefangene waren nur schätzbar. Auf Kindergröße verbrannte Erwachsene, im Feuersturm verglühte Menschen, Leichenteile auf Straßen, in Kellern oder Bombentrichtern konnten nicht zugeordnet oder registriert werden. Das Werk der Bomben, Kettenminen und des Phosphors war verheerend. Allein auf dem Altmarkt wurden etwa 7000 Leichen verbrannt. Auf den Friedhöfen gibt es Massengräber.

Was sollen also Zahlen und vage Vermutungen angesichts der furchtbaren, grausamen Tötungsarten, denen unschuldige Menschen zu einer Zeit zum Opfer fielen, als der 2. Weltkrieg bereits entschieden war!

Ursula Fischer, Strausberg


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Schon in den 70er Jahren war ich der Meinung, daß in der DDR ein Mißverhältnis zwischen Geldund Warenfonds bestünde. Nachdem für meine Berufsgruppe eine Gehaltserhöhung gewährt worden war, traf ich die Entscheidung, meine Solidaritätsspende entsprechend zu erhöhen. Anläßlich einer späteren Spendensammlung für Zwecke der Solidarität kam von der Parteileitung dann plötzlich der Hinweis, die Beträge nicht zu steigern, da nicht genügend in Betracht kommende Produkte für die Lieferung in bedürftige Länder zur Verfügung stünden.

Hans Schneider, Erfurt


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Als die DDR 1989/90 mit westlicher "Sterbehilfe" verschied, wurde alles Brauchbare (und davon gab es in dem angeblich maroden Staat mehr als genug) von westlichen "Kennern" geplündert. Den DDR-Bürgern blieb rein gar nichts von dem in 40 Jahren in Gestalt des Volkseigentums erarbeiteten Reichtum. Sogar Kulturhäuser und Ferienheime rissen die Räuber an sich. Jahr für Jahr werden viele Millionen Euro von der Bundesregierung aus dem Verkauf ehemals volkseigener Wälder und Felder kassiert. Sogar Guthaben von 18 Massenorganisationen der DDR verteilt die Bundesregierung nach Belieben, vor allem an Institutionen, die ständig neue Dreckkübel über uns ausschütten.

Elisabeth Monsig, Schwedt


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Man behauptet, die DDR sei ein Unrechtsstaat gewesen. Was für ein Unsinn!

Nenne mir jemand einen einzigen Staat in der Welt, der allen gerecht zu werden vermag. Immer wird es Bevölkerungsgruppen geben, die der jeweils herrschenden Klasse nicht genehm sind. Das trifft zum Beispiel auf uns zu, die wir in der DDR gelebt und gearbeitet haben. Jetzt sind wir dem uns übergestülpten Staat auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Ich denke auch an das Verbot der KPD unter Adenauer und die Verfolgung Andersdenkender bis in unsere Tage. Ist es z. B. gerecht, daß Menschen von ganzen Bereichen der Gesellschaft ausgeschlossen bleiben, weil sie ihrem sozialistischen Staat gedient haben? Ist es gerecht, wenn eine Oberschicht immer reicher, die Mehrheit aber immer ärmer wird?

Ich würde lieber im sogenannten Unrechtsstaat DDR leben als in der BRD, die nicht einmal die elementarsten sozialen Menschenrechte verwirklicht hat und aus Profitgründen Kriege führt. Das nämlich ist Unrecht.

Brigitte Tichauer, Berlin


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Eure Aprilausgabe ist wieder gelungen. Die Lesermeinungen zeigen mir, daß ich mit meinen Ansichten nicht allein stehe. Es ist wohltuend und erfrischend, was hier gesagt wird. Diese und Eure Grundsatzartikel möchte ich als Landesvorsitzender der KPD in Sachsen allen Linken sehr empfehlen.

Was uns im Gegensatz dazu von den Medien aufgedrückt wird, ist entsetzlich. Da wird nicht an Sendungen über Hitler, Göring, die SS und die Wehrmacht gespart. Dazu täglich "die besten Filme aller Zeiten". Als ob es wirklich gute filmische Werke nie gegeben hätte! Ich denke hier an "Ein Menschenschicksal", "Panzerkreuzer Potemkin", "Der Untertan", "Die Buntkarierten" u. a.

So gut ich als Hartz-IV-Empfänger kann, werde ich den RF mit Spenden unterstützen.

Michael Junghans, Rosenthal-Bielatal


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Vor mir liegt eine Information, die ich am 18. Februar 1983 dem zuständigen Genossen des MfS übergeben hatte. Hierbei ging es nicht um die Beurteilung einer Person, sondern um die Darstellung fehlender Sicherheitsmaßnahmen bei der Aufbewahrung von Schätzen des Weltkulturerbes, so der Cranach-Bibel, die es nur noch in einigen Exemplaren gibt.

