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ROTFUCHS/122: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 168 - Januar 2012


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

15. Jahrgang, Nr. 168, Januar 2012



Inhalt
Fritz Teppich: Ein Spanienkämpfer zur Rolle der Legion Condor
Hans Heinz Holz lebt in uns weiter -
Zum Tod des bedeutenden marxistischen Philosophen
Ingo Wagner: Der "große Kompromiß"
Mathias Wedel: Beethoven war unser
Bartsch kandidiert: Ein Taktierer als Stratege
Über Toren, Torheiten und geöffnete Tore
Ulla Jelpke: Auch Hitler begann als V-Mann
Trauerspiel oder Posse? NPD-Beschirmer als "Nazi-Jäger"
Gorbatschows rhetorischer Schaum: Eloquenz statt Konsequenz
Brüssels "große Räuberbande"
Neues aus der Sudelküche: "Mielke inszenierte 68er-Revolte"
Hatte Engels die Lohnarbeit im Auge?
Mit Täve Schur in Kleinmühlingen
Marxismus für Einsteiger: Grundrente
Cocktail aus Brandsätzen und Feuerlöschern
Spitzenstadt Plauen: Abstieg eines Spitzenreiters
Auf sandigem Boden ist schlecht Fuß fassen:
Brandenburgs Grüne zur Argrarfrage
Westerwelles Traumhaus auf Mallorca
"Ossis" und "Wessis": Bürger 1. und 2. Klasse
RF-Extra - Zu Stéphane Hessels Schrift: Elektrizität, aber kein elektrischer Strom
RF-Extra - Korea: Als Trumans General MacArthur nach Atombomben schrie
Der Befreier als Pate: Simón Bolivar
Vor dem Ämtertausch in Moskau: Abgekartetes Spiel, Machtgerangel oder Richtungsstreit?
Occupy Wall Street: 99 % gegen 1 %
EU-Operation "Östliche Partnerschaft"
Kommunisten der Slowakei: Von der Agonie zur Aktion
Im Klassenkampf gefallen: Dimitris Kotzaridis
Wer in Brüssel die Peitsche schwingt
Der mexikanische Koffer - Verschollene Fotos dreier Heldenreporter wieder aufgetaucht
"Compasito" - ein Kompaß, der in die Irre führt
"Hotel Lux" - Haußmanns neuestes Machwerk
Satire für Atheisten
Cornelias kleine große DDR (2)
Als Wolfgang Heinz den "Mamlock" gab
Archie in verschiedenen "Klimazonen"
Leserbriefe
Grafik des Monats

Raute

Von Condor zu Kundus

Als ich 1941 die 3. Klasse der Volksschule in Berlin-Dahlem besuchte, kursierte in Nazi-Deutschland ein "Bestseller". Er wurde vom Goebbelsschen Reichspropagandaministerium zu einem "Muß für jeden Deutschen" erklärt. Im Mittelpunkt des als Augenzeugenbericht aufgemachten Buches eines gewissen Fritz von Forell stand Werner Mölders, das As der für ihren Beitrag zum Sieg der falangistischen Mörderbanden Francos über die Spanische Republik gefeierten Legion Condor. Das Elaborat trug den Titel "Mölders und seine Männer". Dem später höchstdekorierten Jagdflieger der Göringschen Luftwaffe - sie hatte nicht nur die Auslöschung des baskischen Städtchens Guernica und seiner Einwohner auf dem Gewissen - stand noch ein anderer "Meister der Feder" zur Seite: Hitlers Starliterat Werner Beumelburg, der beflissene Chronist des zur "Niederwerfung der Roten" auf die iberische Halbinsel entsandten braunen Expeditionskorps.

In seinem Spanien-Report nennt Beumelburg aufschlußreiche Zahlen über die für Franco fliegenden faschistischen Banditen: "Die nationale Luftwaffe bestand aus 98 Maschinen der Legion Condor, 134 Maschinen der Italiener und 146 Maschinen der Spanier ... Die Kampfgruppe der Legion Condor umfaßte 40 He 111, die Sturzkampfkette drei Ju 87, die Jagdgruppe 45 Me 109 ..."

Zu jenen, welche damals dem Bombenhagel der Legion Condor ausgesetzt waren, gehörte auch unser Autor, Freund und Genosse Fritz Teppich. Der heute 93jährige diente zunächst in einer baskischen Einheit und war dann ein blutjunger Stabsoffizier der republikanischen Armee. Das Zeugnis des wohl einzigen noch lebenden deutschen Spanienkämpfers ist von historischem Wert. Wie Fritz Teppich begaben sich ab November 1936 - vor nunmehr 75 Jahren - Zehntausende Kommunisten, Sozialisten und andere Humanisten aus aller Welt, darunter ein großes Kontingent den Naziverfolgern entronnener deutscher Antifaschisten, in die vorderste Verteidigungslinie der Demokratie und des Friedens auf europäischem Boden. Die meisten von ihnen ahnten wohl bereits, daß die Schlachten am Ebro und am Jarama nur Vorgefechte des großen, am Ende von der Roten Armee der Sowjetunion und den anderen Mächten der Antihitlerkoalition gelöschten Weltbrandes waren.

Nach der Zerschlagung des Hitlerfaschismus setzten die einen wie die anderen im nun geteilten Deutschland ihren Weg konsequent fort. Während im antifaschistisch-demokratischen und später sozialistischen Osten - der DDR - mutige Verteidiger der Spanischen Republik wie Ludwig Renn, Willi Bredel und Eduard Claudius auch zu literarischem Ruhm gelangten, übernahm mit Heinz Hoffmann der einstige Kommandeur des legendären Thälmann-Bataillons die Leitung des Verteidigungsministeriums. Andere Interbrigadisten wie Richard Stahlmann trugen beim Aufbau der Schutz- und Sicherheitsorgane des guten Deutschland hohe Verantwortung.

Auch der kapitalistische Westen - die BRD - setzte auf "erfahrenes Personal". So stellte die Bundesluftwaffe notorische Killer aus der Legion Condor ohne Skrupel an ihre Spitze. Zu ihnen zählte General Johannes Trautloft. Einst Jagdflieger in Spanien, brachte er es bis zum Stabschef seiner Waffengattung. Überdies benannte die Bundeswehr eine Kaserne nach Mölders.

Beumelburg verkündete nach dem Abzug der Interventen vom Territorium der durch deutsche und italienische Faschisten vor der Kulisse westlicher "Nichteinmischung" erschlagenen Spanischen Republik: "Aber die Legion Condor wird niemals aufhören zu leben, wo immer Deutsche ihr Vaterland lieben und bereit sind, dafür zu kämpfen und zu sterben: Ihre Gefallenen sind eingegangen in die heilige Halle, in der Deutschland seine Söhne versammelt, die für seine Größe und seinen Bestand starben."

Könnten diese in gespreiztem Herrenmenschendeutsch formulierten Phrasen - so oder ähnlich - nicht auch beim Begräbnis in Afghanistan verheizter Angehöriger der Legion Kundus gesprochen worden sein? Spielen dort nicht als "Einsatzkräfte" bezeichnete Legionäre - zwar unter US-Ägide, aber durchaus auch im Sinne eigener "Wertvorstellungen" - erneut mit "Condor"-Karten? Beumelburg wußte genau, was kommen würde: "Die Zeit war nicht mehr fern, in welcher das Vaterland sie zu noch größeren Taten aufrufen würde."

Inzwischen bereitet man sich auch in Berlin auf "noch größere Taten" vor. "Die Frage nach dem Einsatz unserer Streitkräfte dürfte in Zukunft wohl häufiger gestellt werden", erklärte Merkels Kriegsminister Thomas de Maizière gegenüber der Zeitschrift "Internationale Politik", die gerne für Ankündigungen dieser Art benutzt wird. Zu den "kleinen Kriegen" rechnet ein dort ebenfalls publizierender Oberstleutnant im Generalstab der Bundeswehr die "Bekämpfung von Aufständischen". Um was es sich dabei handelt, hat der seinerzeitige Kommandeur der Legion Kundus unter Beweis gestellt. Pardon wird nicht gegeben! De Maizières jüngste Parole lautet übrigens: "Militärische Mittel sind äußerstes, nicht aber letztes Mittel." - Auf das Erscheinen des neuen Bestsellers "Klein und seine Männer" darf man gespannt sein.

Klaus Steiniger

Raute

Als Görings JU 52 Francos Putschisten im Juli 1936 auf Spaniens Festland flogen

Die Schmach von Tempelhof

Es hieß, der 44jährige spanische General Francisco Franco, der wie andere rechte Militärs als Stabschef von der Republiksregierung kaltgestellt worden war, sei am 17. Juli ohne Erlaubnis Madrids von den Kanarischen Inseln abgeflogen und in Spanisch-Marokko gelandet, um von dort aus einen Aufstand anzuzetteln. Noch am Abend jenes Tages rief er die Garnison von Tetuan zum Putsch gegen die republikanische Regierung auf. Zwei Tage später änderte sich schlagartig die gesamte Szenerie: Die Garnisonen von Madrid, Barcelona, Sevilla, Salamanca, Burgos, Valencia, Bilbao, Oviedo und anderswo erhoben sich.

Am 19. Juli fand in Görings Berliner Luftfahrtministerium unter Vorsitz seines Staatssekretärs, des Fliegergenerals Erhard Milch, der später in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, eine eilige Besprechung statt. Es wurde eine besondere Dienststelle geschaffen, die alle Spanien betreffenden Fragen zu regeln hatte, "soweit sie sich aus den Befehlen des Führers ergaben". Sie unterstand Milch und erhielt die Bezeichnung "Sonderstab W".

Am 16. Juli hatte Hitler in Bayreuth, wo er sich wie alljährlich aus Anlaß der Wagner-Festspiele aufhielt, eine von Franco aus Tetuan entsandte Delegation empfangen, der zwei in Spanisch-Marokko lebende Deutsche und ein spanischer Offizier angehörten. Francos dringendes Ersuchen lautete, das Deutsche Reich möge ihm umgehend eine Anzahl von Transportflugzeugen zur Verfügung stellen, um seine marokkanische Fremdenlegion, weitere "eingeborene Truppen" sowie reguläre Armee- und Heereseinheiten auf das spanische Festland zu bringen. Er ließ keinen Zweifel daran, daß davon die Fortsetzung der - wie es bei Franco hieß - "Befreiung Spaniens" abhängen würde.

Hitler entschied nach Konsultationen mit "Reichsluftfahrtminister" Göring und anderen noch am selben Tag, Francos Ersuchen unverzüglich zu entsprechen. Sofort sollten 20 Transportmaschinen vom Typ JU 52 nach Sevilla und Tetuan abfliegen. In der herrschenden Gluthitze jenes Tages wurde ein Vorgeschmack des in Spanien und Afrika herrschenden Klimas vermittelt, wobei die politische Schwüle ringsum in fieberhafter Tätigkeit der verschiedenen Kabinette und Stäbe zum Ausdruck kam.

Hitlers Entscheidung, Franco gegen die Republik zu unterstützen, ging von der Überzeugung aus, daß hier nicht nur Spanien, sondern die Zukunft Europas zur Debatte stand. Die Umstände erforderten indes strengste Geheimhaltung, zumal Italiens Diktator Mussolini damit befaßt war, Gleiches zu tun.

Schon am Morgen des 17. Juli startete in Berlin-Tempelhof die erste JU 52 zur Unterstützung der putschenden Generäle. Wie bei ähnlichen Einsätzen flog die Maschine ein Lufthansa-Pilot. Nach einer Zwischenlandung in Stuttgart erreichte sie am nächsten Tag Tetuan. Dort wurde sofort mit dem Transport von Truppen und Ausrüstung auf das spanische Festland begonnen. Francos Ersuchen entsprechend trafen bald auch erste Einheiten des Heeres der Nazi-Wehrmacht in Spanien ein. Von der Luftwaffe wurden kurz danach Sturzkampfbomber (Stukas) eingesetzt. Erste Einheiten der Putschisten nahmen die spanisch-portugiesische Grenzstadt Badajos ein. Dort trafen sie zwar auf heftigen Widerstand, rückten aber weiter in Richtung Madrid vor.

Die Nazi-Kampfverbände hatten neben ihren auf Görings Luftwaffe gestützten Angriffen, die bald den Raum der Hauptstadt tangierten, noch andere Aufträge: Der Abwurf deutscher 250-kg-Bomben wurde erprobt. Sie trafen unter anderem die südspanische Urlauberstadt Malaga. Auch Hitlers Kriegsmarine blieb nicht untätig. Bereits kurz vor dem Generalsputsch waren Einheiten der Nazi-Flotte in küstennahe spanische Gewässer entsandt worden.

Unterdessen war vom Reichsluftfahrtministerium die "Legion Condor" gebildet und einem Fliegergeneral unterstellt worden. Der den Nazis verbundene Schriftsteller Werner Beumelburg wurde später mit der diskreten Abfassung der "Condor"-Geschichte beauftragt. Sein 1939 erschienenes Buch sprach immerhin Klartext: "Sie - die Condor-Legionäre - kämpften aber auch im Zeichen der deutschen Großmachtpolitik, die zwei Jahre später zum großdeutschen Reich führte." Weiter hieß es dort: "Sie erlebten ... ihre härtesten Stunden in den Herbstwochen des Jahres 1938, als ... in München nicht nur über die Tschechoslowakei entschieden wurde, sondern über ganz Europa und damit auch über Spanien. ... Das eigenartige Bündnis machte den spanischen Bürgerkrieg zum Angelpunkt der europäischen Politik."

Was hieß deutsche Großmachtpolitik konkret? Die Münchner Konferenz Hitlers und Mussolinis sowie der Regierungschefs von England und Frankreich, Chamberlain und Daladier, besiegelte nicht nur das Schicksal der Tschechoslowakei, sondern versetzte auch der Spanischen Republik den Todesstoß. Dem war folgendes vorausgegangen:

Schon kurz nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler Ende Januar 1933 hatte er mit den scharf rechts gerichteten spanischen Militärs Kontakt aufgenommen und ihnen die Unterstützung Berlins für ihren in Vorbereitung befindlichen Aufstand signalisiert. Er wollte über das Bündnis mit den spanischen Republikfeinden ein erstes Sprungbrett für die NS-Großmachtpläne schaffen.

In dieses schändliche Kapitel gehört auch der Mißbrauch des gerade in Betrieb genommenen Flughafens Berlin-Tempelhof, der zur Startrampe für den Luftkorridor zu den faschistischen Aufstandsgenerälen um Franco wurde. 1948 nutzten ihn dann die imperialistischen Westmächte für ihre Luftbrücke zur Versorgung der "abgeschnittenen Frontstadt Westberlin".

Doch zurück zum Spanien-Krieg. Hitlers kriegerischer Vorstoß war in der Praxis ein Vorläufer des Zweiten Weltkrieges. Zwischen 1936 und 1939 wurden Hunderttausende Spanier wegen ihrer antifaschistischen Gesinnung durch Francos Horden und deren deutsch-italienische "Verbündete" ermordet, unzählige andere fielen bei der Verteidigung der Republik. Der in Spanien von den deutsch-italienischen Faschisten entfachte Zweite Weltkrieg hat auch Millionen Deutsche und Italiener das Leben gekostet. Unzählige deutsche Städte wurden in Schutt und Asche gelegt. Der Massenmord an Juden und Angehörigen fast aller Völker Europas - erinnert sei an 25 Millionen zu Tode gekommene Sowjetbürger - übertraf alle bisherigen Grausamkeiten.

Der Spanien-Krieg und sein Entstehen werden durch Falschinformationen seit Jahrzehnten vernebelt. Man präsentiert gewissermaßen ein "schwarzes Loch" der Geschichtsschreibung. Da ist es hohe Zeit, die verbrecherische Rolle der von Francos Komplizen und insbesondere von der heute wieder glorifizierten "Legion Condor" nüchtern, sachlich und schonungslos darzustellen. In diesem Zusammenhang muß auch die Rolle des Tempelhofer Flughafens, die zur Schmach Deutschlands gehört, gründlicher beleuchtet werden.

Fritz Teppich


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

In Spanien war Fritz Teppich - unser Foto zeigt ihn im April 1987 bei einem Aufenthalt in Guernica - der Leutnant Salutregi der Spanisch-Republikanischen Armee.

Raute

Bedeutender Philosoph, klassenkämpferischer Kommunist und warmherziger Mensch

Hans Heinz Holz lebt in uns weiter

Das Jahr 2011 war für uns nicht nur unter dem Aspekt großer oder kleiner Politik, sondern auch in menschlich-persönlicher Hinsicht kein gutes Jahr. Es hat der großen "RotFuchs"-Familie herbe und unersetzbare Verluste gebracht. Einige unserer Besten sind für immer von uns gegangen, auch wenn sie über den Tod hinaus - im übertragenen Sinne - auf ewig bei uns bleiben. Vor kurzem erst haben wir Walter Ruge in Potsdam zu Grabe getragen und in der Feierhalle des Alten Friedhofs noch einmal die so herrlich jung klingende Stimme des 96jährig Gestorbenen vernommen - er hatte seine letzten Worte selbst auf Band gesprochen.

Nur drei Tage später erreichte uns eine andere Hiobsbotschaft. Sie kam aus San Abbondio im Tessin - der italienischen Schweiz. Silvia Holz-Markun wollte ihren Schmerz mit uns teilen. Sie ließ uns wissen, daß ihr Mann, unser geliebter und verehrter Hans Heinz, tags zuvor, am 11. Dezember, von seinem schweren Leiden erlöst worden ist.

Der Verlust ist besonders bitter, haben wir dadurch doch nicht nur einen marxistischen Philosophen von internationalem Rang und einen exemplarischen Kommunisten, sondern auch einen überaus warmherzigen Menschen verloren. Sein Tod reißt eine große Lücke in unsere Reihen.

Führen wir uns einige Kapitel aus dem Leben und Werk unseres Genossen vor Augen.

Der 1927 Geborene wurde 1933, als sich die braunen Banditen Deutschlands bemächtigt hatten, in Frankfurt am Main eingeschult. "So standen meine frühen Kindheitsjahre unter dem Eindruck der pathetischen Inszenierung nationalen Großmachtgehabes", schilderte Hans Heinz vor Jahren eine Situation, die uns aus der Gegenwart nicht unbekannt ist. Nach dem Pogrom vom 9. November 1938, bei dem ein der Familie verbundener jüdischer Arzt totgeschlagen wurde, begann der Heranwachsende immer offener Haß auf das Nazi-Regime zu empfinden.

1943 schloß er sich einer Gruppe junger Hitlergegner an. Bei der Gestapo denunziert, wurde er festgenommen und für einige Monate in Untersuchungshaft gehalten. Doch Hans Heinz hatte Glück im Unglück. Sein Zellengenosse, ein nur wenig älterer, aber bereits mit marxistischem Wissen ausgerüsteter Kommunist, vermittelte ihm erste Einsichten.

Schon als 15jähriger las Hans Heinz Werke der klassischen deutschen Philosophie. Von Kant über Hegel kam er zu Marx. Während des Philosophiestudiums zunächst in Frankfurt, dann in Mainz bewährte er sich auch als Initiator der ersten Studentenvertretung (AStA) und Mitbegründer einer KPD-Hochschulgruppe. Zugleich begann er als Journalist für linke Blätter zu schreiben.

Im Laufe der Jahre wurde er ein angesehener Kunst- und Theaterkritiker. Seine Entwicklung zum Hochschullehrer fiel in die Zeit des enormen Aufschwungs der Studentenbewegung in der BRD. Damals, Ende der 60er Jahre, wurde die Forderung "Marx an die Uni!" erhoben - und der Marxist Hans Heinz Holz geriet dabei in die engere Wahl. Nach einer Gastprofessur an der Berliner Freien Universität lehrte er, der dem zunächst in Leipzig tätigen Philosophen Ernst Bloch besonders verbunden gewesen war, acht Jahre in Marburg, wo er an der Seite Wolfgang Abendroths, Helmut Ridders und anderer fortschrittlicher Gelehrter gegen die Notstandsgesetze in den Kampf zog. 1979 folgte er dem Ruf an die niederländische Reichsuniversität Groningen.

Auch nach der Emeritierung führte er seine wissenschaftlich-publizistische Tätigkeit uneingeschränkt fort, wobei er sich stets als Kommunist zu erkennen gab. Mehr als das: Er setzte Zeichen, als andere die rote Fahne sinken ließen und ins ideologische Niemandsland flüchteten. Seine in den 90er Jahren im Neue-Impulse-Verlag der DKP erschienenen Schriften "Kommunisten heute", "Niederlage und Zukunft des Sozialismus" und "Sozialismus statt Barbarei" waren Leuchtfeuer für eine zwar geschwächte, sich aber allmählich wieder sammelnde Bewegung. Hans Heinz reiste durch das Land, um die Genossen zu ermutigen. Er hielt Vorträge, schrieb für die "Marxistischen Blätter", gründete die besonders unter Philosophen geschätzte Zeitschrift "Topos", äußerte den Wunsch, in den Autorenkreis des "RotFuchs" aufgenommen zu werden, veröffentlichte grandiose Artikel in der "jungen Welt", initiierte die Herausgabe der Zeitschrift "Theorie & Praxis" (T & P), um die sich heute Marxisten-Leninisten, vor allem aus der DKP, sammeln und erwarb auch als Mitglied der Leibniz-Sozietät - sie steht in der Nachfolge der Akademie der Wissenschaften der DDR - hohes Ansehen. Zu Ehren seines 80. Geburtstages veranstaltete diese im Senatssaal der Berliner Humboldt-Universität ein hochkarätig besetztes Kolloquium. Dort sah man so enge Freunde des Jubilars wie den Italiener Domenico Losurdo und den Portugiesen José Barata Moura - zwei Koryphäen der marxistischen Philosophie.

Hans Heinz, der zuvor fünf Bände "Dialektik. Problemgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart" veröffentlicht hatte, setzte am Ende seines Lebens noch eins drauf. Er veröffentlichte das dreibändige Monumentalwerk "Aufhebung und Verwirklichung der Philosophie". Jeder einzelne Titel spricht Bände: "Von Hegel zu Marx"; "Die Klassiker der III. Internationale" und "Aurora und die Eule der Minerva".

Zum Schluß dieses trotz aller Trauer optimistischen Nekrologs möchte ich als jemand, der das Privileg genoß, ein persönlicher Freund des großen Mannes und Silvias, die als renommierte Journalistin nicht minder mit der Sprache umzugehen weiß, gewesen zu sein, eine private Reminiszenz hinzufügen: Als wir vor Jahren Hans Heinz und Silvia in San Abbondio besuchten, drehten sich unsere Gespräche im hoch über dem Lago Maggiore gelegenen Haus der beiden um die Frage: Wie geht es mit den Kommunisten in Deutschland und aller Welt weiter? Noch brannten die Wunden der Niederlage des Sozialismus in Europa, doch die Flut der Konterrevolution - dessen waren wir gewiß - würde die Fundamente unserer Weltanschauung niemals hinwegspülen können. Dafür hat Hans Heinz Holz - der Philosoph und Klassenkämpfer - mit seinem fast 85jährigen Leben beispielgebend Tag für Tag gebürgt.

Klaus Steiniger

Raute

Kritisch-solidarische Bemerkungen zum Erfurter Programmparteitag der PDL

Der "große Kompromiß"

In meinen Bemerkungen zur PDL-Programmdebatte ("RotFuchs"/März 2011) habe ich betont, daß es ohne Marx nicht geht. Genauer: Ohne authentisch sozialistischen "Markenkern" in einem zeitgemäßen marxistischen Parteiprogramm ist es unmöglich, Kurs auf ein Ausbrechen aus dem kapitalistischen System zu nehmen. Und das ist wohl auch der tiefere Grund für die schweren Wasser, die über Die Linke in den letzten Jahren hereingebrochen sind.

Welche Signale hat ihr Erfurter Programmparteitag im Oktober 2011 ausgesandt? Diese Frage läßt sich nicht anhand der dort gehaltenen und in einer Beilage des ND veröffentlichten vier Hauptreden beantworten. Sie waren vor allem auf eine positive Deutung unter historischen und aktuellen Gesichtspunkten abgestellt. Der Grundtenor des Parteitags war: Wir schreiben Geschichte. Das Programm ist dabei ein Meilenstein. Unsere Antwort auf viele Fragen lautet: Gemeinschaftseigentum.

Um sich der Bewertung des Programmcharakters und des Parteitags überhaupt nähern zu können, muß man eine Bilanz ziehen, welche auf die gründliche Analyse des in Erfurt beschlossenen Dokuments abzielt.

Mein methodologischer Ansatz ist, daß die miteinander verbundenen Grundaussagen des Programms einer eingehenden Prüfung bedürfen, die allein von Tatsachen, also nicht von Möglichkeiten und Wünschen, ausgeht. Ich lasse mich dabei von Lenins Ratschlag leiten, daß der "Marxist ... als Prämisse seiner Politik nur genau und unbestreitbar bewiesene Tatsachen annehmen darf". (LW 35, S. 219) Der Führer der Bolschewiki hat stets betont, daß der "Marxismus ... auf dem Boden der Tatsachen und nicht der Möglichkeiten (steht)". Es gilt also, das Mögliche vom Wirklichen zu unterscheiden, obwohl nach Lenins sarkastischer Bemerkung "jede Art der Verwandlung" denkbar ist, "sogar die eines Dummkopfes in einen klugen Kerl, aber in der Wirklichkeit sind derartige Verwandlungen selten". (Ebenda, S. 22)

Fest steht, daß Die Linke eine antikapitalistische, antifaschistische und auf Frieden orientierte Kraft, also derzeit parlamentarisch wie außerparlamentarisch unverzichtbar ist. Insofern kann man ihr unter den Bedingungen der Agonie des imperialistischen Spätkapitalismus, wie wir sie derzeit erleben, die Unterstützung nicht verweigern. Eine linke politische Kräftekonstellation läßt sich nicht auf der Basis subjektiver Wunschvorstellungen "erfinden"; sie formiert sich in der objektiven gesellschaftlichen Praxis. Der "RotFuchs" und andere Kräfte marxistischer Orientierung haben deshalb folgerichtig diese Hauptaspekte des Kurses der Partei Die Linke begrüßt und verteidigt. Eine historisch notwendige Unterstützung heißt allerdings keineswegs, die Tatsache zu verschweigen, daß das nichtmarxistische Erfurter Programm eine Reihe genereller Mängel aufweist. Ich denke dabei an die ungebührliche Länge des Textes oder an die Vermischung von Aussagen mit Kommentierungen, aber vor allem auch an die "Einordnung" der DDR in das schiefe Geschichtsbild der BRD bei gleichzeitiger Verweigerung einer objektiven Analyse der Wurzeln und des sozialistischen Charakters der DDR. Hinzu kommen viele andere historische und politische Falschaussagen.

Klaus Steiniger hat im Oktober-"RotFuchs" einen vortrefflichen Grundsatzartikel "Zwei unter einem Dach" geschrieben, aus dem ich zustimmend zitiere: "Die Partei Die Linke hat ihre Programmdebatte mit einem Kompromißpapier eingeleitet und dürfte sie wohl auch mit einem Kompromiß zwischen ihren konträren Tendenzen zum Abschluß bringen." Ja! Das drückt den Kern auch meiner Polemik aus. Der vermutete "Große Kompromiß" wurde zur Tatsache. Mein Haupteinwand gegen das Programm besteht darin, daß es als "Kompromiß besonderer Art" (Ekkehard Lieberam) Züge einer Dichotomie (gabelartigen Verzweigung) trägt, die verschiedene, ja sogar gegensätzliche Interpretationen des Textes zulassen.

Das Programm enthält indes zwei Grundlinien - eine linke und eine rechte sozialdemokratischen Charakters -, welche Die Linke insgesamt als eine sozialdemokratische Partei sui generis (eigener Art) ausweisen. Alle "Parteien" in dieser Partei (es könnten ja auch drei bis fünf sein, wie mir gegenüber der von Steiniger erwähnte namhafte Leipziger PDL-Genosse einmal betonte) haben sich dieser Verzweigung des Programms in Form eines Großen Kompromisses als gemeinsamem Dach untergeordnet. Mit anderen Worten: Sämtliche Strömungen folgen damit de facto einer Richtung des "modernen Sozialismus" als Fortsetzung der historisch gescheiterten sozialdemokratischen Traditionslinie, die mit der Verbannung des Marxismus durch das seinerzeitige Chemnitzer PDS-Programm sanktioniert worden ist. Es darf nicht übersehen werden, daß in der Präambel des jetzt beschlossenen Programms von einer "ersten Leitidee einer solchen solidarischen Gesellschaft" die Rede ist, "in der die Dominanz des Profits überwunden wurde". Wenn von der "Überwindung der Diktatur des Profits" gesprochen wird, dann ist das nicht gleichbedeutend mit der revolutionären Überwindung des kapitalistischen Systems. Auch der konsequente linke Sozialdemokrat Oskar Lafontaine geht mit dem durch ihn vertretenen demokratischen Sozialismus, den er mit dem Namen von Rosa Luxemburg wie mit dem Godesberger Programm der SPD verbindet, letztlich auf Eduard Bernstein zurück.

Wie es mit der Linkspartei bei der Verfolgung eines solchen Kurses weitergehen könnte, läßt sich vorerst nicht absehen. Umwege sind nicht auszuschließen. Einige Schlußfolgerungen zur möglichen Kontur des historischen Schicksals dieser Partei zeichnen sich im Ergebnis der Programmdebatte aber bereits ab. Wenn alles beim alten bleibt und die PDL-Rechte innerhalb der Partei weiter an Einfluß gewinnt, ist ihr Absacken in die völlige Bedeutungslosigkeit vorprogrammiert. Denn einer zweiten SPD bedarf es nicht. Würde die marxistische Linke ihren Einfluß verstärken, könnte sich diese Partei früher oder später als progressiver subjektiver Faktor der Gesellschaft profilieren, der - möglicherweise sogar vorerst im Zeichen eines demokratischen Sozialismus, zu dem sich Friedrich Engels in seiner Zeit wiederholt geäußert hat - substantielle antikapitalistische Positionen bezieht. (vgl. MEW, Bd.4, S. 378/379) Und schließlich besteht die Möglichkeit, daß sich Die Linke spaltet. Ihr rechter Flügel würde dann noch deutlicher Kurs auf die SPD nehmen und bei dieser Zuflucht suchen, während sich in ihr noch verbliebene marxistische Kräfte auch organisatorisch enger mit der kommunistischen Bewegung verbinden könnten. Das letzte Wort aber hat auch hier die Geschichte.

Prof. Dr. Ingo Wagner, Leipzig

Raute

Mathias Wedel: Beethoven war unser

Seit Sonnabend haben die Besitzverhältnisse am Leichnam eines gewissen W. Brandt aus Unkel bei Bonn gewechselt. Ein gewisser G. Gysi rief öffentlich aus, die strittige Sache gehöre "ab heute" "uns". Wer konkret die Eigentumsrechte anmeldete, blieb bis Redaktionsschluß unklar. Da besagter Gysi sich jedoch als "Zentrist" vorstellte (siehe W.I. Lenin "Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky"), sehen sich offenbar die Zentristen als Brandt-Eigner, wie man sie analog zu Eignern von Yachten und Rennpferden nennen kann. Zentristen hat nicht nur die LINKE - Zentralafrika ist voll von ihnen, auch die Telekom-Zentrale, und man findet sie in der Bewegung der "Zentralschläfer" (Männer, die sich aufgrund ihrer bisexuellen Neigung nicht entschließen können, den "männlichen" Teil des Ehebettes einzunehmen, sondern auf der Mittelritze ruhen).

Juristisch in trockenen Tüchern ist der Eigentümerwechsel noch nicht. Denn wo kein alter Eigentümer, da kein neuer. Beide Seiten müßten zur sogenannten Auflassung (õ 925 BGB) beim Notar erscheinen und sich die Hände reichen. Dies wissend, hat RA Gysi als bisherige Eigentümerin W. Brandts die SPD benannt und ihr - unter großer emotionaler Anteilnahme seiner enthusiasmierten und emanzipatorischen Zuhörerschaft - diesen streitig gemacht. W. Brandt der SPD anzuhängen, geschah mit einem gewissen Gewohnheitsrecht - schließlich hatte die ihn als "Ehrenvorsitzenden auf Lebenszeiten" auf dem Halse, mit Beendigung seiner Lebenszeiten ist er dort jedoch nicht wieder aufgetreten.

Offenbar versucht G. Gysi den symbolschweren Händedruck zwischen ihm (als Beauftragtem W. Piecks) und S. Gabriel (als Beauftragtem K. Schumachers) vor dem Notar zu umgehen. Denn er hebt auf die von Artikel 14 Grundgesetz in die Welt gesetzte Bauernregel ab, daß Eigentum verpflichte. Und zwar zu irgendwas, was bis heute nicht genau geklärt ist. Weil W. Brandt sich für den Weltfrieden echauffiert habe, hätte dies die SPD als Nutznießerin Brandts ihm gleichtun müssen. Tut sie aber nicht. Sie habe somit ihr Eigentum an besagtem Brandt moralisch verwirkt. Dieses müsse entweder umgehend verstaatlicht oder in Volkseigentum überführt werden - und da ist es bei der LINKEN gerade richtig.

Das erinnert mich an eine der zahlreichen Peinlichkeiten meines Lebens. 1970 hatte Beethoven 200. Geburtstag. Der für Kultur zuständige Sekretär der Geraer SED-Bezirksleitung wünschte sich in der "Volkswacht" einen Artikel, mit dem die Eigentumsrechte der deutschen Kommunisten an Beethoven klargestellt würden. Der Kulturredakteur wurde vor Schreck krank, in der Redaktion verblieb nur ich, der Volontär. Wenig später erschien aus meiner Edelfeder der seitenfüllende Text "Beethoven ist unser!": Beethoven habe durchweg mit der Absicht komponiert, dem Frieden zu dienen, was den deutschen Imperialisten ein Mißton im Gehörgang sei - deshalb sollten sie ihn hergeben, den Ludwig van, und zwar schleunigst. Ein Leserbrief, der die Vermutung äußerte, der Autor sei von Sinnen, wurde nicht veröffentlicht, sondern vermutlich anderweitig beantwortet.

Wer W. Brandt, den glühenden Antikommunisten, haben will, sollte wissen, daß die Grabpflege aufwendig wird. Es ist nicht nur die Überführung der sterblichen Überreste in einer Prozession von Unkel nach Potsdam-Sanssouci. Man muß ihm eine Traditionsecke im Karl-Liebknecht-Haus einrichten. Vor Übertreibung ist zu warnen. Vor nicht zu langer Zeit wollte die LINKE den kommenden Sozialismus gänzlich als "Sozialismus in den Farben W. Brandts" (Wodka, Whisky, Weinbrandt) einrichten. Jetzt will sie nur noch seine friedliche Seite. Außerdem ist die Witwe Brigitte davor! Die brachte es zu Lebzeiten des Gatten fertig, Gorbatschow, der ihn besuchen wollte, am Gartentor abzuwimmeln, weil sie ihn nicht kannte. So könnte es auch der LINKEN gehen.


Der Nachdruck erfolgt mit Genehmigung der Redaktion des ND, das diesen Beitrag als "Flattersatz" am 25. Oktober 2011 auf Seite 4 veröffentlichte.

Raute

Bartsch kandidiert: Ein Taktierer als Stratege

Viele Tag für Tag an der Basis und auch in Funktionen als Sozialisten tätige Mitglieder der Partei Die Linke hatten es befürchtet; die in den Strukturen, Apparaten und Fraktionen, besonders aber in ostdeutschen PDL-Landesvorständen etablierten "Realos" konnten es gar nicht erwarten; in Führungsetagen der SPD hatte man es erhofft: Nach der bei ihren Genossinnen und Genossen offensichtlich populären Gesine Lötzsch hat nun mit Dietmar Bartsch einer der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, dessen Neigung zu kommunistischen Ideen nicht besonders ausgeprägt sein soll, seinen Hut in den Ring geworfen. Ein Liebhaber leerer Worthülsen und versierter Jongleur mit schwerlastig-leichtgewichtigen Floskeln sowie Freund nebulöser Andeutungen, bevorzugte er auch bei der Anmeldung seiner Kandidatur auf einer Pressekonferenz im Grünen Salon der Berliner Volksbühne das Jein anstelle von Ja oder Nein.

Worauf Bartsch hinauswill, ließ der einst wegen seines Intrigenspiels gegen Oskar Lafontaine als Bundesgeschäftsführer aus dem Verkehr Gezogene und dann durch "Königsmacher" Gregor Gysi in die Fraktionsspitze Hinübergerettete unter Vermeidung klarer Aussagen und mit sicherem Gespür für geschicktes Taktieren einmal mehr offen. Nicht ohne Lehrmeister, rechnet man ihn wie den nach Brüssel abgeschobenen Lothar Bisky und Heinz Vietze von der Rosa-Luxemburg-Stiftung zum "Küchenkabinett" des "zentristischen" Großmeisters der Eloquenz.

Mit seiner Ankündigung und der Forderung nach einem Mitgliederentscheid über Kandidaturen bis Mitte März suchte der Frontmann des akzentuiert rechten PDL-Flügels, der beim Erfurter Parteitag noch gute Miene zum bösen Spiel machen mußte, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Erstens geht es ihm darum, die bisherige Doppelspitze der PDL politisch-moralisch zu demontieren, besonders aber eine Wiederwahl von Gesine Lötzsch - der Vorsitzenden aus dem östlichen Teil der BRD - zu verhindern. Zweitens will Bartsch die Rückkehr des profilierten und prestigereichen saarländischen Linkssozialdemokraten Oskar Lafontaine in die Bundespolitik seiner Partei blockieren. Er ist sich nämlich dessen bewußt, daß dieser die seinerzeitigen Winkelzüge des heutigen Fraktionsvize nicht vergessen hat, was eine Doppelspitze beider von vornherein ausschließen dürfte.

Ist Bartsch also "ante portas"? Ob es dem gewieften Karrieristen gelingen wird, die Tore zum ganz großen Aufstieg zu durchschreiten, steht vorerst noch in den Sternen. Käme es jedoch dazu, könnte die Tendenz zu einer kampflosen Übergabe der Linkspartei an die SPD eine akute Gefahr für die Sozialisten werden.    RF

Raute

Wie der Antikommunismus dem Zweiten Weltkrieg den Weg bereitete

Über Toren, Torheiten und geöffnete Tore

Der Kapitalismus hat zwei Weltkriege zu verantworten. Der zweite noch verheerender als der erste, sah den Antikommunismus als Wegbereiter. Das Ziel war die Vernichtung der Sowjetunion, nachdem sich ein erster Versuch, die Revolution "in der Wiege zu ersticken" (Churchill), als Fehlschlag erwiesen hatte. Truppen aus 14 Staaten des Kapitals mußten nach erfolgloser Intervention 1921 das Handtuch werfen. Als die Hitlerfaschisten dann zum Kampf gegen die "jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung" aufriefen, setzten auch bürgerlich-konservative Kreise des Westens auf diese Karte.

Schon der erste Gesetzgebungsakt der Sowjetmacht - Lenins "Dekret über den Frieden" - ging den damals noch kriegführenden imperialistischen Mächten gehörig gegen den Strich. Später wollten sie weder friedliche Koexistenz noch friedlichen Wettbewerb der Systeme und fielen schon bald über Sowjetrußland her. Auch wenn sie sich dabei blutige Nasen geholt hatten, hielten sie am Gedanken sozialer Revanche fest.

Mit dem Vertrag von Locarno (1925) verpflichteten sich England, Frankreich, Deutschland, Belgien, Italien und andere Staaten zwar zur Unverletzlichkeit der Westgrenzen, nahmen dabei aber die Grenzen Polens und der CSR von solcher Garantie aus. Gestützt auf Locarno, zog der deutsche Reichskanzler Luther eine Grenzrevision für den Fall in Betracht, daß "eine neue Machtlage" eintrete.

Der erste Tagesordnungspunkt einer 1926 nach London einberufenen Konferenz lautete: "Die Staaten Europas und der Bolschewismus". Man schrieb dort fest: "Der Bolschewismus ist zu liquidieren." Ein Jahr später bezeichnete die britische Regierung den Faschismus sogar als "Retter" des Westens.

Als Nazideutschland und das kaiserlichmilitaristische Japan 1933 den Völkerbund verließen, nahm die Sowjetunion den Kampf um kollektive Sicherheit gegen die von Berlin und Tokio ausgehende Gefahr auf. Ihre Vorschläge fanden bei den westlichen Staaten aber ebensowenig Unterstützung wie Moskaus Initiative auf der Genfer Abrüstungskonferenz, den Begriff des Aggressors exakt zu definieren. Auch der ein Jahr später durch die UdSSR gestellte Antrag, die Abrüstungskonferenz des Völkerbundes in eine ständige Friedenskonferenz umzuwandeln, blieb ohne positives Echo. Der britische Tory-Politiker Lord Loyd sprach Klartext: "Wir geben Japan Handlungsfreiheit gegen die Sowjetunion. Soll es die koreanisch-mandschurische Grenze bis zum Eismeer verschieben und sich die Fernostregion Sibiriens einverleiben. Deutschland öffnen wir den Weg nach Osten und geben ihm damit den so notwendigen Raum für Expansion." Die Konservativen wurden noch direkter: "Damit Britannien lebt, muß der Bolschewismus sterben." 1935 zeigte sich London überzeugt, daß Hitler die Sowjetunion angreifen werde, weil dies für Deutschland der "einzige Freiraum" wäre.

Die wiederholten Abrüstungsappelle Moskaus wurden mit dem Abschluß eines deutsch-britischen Flottenabkommens beantwortet. Danach durften die Nazi-Seestreitkräfte unter Bruch des Versailler Vertrages 35 % der Stärke der britischen Marine erreichen. Nun ging es Schlag auf Schlag: Großbritannien und Frankreich nahmen die Remilitarisierung des Rheinlands hin und billigten die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht im faschistischen Deutschland. Das war der offizielle Auftakt zur "Beschwichtigungspolitik" des Westens gegenüber dem Naziregime.

Hitlers Parole "Volk ohne Raum" wurde von den britischen Konservativen akzeptiert. 1937 hieß es im Londoner Henderson-Memorandum, eine gewisse Vormachtstellung Deutschlands in Osteuropa sei unvermeidlich. "Es wäre nicht richtig, Deutschland daran zu hindern, seine Einheit zu vollenden und sich zum Krieg gegen die Slawen zu rüsten", hieß es dort.

Der Earl of Halifax, zur Zeit der Unterzeichnung des Münchener Abkommens britischer Tory-Außenminister, nannte das "Dritte Reich" ein "Bollwerk des Westens gegen den Bolschewismus". Er bekundete Londons Bereitschaft, den Anschluß Österreichs, Danzigs und der Sudeten an Deutschland zu tolerieren. Schon im März 1938 marschierten die Nazis in Wien ein. Im gleichen Monat lehnte der britische Premier Chamberlain Garantien für die Grenzen der Tschechoslowakei ab. Im August 1938 drängten die USA Prag zur Aufgabe seiner Beistandsverträge mit der UdSSR. Und zur gleichen Zeit schlug Chamberlain einen "historischen Bund" mit Hitlerdeutschland vor, der sich auf "zwei Pfeiler des Friedens in Europa" stütze.

Im September 1938 billigten London und Paris mit dem Münchener Diktat die Annexion der Sudeten. Wenige Monate danach okkupierte das faschistische Deutschland die Tschechoslowakei.

Die Bemühungen der Sowjetregierung, gemeinsam mit den Westmächten den Kriegsvorbereitungen des Nazireiches Paroli zu bieten, wurden von den in Großbritannien und Frankreich regierenden Antikommunisten negiert. Moskaus 1939 unternommene Initiative, mit beiden Staaten einen Dreimächtepakt gegen die drohende Gefahr abzuschließen, wurde systematisch sabotiert. Man entsandte keine führenden Staatsmänner zu den Verhandlungen in Moskau. Als sich dort Möglichkeiten für eine Übereinkunft abzuzeichnen begannen, besaßen die westlichen Verhandlungspartner dafür keine Vollmachten. Die Gespräche wurden bewußt in die Länge gezogen. Am Ende weigerten sich in die sowjetische Hauptstadt entsandte Unterhändler, die plötzlich doch bevollmächtigt zu sein vorgaben, im Falle eines Hitlerschen Angriffs auf Polen Deutschland den Krieg zu erklären und dem Opfer der Aggression zu Hilfe zu kommen. Auch dabei war doktrinärer Antikommunismus das entscheidende Motiv.

Marx und Engels hatten bereits von einer "heiligen Hetzjagd der Mächte des alten Europa" auf das "Gespenst des Kommunismus" gesprochen. Knapp 100 Jahre später trugen vom Haß auf den Sozialismus beseelte Politiker imperialistischer Staaten des "alten Europa" dazu bei, daß das faschistische Deutschland die Welt an den Rand des Abgrunds führen konnte. Die Chance, den Zweiten Weltkrieg doch noch zu verhindern, wurde durch fanatische Antikommunisten vertan.

Thomas Mann, nach seinen eigenen Worten "vor allem Verdacht geschützt, ein Vorkämpfer des Kommunismus zu sein", bezeichnete den Antikommunismus dennoch als "Grundtorheit des Jahrhunderts".

Doch die Toren wurden nicht weniger. Der Beschluß des Europaparlaments, den 23. September zum "Gedenktag für die Opfer des Stalinismus" zu erklären, ist ein neuer Kulminationspunkt solcher Torheit.

Heute wird deutschen "Historikern" und Politologen gestattet, den Überfall der Faschisten auf die Sowjetunion als einen "vom Kriegsvölkerrecht gedeckten Präventivschlag" auszugeben. Solcher Geschichtsrevisionismus soll von den alten und neuen Verbrechen des Imperialismus und Militarismus ebenso ablenken wie von der Tatsache, daß es auf deutschem Boden in Gestalt der DDR 40 Jahre lang einen antifaschistischen Friedensstaat gegeben hat, gegen dessen Vermächtnis die "politischen Eliten" der BRD unablässig zu Felde ziehen.

Aber Torheiten sind nur etwas für Toren. Vernünftige Menschen lassen sich für die Jagd auf ein Phantom nicht einspannen.

Prof. Dr. Georg Grasnick

Raute

Verhindert "mangelnde Staatsferne" abermals ein Verbot der NPD?

Auch Hitler begann als V-Mann

Mit einer Gedenkminute gedachte der Deutsche Bundestag am 22. November der Opfer einer jüngst entdeckten neonazistischen Terrorzelle. Die Abgeordneten aller Fraktionen verabschiedeten einstimmig eine Erklärung, in der es heißt: "Wir sind zutiefst beschämt, daß nach den ungeheuren Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes rechtsextremistische Ideologie in unserem Land eine blutige Spur unvorstellbarer Mordtaten hervorbringt."

Offensichtlich hatte das illegal im sächsischen Zwickau lebende Nazi-Trio über ein Jahrzehnt lang gemordet, Banken überfallen und Bomben gebaut. Auf das Konto des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) geht nach bisherigen Erkenntnissen eine Mordserie, der acht türkische und ein griechischer Kleinunternehmer zum Opfer fielen, die Ermordung einer Polizistin, zwei Bombenanschläge, bei denen in Köln über 20 Verletzte, meist mit Migrationshintergrund, zu beklagen waren, sowie 14 Banküberfälle. Unterstützt wurde der NSU wohl von einer Reihe in der Legalität lebender Helfer, von denen einer zuvor NPD-Funktionär war.

Noch ist unklar, wie die Terrorzelle so lange unentdeckt im Untergrund morden konnte und welche Rolle die Verfassungsschutzämter mit ihren V-Leuten in der Naziszene konkret gespielt haben. Waren sie - fixiert auf den vermeintlichen Feind von links - blind für den rechten Terror? Drückten sie absichtlich beide Augen vor dem "Nationalsozialistischen Untergrund" zu? Oder haben sie diesen gar aktiv unterstützt?

Sicher ist: Die nach dem Bau von Rohrbomben Ende der 90er Jahre in den Untergrund abgetauchte dreiköpfige Nazizelle gehörte damals dem neofaschistischen "Thüringer Heimatschutz" an. Und diese Nazigruppe wurde von einem V-Mann des Landes-Verfassungsschutzes geführt. Thüringens seinerzeitiger Verfassungsschutzchef Helmut Roewer, der diesem V-Mann rund 200 000 D-Mark zukommen ließ, hatte 1999 erklärt, "der Nationalsozialismus" habe "gute und auch schlechte Seiten" gehabt, Neonazis seien im Gegensatz zu Antifaschisten "unproblematische Gruppen".

Ein Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes mit rechter Gesinnung, der in seinem Heimatort als "Kleiner Adolf" bekannt war, wurde nachweislich bei einem der Mordfälle am Tatort, einem Internetcafé, gesichtet. Er meldete das Verbrechen nicht der Polizei.

Verfassungsschützer waren offenbar auch in unmittelbarer Nähe, als die Nazis am 25. April 2007 die Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn erschossen und deren Kollegen verletzten. Dies ist einem Bericht des US-Militärgeheimdienstes DIA zu entnehmen, der gemeinsam mit Verfassungsschützern gerade zwei islamistische Terrorverdächtige observierte. Im DIA-Bericht ist von einer "Schießerei" die Rede, "in die ein BW OPS Officer mit Rechtsextremen und eine reguläre Polizeistreife vor Ort verwickelt waren".