Später wurde mir bekannt, daß ich mit diesem Schreiben als Gesellschaftlicher Mitarbeiter (GM) des Ministeriums registriert worden sei. Heute bin ich stolz darauf, daß ich einem der UNO angehörenden Rechtsstaat treu gedient habe: Denn das war unsere DDR, die bekanntlich von 135 Staaten der Erde anerkannt wurde.

Bibliotheksrat Egon Szamiteit, Dessau-Roßlau


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Im März-RF veröffentlichten Sie zum Thema Siegerverhalten einen Text von John Knittel. Zum gleichen Inhalt kann ich ein Zitat jüngeren Datums beisteuern. In Dan Browns "Sakrileg" las ich: "Es bedeutet, daß die Geschichte immer von den Siegern geschrieben wird. Wenn zwei Kulturen aufeinanderprallen, verschwindet der Verlierer von der Bildfläche. Und der Sieger schreibt die Geschichtsbücher, in denen er sich selbst im vorteilhaftesten Licht zeichnet und den besiegten Feind als Halunken darstellt."

Im Rahmen des strategischen Verblödungskonzepts dieses Landes tritt der selbsternannte Heimatsender MDR normalerweise nicht aus dem Schatten, wohl aber dann, wenn es um die DDR, um Beurteilung von Vorgängen und Geschehnissen in ihr geht. Mit Zerrbildern gestalten die Verantwortlichen, die beim Start des Senders zu 95 % aus dem Westen kamen und heute noch immer in der Mehrzahl von dort sind, seit 20 Jahren für uns "Heimat". Mit dem diesjährigen "Jubiläum" des Anschlusses steht die nächste Offensive bevor! Beim MDR gilt: Die Leiche konnte sich noch nie gegen den Obduktionsbefund wehren!

Für mich ist der MDR zum RIAS der Gegenwart mutiert. Er hat noch Bedeutung beim territorialen Wetterbericht sowie der sonntäglichen Gartensendung.

Manfred Riethig, Gera


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Im "Nordkurier" vom 31. März wird neben Aufklärung über Scientology, der man Verfassungsfeindlichkeit attestiert, eine Reihe von Inbrandsetzungen hochwertiger PKW von NPD-Landtagsabgeordneten, McDonald-Geschäftsführern und anderen Besserverdienenden "linksextremen" Tätern zugeordnet.

Nach Aussagen des Bundesinnenministeriums soll die Zahl politischer Gewalttaten 2009 auf fast 34.000 gestiegen sein. "Ein Drittel davon wurde auf dem linken Sektor verübt", heißt es in mäßigem Deutsch. Durch Rechtsextremisten begangene Gewaltakte gegen Ausländer werden hier statistisch mit Blockaden Linker gegen Neonaziaufmärsche gleichgesetzt. Für MV-Innenminister Caffier (CDU) steht fest: "Militante Linksextremisten agieren immer rücksichtsloser auch gegenüber der Gesundheit unbeteiligter Dritter." Der innenpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion fordert sogar: "Der Kampf gegen Rechts- wie Linksextremismus ist gleichermaßen stark zu führen." Offenbar handelt es sich um einen Reflex auf die erfolgreichen Aktionen der Antifaschisten u. a. in Dresden, Dortmund, München, Berlin und Rostock.

Dr. Manfred Bewersdorf, Neubrandenburg


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Seit etwa 2004 verteilt die NPD sogenannte Schulhof-CDs mit rechtsextremen Inhalten. Ein dagegen gerichteter Antrag des Landeskriminalamtes Niedersachsen scheiterte am 4. Februar vor der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien. Die CD darf also weiter an die Schüler herangetragen werden. Ganz offensichtlich ist die Verbreitung faschistischer Ideologie vom Grundgesetz geschützt. Ich habe hier bewußt den Begriff Faschismus gebraucht, weil dieser in der offiziellen BRD-Terminologie nicht vorkommt. Grundsätzlich spricht man vom Nationalsozialismus, um Hitlers Terrorherrschaft zu relativieren. Die Geschichte der Alt-BRD beweist, warum das so ist: Der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer hat bei den damaligen Westalliierten alles unternommen, um altgediente Faschisten flächendeckend im Staatsapparat unterzubringen. Im Kampf gegen die UdSSR fronterfahrene Nazimilitärs wurden wieder gebraucht und nicht nur von der bundesdeutschen Politik, sondern auch von der NATO gern genutzt.

Wilfried Steinfath, Berlin


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Beste Erfolgswünsche für die nächste Zukunft, denn das Schönste, was uns monatlich ins Haus flattert, ist der "RotFuchs". Und solange er kommt, bringt er neue Hoffnung ins Land und hoffentlich auch der Linken ein stabileres Rückgrat. Der neue Programmentwurf, der Lafontaines Handschrift trägt, macht ein bißchen Mut.