Und welche Rolle spielte Beate Zschäpe, die einzige Überlebende des inneren Zirkels der Terrorzelle, wirklich? Die Leipziger Volkszeitung hatte unter Berufung auf eine Quelle beim Thüringer Landeskriminalamt gemeldet, sie habe für den Verfassungsschutz gearbeitet.

Ob dieser Sumpf aus Neonazis und Geheimdiensten jemals ganz aufgedeckt wird, ist fraglich. CDU und SPD scheinen sich auf eine "Bund-Länder-Kommission" geeinigt zu haben. Ein handverlesener 12er-Rat, mehrheitlich aus Mitgliedern beider Parteien, soll klären, warum vor allem CDU- und SPD-geführte Behörden - im Bund und in den Ländern versagt haben. Hier wird der Bock zum Gärtner gemacht! "Die Linke" fordert deshalb einen Bundestagsuntersuchungsausschuß, der unabhängige Fachleute mit umfassenden und uneingeschränkten Akteneinsichts- und Untersuchungsrechten hinzuziehen kann.

Seit der Aufdeckung der Zwickauer Terrorzelle ist der Ruf nach einem Verbot der NPD als größter neofaschistischer Partei in der Bundesrepublik wieder lauter geworden. Voraussetzung dafür ist allerdings die Abschaltung aller V-Leute des Verfassungsschutzes in den Gremien dieser Partei. Das hat das Bundesverfassungsgericht beim Scheitern eines ersten, von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat angestrengten Verbotsverfahrens im Jahr 2003 zur Bedingung gemacht. Damals zweifelte das Gericht zwar nicht die Verfassungswidrigkeit der NPD an, konnte sie aber aufgrund "mangelnder Staatsferne" nicht verbieten. Jeder sechste NPD-Funktionär gehörte zum Geheimdienst, so daß nicht zu klären war, welche verfassungswidrigen Hetzreden und -artikel von "echten" Nazis und welche von staatlich bezahlten V-Leuten stammten.

Die "mangelnde Staatsferne" der NPD läßt sich bis in die Gründungsphase der Partei Ende der 60er Jahre zurückverfolgen. Es waren alte Kameraden mit NSDAP-Buch, die im Kalten Krieg den Verfassungsschutz als strikt antikommunistischen Inlandsgeheimdienst aufbauten. Nicht anders verhielt es sich bei jenen, welche später die NPD als Stoßtrupp gegen die "Roten" gründeten. Zumindest bei den ersten V-Leuten des Geheimdienstes innerhalb der neuen Nazipartei dürfte es sich somit weniger um geheime Unterwanderer als vielmehr um Gesinnungsgenossen aus dem Staatsapparat, die der NPD wohlwollend unter die Arme griffen, gehandelt haben.

"Man muß sich der nationalen Kräfte bedienen, auch wenn sie noch so reaktionär sind. ... Hinterher ist es immer möglich, sie elegant abzuservieren", meinte einst der langjährige CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß. "Mit Hilfstruppen darf man nicht zimperlich sein."

Mitten im Bundestagswahlkampf 1980, in dem sich Kanzlerkandidat Strauß als Retter des Vaterlandes präsentierte, kam es zum bislang schwersten rechtsterroristischen Anschlag auf dem Boden der Bundesrepublik: Beim Münchner Oktoberfest riß eine Bombe 13 Menschen in den Tod. Der Attentäter stammte aus dem Umfeld der neonazistischen Wehrsportgruppe Hoffmann.

Zudem mehren sich seit Jahren Hinweise auf gefährliche Aktivitäten des aus Neonazis und Geheimdienstlern geknüpften antikommunistischen NATO-Untergrundnetzes Gladio. Doch bis heute gilt ja hierzulande die Einzeltäterthese. Wer etwas anderes behauptet und den Behörden Vertuschung vorwirft, sieht sich bisweilen gar mit juristischen Klagen konfrontiert.

Nicht vergessen sollten wir an dieser Stelle, daß auch Hitler zunächst V-Mann war. Nach der Niederschlagung der Münchner Räterepublik 1919 wurde der Gefreite vom Nachrichtendienst der Reichswehr in die neugegründete Nazi-Partei eingeschleust, zu deren Führer er alsbald aufstieg.

MdB Ulla Jelpke


Unsere Autorin ist Innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE.

Raute

Notorische NPD-Beschirmer geben sich als Nazi-Jäger aus

Trauerspiel oder Posse?

Wäre es nicht eine Tragödie von noch ungeahnten Ausmaßen, dann könnte man das Spektakel der sich in plötzlich zur Schau gestelltem Sicherheitswahn geradezu überschlagenden und so den Bürger noch mehr verunsichernden BRD-Geheimdienste glatt für eine Posse halten. Die hektischen Pseudoaktivitäten gegen buchstäblich über Nacht entdeckte "rechtsradikale Terroristen" gehen nämlich gerade von jenen aus, durch welche die bundesdeutsche Nazi-Szene jahrzehntelang stimuliert und behütet wurde. Sie haben die braune Brut selbst erzeugt, aufgepäppelt, gehegt und gepflegt. Ihre Maskerade wirkt grotesk, die Kostümierung ist auf den ersten Blick durchschaubar.

Wie in den Tagen des Reichstagsbrandes, der "die Deutschen" weltweit in Verruf brachte, wurde auch das abgefackelte Zwickauer Rattennest zu einem die BRD negativ ins Rampenlicht rückenden Fanal. Die dadurch an den Pranger gestellte "politische Klasse" des imperialistischen deutschen Staates ist verzweifelt darum bemüht, sich das Image eines Vorpostens entschlossener Nazigegnerschaft zuzulegen. Dabei nimmt das Berliner Establishment auch den Bundestag von rechts bis links in die Pflicht, wobei es sogar faschistoide Abgeordnete aus rechtslastigen Parteien für diese Zwecke einspannt.

Jene, welche seit Jahr und Tag auf dem vermeintlichen Legalitätsanspruch der Republikaner, der DVU, der NPD und anderer unmaskierter Nazi-Parteien bestanden haben, schlagen sich jetzt als "Vorkämpfer" eines NPD-Verbots an die Brust. Es handelt sich bei dieser Forderung um eine längst fällige Maßnahme. Das Manöver zur Ruhigstellung der internationalen Öffentlichkeit wurde vor allem auch deshalb eingeleitet, um von der Tatsache abzulenken, daß die Faschismusproblematik in der BRD viel umfassender als das Agieren nur der NPD ist, weil der eigentliche Vormarsch der Rechtsradikalen weder auf der Straße noch in Parteilokalen, sondern in den Institutionen des Staates selbst erfolgt.

Eine frühere Anrufung des als überparteilich ausgegebenen Bundesverfassungsgerichts - es hatte bekanntlich im August 1956 mit dem KPD-Verbot die Partei der antifaschistischen Helden einmal mehr in die Illegalität getrieben - scheiterte aufgrund behördlicher Verstrickung in die faschistische Szene. Ein Verbot der inzwischen über ihre Parlamentsfraktionen in M-V und Sachsen sowie unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Wähleranteile aus offiziellen Kassen finanzierten Partei konnte deshalb nicht erfolgen, weil die NPD inzwischen auf allen Ebenen von Verfassungsschutz-Informanten durchsetzt worden war. Über die sogenannten V-Leute ließ man staatlicherseits der braunen Brut und deren flächendeckenden Strukturen Gelder wie Kader zuführen.

Inzwischen weiß in der BRD beinahe "jedes Kind", daß die bisher mit wildem Eifer kolportierte Mär von der angeblich flächendeckenden Überwachung sämtlicher DDR-Bürger durch Inoffizielle Mitarbeiter (IM) der "Stasi" vom landesweiten Wirken der V-Leute des Verfassungsschutzes selbst ad absurdum geführt worden ist. Die Flut dieser Spitzel des kapitalistischen Staates, von der jetzt alle Welt erfahren hat, ersetzte das Thema "Stasi" binnen weniger Tage durch das Zeitungsmeldungen und Bildschirmberichte dominierende Thema Verfassungsschutz.

Eine andere Behauptung übelster Art, die jahrelang mit großer Beharrlichkeit propagiert wurde, ist nicht minder geplatzt: die antikommunistische Lüge, daß der gefährlicher denn je ins Kraut schießende Neofaschismus "auf dem Boden der DDR" gewachsen sei. Auch in diesem Falle hat die beliebte Gangster-Formel "Haltet den Dieb!" ihre Wirkung inzwischen eingebüßt. Angesichts offenkundiger Verrenkungen des Bundesverfassungsgerichts beim Versuch, ein Verbot der KPD, nicht aber ein solches der NPD zu "begründen", stellen einstige Bürger des sozialistischen deutschen Staates die berechtigte Frage: Wäre die legalisierte Existenz einer solchen Verbrecherbande wie der NPD, deren direkte Querverbindungen zu den durch sie bewaffneten und zugleich als "Zwickauer Zelle" staatlicherseits verharmlosten Ausländermördern zweifelsfrei erwiesen sind, in der DDR auch nur einen einzigen Tag lang denkbar gewesen? Dort bedurfte es keines NPD-Verbots durch die Justiz, um sich eines solchen Abschaums zu erwehren. DDR und NPD schlossen sich gegenseitig aus, während NPD und BRD ein Tandem bilden.

Die braune Nachzucht jener, welche einst den Reichstag in Brand steckten, um den Massenterror gegen Kommunisten, Sozialdemokraten und andere Antifaschisten zu entfesseln, wurde den DDR-Bürgern durch die heute geschmähten und von ihren Klassenfeinden in den Schmutz gezogenen Genossen des Ministeriums für Staatssicherheit dankenswerterweise vom Halse gehalten. Hätten die Tschekisten der DDR nichts weiter getan als das, müßte ihnen allein dafür höchste Anerkennung gezollt werden.    K. S.

Raute

Gorbatschows rhetorischer Schaum wurde als Rettungselixier für die KPdSU ausgegeben

Eloquenz statt Konsequenz

So richtig die Feststellung ist, daß sich die sowjetische Gesellschaft in den 80er Jahren politisch und ökonomisch im Niedergang befand, so wichtig ist es, daran zu erinnern, daß ihre diesbezügliche Verfaßtheit wie auch das internationale Kräfteverhältnis zu diesem Zeitpunkt immer noch weitaus günstiger waren als 1917 oder 1945. Dabei sollte man die Diskrepanz zwischen dem hohen wissenschaftlich-technischen Potential der Rüstungs- und Raumfahrtindustrie und der mißlichen Lage in vielen Produktionsbereichen in Betracht ziehen.

Anfang der 70er Jahre stand die UdSSR mit der NATO militärisch auf gleicher Höhe. Damals gewann der militärisch-industrielle Komplex innerhalb der sowjetischen Wirtschaft und Politik immer mehr Einfluß auf den Kurs der Parteispitze. Das führte dazu, daß die materiellen Ressourcen des Landes in erheblichem Maße zu seinen Gunsten umgelenkt wurden, was nicht ohne dramatische Folgen für andere Wirtschaftszweige blieb. Diese Linie war auch deshalb unvernünftig, weil beide Seiten inzwischen die Fähigkeit zur mehrfachen Vernichtung der Menschheit erlangt hatten. Moskau ließ sich auf das Langzeitprogramm der NATO ein, das darauf abzielte, die UdSSR "totzurüsten". Die sowjetische Führung hatte augenscheinlich den Blick für eine nüchterne Analyse und rechtzeitiges Umsteuern verloren.

Eine kritische Untersuchung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lage wurde 1984 erstmals durch Andropow vorgenommen, woran auch Ryshkow eine Aktie besaß. Gorbatschow hätte diese Ideen unter Einbeziehung einer großen Zahl hochqualifizierter Wissenschaftler und Wirtschaftspraktiker nutzen können, was er nicht tat.

Ein Zeitsprung zurück: 1917 waren die Bürger Rußlands mehrheitlich einer nur 40.000 Mitglieder zählenden bolschewistischen Partei gefolgt, weil diese eine gründlich durchdachte Strategie zur Lösung der brennenden sozialen und nationalen Probleme besaß. Lenins Wirken demonstrierte damals mit großer Deutlichkeit, welche Rolle starken Persönlichkeiten zukommt, wenn sie die Zeichen der Zeit verstehen. Ein kommunistischer Führer muß maßgeblich an der Entwicklung strategischer Konzepte teilnehmen und in der Lage sein, sie energisch umzusetzen, was besonders für Krisensituationen gilt.

Gorbatschow verfügte über eine zupackende Rhetorik, besaß aber keineswegs das politisch-ideologische Format eines Generalsekretärs der KPdSU. Er kam nicht aus den Klassenkämpfen des Proletariats, sondern war aus den Machtkämpfen des Apparats hervorgegangen und hatte sich zielstrebig auf der Karriereleiter nach oben bewegt.

Solche Leute brauchen für ihre Konzepte entsprechende Vorgaben. Es stellte sich heraus, daß es Gorbatschow gerade an diesen mangelte. Seine Führungsschwäche wurde trotz großer Worte bereits auf der 22. Parteikonferenz deutlich, die zu einer persönlichen Machtprobe zwischen ihm und Jelzin verkam, bei der er sich noch einmal durchzusetzen vermochte. Ein Delegierter der Basis forderte auf der Tagung fast verzweifelt, das ZK möge endlich sagen, was zu tun sei. Inhaltliche Leere und Konzeptionslosigkeit wurden offenbar. Man bildete weder eine kompetente Arbeitsgrupe noch leitete man die notwendigen Schritte zu Veränderungen ein. Ein Strategiepapier zur Lösung der wichtigsten Fragen gab es nicht, wohl aber präsentierte Gorbatschow seine substanzarmen Floskeln von Glasnost und Perestroika.

Auch die Politik des Kreml gegenüber den anderen sozialistischen Staaten war durch Hilflosigkeit bestimmt. Das zeigte sich besonders deutlich auf dem RGW-Gipfel, der 1986 in Sofia stattfand. Hier verkündete Gorbatschow seine antileninistische These, jede Partei sei fortan nur noch für sich selbst verantwortlich. Der sozialistische Internationalismus wurde über Bord geworfen, die Sowjetunion hatte ihre Integrationskraft eingebüßt. Washington reagierte mit einer neuen Europapolitik, deren Schlüssel die BRD war.

Auch zuvor hatte es schwelende Konf likte im Bündnis gegeben, die sich vor allem aus der Dominanz der übermächtigen Sowjetunion herleiteten, welche zur Unterdrückung eigenständiger Entwicklungen in einzelnen RGW-Mitgliedsländern tendierte. Die offiziell angestrebte brüderliche und gleichberechtigte Zusammenarbeit sah in der Praxis oft ganz anders aus. Als die antisowjetische Führungsclique der UdSSR unter Gorbatschow, Jakowlew, Schewardnadse und Jelzin dann abrupt das Handtuch warf, war der Zerfall des Bündnisses nicht aufzuhalten.

Zu dieser Zeit erfolgte eine Serie von "Verbeugungen" vor der bürgerlichen Interpretation von Pressefreiheit. Nun propagierte man neue Wahlmodalitäten und ließ konterrevolutionäre Organisationen in großem Ausmaß zu. In den baltischen und kaukasischen Republiken nutzten nationalistische Kräfte die Chance zum Ausbrechen aus der UdSSR. Korrupte "Kader der Nomenklatura" begaben sich unter Gorbatschow nicht nur politisch auf Abwege, sondern auch auf die Bahn persönlicher Bereicherung in großem Stil.

Zu jenen, welche Gorbatschow steuerten, gehörte vor allem Alexander Jakowlew. Er war in jungen Jahren Austauschstudent an der New Yorker Columbia-Universität und später Moskaus offenbar CIA-gelenkter Botschafter in Kanada gewesen. Im Politbüro der KPdSU wirkte er auf die systematische Zerstörung des bestehenden Systems hin. Daraus machte er in seinen Memoiren kein Hehl. Dort erfährt man: "Die französischen Journalisten, die zu Beginn der Perestroika geschrieben haben, daß der Herd der Konterrevolution in der UdSSR der Stab des Kommunismus - das ZK der KPdSU - ist, hatten Recht."

Im Ergebnis dieser Politik zerfiel die einst kampfstarke Partei Lenins in kurzer Zeit. Bis 1990 hatten sie bereits mehr als eine Million Mitglieder verlassen. Gorbatschow widersetzte sich dem rasanten Niedergang der Partei, ihres Apparates und der Staatsorgane in keiner Weise. Zu seinem Konzept gehörte auch die Preisgabe der DDR - der wichtigsten europäischen Außenbastion der sozialistischen Gemeinschaft.

Schon im Herbst 1988 hatte Gorbatschow vor der UN-Vollversammlung die Erklärung abgegeben, fortan gehe es nicht mehr um Klassenpositionen, sondern um "allgemein menschliche Werte". Das war eine ideologische Absage an den Marxismus-Leninismus und offener Verrat am eigenen Land, an den anderen sozialistischen Staaten, an der kommunistischen Weltbewegung. Er traf explizit die DDR. Obwohl der Vertrag zwischen ihr und der UdSSR über Freundschaft und gegenseitigen Beistand noch gültig war, gab Gorbatschow den sozialistischen deutschen Staat zum Abschuß frei. Dafür bekam er von Kohl einen Kredit in Höhe von 15 Milliarden DM. Selbst die seinerzeitige USA-Außenministerin Condoleezza Rice zeigte sich von dem im Juni 1990 erklärten Einverständnis Gorbatschows mit einer Ausdehnung der NATO bis an die Oder überrascht. Schon am 9. Februar d. J. hatte der "sowjetische" Führer erklärt, ein vereintes Deutschland müsse nicht militärisch neutral sein.

Die Tatsache, daß Leute dieses Schlages in Moskau ans Ruder gelangen konnten, widerspiegelt den Verfall der KPdSU und der Sowjetunion. An die Stelle von Stabilität waren Erstarrung und ideologische Beliebigkeit getreten. Darin ist neben der ständigen Verschlechterung des Versorgungsniveaus der Bevölkerung eine der Hauptursachen des historischen Desasters zu erblicken.

Horst Neumann, Bad Kleinen

Raute

Wie die NATO das Völkerrecht aushebelt und mit Füßen tritt

Brüssels "große Räuberbande"

Nimm das Recht weg - was ist der Staat dann anderes als eine große Räuberbande?" Diesen Satz in der Rede Benedikts XVI. mußten sich die Bundestagsabgeordneten anhören. Der Papst zitierte damit den Heiligen Augustinus. Die Strafpredigt des Pontifex enthielt keinen Bezug zur aktuellen Politik, und auch die sonst so sensationslüsternen Medien mieden tunlichst die Frage, warum der bayerische Gast aus Rom diese Mahnung wohl ausgesprochen haben könnte.

Betrachtete er etwa den deutschen Staat als "große Räuberbande"? Ein Streit darüber könnte fruchtbar sein und lebhaft verlaufen.

Ich wähle im folgenden ein Gebiet bundesdeutscher Regierungspolitik, das es gar nicht geben dürfte, würden das Vermächtnis des antifaschistischen Widerstandes und das internationale Recht beachtet. Seit 1999 führt die BRD wieder imperialistische Kriege, woran sie vor der Rückwärtswende durch die Existenz des Warschauer Vertrages gehindert wurde. Deutschlands Friedenspflicht steht zwar noch im Zwei-plus-vier-Vertrag vom September 1990, doch dieser wird längst als Makulatur betrachtet. 1999 beteiligte sich die BRD an der völkerrechtswidrigen Aggression gegen Jugoslawien.

Es war der dritte deutsche Überfall auf dieses Land innerhalb eines Jahrhunderts. Die Verantwortung dafür trug Schröders, Fischers und Scharpings rot-grüne Regierung. Als Begründung diente ihr nicht eine Rechtsnorm oder ein Beschluß des UN-Sicherheitsrates, sondern Fischers dreiste Lüge, in Jugoslawien drohe im Falle des Nichteingreifens ein neues Auschwitz. Milosevic als Nachfolger Hitlers? Ein Aggressionskrieg im Namen der Menschenrechte? Die Bomber der Bundeswehr "bewährten" sich bei Angriffen auf Frauen und Kinder als Luftwaffe der UCK-Terroristen.

Ehe wir den Weg der "Räuberbande" weiter verfolgen, werfen wir einen Blick auf das Völkerrecht. Als Mitglied der UNO ist die BRD zur Einhaltung ihrer Charta verpflichtet. Deren Grundanliegen besteht seit 1945 darin, die Menschheit vor der Geißel neuer Kriege zu bewahren. Deshalb sind in der UNO-Charta darauf abzielende Völkerrechtsnormen enthalten: die Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung, der Gewaltverzicht, das Einmischungsverbot, die Pflicht zur friedlichen Zusammenarbeit, die Achtung des Selbstbestimmungsrechts der Völker, die Gleichberechtigung, Integrität und Souveränität der Staaten.

Prof. Dr. Peter Alfons Steiniger, der verdienstvolle Nestor der DDR-Völkerrechtler, sprach einst - ich erinnerte bereits in einem vorangegangenen Artikel an diese prägnante Formulierung des Präsidenten der DDR-Liga für die Vereinten Nationen - vom "Siebengestirn des Völkerrechts". Dieses müsse so gestaltet werden, daß es das Raubtier Imperialismus zum Frieden zu zwingen helfe. Das wirksam genutzte Vetorecht der Sowjetunion im Sicherheitsrat und ihre Stärke waren ein friedensgebietender Faktor.

Auch ein Laie kann entdecken, daß die Völkerrechtsnormen nach 1945 oft verletzt worden sind, die beiden deutschen Staaten daran aber unbeteiligt waren: die DDR aus prinzipiellen Gründen, die BRD, weil ihr durch den Warschauer Vertrag, dem die DDR angehörte, bis 1990 Grenzen gesetzt waren. Nach dem Sieg der Konterrevolution änderte sich die Lage grundsätzlich. Die BRD blieb Mitglied der NATO und wurde deren Komplice. Nach der Aggression gegen Jugoslawien beteiligte sie sich direkt oder indirekt an den Angriffskriegen gegen Irak, Afghanistan und Libyen. Wie immer die Ziele getarnt wurden, stets ging es um Ressourcen. Leider spielte Rußland keine aktive Rolle bei der Verhinderung der Kriege. Die Lüge von der Existenz irakischer Massenvernichtungsmittel wurde in die Welt gesetzt, um Bagdad "ernste Konsequenzen" androhen zu können. Einen Beschluß, der die USA zum "Einschreiten" ermächtigte, gab es nicht. Dennoch war sich Washington

Am über zehnjährigen Krieg gegen Afghanistan nimmt der imperialistische deutsche Staat direkt teil, ohne daß der Bundestag oder eine kämpferische Bewegung des Widerstandes den Kriegstreibern "die Hände zerschlägt". Der "Kampf gegen den Terrorismus" ist für die Herrschenden eine ausreichende "Legitimation" zum Rechtsbruch. "Der Spiegel" (36/2011) nennt inzwischen den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan zur "Verteidigung Deutschlands am Hindukusch" (Peter Struck) einen "deutschen Krieg".

Auch im Falle Libyens wurde zur Begründung des NATO-Überfalls der UN-Sicherheitsrat mißbraucht. Nachdem Gaddafi zum "Schurken" erklärt und bewaffnete "Rebellen" gegen ihn auf die Straße geschickt worden waren, beschloß das Gremium am 17. März 2011 die Resolution 1973. Sie verfügte eine Flugverbotszone für libysche Flugzeuge und forderte den "Schutz der Zivilbevölkerung" vor möglichen Repressivmaßnahmen der Regierung. Dabei handelte es sich um eine eklatante Einmischung in innere Angelegenheiten. Wie im Falle Jugoslawiens bombte die NATO-Luftwaffe die "Rebellen" an die Macht.

Die BRD hat dem UNO-Beschluß nicht zugestimmt, und manche rühmen das als Ausdruck politischer Klugheit und Courage. Doch die Merkel-Regierung stand in einer Reihe mit jenen, welche Gaddafi verteufelten. Offiziere der Bundeswehr wirkten in den NATO-Stäben mit, z. B. bei der Zielauswahl. (FAZ, 23. August 2011) Unwiderlegbar steht fest: Als Mitglied der NATO ist die BRD Komplice ihrer völkerrechtswidrigen Aggressionskriege in aller Welt.

Die Blutschuld auch Deutscher wächst täglich. Laut Augustinus werden Staaten zur "großen Räuberbande", wenn sie das Recht mißachten. Natürlich beteuern die Verbrecher, sie hätten ihre Taten in edelster Absicht begangen: in Jugoslawien als "humanitäre Intervention", in Irak wegen angeblich vorhandener Massenvernichtungswaffen, in Afghanistan wegen einer "terroristischen Gefahr" ungeheuren Ausmaßes. Früher sprach man von der "roten Gefahr". In Libyen, so wurde vorgespiegelt, ging es um eine "Pflicht zur Schutzverantwortung".

Beim Thema Völkerrechtsbruch wäre auch noch die Rolle des Strafgerichtshofs in Den Haag und das Schicksal von Politikern zu untersuchen, für die jahrzehntelang in Berlin, Paris und Washington der rote Teppich ausgerollt worden war. Obwohl sie die völkerrechtlichen Privilegien für Staatsoberhäupter genossen, starben sie eines grausamen Todes. Wie sind die Sieger mit Saddam Hussein und Gaddafi verfahren?

Das Völkerrecht muß wieder Norm außenpolitischen Handelns der BRD werden. Sollte der Papst mit seinem Augustinus-Zitat den Anstoß zu einer radikalen Wende von der Kriegspolitik zur Friedenssicherung gegeben haben, dann - und nur dann - hätte sein Auftritt im Bundestag allen Deutschen guten Willens genützt.

Prof. Dr. Horst Schneider

Raute

Horvaths Entdeckung: 68er-Revolte war Mielkes Werk

Neues aus der Sudelküche

Ein westdeutscher Historiker grübelte im Jahr 2009 über die 68er Revolte in der BRD nach und wurde fündig. Warum kam es damals zu einer derart explosiven Rebellion, obwohl es weder eine soziale noch eine ökonomische Krise gab? Warum wollte eine Jugend mit relativ gesicherten Lebensbedingungen und sich vielen bietenden Aufstiegsmöglichkeiten die bestehende Ordnung abschaffen oder zerstören?

Alles, was unser wackerer Historiker bisher über die 68er in Erfahrung gebracht hatte, schien ihm auf einmal fraglich zu sein. Er wollte wissen, welche vor der Öffentlichkeit verborgenen Kräfte hier tatsächlich am Werke gewesen waren, die Strippen gezogen und eine ganze Generation auf die Barrikaden geführt hatten.

Unser Mann begann nach des Rätsels Lösung zu suchen. Wie viele "Nach-Wende"-Historiker begab er sich beim "Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik" auf Spurensuche. Mit anderen Worten: Er ging zu einer äußerst fragwürdigen und vom Ruch des Antikommunismus umgebenen Institution. Dort durchwühlte er Aktenberge, studierte Tausende und Abertausende Seiten des höchst brisanten Archivmaterials. Dabei machte er eine sensationelle Entdeckung: Er fand nämlich heraus, wer der Inspirator der gesamten 68er Bewegung gewesen ist. Der Leser wird staunen: Es handelte sich um Erich Mielke. Der steckte hinter allem. Da sich unser durch das Amt für politische Rache geistig bereicherter Historiker diese phantastische Enthüllung nicht durch andere streitig machen lassen wollte, schrieb er flugs einen dicken Wälzer mit dem Titel "Die inszenierte Revolte".

In Peter Horvaths "Beweisführung" wimmelt es nur so von Vorahnungen, Vermutungen, Deutungen, Wahrscheinlichkeiten, Unklarheiten, Spekulationen, Indizien, Unterstellungen, Ausschmückungen, Schmähungen und darauf basierenden Schlüssen.

Zur Illustration seines Recherche-Fleißes führt er nicht weniger als 169 Literaturquellen an. Er hat buchstäblich alles ihm zugängliche Material über den DDR-Geheimdienst ausgewertet und auch die entsprechenden Archive einschlägiger sowjetischer Organe nicht übergangen. Es verwundert kaum, daß die zur Vollständigkeit eines solchen Bildes eigentlich gehörenden Akten westlicher Dienste bei seiner Betrachtung "außen vor" gelassen wurden. Diese sollen nämlich auf weitere Jahrzehnte unter Verschluß bleiben.

Unser eifriger Geschichtsbewältiger gab sich indes mit seinen Erkenntnissen über die 68er Revolte nicht zufrieden. Mit Bienenfleiß vertiefte er sich auch in die erleuchtenden Werke des als Historiker posierenden Hysterikers Hubertus Knabe. Und als er schließlich auf den Befehl 107/64 des Ministers für Staatssicherheit der DDR zur Bereitstellung und Ausbildung von Kräften für spezielle Aufgaben stieß, fiel bei ihm endgültig der Groschen. Jetzt wußte er nicht nur, wer die 68er-Revolte organisiert hatte, sondern vermutete überdies haarscharf, den Schlüssel zu einem DDR-Plan für die Liquidierung der BRD gefunden zu haben. Unverdrossen stellte er die Dinge auf den Kopf. Nicht die BRD habe unter Ziehen aller Register den Kalten Krieg gegen den sozialistischen deutschen Staat begonnen und geführt - nein, es habe sich genau umgekehrt verhalten.

Herr Horvath erfand dafür sogar einen Strategischen Plan der DDR zur Umwandlung der Bundesrepublik in eine antimilitaristische und antifaschistische Demokratie. Er hinderte ihn daran, tiefer in den Geschichtsverlauf der BRD zu blicken. So übersah er die Kleinigkeit, daß Adenauer die strategische Aufgabe gestellt hatte, man müsse "die Soffjetzone" befreien.

Dieser Kanzler sorgte dafür, daß am 24. März 1952 bei einem Bonner Ministerium ein spezieller "Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands" gegründet wurde. Dessen Stab hatte sich unverzüglich an die Ausarbeitung eines "Sofortplans für Überleitungsmaßnahmen im Falle der Machtübernahme in der Sowjetzone" begeben. Laut Bundesgesetzblatt (Sondernummer 43) ließ der BRD-Regierungschef in die Notverordnung den besonders "entspannungsfreundlichen" § 87a aufnehmen. In diesem heißt es: "(1) In bezug auf die Sowjetische Besatzungszone Deutschlands (SBZ) ist, unbeschadet ihrer Nichtanerkennung als Staat, diese Prisenordnung in dem gegenwärtigen bewaffneten Konflikt entsprechend anzuwenden. (2) Dabei ist die SBZ als 'Feind' zu behandeln."

So kann unser Historiker natürlich auch nicht erkennen, daß das Ministerium für Staatssicherheit der DDR in erster Linie damit beauftragt war, den Kalten Krieg der BRD gegen die DDR abzuwehren. Seiner erfolgreichen Arbeit war es zu verdanken, daß die aggressiven Pläne der westlichen Geheimdienste aufgedeckt und durchkreuzt werden konnten. Es entschlüsselte später auch jene Direktive 10/2 des Nationalen Sicherheitsrates der USA vom 18. Juni 1948, welche direkte Aktionen wie Sabotage, Zerstörungen, Wirtschaftskrieg und Organisierung von Fluchtbewegungen gegen die Sowjetische Besatzungszone Deutschlands anwies. Das MfS deckte überdies das Wirken von Untergrundorganisationen der NATO in Deutschland auf. Zu den gegnerischen Aktivitäten gehörte der Geheimplan DECO II vom 2. März 1955 über die militärische Besetzung strategischer Punkte in der SBZ.

Über all das wollte unser wackerer Historiker den Mantel des Schweigens werfen. Denn für den Autor des hier erwähnten Elaborats gab es nur den "Unrechtsstaat DDR" und dessen "Terrororgan Stasi".

Mit seiner Sicht auf die Dinge darf sich ein die Historie zur Hure machender "Forscher" sicher sein, den Nerv der Sieger dieser Runde der Geschichte voll getroffen zu haben. Allerdings dürften seine mageren "Erkenntnisse" die Zeiten wohl kaum überdauern.

Werner Feigel, Chemnitz

Raute

Eine Meinungsäußerung zu Ernst Albrechts Artikel über "bedingungsloses Grundeinkommen"

Hatte Engels die Lohnarbeit im Auge?

Der Beitrag von Ernst Albrecht hat mich zu einer kritischen Rezeption angeregt. Sicher trifft vieles, was er schreibt, im Prinzip zu. Dennoch habe ich Bedenken gegen manche Aspekte seiner Argumentation und bestimmte Prämissen, von denen er ausgeht. Genosse Albrecht setzt an die Stelle der Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen in ihrer totalen und absoluten Umkehr die Losung "Arbeit(en) um jeden Preis". Der Autor verweist zunächst auf die historisch-materialistische Erkenntnis, die Friedrich Engels in seinem Werk "Der Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen" darlegt, daß nämlich die Arbeit erst den Menschen zum Menschen gemacht hat. Bei Engels geht es um die geschichtliche Rolle der Arbeit als entscheidender Faktor der Menschwerdung und als grundlegende Existenzbedingung der menschlichen Gesellschaft.

Er betrachtet die Arbeit völlig losgelöst von den Bedingungen und Verhältnissen, d. h. vor allem den Produktionsverhältnissen, unter welchen sie stattfindet, von der Rolle und dem Charakter der Arbeit im Kapitalismus. In ihm wird sie durch das kapitalistische Privateigentum bestimmt. Die Nichteigentümer der Produktionsmittel müssen ihre Arbeitskraft als Ware an deren Eigentümer verkaufen, womit sie der Ausbeutung unterworfen sind. Die kapitalistische Lohnarbeit knechtet den Arbeiter. Er hat keinen Einfluß darauf, was produziert wird, keinen Anteil an der Leitung. Die Arbeit gestattet dem Kapitalisten, sich das Produkt anzueignen und die Verteilung zu bestimmen.

Wenn wir die Arbeit als bewußte, zweckgerichtete Tätigkeit der Menschen mit dem Ziel der Produktion von Gebrauchswerten zur Befriedigung der (materiellen und geistig-kulturellen) Bedürfnisse definieren und sagen, daß sich in ihr die Persönlichkeit entwickelt und ihre schöpferischen Kräfte entfaltet, dann trifft das zwar ganz allgemein und grundsätzlich, auf den Kapitalismus jedoch allenfalls sehr begrenzt zu. Die Arbeit unter kapitalistischen Bedingungen fördert nicht die Persönlichkeitsentwicklung. Sie deformiert eher den Menschen, erstickt das Schöpferische. Wenn so und so viele qualifizierte Fachkräfte irgendeinen Job weit unter ihrem Niveau machen müssen, ist das dann die Selbstverwirklichung und Entwicklung der Persönlichkeit, die Ausbildung der schöpferischen Kräfte, von der Albrecht schreibt? Der Autor meint, daß bei einem bedingungslosen Einkommen die Schaffung neuer Jobs unwichtig sei und man nur für jene Arbeitsplätze brauche, "welche zur Profiterzielung benötigt werden". War das im Kapitalismus jemals anders?

Der Verfasser hält es für kritikwürdig, wenn einer gar nicht erst hingeht, weil der Boß ihm nicht den Lohn zahlen will, den der Arbeitsuchende verlangt. Er fordert damit indirekt, daß ein Arbeitsloser unter jeder Bedingung einen Job annehmen muß, auch wenn der ihm gebotene Lohn zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel ist, da er sonst keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat.

Nach Ansicht des Autors führt ein "Grundeinkommen" zur Entsolidarisierung. Ist das nicht auch so schon längst Realität? Findet nicht ein ständiges Ausspielen aller gegen alle statt? Man hetzt "Arbeitnehmer", die noch in Lohn und Brot stehen, gegen Arbeitslose, indem man ihnen einredet, diese lebten auf ihre Kosten. Andererseits setzt man Arbeitslose als Druckmittel gegen Arbeiter ein, wenn es um Lohnforderungen geht. Ein bedingungsloses Grundeinkommen, so Albrecht, wäre dazu geeignet, jeden Widerstand gegen die Regierenden zu blockieren, da ja dessen Bezieher dieses Privileg verlieren könnten. Doch ist eine solche Blockierung nicht auch ohne Grundeinkommen da? Gibt es nicht immer etwas zu verlieren? Für Arbeitslose die Hoffnung, doch noch einmal eine Stelle zu bekommen, und für Arbeitende ihren Job.

Es hat eine opportunistische Arbeitsplatzsicherungsideologie um sich gegriffen, die "Arbeitnehmer" zu einem wohlgefälligen Verhalten gegenüber ihrem "Arbeitgeber" veranlassen soll. Ein nicht geringer Teil der Lohnabhängigen ist bereit, auf Lohnerhöhung zu verzichten. Arbeitszeitverlängerung ohne Vergütung und unbezahlte Überstunden werden in Kauf genommen, weil angeblich nur so Arbeitsplätze und "Standorte" gesichert werden können. Vor allem die Konkurrenz unter den Arbeitern oder zwischen diesen und Arbeitslosen sowie unter den Arbeitslosen selbst ist die entscheidende Ursache für Entsolidarisierung und Spaltung. Hoffentlich behalte ich meinen Arbeitsplatz (ob der Kollege entlassen wird, ist mir egal). Ich muß mich besser "darstellen" können, damit ich den Job bekomme. Der Inhalt der Arbeit ist völlig unwichtig, man muß nur welche haben. Im Kapitalismus ist das Ziel die Produktion von Mehrwert. Vom Standpunkt der Kapitalverwertung spielt es keine Rolle, was produziert wird, ob Butter oder Kanonen. Brot und Spiele? Gibt es nicht längst ein Riesenarsenal von Mitteln und Methoden, um Menschen davon abzuhalten, über ihre Lage nachzudenken? Nahezu alle von Ernst Albrecht als Argument gegen eine bedingungslose Grundsicherung (ohne entwürdigende "Bedürfnisprüfung" und "Offenbarungseid" wie im Falle von Hartz IV und Grundsicherung bei geringer Rente) angeführten negativen Folgen sind auch ohne diese seit langem gegeben.

Es steht außer Zweifel, daß das Recht auf Arbeit eine grundsätzlich richtige Forderung ist. Aber wie soll Vollbeschäftigung im Kapitalismus verwirklicht werden? Schaffung von Arbeitsplätzen durch immer mehr Ausweitung der Produktion, Erzeugung von immer mehr Waren? Selbst wenn das erreicht werden könnte, setzt es einen entsprechenden Markt voraus. Damit würde der Kampf um die Märkte mit allen sich daraus ergebenden Folgen noch mehr verschärft. Das gilt auch für die Überproduktionskrise und die mit dem Kapitalismus untrennbar verbundene kolossale Vergeudung von Kapazitäten und Ressourcen.

Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnreduzierung würde zu verschärfter Ausbeutung, zu noch größerer Arbeitsverdichtung und -hetze führen. Kein Kapitalist nutzt die gewachsene Produktivkraft dazu, die Freizeit der Arbeiter zu verlängern, sondern allein zur Verkürzung der notwendigen Arbeitszeit.

Wenn die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen reaktionär ist, dann ist das Verlangen nach Vollbeschäftigung und Arbeitszeitverkürzung zur dadurch möglichen Einstellung von mehr Personal unter kapitalistischen Verhältnissen utopisch, da es sämtliche ökonomischen Gesetze des Kapitalismus ignoriert. In einer auf dem Privateigentum beruhenden, historisch überlebten Produktionsweise kann man nicht erwarten, daß objektive Erfordernisse der Gesamtgesellschaft irgendwo zur Geltung kommen. Voraussetzung zur Verwirklichung des Rechts auf Arbeit ist die Überwindung des Kapitalismus. Arbeit im Sinne der oben angeführten Definition ist allein die von Ausbeutung befreite Tätigkeit des Menschen. Diese Situation tritt erst dann ein, wenn sie nicht mehr vordergründig Erwerbsmittel ist - also kein "Job", bei dem ökonomischer Zwang der entscheidende oder alleinige Antrieb ist, aus dem der Mensch arbeitet.

Dr. Klaus Schwurack, Dresden

Raute

Zerbster "RotFüchse" besuchten das Friedensfahrtmuseum

Mit Täve Schur in Kleinmühlingen

In Kleinmühlingen zwischen Schönebeck und Calbe (Saale) ist auf Privatinitiative Horst Schäfers und seiner Frau ein Friedensfahrtmuseum entstanden. Viele freiwillige Helfer und Spender aus aller Welt haben an seinem Bau mitgewirkt. Täve Schur war und ist selbstverständlich einer der aktivsten Förderer des Radsportmuseums "Course de la Paix".

Wir RotFüchse aus Prödel und dem Zerbster Umland hatten mit ihm einen Termin zur gemeinsamen Besichtigung dieses Hauses von sporthistorischer Bedeutung vereinbart. Jeder wird nachvollziehen können, mit welcher Begeisterung wir dabei Täves Worten gefolgt sind. Er unterstrich besonders den völkerverständigenden Impuls, der von der Friedensfahrt ausging und schilderte die Begeisterung Hunderttausender entlang der durch die DDR, Polen und die CSSR führenden Rennstrecke.

Seit Eröffnung des Museums vor zehn Jahren - damals befand es sich zunächst noch in einer Garage - sind, besonders nach dem 2006 erfolgten Neubau, ständig mehr Besucher nach Kleinmühlingen gekommen. 2010 waren es etwa 3000 - 2011 wurde diese Zahl noch einmal übertroffen.

Die ausgestellten Pokale, Medaillen, Auszeichnungen, Briefe und handschriftlichen Starterlisten von Radsportlern aus allen teilnehmenden Ländern, die hier betrachtet werden können, finden reges Interesse. Die Besucher möchten den Elan der Sportler und ihrer Fans nachempfinden. Die Friedensfahrt war zweifellos ein Großereignis der Völkerverständigung und des fairen Wettstreits. Täve Schur erzählte uns, welches beklemmende Gefühl ihn befiel, als er 1952 erstmals im von den deutschen Faschisten zerstörten Warschau an den Start gegangen war. Die DDR-Mannschaft repräsentierte hier ein völlig anderes Deutschland.

Beeindruckend ist, daß der heute im 81. Lebensjahr stehende legendäre Athlet noch immer vielerorts Vorträge hält oder sogar kleine Radrennen mit bestreitet, um Mittel für krebskranke Kinder oder andere gemeinnützige Zwecke aufbringen zu helfen.

In unserem Beisein überreichte Täve dem Museum Spendengelder und friedensfahrtbezogene Privatsammlungen, die ihm übergeben worden waren. Natürlich reihten auch wir uns unter die Spender ein. Bei großzügiger Bewirtung durch die Museumsleitung sahen wir einen Dokumentarfilm über Täves Leben und dessen sportlichen Erfolgen Damit klang für die beteiligten Rotfüchse ein unvergeßlicher Tag aus.

Fritz Pommer, Pröhl

Raute

Marxismus für Einsteiger - Grundrente

Wer das Wort Rente liest, denkt unwillkürlich an eine Form der Altersversorgung. In der politischen Ökonomie des Marxismus hat dieser Begriff indes eine andere Bedeutung.

"Das Bodenmonopol setzt den Grundeigentümer in den Stand, einen Teil dieses Mehrwerts unter dem Namen Rente an sich zu ziehn ­... Rente, Zins und industrieller Profit sind bloß verschiedne Namen für verschiedne Teile des Mehrwerts der Ware oder der in ihr vergegenständlichten unbezahlten Arbeit und leiten sich in gleicher Weise aus dieser Quelle und nur aus ihr her." (MEW, Bd. 16, S. 136 f.) "Unbezahlte Arbeit", damit bezeichnet Marx den Teil des vom Arbeiter oder Bauern geschaffenen Wertes, der größer als sein Lohn ist und den sich der Eigentümer der eingesetzten Produktionsmittel aneignet.

In der Landwirtschaft ist der Boden das Hauptproduktionsinstrument neben der Technik, den Gebäuden, dem Nutzvieh sowie weiteren Materialien. Den aus der Bodenbearbeitung erzielten Gewinn kann man auch als Bodenrente bezeichnen. Es ist einleuchtend, daß bei gleichem Arbeitsaufwand je nach Bodenqualität bzw. Standort des Betriebes unterschiedliche Ergebnisse pro Arbeitsstunde erzielt werden. Somit befindet sich der Landwirt, der nur minderwertigen Boden sein eigen nennt und dessen Betrieb von den Abnehmern weit entfernt liegt, gegenüber jenem mit gutem Boden und Nähe zu diesen, im Nachteil. Denn er wird pro Arbeitsstunde nur einen geringeren Ertrag erzielen. Das Ergebnis der Arbeit der Bauern hängt also nicht nur von deren eigenem Fleiß und der Nutzung weiterer Produktionsmittel ab, sondern auch von der Bodenqualität und der Lage des Betriebes. Diese Abhängigkeit wird als Bodenrente 1 bezeichnet. Die Bodenrente 2 hingegen ist im wesentlichen das Ergebnis eigener Tüchtigkeit, des Produktionsmitteleinsatzes und einer guten Arbeitsorganisation.

In der DDR wurde versucht, den Einfluß der Bodenrente 1 auf das Betriebsergebnis durch staatliche Maßnahmen zu minimieren. So wurden die Produkte der Landwirte zu einem einheitlichen Preis direkt vom Hof abgenommen. Jeder Milchlieferant mußte unabhängig von der Entfernung des Betriebes zur Molkerei einen Transportpfennig je Liter bezahlen. Schwierigkeiten gab es jedoch bei der nach Bodenqualität unterschiedlichen Besteuerung der Betriebe, da die Übergangszonen hier oft sehr fließend waren. Die staatlichen Maßnahmen zielten darauf ab, eine möglichst gleiche Bodenrente 1 je Arbeitsstunde zu erreichen. Damit ist die Summe des Aufwandes an lebendiger Arbeit, also die notwendige direkte Arbeitszeit des Landwirts plus des vergegenständlichten Arbeitsaufwandes gemeint. Dieser geht über die Nutzung von Maschinen, Gebäuden und sonstigen Produktionsmitteln sowie deren Abschreibung in das Endprodukt ein.

"Der Wert der Ware ist bestimmt durch die Gesamtarbeitszeit, vergangne und lebendige, die in sie eingeht. Die Steigerung der Produktivität der Arbeit besteht eben darin, daß der Anteil der lebendigen Arbeit vermindert, der der vergangnen Arbeit vermehrt wird, aber so ..., daß also die lebendige Arbeit um mehr abnimmt, als die vergangne zunimmt. ­... Diese Verminderung des in die Ware eingehenden Gesamtarbeitsquantums scheint hiernach das wesentliche Kennzeichen gesteigerter Produktivkraft der Arbeit zu sein, gleichgültig unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen produziert wird." (MEW, Bd. 25, S. 271)

Dr. Manfred Graichen, Berlin

Raute

Für Freitals Stadtrat sind Braun und Rot dieselbe Farbe

Cocktail aus Brandsätzen und Feuerlöschern

Unser Leser Peter Müller hat in einem Brief an den Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Freital gegen den Beschluß des dortigen Stadtrates, mit einer Gedenktafel an die "Opfer und Leidtragenden beider Weltkriege, des Nationalsozialismus, des Stalinismus sowie der SED-Willkür" zu erinnern, entschieden protestiert.

Am 3. Oktober hatten bereits die Stadtratsfraktion und der Stadtverband der Partei Die Linke angekündigt, den "feierlichen Enthüllungsakt" zu boykottieren. Sie legten indes am Denkmal für die Opfer des Faschismus, das sich am gleichen Ort befindet, Blumen und Kränze nieder.

Peter Müller erinnerte in seinem Schreiben an die Erkenntnis des Altbundeskanzlers Helmut Schmidt, der schon zu Jahresbeginn 2006 in einem "Spiegel"-Interview die Feststellung getroffen hatte: "Man ist übrigens mit den Kommunisten nach 1990 schlimmer umgegangen als am Beginn der Bundesrepublik mit den ehemaligen Nazis. Wenn wir mit den Kommunisten etwas toleranter umgegangen wären, wäre das Desaster, wie wir es heute in den neuen Ländern erleben, möglicherweise etwas glimpflicher verlaufen."

Peter Müller, Jahrgang 1941, verwies im Brief an Oberbürgermeister Mättig auf die Erfahrungen seines eigenen Lebens in der DDR. "Mit staatlicher und betrieblicher Unterstützung sowie mit kollegialer und Freundes-Hilfe konnte ich mir in Freital ohne üppige finanzielle Voraussetzungen ein Eigenheim bauen. Ich habe Bildung genossen, auch meine Kinder konnten sich nach dem Schulbesuch ihre Berufswünsche erfüllen. Als Rentner muß ich mich nun darüber belehren lassen, in einer SED-Diktatur gelebt zu haben. Mit der Gleichstellung von Naziherrschaft und 'SED-Diktatur' fühle ich mich als früheres Mitglied dieser Partei kriminalisiert."

Der auf der Gedenktafel vorgenommene Vergleich von Opfern des Faschismus mit tatsächlichen oder vermeintlichen Opfern des "Stalinismus" und der "DDR-Diktatur" sei eine absurde Geschichtsverdrehung. P. M. stellt die Frage: "Warum wird 'Nationalsozialismus' eigentlich nicht als Faschismus benannt?" Der Terminus "Stalinismus" sei gleichermaßen irreführend.