Horst Joachimi, Berlin


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Hallo, Ihr RotFüchse! Schön, einmal so etwas wie Euch im Netz zu finden! Ich wünsche Euch bei Eurer sicher enorm beschwerlichen Arbeit alles Gute. Seit Jahren versuche ich ähnliches auf meine Weise. Allerdings schafft Aufklärungsbereitschaft in heutigen Tagen viele Feinde. Traurig finde ich, daß die Mehrzahl der früheren DDR-Bürger sich selbst verunglimpft und so tut, als hätte sie damals in einer Strafkolonie gelebt. Ihr seid gut. Ich schaue daher bestimmt öfter bei Euch vorbei.

Maik Nixdorf, E-Mail


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Neben den wirklichen Arbeitslosenzahlen vertuscht man auch die Zahl der Firmen, die aus ökonomischen Gründen schließen mußten. Sie liegt um ein Mehrfaches höher, als die gemeldeten Insolvenzen ausweisen. Überdies wird das Scheitern aller Versuche, in Ostdeutschland jährlich mehr Beschäftigung zu schaffen als wegbricht, durch falsche Angaben unter den Teppich gekehrt. Die Bundesagentur für Arbeit weist seit über zehn Jahren ständig nach, daß die Gesamtheit der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von der Wirtschaft im Osten nicht über 5,2 Millionen angehoben werden kann. Einbezogen ist dabei immer das Wirtschaftsgebiet Westberlin, das bekanntlich nicht zur DDR gehörte. Mit einer solchen Verschleierungstaktik will man suggerieren, es gehe voran. Der vierte Trick besteht im Verschweigen der für die BRD negativen internationalen Investitionsanalyse der Bundesbank, die weit über fünf Millionen von deutschen Firmen im Ausland geschaffene Arbeitsplätze ausweist, denen weniger als die Hälfte von ausländischen Unternehmen in Deutschland angebotene Stellen gegenüberstehen.

Joachim Spitzner, Leipzig


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Der Cellovirtuose, Rechtsanwalt, gottesfürchtige Christ und allerletzte DDR-Staatsverweser Lothar de Maizière zitierte 2007 zwar zynisch-brutal, doch um so verständlicher in einem Interview mit amadelio folgendermaßen die Bibel: "Als einst Moses sein geknechtetes Volk Israel aus Ägypten herausführte und dieses Volk darüber klagte, so viele Entbehrungen auf sich nehmen zu müssen, rief er seinen Gott an und fragte, wie lange das wohl noch dauern würde. Und der Allmächtige antwortete: 'So lange, bis der letzte in der Knechtschaft Geborene gestorben ist.'"

De Maizière bemerkte dazu: "Die biologische Lösung also ist es, die uns wahrhaft wiedervereinigt. Zwei Generationen braucht es demnach als 'Opfer', die dritte wird es überwunden haben."

Ich habe das Bibelzitat nicht in der Primärliteratur überprüft, weil das hier unerheblich ist. Wesentlich erscheint mir lediglich, daß der Feingeist Lothar de Maizière es so und nicht anders zitierte und kommentierte!

Wolfgang Klages, Berlin


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Mit großem Interesse verfolge ich die Diskussionen und Veröffentlichungen zu den Ursachen des rasanten Untergangs der DDR in den Jahren 1989/90. Die häufig genannten Gründe reichen von den ungünstigen Anfangsbedingungen der DDR über die Mißachtung der Klassiker, Verstöße gegen das Parteistatut, die Unfähigkeit des Politbüros, herangereifte Probleme anzupacken, die Nichtbeachtung der ökonomischen Gesetze des Sozialismus, den Verrat der letzten sowjetischen Partei- und Staatsführung bis hin zu konterrevolutionären Zersetzungs- und Unterwanderungsaktivitäten der BRD. So richtig jede einzelne dieser Feststellungen auch sein mag, hat doch keine für sich allein genommen den Untergang der DDR bewirkt.

In diesem Zusammenhang halte ich es auch für falsch zu glauben, die DDR hätte bei Vermeidung gravierender Fehler ohne die Sowjetunion überleben können. Eine solche These ist unrealistisch. Ein Vergleich mit China und Kuba verbietet sich ebenfalls, wenn deren Entstehung, Entwicklung und gegenwärtige Existenz im historischen Kontext betrachtet werden.

Schließlich steht für mich völlig außer Frage, daß das, was 1989/90 geschehen ist, den Charakter einer Konterrevolution besaß. Wer glaubt, daß der Untergang der DDR einfach als "Implosion" und ohne fremdes Zutun erfolgte, ist mehr als blauäugig.

Oberstleutnant a. D. Roland Potstawa, Königs Wusterhausen

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RotFuchs Nr. 149, 13. Jahrgang, Juni 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juni 2010