Gemeint sei offensichtlich der Einflußbereich Stalins. Dieser aber sei der Führer jenes Landes gewesen, das auch die Deutschen vom Faschismus befreit habe. Und was die DDR betreffe, so habe sie die Hoffnung auf eine bessere Welt vermittelt. Auf dem Weg dorthin sei sie 1989 im Zuge der sogenannten friedlichen Revolution samt ihrer zahlreichen Errungenschaften einfach "abgewickelt" worden. Man solle lieber mal fragen, wie viele Frauen und Männer - darunter fast die gesamte Intelligenz der DDR - zu Opfern im Prozeß der "Wiedervereinigung" geworden seien. "Oder waren diese etwa auch samt und sonders Opfer der 'SED-Diktatur'?" fragt Genosse Müller.

Das nicht enden wollende Gerede über die DDR als "Unrechtsstaat", über die "SED-Diktatur" und deren angebliche Synonyme - "Stasi", Stacheldraht und Schießbefehl - trügen die heute Regierenden wie ein Heiligenbild vor sich her.

Es sei hohe Zeit, endlich damit aufzuhören, die von der "Bild"- und Springer-Medienlandschaft verbreiteten negativen Legenden nachzuplappern, um so die "Großartigkeit" westlicher Freiheit und Demokratie zu dokumentieren.

Oberbürgermeister Klaus Mättig blieb dem Freitaler Beschwerdeführer die Antwort nicht schuldig. Als Meister im Verzicht auf inhaltliche Aussagen schrieb er an Peter Müller den Allerweltssatz: "Sie sprechen mit Ihren Bemerkungen vielfältige Aspekte an." Der Text auf der "Gedenktafel" sei immerhin bei nur drei Gegenstimmen angenommen worden. Die Idee, solche "Gedenkstätten" einzurichten, habe man schon seit 1993 erwogen. Nach dieser Kaskade von Allgemeinplätzen rang sich der OB immerhin zu der Erkenntnis durch: "Ihr Brief zeigt, daß diese Diskussion weitergehen wird. Ihr Anliegen, das in ähnlicher Form auch von anderen geäußert wurde, werde ich der AG Gedenken des Stadtrates weitergeben."    RF

Raute

Spitzenstadt Plauen: Abstieg eines Spitzenreiters

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Plauen die reichste Stadt Deutschlands. Das verdankte sie der Spitzen-Produktion, für die ihr Name noch heute steht. Nicht nur im eigenen Land, wo Plauen seit 1830 das Zentrum für Spitzen und Stickereien war, sondern auch international stieg ihr Ansehen, was 1900 auf der Pariser Weltausstellung dokumentiert wurde.

Im Zweiten Weltkrieg wurde auch Plauen zu großen Teilen in Schutt und Asche gelegt.

Heute ist die Stadt am Ufer der Elster wieder ein Anziehungspunkt für Touristen. Den Besucher beeindruckt das Gesamtbild. Es gibt altehrwürdige Häuser, die vom Bombenterror verschont blieben und durch üppige Verzierung ihrer Fassaden vom einstigen Reichtum der Stadt künden.

Allerdings trifft man auch auf Bilder, deren Anblick niederschmetternd ist. Ein Beispiel bietet das 1999 eingemeindete Neundorf. Dort befand sich früher ein Rittergut. Zu DDR-Zeiten erhielten jene, welche das Land bearbeiteten, einen Teil der Fläche übereignet. Nach einem jahrelangen Prozeß der Erkenntnis des Vorteils gemeinsamen Arbeitens schlossen sich die Bauern zu einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) zusammen. Natürlich wurden diese sozialistischen Betriebe nach der sogenannten Wende aufgelöst, wurde ihr Vieh in alle Winde zerstreut.

Seit 20 Jahren stehen nun die Stallanlagen ungenutzt da. Die Schneelast hat einige ihrer Dächer eingedrückt. Um Reparaturen kümmert sich niemand. Auch die mächtige Mauer um den einstigen Rittergutspark, die das gemeine Volk am Betreten hinderte, ist teilweise zusammengebrochen. Unweit des Stadtkerns, wo vor zwei Jahrzehnten noch eine schöne Grünfläche mit Blumenbeeten, Büschen und Bäumen zum Verweilen auf Parkbänken einlud, tauchten schon bald Bagger auf und hoben ein riesiges Loch aus. Dort steht jetzt der gewaltige Klotz der Arbeitsagentur - einer Einrichtung, die man in DDR-Tagen nicht gebraucht hatte. Mitten im Zentrum - früher eine andere grüne Oase zum Ausruhen - befindet sich heute ein mehrstöckiger Einkaufstempel. Doch es gibt nicht wenige Menschen, die trotz des überquellenden Warenangebots nicht einmal das kaufen können, was sie am nötigsten brauchten.

Viele in unserer Region haben keine Arbeit. Das ist um so schmerzlicher, als es früher in Plauen außer der "Spitze" auch andere große Werke gab, darunter Nema, Plamag, Narva und Plauener Gardine. Sie zeugten von der Wirtschaftskraft des Reviers. Einige dieser volkseigenen Betriebe belieferten übrigens auch westdeutsche Handelsketten. Durch den Anschluß der DDR an die BRD hat Plauen - wie viele andere Städte im Osten - seine einstige Bedeutung als Industriestandort verloren.

Gerda Huberty, Plauen/Neundorf

Raute

Wie Brandenburgs grüne Landtagsfraktion die Agrarfrage sieht

Auf sandigem Boden ist schlecht Fuß fassen

Die "roten Barone" scheinen für Bündnis 90/Die Grünen in Brandenburg eine größere Gefahr darzustellen als Monsanto und der restliche agroindustrielle Komplex. Rund ein Drittel ihres 2011 im Münchner Oekom Verlag erschienenen Buches mit dem Titel "Umbrüche auf märkischem Sand" beschäftigt sich mit "Ungerechtigkeiten bei der Bodenreform in der DDR" und der Umwandlung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) nach deren Ende.

Daß diese Schwerpunktwahl nicht zufällig erfolgt, bestätigt Axel Vogel - Vorsitzender ihrer Landtagsfraktion - im Vorwort. Er schildert die sich über etliche Jahrtausende durch menschliche Arbeit vollziehende Umwandlung märkischen Sandes in fruchtbaren Boden, meint dann aber, "all diese Veränderungen" seien "in Umfang und Geschwindigkeit von den Umgestaltungen der Landwirtschaftsstrukturen in der DDR weit übertroffen worden". Dabei kann er sich selbst kaum als Opfer der SED-Agrarpolitik darstellen. Der in Bochum Geborene hat die Partei "Die Grünen" in der alten BRD mitbegründet und lange für deren bayerische Landtagsfraktion gearbeitet.

Die DDR dürfte er erst nach deren Untergang kennengelernt haben, als er ab 1991 zunächst erst in der Potsdamer Projektgruppe "Großschutzgebiete", dann als Abteilungsleiter in der Umweltverwaltung des Landes Brandenburg gearbeitet hat. Vogel und eine Reihe weiterer Autoren des Sammelbandes wollen nun aber die beklagenswerten Irrwege bundesdeutscher Agrarpolitik als "nahtlosen Übergang der alten Eliten aus der Plan- in die Marktwirtschaft" deuten. Die "Opfer der Bodenreform" seien durch das Zusammenwirken von alten SED-Kadern, die sich in der Leitung der Großbetriebe hätten behaupten können, mit dem konservativen Deutschen Bauernverband West (DBV) und dessen willfährigem Brandenburger Landesbauernverband (LBV) ein zweites Mal um ihr Hab und Gut gebracht worden.

Doch das ergibt nur ein schemenhaftes Bild, da kaum Betriebe oder Personen namentlich genannt bzw. Abläufe im Detail beschreiben werden. Die wenigen mit vollem Namen Erwähnten sind SPD-Politiker wie der ehemalige Agrarminister Edwin Zimmermann oder der Abgeordnete und LBV-Vorsitzende Udo Folgert.

Es drängt sich der Eindruck auf, daß einstige DDR-"Bürgerrechtler" hier den Frust über ihre Bedeutungslosigkeit abladen wollen. Als Gegenentwurf zum landwirtschaftlichen Großbetrieb wird das süddeutsche Modell des Familienhofes auf eigener Scholle, der von der LPG und ihrem Nachfolgebetrieb aufgesogen worden sei, propagiert. Folglich bezieht man sich nicht auf das Szenarium eines Brandenburgs der preußischen Junker mit ihren oft von Verwaltern aus dem Bürgertum durchorganisierten und nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen geführten Betrieben und einem schlecht entlohnten, rechtlosen Agrarproletariat, sondern auf die nach der Enteignung der Junker und der Aufteilung ihrer Flächen entstandenen Höfe der Neubauern und Siedler.

Dabei handelte es sich um ein Modell, das sich angesichts von Akteuren ohne Vorkenntnisse in der Landwirtschaft und dem Mangel an Arbeitsgerät als wenig produktiv erwies. Dennoch wird kühn behauptet: "Als [...] Wilhelm Pieck am 2. September 1945 zur Bodenreform aufrief, war sie längst beschlossene Sache. [...] Doch wie so oft in den kommenden Jahren und Jahrzehnten versuchte die Partei die von ihr verfolgte und brachial durchgesetzte Politik so zu präsentieren, als sei sie der Vollzug spontaner Masseninitiativen."

Die Autoren lassen damit jedes Verständnis für die antifaschistische Grundstimmung nach dem Ende des 2. Weltkriegs vermissen und diffamieren die DDR-Landwirtschaft als hochgradig ineffizientes, umweltzerstörerisches System, das von "ignoranten und inkompetenten SED-Bonzen" geleitet worden sei.

Es wird schlechterdings ignoriert, daß die Grundversorgung eines 17-Millionen-Volkes so wohl kaum zu gewährleisten gewesen wäre - von den Eier- und den Schweinefleischlieferungen nach Westberlin einmal ganz abgesehen. Übersehen wird auch, daß die LPG-Bauern den Luxus einer Neubauwohnung, regelmäßigen Urlaub, Krankenversorgung, Kinderkrippen und -gärten sehr wohl zu schätzen wußten, wobei sie sich engagiert und fachlich hochqualifiziert um Ackerbau und Viehzucht gekümmert haben. Es ist den Herausgebern anzurechnen, daß sie auch andere Stimmen zu Wort kommen lassen. So schildert Thomas Jülke aus Sonnenwalde, der kein SED-Genosse war, lebendig, faktenreich und humorvoll, wie er als Genossenschaftsbauer mit Hochschulbildung 1989 dazu kam, einen Betrieb mit 1000 Beschäftigten, 7500 ha Ackerfläche und Ställen voller Vieh auch unter veränderten Bedingungen am Leben zu erhalten. Er weist die naive Pauschalkritik an Großbetrieben zurück und schreibt: "Kann eine Bäuerin, die morgens in aller Frühe die Kühe melkt, dann die Schulstullen für die Kinder schmiert, noch schnell den Gemüsegarten versorgt, im Hofladen den selbstgemachten Käse an die gut ausgeruhte Kundin aus der Stadt verkauft, am Nachmittag die Schularbeiten der Kinder kontrolliert, [...] nach dem zweiten Melken [...] eigentlich auch noch die Buchhaltung erledigen?" Die Agrargenossenschaft Sonnenwalde e. G. ist heute ein moderner Großbetrieb auf 2290 ha Land.

Auch ökologischer Landbau kann in großem Stil betrieben werden, wie das Beispiel Brodowin beweist. Dort wurde aus einer LPG ein Demeter-Betrieb im UNESCO-Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin mit 70 festangestellten Beschäftigten. Jährlich werden dort vier Millionen Liter Milch und Milchprodukte von 260 Milchkühen und ebenso vielen Ziegen in der eigenen Molkerei verarbeitet.

Eine Reihe von Mitarbeitern aus der Landtags- und Bundestagsfraktion von B'90/Die Grünen haben faktenreiche Analysen zu "Brandenburgs Tierfabriken" und zur Nutzung von Biomasse beigesteuert. Ihre Partei versteht sich als Fürsprecher lokaler Initiativen, welche in Haßleben oder Schmargendorf gegen gigantische Mastanlagen auswärtiger Investoren kämpfen.

Das hier rezensierte Buch stellt - alles in allem - eine unverzichtbare Materialbasis für jeden dar, der sich mit Gegenwart und Zukunft der Landwirtschaft in Brandenburg beschäftigen will. Die Darstellung der Vergangenheit und ihrer Auswirkungen ist jedoch ideologisch eingefärbt, was sich aus der Geschichte der Partei B'90/Die Grünen erklärt. Mit ihren undifferenzierten Angriffen auf Großbetriebe werden sie unter Brandenburgs Landwirtschaftsfachleuten wohl kaum einen Fuß auf den sandigen Boden bekommen.

Roland Schnell, Berlin

Raute

Die DKP und mit ihr die gesamte klassenkämpferische Linke trauert um den roten Barden Franz Josef Degenhardt. Der "RotFuchs", der den Schmerz seiner Angehörigen, Genossen und Freunde teilt, wird auf das reiche Schaffen dieses außergewöhnlichen Künstlers in seiner März-Ausgabe zurückkommen.

Raute

Wo Westerwelle trotz Krisenbrechern Oberwasser hat

Ein Traumhaus auf Mallorca

Guido Westerwelle und sein Lebenspartner Michael Moronz haben kräftig zugeschlagen und den Hartz-IV-Empfängern einmal mehr vorgemacht, wie man der Krise und ihren Folgen zu entgehen vermag: Sicher auch in der bösen Vorahnung, daß seine an den Wahlurnen mit 3 % zur Randpartei geschrumpfte FDP nicht mehr lange den Außenminister der europäischen Großmacht BRD stellen dürfte, haben beide vorgesorgt. In Luxusviertel Son Vida der Mallorca-"Metropole" Palma erwarben sie für 2 Millionen Euro ein "bescheidenes" Rückzugsquartier. Das in ihr Eigentum gewechselte Grundstück mißt 2000 Quadratmeter, wobei die Wohnfläche des Hauses ein Fünftel davon ausmacht. Der Swimmingpool ist gerade mal 60 m² groß.

All das und weitere Details konnte man am 28. Oktober der Madrider Tageszeitung "El Pais" - dem stets gut informierten Hausblatt der spanischen Bourgeoisie - entnehmen. "Die Krise betrifft den deutschen Außenminister nicht" war der Beitrag überschrieben. Und die Unterzeile lautete: "Westerwelle und sein Gatte (su marido) kaufen sich in Palma ein Zwei-Millionen-Haus."

Das von beiden Herren ausgewählte Objekt befinde sich in einem der exklusivsten Reviere der Balearen-Hauptstadt. In nicht allzu ferner Zukunft werde Herr Westerwelle wohl "das zweitgrößte Gebäude Berlins" räumen müssen und dann vielleicht auf Dauer sein mediterranes Refugium beziehen, mutmaßt "El Pais". Nach dem für ihn schmerzhaften Verlust zweier anderer Spitzenämter - dem FDP-Vorsitz und der BRD-Vizekanzlerschaft - im vergangenen Sommer hätten auch erhebliche Zweifel daran bestanden, ob er sich als Chef der bundesdeutschen Diplomatie werde halten können. Interimistisch sei ihm das noch einmal gelungen. In dieser prekären Situation hätten Westerwelle und Moronz dann wohl auch den Entschluß gefaßt, sich in Palma nach einer neuen Residenz umzuschauen.

Berichten der deutschsprachigen "Mallorca-Zeitung" zufolge würden Westerwelle und sein Lebenspartner mit der nunmehr erworbenen Immobilie die gleiche wohltuende Privatsphäre genießen können wie in einem nahegelegenen Domizil, das ihnen bereits wiederholt als Urlaubsquartier gedient habe. Die Herren hätten bei vorangegangenen Aufenthalten gerne Golf gespielt und Kunstgalerien aufgesucht, zumal sie Sammler seien.

Mallorca, das manche BRD-Stammgäste locker als "Malle" zu bezeichnen pflegten, verfüge mit dem "Ballermann 6" nicht nur über eine Hochburg ausschweifender Germanisierung, sondern gelte bei nicht wenigen die Insel heimsuchenden deutschen Touristen überdies längst als "17. Bundesland".

"El Pais" verwies im Zusammenhang mit der Schilderung des Schnäppchens von Westerwelle und Moronz auch auf die seinerzeitige Mallorca-Affäre des SPD-Kriegsministers Rudolf Scharping. Dieser hatte als Herr über die Hardthöhe so lange die Dienste der Flugbereitschaft seines Hauses für private Zwecke in Anspruch genommen, bis seine Amouren mit der Gräfin Kristina Piloti von Thassul zu Daxberg-Borggreve in einem Swimmingpool auf Mallorca an die Öffentlichkeit drangen. Doch das nur nebenbei, zumal dieser Name ja wohl schon fast vergessen ist.

Auch bei Westerwelle schlagen die Wogen bereits nicht mehr so hoch wie ehedem. Etliche sind nämlich der Meinung, seine Ernennung zum Außenminister der BRD sei ein Eklat, der nur noch durch die Bestallung seines in diesem Metier grenzenlos unbedarften Parteifreundes und Nachfolgers an der FDP-Spitze Philipp Rösler zum Wirtschaftsminister getoppt werde.

RF, gestützt auf "El Pais", Madrid


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"Ossis" und "Wessis": Immer noch Bürger 1. und 2. Klasse

Auch im 22. Jahr des Anschlusses der DDR an die BRD ist das Lohn- und Rentenniveau zuungunsten der Ostdeutschen gespalten. Die Bezugsgrenze verläuft dort, wo bis zum November 1989 die Staatsgrenze verlief. Das Lohnniveau Ost beträgt noch immer zu großen Teilen nur 80 % des Westeinkommens, während der Rentenwert Ost um 3,10 € geringer als der Rentenwert West ist.

Der Berliner Soziale Arbeitskreis Treptow-Köpenick machte dies mit seinen "Lohn-Renten-Grenzpfählen" deutlich, die er an der einstigen Markierung zum Westberliner Bezirk Kreuzberg aufstellte. Die Trennung in Ost- und Westbezieher ist hier deshalb besonders makaber, weil zu Kreuzberg inzwischen auch der frühere Ostberliner Stadtbezirk Friedrichshain gehört, so daß die Lohn- und Rentengrenze mitten durch ein und denselben Kiez verläuft. Ein übler Trick, der den einstigen "Ossis" immer wieder ins Gedächtnis ruft, daß sie vom Staat des deutschen Kapitals nach wie vor als Bürger 2. Klasse behandelt werden.    RF

Raute

RF-Extra

Stéphane Hessels Schrift erzeugt Elektrizität, aber noch keinen elektrischen Strom

Bewegt euch!

Der französische Autor Stéphane Hessel übersiedelte als Siebenjähriger mit seinen Eltern von Berlin nach Paris. Heute ist er 93 Jahre alt. 2010 hat er in seiner Schrift "Empört euch!" Wahrheiten eindringlich und schonungslos benannt.

Der einstige Résistancekämpfer und Buchenwald-Häftling ruft angesichts einer erschreckenden Welt zum Protest auf. Seine Aussagen und seine Haltung verdienen Respekt. Und obwohl ich vorweg sage, daß ich viele seiner Schlußfolgerungen durchaus kritisch sehe, ja, bei manchen gar genau entgegengesetzte Auffassungen vertrete, bin ich froh, seinen Text gelesen zu haben und von diesem Mann zu wissen.

Ich werde den von Hessel beschriebenen Zuständen etliches an Empörenswertem hinzufügen. Vor allem aber will ich zu begründen versuchen, daß Empörung als Gegenteil von Gleichgültigkeit zwar eine Voraussetzung für Veränderungen ist, aber allein noch nichts bewirkt.

Dazu bedarf es des Druckes. Ihn auszuüben aber heißt, gesellschaftliche Gewalt anzuwenden.

Wir erleben von Menschen verursachte Umweltkatastrophen, sehen, wie Fremdenhaß, Rechtsextremismus und Kriminalität um sich greifen, wie sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter öffnet, soziale Errungenschaften verlorengehen, während gewissenlose Konzernbosse, Manager und Banker ihre Profite maximieren. Wir erkennen: Der Kapitalismus ist die rücksichtsloseste und zugleich hinterhältigste Form der Ausbeutung und Unterdrückung aller Zeiten.

Wir haben die Freiheit, uns zu empören, auch angesichts durchaus kritischer Fernsehsendungen zu später Stunde. Wir nehmen wahr, daß nicht Regierungen regieren, sondern Aufsichtsräte, Bankenchefs und Unternehmerverbände.

In Deutschland werden Brosamen als großartige Errungenschaften verkauft. Man streitet darüber, ob Empfänger von Arbeitslosengeld II monatlich 5 Euro mehr erhalten sollen oder nicht. Dabei reicht das nicht einmal für einen Kinobesuch.

Heute sieht man, wie Menschen des reichsten Landes Europas bei "Tafeln" anstehen, während Nahrungsgüterlieferanten und Handelsketten exorbitante Profite einfahren. Ein Drittel aller Lebensmittel wird in der BRD für die Müllhalde produziert, während in Afrika alle fünf Sekunden ein Kind verhungert.

Hessel plädiert dafür, daß alle Menschen das Recht besitzen sollen, in sozialer Sicherheit und Würde zu leben. In Deutschland wird behauptet, daß man diesem Ziel immer näher komme und daß sich die Zahl der Arbeitslosen stark verringert habe. Diese sinkt indes durch statistische Ausgliederung von 1-Euro-Jobbern, Umschülern und Weiterzubildenden, durch die ständige Zunahme von Zeitarbeit oder weil besonders junge Menschen ins Ausland abwandern. Demütig stehen Erwerbslose als "Kunden" der "Arbeitsagentur" Schlange, lassen sich als Hartz-IV-Empfänger erniedrigen.

Die Liste gesellschaftlicher Verwerfungen ist endlos. Stéphane Hessel benennt Egoismus, Lobbyismus, "Boni-Banker und Gewinnmaximierer, die sich keinen Deut ums Gemeinwohl scheren". Und er stellt fest: "Noch nie war der Abstand zwischen den Ärmsten und den Reichsten so groß. Noch nie war der Tanz um das goldene Kalb - Geld, Konkurrenz - so entfesselt."

Hierzulande unternimmt die Bürokratie das Ihre. Sie zementiert nicht nur die von den entfesselten Kapitalisten gewollten Zustände, sondern hält die Mehrzahl der Menschen auch klein, schwach und wehrlos.

Das machen auch die deutschen Medien, nicht nur durch frisierte Nachrichten, Halbwahrheiten, zweckdienliche Kommentare und grelle Schlagzeilen. Auch die Programmgestaltung ist Teil dieser Manipulation: Unzählige Krimis, Gewalt- und Horrorfilme, seichteste Unterhaltung und Werbung. Die "Reichen und Schönen" oder besser die Satten und Nutzlosen werden den Armen zur Erbauung vorgeführt. So darf sich ein Hartz-IV-Empfänger daran erfreuen, daß ein Luxusweibchen der oberen Zehntausend so nebenbei für 100.000 Euro Schmuck kauft, während er sich ein durch die Kasse von der Liste gestrichenes Medikament nicht mehr leisten kann.

Unterdrückt wird Empörung auch dadurch, daß sich eine Vielzahl von Arbeitenden und Rentnern in dem Gefühl wiegt, es gehe ihnen gut. Sie haben keinen Sinn für Ungerechtigkeiten, Unterdrückung, Ausbeutung und Demütigung. Unbewußt stützen sie den Staat und damit das Kapital heckende Kapital. Die gezielte Orientierung auf Konsum als den eigentlichen Sinn des Lebens wirkt schon bei Schulkindern und Jugendlichen. Sie sichert den Bestand des Systems.

Besonders bewegte mich bei Hessel, wie er die französische Résistance und deren Programm für die Nachkriegszeit beschreibt: die Verstaatlichung von Energiekonzernen, Bergbau, Banken und Monopolen gehörte ebenso dazu wie die Ausschaltung privater Herrschaftsdomänen in Wirtschaft und Finanzen ... Klingt das nicht fast nach Sozialismus?

Bemerkenswert ist, daß solche erstrebenswerten Ziele überhaupt postuliert wurden und daß Hessel die Teilnahme der FKP an der Erarbeitung des Programms erwähnt. Wenn heute in Deutschland jemand das Wort "Kommunismus" (der ja außerhalb der Theorie noch nie existiert hat) in den Mund nimmt, wird er gleich zum Verbrecher gestempelt.

Hessel weist die herrschende Gesellschaftsauffassung zurück, welche "als treibende Kraft die Konkurrenz, das Streben nach immer noch mehr" sieht. Vielleicht unbewußt definiert er "Freiheit" in der Weise, daß sie nur dem gehört, der Geld besitzt und aus diesem noch mehr zu machen versteht. Hessel vertritt die Auffassung, die Geschichte schreite voran, "bis am Ende der Mensch seine vollständige Freiheit erlangt hat und damit der demokratische Staat in seiner idealen Form entstanden ist".

Doch die Geschichte schreitet nicht von selbst voran, sie wurde und wird von Menschen gemacht, so oder so, besser oder schlechter. Und der "ideale demokratische Staat" entsteht ganz gewiß nicht von allein oder dadurch, daß "Unterdrücker und Unterdrückte über das Ende der Unterdrückung verhandeln", wie Hessel es sich wünscht. Sofern Unterdrücker nicht erheblichen (gewaltsamen) Druck verspüren, lassen sie sich auf gar nichts ein. Die Hitlerfaschisten haben erst mit ihren Gegnern "verhandelt", als sie in Karlshorst ihre bedingungslose Kapitulation unterzeichnen mußten!

Die gesamte menschliche Geschichte war eine Geschichte von Kämpfen, Kriegen, Revolutionen, gewaltsamen Erhebungen - Marx spricht von Klassenkämpfen. In ihrem Verlauf bildete sich die Polarisierung zwischen Unterdrückern und Unterdrückten heraus. Von der Urgesellschaft abgesehen, gab es diese zu allen Zeiten. Allerdings haben sich die Methoden im Lauf der Jahrtausende gewandelt. Kreuzigung und Gladiatorentod, Scheiterhaufen, Vierteilen und Gaskammer gehören der Vergangenheit an. Folter, Steinigung und Galgen werden hier und da noch immer praktiziert, elektrischer Stuhl und Giftspritze sowieso. Oft aber ist die Unterdrückung inzwischen so ausgeklügelt, daß die Unterdrückten ihrer gar nicht gewahr werden.

Der deutsche Kapitalismus hat aus früheren Zeiten gelernt: Selbst Hartz-IV-Empfänger können sich noch ernähren, haben ein Dach über dem Kopf und müssen nicht frieren. Krassestes Elend wie in den 20er Jahren oder heute in vielen Teilen der Welt suchen "unsere" Kapitalisten zu vermeiden.

Die eigentliche Unterdrückung besteht in der Gewalt der Medien, in den Verlautbarungen von Presse, Rundfunk und Fernsehen. Ihren Ausdruck findet sie im verwirrenden Politikergeschwätz, in der Anwendung modernster Abhörtechniken und Überwachungskameras, im Datenmißbrauch und dem Eindringen in Computer. Zum Unterdrückungsapparat gehören neben Justiz, Polizei und Bundeswehr auch Arbeitsagenturen, Zeitarbeitsfirmen und die Vorgesetztenhierarchie. Es gibt keinen Bereich des Staates, der neben seinen spezifischen Aufgaben nicht auch die Funktion der Unterdrückung hätte. Das komplizierte Herrschaftsgeflecht von dem Kapital dienenden Mechanismen zur Verbreitung von Desinformationen und Halbwahrheiten, zum Ausstreuen von Gerüchten und zur Ausgabe von Parolen sowie zur Stigmatisierung kann ein Normalbürger kaum erkennen.

Haben da kritische Fernsehsendungen überhaupt noch Wirkung? Werden wegen erwarteter Proteste künftig keine Castor-Behälter mehr transportiert?

Die sogenannte Energiewende in Deutschland wurde nicht durch Demonstrationen gegen die Atomlobby oder grünen Protest ausgelöst. Das hat das Atom selbst gemacht: Fukushima! Und schon werden den Deutschen bei Wegfall der Kernkraft höhere Strompreise angekündigt. Aus ständig wachsender Existenzangst als Folge von Inflation, Eurokrise, Bankencrashs und Staatspleiten dürften sich die Berufstätigen noch ängstlicher an ihre Arbeitsplätze klammern.

Überdies gibt es eine sehr subtile Methode der Unterdrückung: das Konsumsystem und dessen Werbung. Schon den Kleinsten werden künstliche Bedürfnisse aller Art aufgezwungen. Nicht Elternliebe oder das Fröschlein in der Wiese, sondern "Haribo macht Kinder froh!" Beim Heranwachsenden steigert sich psychologisch fein ausgeklügelte Beeinflussung, die zum Wetteifern vieler Schüler um Markenbekleidung führt.

Unablässig werden Menschen durch hektische, hämmernde, einschmeichelnde, hochstapelnde, lügende Konsumwerbung zurechtge- und verbogen, gedrängt, sich von den echten Werten des Lebens immer mehr abzuwenden. Egal, um was es sich handelt - selbstkochende Küchen, elektrische Bierflaschenöffner, Traumhäuser, Traumreisen oder Traumpillen -, man muß alles haben, sonst ist man kein richtiger Mensch! Natürlich tarnen jene, welche uns anstelle der "Regierenden" wirklich regieren, ihr verderbliches Tun. Selten geben sie eigene politische Statements ab. Das machen ihre Hampelfrauen und Hampelmänner in Kabinetten und Parlamenten. Die Drahtzieher bleiben lieber im Hintergrund oder zeigen sich allenfalls als lächelnde Menschenfreunde.

Hessel plädiert für einen "Aufstand der Friedfertigkeit": "Wir müssen radikal mit dem Rausch des 'Immer noch mehr!' brechen, in dem die Finanzwelt, aber auch Wissenschaft und Technik die Flucht nach vorn angetreten haben."

Hier wäre zu fragen: Wie brechen, noch dazu "radikal"? Durch Sich-Empören und Verhandeln?

"Wir müssen den Weg der Gewaltlosigkeit gehen lernen", rät Hessel, um hinzuzufügen: "Engagiert Euch!" Das ist auch der Titel einer weiteren Schrift.

Empörung, Gewaltlosigkeit, Friedfertigkeit, Engagement?

In Griechenland (50 % Jugendarbeitslosigkeit) und Spanien (40 %) gingen in diesem Jahr überwiegend junge Leute auf die Straße. Sie engagierten und empörten sich, gewaltlos. Was aber geschah?

Sie wurden mit Wasserwerfern angegriffen und von Polizeikräften zusammengeschlagen.

Der Staat geht überall - auch in der BRD - gewaltsam gegen sich gewaltlos Empörende vor. Friedfertigkeit und Verzicht auf Gewalt wird von den Unterdrückern mit rücksichtslosem Gewalteinsatz beantwortet.

Hessel hat alles analysiert: Die kapitalistische Gesellschaft ist schlecht, Manager, Banker, Vorstandsbosse, Regierende belügen und betrügen uns. Sie tun alles, damit ihre Pfründe gesichert bleiben. Was er dazu feststellt, kann man getrost unterschreiben.

Wir sind wütend, engagieren uns, kommen in kleinen oder größeren Gruppen zusammen. Wie aber soll ein echter Wandel des Systems erreicht werden?

Stellen wir uns vor, wir befänden uns auf Hessels Weg der Empörung und des Engagements. Er führt durch schier endlosen Dschungel. Wir gehen ihn in der Hoffnung, irgendwann das Ziel zu erreichen: die wirklich gerechte, soziale, humanistische, von Unterdrückung und Betrug freie Gesellschaft. Aber bloße Empörung bringt uns dem Ziel nicht näher!

In allen bisherigen Ausbeutergesellschaften wurde das hehre Streben der Masse durch die Herrschenden mit geistiger und körperlicher Gewalt zunichte gemacht. Sie blockieren auch heute den Weg dorthin.

Und da sollen wir uns bloß empören, unsere Gehirne weiter zum Vernebeln und unsere Körper zum Draufschlagen hinhalten?

Wer uns angesichts friedlich vorgetragener und berechtigter Forderungen wie in Heiligendamm mit Gewalt bedroht, dem müssen auch wir mit Gewalt drohen! Dabei dürfen wir uns nicht mit jenen gemein machen, die Gewalt jeglicher Art und zu jedem Zweck anpreisen. Wir müssen vernünftige Möglichkeiten der Gewalt ausloten und definieren: keine Gewalt mit Waffen, Molotowcocktails und Sprengsätzen! Keine Gewalt, die Gesundheit und Leben von Menschen bedroht! Aber Gewalt mit allen geistigen Mitteln, mit Flugblättern, Internet, Publikationen, verstärkter und effizienter Kommunikation zwischen den unglaublich vielen Menschen, die diese Gesellschaft verändern wollen.

Gewalt auch durch machtvolle Aktionen - darunter politische Streiks bis zum Generalstreik! Es sollte wie in Griechenland, Frankreich und Italien gestreikt werden, wann immer wir es wollen, egal, ob uns die Gesetze der Kapitalisten und ihrer Gefolgsleute das erlauben!

Es geht um Massenbewegungen und Massenkämpfe, allerdings nicht um solche, bei denen sinnlos Kräfte gebunden und vergeudet werden.

Dresden hat gezeigt, wie man Nazis den Weg verlegt! Hunderttausende sollten zum Reichstag marschieren, Millionen müßten es in ganz Deutschland sein.

Also empört Euch nicht nur, bewegt Euch auch!

Warum aber tut Ihr es nicht? Das ist die letzte Frage, die mich umtreibt.

Warum macht Ihr nur halbe Sachen? Hier ein paar Prozente mehr Lohn, dort ein Fluglotsenstreik oder die endlose Geschichte von Stuttgart 21 und den Castor-Protesten ...

Ihr seid zu bescheiden, weil Ihr meint, das Wenige, das sie Euch zubilligen, könntet Ihr verlieren, würdet Ihr stark und mutig kämpfen. Das Motiv des kriminellen Kapitalismus ist einzig und allein Gier! Der ganze Lebenssinn einer winzigen Gruppe von Menschen besteht darin, sie zu befriedigen. Sie gilt nicht nur Kapital und Profit, sondern vor allem auch Macht über Menschen, ganze Völker, die Welt! Die so handeln, können das nur, weil Ihr es ihnen erlaubt und sie es Euch gnädigerweise gestatten, Eure eigene, kleine und begrenzte Gier nach Konsum ebenfalls zu befriedigen. Sie vernebelt Eure Gehirne. Kommt endlich aus diesem Nebel heraus! Erkennt, was hinter den glatten Manieren der Aufsichtratsbosse, hinter dem Demokratie- und Gerechtigkeitsgesäusel von Politikern und deren scheinbarer Menschlichkeit steckt.

Erhebt Euch aus Angst, Obrigkeitshörigkeit und falscher Bescheidenheit! Dann seid Ihr in der Lage, die Dinge wirklich zu ändern. Bewegt Euch!

Manfred Kubowsky


Unser Autor ist Schriftsteller, Maler und Buchgestalter. Dieser Beitrag beruht - gekürzt und redaktionell bearbeitet - auf seiner im August 2011 bei Nordwindpress erschienenen Streitschrift "Bewegt Euch!" ISBN 978-3-934411-60-9. Diese ist beim Autor erhältlich: M. Kubowsky, Dorfstraße 41, 17279 Lychen, OT Rutenberg, Tel. 039 888-53 98 96, Fax 039 888-53 99 04

Raute

Die Wahrheit über den Korea-Krieg

Als USA-Präsident Trumans General MacArthur nach Atombomben schrie

Der als linksliberal geltende und über Geschichtsthemen schreibende USA-Publizist David Halberstam (1934-2007) hat in seinem Buch "The Coldest Winter" (Der kälteste Winter) seine Sicht auf die erste große Aggression des Imperialismus nach dem Zweiten Weltkrieg dargestellt. "The Guardian", das Wochenblatt der australischen Kommunisten, veröffentlichte eine dreiteilige Artikelserie als Rezension. Unser Beitrag faßt Wichtiges zusammen.


Nach der Niederlage Japans, das Korea als seine Kolonie betrachtet hatte, wurde das Land 1945 de facto in zwei Hälften geteilt: den mit Hilfe sowjetischer Truppen befreiten Norden und Südkorea, das weiterhin von den alten "Eliten" kontrolliert wurde. Am 9. August - genau drei Monate nach der bedingungslosen Kapitulation Nazi-Deutschlands - trat die UdSSR, wie sie es auf den Konferenzen der Alliierten in Teheran und Jalta zugesagt hatte, in den Krieg gegen das kaiserlich-militaristische Japan ein. Tokio, das mit Deutschland und Italien eine Achse gebildet hatte, gab nach den beiden Atombombenabwürfen der U.S. Air Force über Hiroshima (6. August) und Nagasaki (9. August) nicht sofort auf, sondern zögerte das Kriegsende noch hinaus. Kaiser Hirohitos Umgebung vertrat zunächst die Meinung, Japans Hauptinseln so lange verteidigen zu können, wie die in der Mandschurei stationierte Kwantung-Armee ihre Kampfkraft nicht verloren habe.

Die Rote Armee griff die Japaner sofort massiv an, und schon nach wenigen Tagen begann sich das Blatt zu ihren Gunsten zu wenden. Sowjetische Fallschirmjäger wurden über Nordkorea abgesetzt, um den japanischen Truppen den Rückzugsweg über die Halbinsel abzuschneiden. Diese Operation schuf für Moskau günstige Ausgangsbedingungen, ganz Korea noch vor dem Eintreffen der Amerikaner unter Kontrolle bringen zu können.

Doch Washington durchkreuzte solche Pläne. Getreu ihrer Strategie der "Eindämmung des Kommunismus" beschloß die US-Führung, "den Fuß in die koreanische Tür zu setzen". Sie ließ verlauten, der 38. Breitengrad solle fortan als Trennlinie zweier Einflußsphären gelten. Auf das südlich davon gelegene Territorium erhoben die USA Anspruch, worauf sich Stalin einlassen mußte. Als dann am 15. August ein Waffenstillstand mit Japan verkündet wurde, befanden sich die nächsten US-Verbände noch weit von Koreas Gestaden entfernt - auf der Insel Okinawa. Moskau taktierte - angesichts des gerade erst erfolgten Kernwaffeneinsatzes der USA - vorsichtig und abwartend.

Erst am 8. September traf ein vom Pentagon entsandtes Vorkommando in Südkorea ein. Im Norden hatten unterdessen Verbände der Roten Armee unter General Chistiakow nicht nur die Einheiten des japanischen Heeres und der Polizei außer Gefecht gesetzt, sondern auch die dortige Kolonialverwaltung samt ihrer Kollaborateure zerschlagen. An deren Stelle waren mit der UdSSR sympathisierende, meist linksorientierte Koreaner getreten. Eine radikale Bodenreform führte schon bald zum Ende der Feudalherrschaft auf dem Lande.

Südlich des 38. Breitengrades hatte in Seoul der japanische Generalgouverneur Abe - ein Militär - die Regierungsgewalt an den linken Sozialdemokraten Yo Un Hyong übergeben, der ohne Zögern ein "Komitee zur Vorbereitung auf die Koreanische Unabhängigkeit" (KVKU) ins Leben rief. Am 6. September kündigte dieses die Bildung einer provisorischen Regierung für ganz Korea an. Sie sollte aus Rechten wie Linken bestehen. Für den Vorsitz war die spätere US-Marionette Syngman Rhee (Li Syng Man) ausersehen, für den Posten des Stellvertreters Yo Un Hyong. Zum Verteidigungsminister sollte Kim Il Sung berufen werden. Der erwogene Staatsname lautete: Koreanische Volksrepublik. Ohne Zweifel wäre einer Konstellation dieser Art im Falle sofort abgehaltener Wahlen die Unterstützung der Mehrheit des koreanischen Volkes sicher gewesen. Nippons noch im Lande befindliche Kolonialbürokratie zeigte sich in höchstem Grade alarmiert. Sie drang auf die unverzügliche Ausschaltung des KVKU und forderte die USA auf, schnellstens Truppen nach Korea zu entsenden, um dort "die Ordnung wiederherzustellen".

Als US-General Hodge am 8. September in Seoul eintraf, unterstellte er, daß sich hinter dem KVKU eine "von Moskau gelenkte kommunistische Verschwörung" verberge. Er ließ die japanische Kolonialverwaltung in Südkorea reorganisieren. Aus Japan erteilte der US-Oberkommandierende Fernost, General Douglas MacArthur, den Befehl, die Koreaner "wie ein befreites Volk" zu behandeln. Unverzüglich wurden nun rechtsorientierte und "kooperationswillige" Elemente, denen man japanische "Berater" an die Seite stellte, für Verwaltungsämter aller Ebenen rekrutiert. Zugleich begann ein antikommunistischer Amoklauf. Sämtliche dem KVKU nahestehende Sozialisten und Kommunisten - darunter auch Yo Un Hyong - wurden in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ermordet.

Die Antwort waren den ganzen Süden erfassende Streiks und andere Massenaktionen. Sie gipfelten 1946 im Augustaufstand. Die US-Verwaltung verhängte nun das Kriegsrecht und untersagte jegliche Arbeitsniederlegungen.

Doch der Kampf ging weiter. Am 3. April 1948 erhoben sich Arbeiter und linke Militärs überall in Südkorea. Die Antwort war Terror ohne Ende. 60.000 Menschen wurden von der Polizei sofort niedergemetzelt. Die Bluttat ging als Jeju-Massaker in Koreas Geschichte ein. Sechs Monate später installierten die USA dann ihre "Republik Korea" mit "Präsident" Syngman Rhee an der Spitze.

Wochen später fanden im Norden, wo sich die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK) konstituiert hatte, Wahlen statt, aus denen Kim Il Sungs Partei der Arbeit als Sieger hervorging. Sie bildete die Regierung mit Sitz Pjongjang.

Die Biographien der beiden koreanischen Gegenspieler konnten nicht unterschiedlicher sein!

Syngman Rhee - ein zum Christentum konvertierter prowestlicher "Demokrat" -wurde an den US-Elite-Universitäten Harvard und Princeton ausgebildet, kannte mehrere Präsidenten der Vereinigten Staaten persönlich und galt überdies als Protegé des chinesischen Kuomintang-Führers Chiang Kai-shek. Dieser empfahl General MacArthur, seinen Zögling als "Staatschef" Südkoreas zu installieren.

Demgegenüber stammte der 1912 geborene Kim Il Sung aus einer nordkoreanischen Bauernfamilie, die - um der extremen Ausbeutung und Armut zu entgehen - in die Mandschurei emigrierte, wo der Heranwachsende die chinesische Sprache erlernte und politisiert wurde.

Wegen Mitgliedschaft in einer kommunistischen Jugendgruppe eine Zeitlang inhaftiert, schloß er sich Partisanen an, als die Japaner in die Mandschurei einfielen. Ein Jahrzehnt lang beteiligte er sich aktiv am bewaffneten Kampf - zunächst in den Reihen der Nordöstlichen Vereinigten Antijapanischen Armee unter dem Befehl des chinesischen Generals Yang Jingyen, dann als Kommandeur einer koreanischen Einheit. 1940 wurde von den Japanern eine Kopfprämie von 200.000 Yen auf ihn ausgesetzt. Nachdem Kim Il Sung den Häschern auf sowjetisches Territorium hatte entkommen können, wurde er in die 88. Unabhängige Spezial-Scharfschützenbrigade der Roten Armee aufgenommen. Als Moskaus Wunschkandidat für die Spitzenfunktion in der koreanischen KP vermochte er etliche erfahrenere Funktionäre zu "überholen".

In den Jahren zwischen 1945 und 1950 erwarb sich Kim Il Sung im gesamtkoreanischen Maßstab ein deutlich höheres Ansehen als sein älterer Gegenspieler Syngman Rhee, wozu seine Vergangenheit als gestandener antijapanischer Kämpfer zweifellos beitrug. Wenn die 1947 geforderten gesamtkoreanischen Wahlen unter UN-Aufsicht tatsächlich stattgefunden hätten, wäre ein Sieg Kim Il Sungs wahrscheinlich gewesen. Doch Moskau wandte sich damals im Weltsicherheitsrat, zu dessen Veto-Mächten die UdSSR bekanntlich gehörte, gegen von den Vereinten Nationen überwachte Wahlen, weil es die Weltorganisation nicht grundlos als Vehikel der USA betrachtete.

1950 begann der Millionen Opfer fordernde Koreakrieg. Nach heutiger Erkenntnis überschritten nordkoreanische Einheiten am 25. Juni in Zurückweisung einer massiven gegnerischen Provokation den 38. Breitengrad. Die Truppen der In Min Gun, wie sich die koreanische Volksarmee nannte, konnten anfangs bedeutende Territorialgewinne erzielen. Schon nach zwei Tagen hatten sie die Hauptstadt Seoul eingenommen. In heller Panik flüchtete sich die Clique Syngman Rhees in noch brutaleren Terror. Von diesem zeugte das Bodo-League-Massaker. Diesen Namen trugen die "Umerziehungslager" des Regimes, in denen vor allem Kommunisten und andere Linke gefangengehalten wurden. Am 27. und 28. Juni erfolgten in Daejeon und an anderen Orten unzählige Exekutionen. Tausende Leichen wurden eiligst in Massengräbern verscharrt. Während die südkoreanische Polizei nach vorangegangenen Verschleierungsmanövern schließlich 10.000 Morde zugab, gehen seriöse Untersuchungen von mindestens 100.000 Opfern des weißen Terrors aus. MacArthur bezeichnete das Blutbad als "innere Angelegenheit Südkoreas".

In aller Eile auf die Halbinsel geworfene US-Einheiten waren indes außerstande, den Vormarsch der In-Min-Gun-Verbände aufzuhalten. Der Krieg für die Wiedervereinigung Koreas wäre Weihnachten 1950 vermutlich beendet gewesen, hätte die Volksarmee die strategische Hafenstadt Pusan einzunehmen vermocht.

Die UdSSR und die VR China hatten die militärischen Auseinandersetzungen in Korea zunächst als Bürgerkrieg betrachtet und sich deshalb herausgehalten. Als der Konflikt dann aber eskalierte, war der sowjetische Sitz im UN-Sicherheitsrat vakant. Aus Protest gegen die Weigerung des Gremiums, das chinesische Mandat der VR China zuzuerkennen und die widerrechtliche Teilnahme Taiwans zu beenden, hatte Moskau beschlossen, die Beratungen des Sicherheitsrates zeitweilig zu boykottieren. So fehlte das Veto der UdSSR, als der heimtückische Antrag eingebracht wurde, die von den USA, Großbritannien, Frankreich, Australien und 16 weiteren Staaten vorbereitete Intervention auf seiten Südkoreas mit der UNO-Flagge zu tarnen.

Der Mensch erfand die Atombombe, doch keine Maus der Welt würde eine Mausefalle konstruieren.
Albert Einstein (1879-1955)

Der Eilmarsch der Truppen Kim Il Sungs in Richtung Pusan hatte deren Nachschublinien ausgedünnt. Unter Nutzung ihrer totalen Luftüberlegenheit setzte die U.S. Air Force die In Min Gun im Süden einem Napalm-Regen ohnegleichen aus. Am 15. September landeten die Amerikaner überdies mit gepanzerten Amphibienfahrzeugen tief im Rücken der Volksarmeeverbände an der Westküste bei Inchon unweit von Seoul. Das änderte die strategische Situation schlagartig. Um Seoul zurückzuerobern, ließ MacArthur die Metropole in Schutt und Asche legen.

Nach dem Scheitern der Volkskräfte im Süden überschritten die als UNO-Truppen verkleideten Verbände der imperialistischen Allianz auf der gesamten Frontlinie den 38. Breitengrad. Am 14. Oktober fiel die nordkoreanische Hauptstadt Pjongjang. Die Aggressoren drangen bis zu den Flüssen Jalu und Tumen vor, welche die Grenze der DVRK zur VR China bilden. MacArthur und sein Stab waren von politischen Beobachtern wiederholt darauf aufmerksam gemacht worden, daß ein solcher Vorstoß die territoriale Integrität Chinas tangiere, was zu ernsten Konsequenzen führen könne. Doch der sieggewohnte und arrogante General schlug alle Warnungen in den Wind - selbst die frühzeitig abgegebene Erklärung Chinas, man werde keine feindliche Armee an den eigenen Landesgrenzen dulden. Zugleich war klar, daß mit einem direkten sowjetischen Eingreifen nicht zu rechnen sein werde.

Nachdem das Politbüro der KP Chinas diesbezügliche Beschlüsse gefaßt hatte, wurde General Peng Dehuai - ein hochverdienter Veteran des "Langen Marsches" - zum Befehlshaber einer aus Hunderttausenden Volksfreiwilligen formierten Armee ernannt, die gutgetarnt den Jalu überquerte und am 19. Oktober in Nachtmärschen sowie unter strengster Geheimhaltung in das nordkoreanische Bergland vordrang. Dem waren Bombenangriffe der U.S. Air Force auf grenznahe Städte und Ortschaften Chinas vorausgegangen, bei denen auch bakteriologische Waffen eingesetzt wurden.

Die völlig überrumpelten US-Truppen reagierten panisch und wurden gezwungen, den raschesten Rückzug ihrer Geschichte anzutreten. Sie kopierten dabei die faschistische "Taktik der verbrannten Erde", indem sie die Infrastruktur des Nordens nahezu auslöschten. General MacArthur, der in den Augen der Truman-Administration jegliche Glaubwürdigkeit verloren hatte, beschwerte sich nun über mangelnde Unterstützung des Pentagons. Er griff zum letzten Mittel, indem er kategorisch Vollmachten zu Atomschlägen gegen China verlangte. Doch Präsident Truman - der "Held" von Hiroshima und Nagasaki - behielt sich dieses "Recht" selbst vor und feuerte seinen General, der persönlich nicht eine einzige Nacht auf dem Kriegsschauplatz zugebracht hatte. MacArthurs Posten übernahm Matthew Ridgeway mit der Order, das drohende militärische Debakel doch noch abzuwenden. Er reorganisierte die U.S. Air Force, indem er ältere Flugzeugtypen verschrotten und schwere Bomber - darunter die Superfestung B-29 - ohne Unterbrechung mörderische Angriffe fliegen ließ. Wie Bruce Cummings von der University of Chicago errechnete, wurden über Nordkorea mehr Bomben- und Napalm-Tonnagen abgeworfen als während des Zweiten Weltkrieges im gesamten pazifischen Raum. Doch die Luftüberlegenheit der "UN-Kräfte" half diesen am Ende nichts und wurde durch die Stärke der chinesisch-nordkoreanischen Bodentruppen kompensiert.

Schließlich besaß die US-Führung, die "den Kommunismus" aus ganz Korea hatte vertreiben wollen, nicht mehr den Nerv zum Durchhalten. Im Juli 1951 begannen zunächst in der am 38. Breitengrad gelegenen alten koreanischen Hauptstadt Kaesong Gespräche über einen Waffenstillstand, die später in Panmunjom ihre Fortsetzung fanden. Doch der Krieg ging dessenungeachtet mit großer Erbitterung weiter, nachdem es zur Unterbrechung der Verhandlungen gekommen war. Die Verluste erinnerten an Verdun.

Erst am 16. Juli 1953 fanden die blutigen Schlachten ihr Ende. Am 27. Juli wurde nach einem vorangegangenen "provisorischen" ein "permanenter" Waffenstillstand vereinbart und eine zwei Kilometer breite Demilitarisierte Zone um Panmunjom festgelegt.

Während die VR China 1958 ihre Freiwilligenverbände aus Nordkorea abzog, unterhalten die USA bis heute 27 Militärstützpunkte in Südkorea, auf denen noch immer 27.000 GIs stationiert sind. Jahr für Jahr führen diese zusammen mit Einheiten der Seouler Armee in Grenznähe zur DVRK "abgestimmte Manöver" durch.

RF, gestützt auf "The Guardian", Sydney


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Atombomben-Präsident Harry S. Truman und sein nicht minder kernwaffenwütiger Korea-Befehlshaber General Douglas MacArthur

Ende RF-Extra

Raute

Wem die Bolivarische Republik Venezuela ihren Namen verdankt

Der Befreier als Pate

Historiker in aller Welt sprechen von Bolívar - für die Venezolaner aber ist er El Libertador - der Befreier. Ein genialer Mann, befehligte er seine Truppen in Schlachten und legte den Grundstein für nicht weniger als fünf lateinamerikanische Nationen. Er war Staatsmann und Gesetzgeber, erarbeitete Verfassungen, wußte um die Macht des Wissens, sorgte für Schulbildung der indigenen Völker und die Befreiung der Sklaven afrikanischer Abkunft.

Simón Bolívar y Palacios kam am 24. Juli 1783 im heutigen Venezuela zur Welt. Seine Vorfahren lebten schon seit dem 16. Jahrhundert auf dem südamerikanischen Subkontinent.

Nachdem sich am 19. April 1810 im Ergebnis erbitterter Kämpfe in Venezuela eine Höchste Regierungsjunta etabliert hatte, schickte diese zwei Abgesandte - darunter Bolívar - mit den Befugnissen diplomatischer Vertreter nach London, um dort die Anerkennung der politischen venezolanischen Bewegung zu erreichen. Der spätere Befreier verhehlte schon bei dieser Gelegenheit nicht, daß das Ziel der Erhebung darin bestehe, die absolute Unabhängigkeit Venezuelas zu erlangen. Doch die königliche Reaktion gewann bei den anhaltenden Auseinandersetzungen militärisch rasch an Boden. Am Ende stand die Kapitulation der unter sich uneinigen, durch Rivalitäten zerrissenen Kämpfer der venezolanischen Revolution.

Auf die Proklamierung der Ersten Republik und deren Niedergang folgte ein langwieriger Prozeß, in dem Bolívar sehr kontroverse Erfahrungen sammeln mußte. Er verließ Venezuela und ging zunächst auf die niederländische Antilleninsel Curaçao ins Exil, dann nach Cartagema de Indias. Von dort kehrte er dann wieder zurück, um seine "Bewundernswerte Kampagne" zu beginnen, bei der ihn zahlenmäßig starke Truppen begleiteten. Nach Tag- und Nachtmärschen zog er mit diesen am 7. August 1813 in Caracas ein, wo er zum Befreier erklärt wurde.

Im Unterschied zur Ersten konnte sich die Zweite Venezolanische Republik auf eine wesentlich breitere soziale Basis stützen. Aus Rückschlägen und Erfolgen gewann Bolívar eine wichtige Erkenntnis: daß eine möglichst umfassende Einheit der revolutionären Kräfte notwendig ist.

Doch die alten Konflikte brachen bald wieder auf. Der Befreier wurde entmachtet und gefangengenommen. 1814 gelang Bolívar die Flucht auf die Antillen. In Kingston verfaßte er am 6. September 1815 ein historisches Dokument, das als "Brief aus Jamaika" bekannt geworden ist. Darin kündigte er die Gründung eines aus befreiten Gebieten entstehenden Staates Kolumbien an. Auch der Aufenthalt Bolívars in Haiti war von besonderer Tragweite.

Sein persönlicher Freund Präsident Peton bekundete ihm im Namen einer schwarzen, geächteten und erniedrigten Republik seine internationalistische Solidarität und bestärkte Bolívar in dem Glauben, sich für eine gemeinsame Erlösung aller Völker Lateinamerikas einsetzen zu müssen.

1817 betrat der Befreier im venezolanischen Barcelona erneut den Boden des Festlandes. Und wieder wurde vor allem Venezuela sein Kampffeld, wobei er diesmal viele Getreue an seiner Seite wußte. Abermals bemühte er sich um die Organisierung des Staates. Am 7. August 1819 - unmittelbar nach dem Sieg in der Schlacht von Boyacá - wurde auf dem Kongreß von Angostura die Gründung Kolumbiens vollzogen. Am 24. Juni 1821 beschleunigte der Triumph in der Schlacht von Carabobo auch die Befreiung Venezuelas. Nur fünf Tage später zog Bolívar ein zweites Mal als Sieger in Caracas ein. Der Kongreß von Cúcuta wählte ihn zum Präsidenten der Republik. Als Bolívar dann für den 7. Dezember 1824 ein Treffen der unabhängigen Länder des Kontinents nach Panama einberief, fehlten nur noch ganze 48 Stunden bis zur Proklamierung der Republik Peru, mit der Spaniens koloniales Vizekönigtum sein Ende fand.

Doch die engstirnige Politik Madrids führte zur Entsendung eines zahlenmäßig starken Expeditionskorps unter Morillo, der den Auftrag hatte, das verlorene Terrain zurückzuerobern. Die Gründung der neuen Republiken und die von diesen abgegebenen Unabhängigkeitserklärungen lösten bei der Heiligen Allianz europäischer Mächte blankes Entsetzen aus. Auch im Norden war die Entwicklung in der Südhälfte des Kontinents mit großer Besorgnis aufgenommen worden. Die Einmischungsdrohung folgte schon bald. Einer überlieferten Korrespondenz zwischen diplomatischen Agenten der Vereinigten Staaten mit ihrer Regierung konnte man die Absicht entnehmen, Großkolumbien zu entmachten, den Befreier zu ermorden und jeglichen bolivarischen Einfluß für immer auszuschalten.

Zwischen 1826 und 1830 kämpfte der bereits physisch geschwächte Bolívar mit allen ihm verbliebenen Kräften um ein Überleben jenes politischen Systems, das er gegen enorme Widerstände geschaffen hatte. An Patricio Campbell schrieb er damals: "Die Vereinigten Staaten scheinen von der Vorsehung dazu bestimmt zu sein, Amerika im Namen der Freiheit mit Armut zu überschütten."

Bolívars Vision wurde für eine lange Periode zur finstersten Realität.

Inzwischen sind Bolivien, Ekuador und andere Staaten der Region - dem Beispiel Kubas, das seine Ketten schon 1959 sprengte, folgend - auf den Weg einer selbstbestimmten Politik eingeschwenkt. Und Venezuelas Staatsbezeichnung hat sogar den Namen des Befreiers in sich aufgenommen. Bolivarische Republik. Mehr als ein bloßes Bekenntnis, ist das ein Fanal.

RF, gestützt auf "Granma Internacional", Havanna

Raute

Abgekartetes Spiel, Machtgerangel oder Richtungsstreit?

Vor dem Ämtertausch in Moskau

Am 24. September meldete Wladimir Putin - derzeit "nur" Moskauer Regierungschef - auf dem Kongreß seiner handzahmen Partei "Einheitliches Rußland" Ansprüche auf einen erneuten Einzug in den Kreml an. Der amtierende "Staatspräsident" Dmitri Medwedjew, den nur wenige tatsächlich für die Nr. 1 der russischen Politik halten, fügte sich scheinbar widerstandslos in die Rolle des künftigen Ministerpräsidenten. Die Presse sprach von einem "abgekarteten Ämtertausch". Es gab auch Kommentatoren, die den Vorgang als "laues politisches Wechselbad" werteten.

Sicher deutet manches daraufhin, daß Medwedjew lediglich als "Platzhalter" für Putin fungiert hat, wobei unverkennbar sein dürfte, daß der weitaus Jüngere zunehmend selbst Gefallen am Präsidentenjob gefunden hat. Nicht wenige meinen deshalb, Medwedjew sei zwar anfangs nur ein Strohmann des erfahrenen, energischen und vor allem machtbesessenen früheren Geheimdienstoffiziers Putin gewesen, habe dann aber eigene Ambitionen entwickelt. Dabei sei er vom Westen gehätschelt worden.

Ohne Zweifel hat die jüngste Moskauer Inszenierung in NATO- und EU-Kreisen keine Begeisterung ausgelöst, zumal der Westen längst seine Option für den in diese Richtung schielenden Medwedjew getroffen hatte. Die Stäbe des Militärpaktes wie der durch Berlin und Paris dominierten EU setzten voll auf den heutigen Präsidenten. Rußlands überwiegend aus dem Wirtschaftsflügel der KPdSU- und der Komsomol-Nomenklatura hervorgegangene neue Bourgeoisie ist sich in dieser Personalfrage mit den Imperialisten des Auslands durchaus einig, gilt doch Medwedjew in ihren Augen als biegsam, zugänglich und kooperationswillig. So hoffte man im Westen auf eine dauerhafte Verdrängung Putins von der russischen Staatsspitze. Die renommierte französische Zeitung "Le Monde" urteilte, mit ihm sei der Kreml in der Hand eines großrussischen Chauvinisten gewesen, der in der Zeit seiner Präsidentschaft als weit weniger pflegeleicht gegolten habe als der eher kosmopolitisch orientierte Medwedjew.

Befürchtet wird in diesen Kreisen, daß bei einer Rückkehr Putins in das Präsidentenamt erneut eine Situation eintreten könnte, in der mit Moskau "schlecht Kirschen essen" ist.

Tatsächlich hatte sich Medwedjew in bestimmten Schlüsselfragen - vom Verzicht auf einen Protest gegen den NATORaketenschirm bis zum Absehen von einem russischen Veto im UN-Sicherheitsrat gegen die Freigabe Libyens zum Abschuß durch die imperialistischen Mächte - bereitwilliger als Putin westlichen Vorgaben angepaßt. Von Kennern der Szene wird übrigens eine härtere Gangart Moskaus gegenüber antisyrischen Vorstößen des Westens in diesem Gremium vor allem als Ergebnis Putinschen Druckmachens gewertet. Überdies vertreten politische Beobachter der Moskauer Szene die Ansicht, Rußlands derzeitiger Premier habe trotz seiner offiziellen "Rückstufung" in außenpolitischen Fragen die Zügel zu keiner Zeit aus der Hand gegeben.

Während der trotz seiner zur Schau gestellten Blasiertheit und Arroganz weichliche Medwedjew von manchen im Westen als "neuer Gorbatschow" gefeiert wurde, verzieh man Putin nicht, daß er es an der Bereitschaft hatte fehlen lassen, den imperialistischen Großmächten in vorauseilendem Gehorsam die Schlüssel zum Kreml auszuhändigen. Besonders verübelte man ihm seine im letzten Herbst publik gewordenen Überlegungen zu einer "Euro-Asiatischen Union", der außer Rußland auch andere frühere Sowjetrepubliken angehören. Als Sprachrohr der französischen Großbourgeoisie vertrat "Le Monde" hierzu die Auffassung, ein solches Projekt sei "mit einer Annäherung Rußlands an die EU und die Welthandelsorganisation (WTO) wenig vereinbar". Putin, der das Trojanische Pferd einer "strategischen Partnerschaft" mit der NATO nicht so eifrig wie Medwedjew gestriegelt habe, könnte im Falle seiner Wiederwahl in internationaler Hinsicht einen Schwenk vollziehen, mutmaßte das Blatt.

Noch ist die Frage nicht geklärt, ob es sich beim Rollentausch zwischen Putin und Medwedjew um ein abgekartetes Spiel oder um einen Sieg des Premiers über den Präsidenten handelt. In jedem Falle dürften beide als Politiker der konterrevolutionären "Wende" bestrebt sein, den wieder zunehmenden Einfluß der russischen Kommunisten, deren Stimmenanteil sich von 11,57% auf 19,16% nahezu verdoppelte, möglichst einzuschränken.

Ob es sich bei der bevorstehenden Stafetten-Übergabe von Medwedjew an Putin nur um ein laues Wechselbad oder einen heißen Machtkampf handelt, wird sich recht bald herausstellen. Vorerst sieht es bei vordergründiger Betrachtung der Szene so aus, als spielten sich beide die Bälle zu. Doch dieser Eindruck könnte auch täuschen.

Was uns betrifft, so wünschen wir all jenen in Rußland, welche trotz des gigantischen Verrats einer schon im Abflußrohr der Geschichte entschwundenen Führungsclique und der eingetretenen politisch-ideologischen Erosion die kommunistischen Ideale weiter hochhalten, von Herzen Erfolg.

RF, gestützt auf "Le Monde", Paris


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Die passende Losung zur Wahlniederlage: Gemeinsam werden wir siegen!

Raute

Das "RotFuchs"-Jahresinhaltsverzeichnis 2011
(RF-Nummern 156-167) kann ab sofort beim Vertrieb angefordert werden: Tel. 030/241 26 73
Auch früher erschienene Verzeichnisse (Gesamtverzeichnis 1998-2006, ab 2007 jährlich) sind noch erhältlich.
Die Verzeichnisse, welche die im RF veröffentlichten Artikel nachweisen und thematisch erschließen, sind auch über unsere Homepage zugänglich: http://www.rotfuchs.net/Zeitung/Archiv.htm

Raute

Noch nie wurde das Finanzkapital der USA so vorgeführt

Occupy Wall Street: 99 % gegen 1 %

Seit dem 17. September kamen in Manhattan, genauer gesagt in dem unweit der New Yorker Börse dicht bei der Wall Street gelegenen Zuccoti-Park, unablässig US-Bürger aller Hautfarben und Konfessionen, Gewerkschafter, Studenten und Menschenrechtsaktivisten zu massiven Protesten gegen das System räuberischer Banken und Finanzkonzerne zusammen. Zunächst zählte man nur wenige Teilnehmer, doch schon bald waren es Tausende und aber Tausende. Die Demonstranten, von denen die allermeisten keinerlei Vorstellungen vom Marxismus besaßen, forderten tiefgreifende gesellschaftliche Wandlungen zugunsten der Bevölkerungsmehrheit. Nach New Yorker Beispiel fanden in mehr als 160 Städten und Orten der USA ähnliche oder noch darüber hinausgehende Aktionen statt. Die Medien berichteten überdies, daß es auch in etlichen Ländern Europas, nicht zuletzt in der BRD, sowie auf anderen Kontinenten zu Aktionstagen im Sinne von Occupy Wall Street - OWS, wie man abgekürzt sagt - gekommen sei. In diesem Zusammenhang wird von einer qualitativ neuen linksdemokratischen Bewegung mit zunehmend antikapitalistischen Akzenten gesprochen. Die hervorstechendste Losung der OWS-Aktivisten lautete: "1% besitzt 99%, während 99% nur 1% besitzen. Wir sind die 99%!"

Einige Bemerkungen zum Verlauf der Ereignisse: Täglich bekundeten Tausende New Yorker ihre Solidarität mit jenen Landsleuten, welche den Zuccoti-Park besetzt hielten. Dort wurden Info-Stände eingerichtet, ein Medienzentrum sowie eine "Volksbibliothek", die politische Literatur anbot, geschaffen. Die Kantine gab dreimal täglich Essen aus. Die medizinische Versorgung und die juristische Betreuung der Teilnehmer wurden organisiert. Der reichlich einsetzende Spendenfluß ermöglichte sogar die Herstellung einer zweiten Ausgabe der vieltausendfach verteilten Protestzeitung "Occupied Wall Street Journal". Als im September eine erste Räumung des Parks aus hygienischen Gründen drohte, leiteten die Demonstranten sofort eine umfangreiche Säuberung ein, wodurch die Zwangsmaßnahme zunächst abgewendet werden konnte.

Den Teilnehmern der Protestaktion schlug eine Woge der Sympathie und Unterstützung entgegen. Deren ersten Höhepunkt bildete die Straßenmanifestation Zehntausender am 5. Oktober. Die New Yorker Polizei ging überaus brutal vor und verhaftete mehr als 700 Personen. Eine erste Gruppe von 70 Demonstranten wurde bei einem gegen sie eröffneten Verfahren unter der Bedingung zunächst nicht bestraft, daß sie sich sechs Monate jeglicher Aktivitäten im Sinne von OWS enthielten.

Bei ihrem Erscheinen am Ort des Geschehens sowie durch Äußerungen in einflußreichen Presseorganen oder per Bildschirm bekundeten Prominente vieler Bereiche wie der weltweit bekannte Filmemacher Michael Moore, die legendäre Bürgerrechtskämpferin Angela Davis, die namhafte Schauspielerin Susan Sarandon, die Fraktionsführerin der Demokraten im US-Repräsentantenhaus Nancy Pelosi sowie die Nobelpreisträger Paul Krugman und Joseph Stiglitz ihre Verbundenheit mit den Teilnehmern am OWS-Protest. Stiglitz erklärte, die Banken hätten sich des politischen Prozesses in den USA bemächtigt. Es gelte, den Druck auf die Finanzgiganten zu verstärken. Es gehe darum, ein grundsätzlich anderes Abgabensystem und eine hoch angesetzte Reichen-Steuer zu erzwingen. Michael Moore betonte: "Das hier ist das Volk, dem allzulange die Macht, die ihm gebührt, vorenthalten wurde. Die Leute haben endgültig genug und stehen nun auf."

Zum Bild des Geschehens gehört, daß vom Anliegen der OWS-Bewegung inspirierte Umweltaktivisten am 6. November - genau ein Jahr vor dem Termin der nächsten Präsidentschafts- und Kongreßwahlen - den Washingtoner Amtssitz von Präsident Barack Obama mit dem Ziel einkreisten, den Bau der Ölpipeline Keystone XL quer durch die USA zu verhindern. Obama sah sich gezwungen, seine Entscheidung darüber zu verschieben.

Aus der im September von wenigen Demonstranten begonnenen OWS-Aktion wurde inzwischen eine Lawine des Widerstandes. Anfang November beteiligten sich mehr als 12.000 Bürger der Vereinigten Staaten an einer Menschenkette, die das Weiße Haus umzingelte.

Die gewaltsame Räumung des Zuccotti-Parks am 15. November war zwar ein harter Schlag gegen das Zentrum der Occupy-Bewegung, löste aber sofort eine neue Welle der Solidarität aus. Trotz des Terrors der Polizei, die abermals äußerste Härte an den Tag legte, zogen wiederholt Zehntausende OWS-Anhänger durch die Straßen der Ostküsten-Metropole. Es ist davon auszugehen, daß die Repressionstaktik der Machthaber dem Widerstand gegen die Diktatur der Finanzkonzerne noch stärkere Impulse verleihen dürfte.

Botschafter a. D. Prof. Dr. Rolf Sieber


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Sie haben die winzige Minderheit superreicher Ausbeuter im Visier.
- Die hochschwangere 19jährige Studentin Stephanie Cuevas demonstrierte im Park an der Wall Street für die Zukunft ihres Kindes.

Raute

EU und NATO wollen Belarus weiter destabilisieren

Operation "Östliche Partnerschaft"

In jüngsten Presseveröffentlichungen fiel mir der Begriff "Östliche Partnerschaft" auf - ein Grund, dem Inhalt dieser vermeintlichen Liaison anhand unterschiedlicher Medienberichte etwas tiefgründiger nachzugehen.

Die "Östliche Partnerschaft" wurde auf Initiative Polens und Schwedens bei einem EU-Gipfel aus der Taufe gehoben, der im Mai 2009 in Prag stattfand. Ihr gehören neben der Ukraine, Belarus und Moldawien auch Georgien, Armenien und Aserbaidschan an. Aus politischen und wirtschaftlichen Gründen haben diese Länder derzeit keine Aussicht, in die EU aufgenommen zu werden. Um deren Einflußbereich aber bis an den Kaukasus auszudehnen, sollen sich die Beteiligten "der EU annähern". Angestrebt werden Freihandels- und Assoziierungsabkommen mit jedem einzelnen Land, wobei zugleich die Forderung nach Anpassung an die EU-Normen erhoben wird. Dabei setzt sich besonders die BRD dafür ein, jene Staaten "schneller und tiefgreifender zu unterstützen", die den Forderungen nach "Demokratie und Anpassung" westlicher Art nachzukommen bereit sind.

Der Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso, erklärte in diesem Zusammenhang: "Unser Grundprinzip bleibt erhalten - der Fortschritt muß mit den Reformbemühungen unserer Partner einhergehen."

Zur Förderung solcher "Reformbemühungen" sollen im Rahmen der Partnerschaft bis 2013 rund 600 Millionen Euro an die beteiligten Länder fließen. Ausgeschlossen davon bleibt vermutlich - zumindest vorerst - Belarus. Da die hier bestehenden gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse nicht den Wertvorstellungen "des Westens" entsprechen, wird das Land mit immer empfindlicheren Sanktionen belegt. Unter offener und verdeckter Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates versucht man dem in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlichen Land die "Prinzipien der Partnerschaft" regelrecht aufzuzwingen. Bewußt wird dabei in Kauf genommen, daß man mit derartigen Maßnahmen in erster Linie die einfachen Menschen trifft. Diese Zwangsmittel sollen die Unzufriedenheit der belorussischen Bevölkerung stimulieren und zugleich staatsfeindliche Aktivitäten gewisser Kreise erleichtern, um den von imperialistischer Seite angestrebten inneren Wandel voranzutreiben.

Im Zusammenhang mit den vom Westen angeblich gewollten partnerschaftlichen Beziehungen erklärte der belorussische Außenminister Martinow, Minsk habe mehr als 20 Projekte vorgeschlagen, aber keinerlei Antwort erhalten. Die Partnerschaft sei für Belarus vor allem im Kampf gegen Menschenhandel und Drogenschmuggel sowie bei der Energiezusammenarbeit von Nutzen.

Brüskiert wurde Belarus durch mehrere westeuropäische Regierungschefs - unter ihnen BRD-Kanzlerin Merkel -, die sich am Rande des Warschauer EU-Gipfels Ende September mit "Oppositionellen" dieses Landes getroffen hatte. Merkel sagte ihnen jegliche Unterstützung bei der "Demokratisierung" ihrer Republik zu.

Nicht unerwähnt bleiben sollte in diesem Zusammenhang auch die zum Abschluß des Gipfels durch Polens Premier Tusk verkündete Entscheidung, man habe sich entschlossen, in Warschau eine "Verwaltungsakademie der Östlichen Partnerschaft" aufzubauen. Diese solle innere Reformen in den sechs beteiligten Ländern erleichtern. Zugleich hoffe Polen auf die Gründung einer im Rahmen der EU operierenden Stiftung, welche "Demokratisierung und Rechtsstaatlichkeit" fördern solle. Als Vorbild dafür dient das "National Endowment for Democracy" (NED) in den USA, dessen Anliegen die weltweite "Stimulierung der Demokratie" kapitalistischer Prägung ist.

Das NED wurde 1983 vom US-Kongreß ins Leben gerufen und erhält über diesen jährliche Zuwendungen aus dem Bundeshaushalt der Vereinigten Staaten in Milliardenhöhe. Seine Einstufung als "gemeinnützige Organisation" ermöglicht die Weitergabe staatlicher Haushaltsmittel an ausländische Zusammenschlüsse. Das NED greift mittlerweile mehr als 1000 "Nichtregierungsorganisationen" unter die Arme. Es unterstützt Projekte mit einschlägigen Zielen in über 90 Ländern. Zu den Bedachten zählen politische Parteien und Gruppierungen, deren internationale Vernetzung angestrebt wird. Es geht dabei angeblich um Hilfe beim Aufbau "demokratischer Strukturen" z. B. durch Beratung bei Wahlen, Förderung von Vereinen und Verbänden der "Zivilgesellschaft" sowie Beistand für "unabhängige" Medien.

Wie verschiedenen Dokumentationen zu entnehmen ist, dienten die politischen Stiftungen der BRD als Vorbild für das NED bei der Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder und bei der Konzipierung "regierungsunabhängiger außenpolitischer Aktivitäten des entsprechenden Typs".

Solche Stiftungen waren bereits vor 1989 überaus aktiv. Auf den Punkt brachte es der USA-Bürger Bill Berkowitz von der Initiative Working for Change (Arbeiten für Veränderung): "NED funktioniert wie ein infrastruktureller Komplettservice. Es liefert Geld, technische Unterstützung, Medien-Know-how und zeitgemäße Ausstattung. Es assistiert bei der Öffentlichkeitsarbeit ausgewählter politischer Gruppen, ziviler Organisationen, Gewerkschaften, Dissidenten-Bewegungen, Studentengruppen, Verlage, Zeitungen und anderer Medien. Sein Ziel ist es, progressive Bewegungen zu destabilisieren, besonders solche mit sozialistischen oder demokratisch-sozialistischen Neigungen." Darauf hebt offensichtlich auch die von Polens konservativem Premier Tusk vorgeschlagene Stiftung ab.

Zu betrachten sind in diesem Zusammenhang auch geheimdienstliche Aktivitäten, insbesondere von CIA und BND. Macht man sich mit deren Methoden eingehender vertraut, dann wird deutlich, daß sie von "Nichtregierungsorganisationen", Stiftungen, oppositionellen Gruppen und Einzelpersonen in differenzierter Form angewandt werden - und das nicht erst in jüngster Zeit. Bereits 1991 stellte der US-Historiker Allan Weinstein in einem Artikel der "Washington Post" fest: "Eine Menge von dem, was wir heute offen tun, wurde vor 25 Jahren von der CIA verdeckt getan."

So ist mit neuen Destabilisierungsschritten zur Sicherung weltweiter imperialistischer Einflußsphären zu rechnen - nicht zuletzt auch unter der Tarnkappe einer "Östlichen Partnerschaft".

Major a. D. Dietmar Hänel, Flöha

Raute

Wie sich der "RotFuchs" bei slowakischen Genossen als Mutmacher erweist

Von der Agonie zur Aktion

Nüchtern muß festgestellt werden, daß es der heutigen Führung der KP der Slowakei, die in den 90er Jahren mit einem Stimmenanteil von 8% ins Parlament einzog, inzwischen "gelungen" ist, diese einst schlagkräftige Partei zu einer Randerscheinung werden zu lassen. Bei den jüngsten Wahlen erhielt sie weniger als 0,5%. Politische Arbeit an der Basis ist nur schwach wahrnehmbar, weder in der West- noch in der Mittelslowakei. Selbst in der Ostslowakei mit ihren legendären Klassenkampftraditionen wirkt sie im Ganzen rückläufig. Bei den alljährlichen Treffen anläßlich des Beginns des Slowakischen Nationalaufstands werden die Lücken zusehends größer.

Zu Beginn des neuen Jahrtausends gab es z. B. unter Studenten im slowakischen Nitra eine aktive kommunistische Hochschulgruppe. Jene jungen Genossen, welche diese Arbeit seinerzeit mit sichtbarem Erfolg leisteten, sind unterdessen durch führungshörige Funktionäre ersetzt worden. Parteichef Hrdlicka war bereits zuvor die Marginalisierung des slowakischen kommunistischen Jugendverbandes gelungen.

Ein Ergebnis dieses politischen "Vakuums" ist die resignative Haltung sogar gestandener Genossen, die bis 1989 verantwortliche Funktionen im Partei- und Staatsapparat der CSSR innehatten. Man beklagt das Fehlen charismatischer Führer, ist über den Niedergang der Partei enttäuscht und verbittert. Nur bei den Standhaftesten führt die Erkenntnis der Lage zu der Konsequenz, der Passivität ein Ende zu setzen und wieder zur Aktion überzugehen. Die Lähmungserscheinungen haben nicht zuletzt damit zu tun, daß seit 20 Jahren keine systematische politische Bildungsarbeit mehr geleistet worden ist.

Den "Gegenpol" zu den geschilderten Erscheinungen von Agonie könnte man als Aktionismus bezeichnen, mit dem vor allem im politischen Ballungszentrum Bratislava vormalige KP-Abgeordnete versuchen, die entstandene Lücke zu füllen. Sie engagieren sich in einer kaum noch zu überblickenden Anzahl von Vereinen und treffen bei ihrem theoretisch oftmals korrekten Auftreten nicht selten den Nerv der Zuhörer. Doch insgesamt gibt es keine Struktur zur Vermittlung politischen Wissens auf marxistisch-leninistischer Basis. Viele dieser aktiven Genossen "schielen" vielmehr bei der Suche nach finanzieller Unterstützung auf die Europäische Linkspartei.

In der Ostslowakei lebt der vormalige KPParlamentsabgeordnete Prof. Ivan Hopta. Als Herausgeber der Zeitung "Usvit" (Morgenröte) hatte er in der Partei einen guten Ruf und nicht unbedeutenden Einfluß. Das Blatt veranstaltete lebhafte Leserdiskussionen, erinnerte auch an Persönlichkeiten der revolutionären Weltbewegung, richtete eine Rubrik ein, die man als "Abc der kommunistischen Ideologie" bezeichnen könnte. Nach Hoptas Ausschluß aus der KP erscheint eine neue Parteizeitung "Kroky" (Schritte), die als erstes auf die Dachzeile "Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!" verzichtete.

Der heutige Jugendverband SMKC unter David Pazdera unterhält offensichtlich engere Beziehungen zur MLPD in der BRD. Einige seiner Funktionäre sind nicht nur häufig bei dieser in Gelsenkirchen zu Gast, sondern betreiben mit ihr auch gemeinsame Jugendlager. In Gesprächen der MLPD-Vertreter mit slowakischen Partnern sollen die deutschen Gäste des öfteren auf ihre Nachwuchsorganisation "Rotfüchse" verwiesen haben. Dadurch entsteht insofern eine gewisse Irritation, als der in Kreisen slowakischer Kommunisten punktuell durchaus bekannte und ob seiner politischen Klarheit sehr geschätzte "RotFuchs" bisweilen mit ganz anders gearteten Aktivitäten verwechselt wird.

Offenbar im Zusammenhang mit solchen "Investitionen" ist das zuvor ideologisch sehr klare Internetportal Ivan Hoptas unter Benutzung linker Symbole und bei andererseits politisch korrekten Aussagen inzwischen leider dazu übergegangen, hoch angesehene Genossen wie Vasil Bilak als angebliche Antikommunisten zu verunglimpfen.

Große Hoffnungen kann man auf eine Gruppe ostslowakischer Genossen um Michal Dienes setzen. Er gehörte zum Lehrkörper der tschechoslowakischen Militärakademie, unterrichtete dort marxistische Philosophie und war nicht bereit, sich der Armee des Klassenfeindes zur Verfügung zu stellen. Um Genossen Dienes hat sich eine Reihe von Kommunisten der Ostslowakei zusammengeschlossen, die sich inzwischen regelmäßig treffen und außer Fragen der aktuellen Politik vor allem die Verständigung zu theoretischen Themen des Marxismus-Leninismus suchen. Diesem Kreis gehören auch ehemalige Grenzer sowie Genossen an, die des Deutschen "in unserer Sprache" mächtig sind. Seit Juni arbeitet die Gruppe mit ausgewählten "RotFuchs"-Beiträgen aus dem Internet und nutzt diese zur konkreten politischen Arbeit. Dabei findet die RF-Rubrik "Marxismus für Einsteiger" besonders starke Resonanz.

Die Rostocker Rede von Prof. Dr. Götz Dieckmann zur Zusammenführung der linken Kräfte war übrigens Ende Oktober Gegenstand einer eigenen Veranstaltung. Ein deutschsprachiger Kommunist hatte den Text übersetzt.

Von Michal Dienes war Anfang der 90er Jahre eine marxistische Abendschule gegründet und geleitet worden. Die KPS-Führung drehte ihr aber rasch den Geldhahn zu, obwohl die Partei damals über einige Parlamentsabgeordnete verfügte und recht gut bei Kasse war.

Fazit: Während die Parteiarbeit in großen Teilen der Slowakei derzeit nahezu darniederliegt und andererseits wackere Genossen eher Aktionismus betreiben als zur Aktion überzugehen, nimmt die vorerst noch kleine Zahl jener zu, welche weder den Boden unter den Füßen noch den Blick für die historische Perspektive verloren haben.

Jozef Vyrostek, Bratislava

Raute

Im Klassenkampf gefallen

Während der heftigen Massenproteste in Griechenland wurde der Block der Panhellenischen Arbeiterfront (PAME), der den Kommunisten solidarisch verbundenen Gewerkschaftszentrale, bei einer friedlichen Kundgebung vor dem Athener Parlamentsgebäude von einer Gruppe Maskierter mit Tränengas, Brandflaschen und Steinen brutal überfallen. Der 53jährige Bauarbeiterfunktionär Dimitris Kotzaridis erlitt einen akuten Atemstillstand, der auch durch sofort eingeleitete Rettungsmaßnahmen nicht behoben werden konnte. Die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) stellte fest, die Schuld am tragischen und gewaltsamen Tod ihres Genossen trage die damalige Regierung Papandreou. Der kriminelle Abschaum aus Faschisten, gewalttätigen Anarchisten und anderen zwielichtigen Elementen wage nur deshalb sein Haupt ungestraft gegen die Linke zu erheben, weil der staatliche Repressionsapparat sie gewähren lasse. Ziel solcher Aktionen sei die gewaltsame Einschüchterung der Volksbewegung, in der die PAME eine herausragende Rolle spielt.

Die griechische Arbeiterklasse und deren Organisationen würden Dimitris Kotzaridis ein ehrendes Andenken bewahren.

RF, gestützt auf "Solidaire", Brüssel

Raute

Merkozy als Dompteure europäischer Nationalstaaten

Wer in Brüssel die Peitsche schwingt

Mit der zwischen 1999 und 2002 erfolgten Schaffung des Euro-Raums wurde in der EU ein wirtschaftlicher "Integrationsprozeß" mit zwei Geschwindigkeiten angeschoben. Die "höhere" Geschwindigkeit wird durch Deutschland und Frankreich bestimmt. Ziel war und ist die Schaffung eines hindernisfreien, von nationalstaatlicher Kontrolle unabhängigen Handels- und Kapitalverkehrs in zunächst 16, inzwischen 17 EU-Staaten. Konzernen und Banken wurden neue Felder der Profitmaximierung durch ungehinderten Zugriff auf nationale Märkte und Ressourcen eröffnet. Abgesehen von einigen Kriterien für die Mitgliedschaft in der Euro-Zone wurden so grundlegende Fragen wie die Angleichung der wirtschaftlichen Entwicklung sowie der Finanzund Sozialsysteme von vornherein ausgeschlossen.

Das Ergebnis der mehr als zwölfjährigen Euro-Herrschaft ist eindeutig: Ökonomisch schwächere EU-Mitgliedsstaaten wie Portugal, Irland, Griechenland, Spanien und Italien sind in eine Schuldenfalle gelaufen, aus der sie sich nicht mehr selbst befreien können. Immer neue "Rettungsschirme" dienen lediglich dazu, mit Steuergeldern der stärkeren EU-Länder Staatsbankrotte zu verhindern. Zugleich werden die "Schuldner" gezwungen, ihre Sozialsysteme zu demontieren und öffentliches Eigentum zu privatisieren.

Die Auflagen der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) verschärfen in den betroffenen Staaten deren wirtschaftliche Misere enorm. Ihnen fehlt nicht nur das Geld zur Finanzierung eines Aufschwungs aus eigener Kraft, sondern auch jede Möglichkeit, dem Schuldendienst in der weiteren Perspektive nachzukommen. Zusätzlich tritt die EZB als Aufkäufer fragwürdiger Staatsanleihen auf, was de facto auf Gelddrucken hinausläuft. Damit wird die Aufgabe der Zentralbank, für Währungsstabilität zu sorgen, ins direkte Gegenteil verkehrt. Alle ergriffenen Maßnahmen verfolgen nur ein Ziel: zu verhindern, daß private Banken und Investoren, die Gelder in Staatsanleihen anlegten, Vermögen und Profite einbüßen. (Auch eine Schuldenhalbierung garantiert immer noch satte Gewinne!)

Linksorientierte Ökonomen haben diese Entwicklung vorausgesagt: Die Verwirklichung der Idee eines stabilen, einheitlichen Währungsraums war und ist nicht ohne Angleichung der wirtschaftlichen Entwicklungsniveaus, eine ökonomische Balance der Teilnehmerstaaten untereinander sowie der Finanz- und Steuersysteme, insbesondere aber der sozialen Standards möglich. Die Euro-Länder stehen vor einem Dilemma, wobei ein Auseinanderbrechen der Währungsunion mit allen Mitteln verhindert werden soll. Dabei entwickelte man verschiedene Lösungsvarianten.

Die einen setzen auf EU-Anleihen, auch Euro-Bonds genannt. Es handelt sich hierbei um eine Art Staatsanleihe der Europäischen Union, um auf den Finanzmärkten gemeinsam Kapital zu günstigen Konditionen aufzunehmen und gesamtschuldnerisch für Rückzahlung und Zinsen zu haften. Andere bevorzugen den Vertrag über einen Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), der ab Juni 2013 Gültigkeit erlangen und die einzelnen "Rettungsschirme" ersetzen soll, als Lösungsansatz.

Wer dem Vertrag beitritt, muß immer "mitspielen", ob er will oder nicht. Falls das Grundkapital von 700 Mrd. Euro knapp wird, kann der Gouverneursrat jederzeit eine Erhöhung beschließen. Die Aufgaben des ESM sollen von der Europäischen Kommission und der EZB wahrgenommen werden. Das Europa-Parlament wird dabei keinerlei Rechte mehr besitzen.

In die gleiche Richtung zielt der Vorschlag vom August 2011. Bei ihrem Treffen in Paris hatten Merkel und Sarkozy vorgeschlagen, den Rat der Staats- und Regierungschefs der 17 Euro-Staaten in eine "echte Wirtschaftsregierung" umzuwandeln. Die Umsetzung dieses Vorschlags würde einen tiefen Einschnitt in die Souveränität der beteiligten Nationalstaaten darstellen, deren Parlamente das Recht verlören, über ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik eigenständig zu bestimmen. Überdies forderten die Spitzenpolitiker des deutschen und des französischen Imperialismus, Schuldenobergrenzen in sämtlichen Verfassungen der Euroländer noch 2012 festschreiben zu lassen. Wie die Geschichte jedoch - zuletzt die der USA - zeigt, wurden solche Obergrenzen nie eingehalten. Die EU-Finanzminister sollten noch im Herbst 2011 Pläne für eine Finanztransaktionssteuer vorlegen. Dieser Vorschlag richtete sich offensichtlich gegen Spekulationsgeschäfte mit dem Euro. Herr Ackermann, nach wie vor Chef der Deutschen Bank, meldete sofort "Bedenken" dagegen an.

Betrachtet man die verschiedenen Lösungsansätze, so kann festgestellt werden, daß sie lediglich Symptome behandeln. Die wesentlichen Ursachen der Verschuldungs- und Euro-Krise werden davon nicht berührt. "Die Stärke der Analyse der Linken", so schreibt der konservative Charles Moore im "Daily Telegraph", "liegt darin, daß sie verstanden haben, wie sich die Mächtigen einer liberal-konservativen Sprache als Tarnumhang bedient haben, um ihre Vorteile zu sichern. ,Globalisierung' sollte zum Beispiel ursprünglich nichts anderes als weltweiter freier Handel bedeuten. Jetzt heißt es, daß Banken die Gewinne internationalen Erfolgs an sich reißen und die Verluste auf jeden Steuerzahler in jeder Nation verteilen. Die Banken kommen nur noch 'nach Hause', wenn sie kein Geld mehr haben. Dann geben unsere Regierungen ihnen neues. Es zeigt sich - wie die Linke immer behauptet hat -, daß ein System, das angetreten ist, das Vorankommen von vielen zu ermöglichen, sich zu einem System pervertiert hat, das die wenigen bereichert."

Dr. Ulrich Sommerfeld, Berlin

Raute

Für verschollen gehaltene Fotos dreier Heldenreporter des Spanischen Bürgerkrieges sind wieder aufgetaucht

Der mexikanische Koffer

Anfang Oktober wurde im Nationalen Kunstmuseum der katalanischen Hauptstadt Barcelona eine bis zum 15. Januar gezeigte einzigartige Fotoschau eröffnet. 75 Jahre nach dem Beginn des Spanischen Bürgerkrieges zeigt man dort etwa 1000 lange Zeit für verschollen gehaltene Aufnahmen dreier linksgerichteter jüdischer Emigranten-Reporter, die damals als junge Leute an der Seite von Verteidigern der Spanischen Republik an die Front gingen. Es handelte sich um Gerda Taro, die in Brunete von den Faschisten getötet wurde, ihren Gefährten Robert Capa, der später in Indochina ums Leben kam, und David Seymour, den der Tod in Sinai ereilte.

Der Koffer, in dem sich mehrere Kartons mit den Negativen befanden, hat eine abenteuerliche Reise hinter sich. Die Fotos, die ursprünglich im Pariser Gemeinschaftslabor der drei Reporter stationiert waren, verschwanden 1941, als ein Gehilfe des Trios sie vor den Naziokkupanten in Sicherheit brachte. Die Aufnahmen begleiteten den Retter des wertvollen Materials in das mexikanische Exil. 66 Jahre ging man von der Annahme aus, die unersetzlichen Bilder aus Kampf und Widerstand, darunter viele bewegende Fotos von Interbrigadisten an der Front und Zivilisten im Hinterland, seien für immer verloren.

Doch im Januar 2008 vermeldete der Schriftsteller Juan Villeró, Sohn eines gleichfalls nach Mexiko emigrierten antifranquistischen Kämpfers, in der katalanischen Zeitung "El Periodico", auf deren Bericht wir uns stützen, die unerwartete Wiederentdeckung des Schatzes. Nachdem die historischen Bilddokumente zunächst in New York und im französischen Arles gezeigt worden waren, traten sie im vergangenen Herbst die Heimreise zum Ort ihres Entstehens an. Nach Barcelona sollen die Bilder auch in Bilbao und Madrid gezeigt werden.

"Das bedeutsamste dieser Ausstellung besteht wohl darin, daß sie von unserer Geschichte spricht", sagte der Direktor des Nationalen Kunstmuseums Josep Maria Amoros bei der Ausstellungseröffnung in Barcelona. "Der mexikanische Koffer - die Wiederentdeckung der Negative von Capa, Chim und Taro aus dem spanischen Bürgerkrieg", lautet ihr Titel.

RF, gestützt auf "El Periodico", Barcelona

Raute

Wie die "Bundeszentrale für politische Bildung" zur Ahnungslosigkeit beiträgt

"Compasito" - ein Kompaß, der in die Irre führt

Die mit der Verbreitung bürgerlicher Ideologie befaßte "Bundeszentrale für politische Bildung" legte 2010 in Gestalt von "Compasito" ein umfangreiches "Handbuch zur Menschenrechtsbildung mit Kindern" vor. Das Anliegen trägt einem wichtigen Erziehungsfaktor Rechnung. Es ist nicht nur für die jetzige Generation von Bedeutung.

Die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" aus dem Jahre 1948 gilt heute als weltweit anerkanntes Dokument. Die ersten historischen Deklarationen zu dieser Thematik stammen aus der Zeit des Beginns der Französischen Revolution von 1789 und aus den Vereinigten Staaten von Amerika des Jahres 1791. Damals war in Europa noch der Feudalismus die prägende Gesellschaftsordnung, während sich der aufkommende Kapitalismus erst in den Kinderschuhen befand. Struktur und Inhalte der Menschenrechtsdokumente haben dennoch bis heute eine gewisse Wertbeständigkeit bewahrt.

Nun aber zu "Compasito". Während es im Abschnitt "Aktivitäten" um Vermittlungsanleitungen für die Menschenrechtsbildung von Kindern geht, befaßt sich der Komplex "Themen" mit der Charakterisierung der jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse und Gegebenheiten auf ausgewählten Gebieten. Die Darstellungen wollen den Pädagogen inhaltliche Vorgaben für deren methodische Arbeit liefern.

Soll dabei ein optimaler Effekt erzielt werden, bedarf es schonungsloser Kritik an den realen Verhältnissen im jeweiligen Land und in der Welt. Die Differenz zwischen Zielstellungen oder Forderungen in puncto Menschenrechte und den tatsächlichen Gegebenheiten kann nur so sichtbar gemacht werden. Tabus oder Beschönigungen helfen da nicht weiter.

Das Themen-Repertoire reicht von "Armut und soziale Ausgrenzung" über "Bildung und Freizeit" bis zu "Demokratie und Umwelt". Die Erscheinungsformen und Auswirkungen von Armut werden zwar ausführlich dargestellt, doch zu deren Ursachen heißt es lediglich: "Armut kann durch bestimmte Ereignisse wie Krieg oder Naturkatastrophen entstehen oder in der ganzen Bevölkerung chronisch sein." Die Ursachen werden hier äußerst stiefmütterlich behandelt. Das kapitalistische Wirtschaftssystem mit seinen Krisen, permanenter Arbeitslosigkeit, Niedrig- und Hungerlöhnen als Armutsursache bleibt völlig ausgespart. Diese Neigung zum Verschweigen tiefer liegender Gründe elementarer Art findet sich auch in der Rubrik "Aktivitäten" wieder. Ansatzpunkte für eine wirkliche Bekämpfung von Menschenrechtsdefiziten werden unterschlagen.

Zum Thema "Bildung und Freizeit" hat die UNESCO "vier Säulen des Lernens" vorgegeben. Sie fordert u. a. "mehr Autonomie, Urteilskraft, kritisches Denken und persönliche Verantwortung". Dieser Orientierung kann durchaus zugestimmt werden. Doch beim "Compasito" wird das Problem äußerst eingeschränkter Chancengleichheit ohne die erforderliche Konsequenz behandelt. Dabei geht es vor allem auch um die Blockierung des Zugangs zu höheren Bildungsstufen durch Studiengebühren.

Eine Grundtendenz des BRD-Bildungswesens - im Handbuch ebenfalls "ausgespart" - besteht darin, daß der individuelle Erfolg in hohem Maße von der jeweiligen sozialen Herkunft abhängt. Nach Angaben des Deutschen Studentenwerks (DSW) gab es 2007 unter den 19- bis 24jährigen rund 40% Arbeiterkinder, während deren Anteil bei Studienanfängern nur 20% betrug.

Im Handbuch der "Bundeszentrale für politische Bildung" heißt es zum Begriff der Demokratie, er bezeichne "sowohl einen bestimmten Gesellschaftstypus als auch eine bestimmte Regierungsform". Diese Formulierung dürfte wohl kaum auf allgemeine Zustimmung treffen. Den Gesellschaftstypus verkörpert die ökonomische Ordnung des heutigen Kapitalismus mit ihrer Ideologie. Dabei ist die totale Orientierung auf maximalen Profit zum Zwecke privater Aneignung oder - anders ausgedrückt - die Herrschaft des Finanzkapitals das Entscheidende. Nach wie vor gibt es in der Welt den sozialistischen Gesellschaftstyp, der auf das Gemeinwohl der Menschen gerichtet ist. Solche Begriffe, welche zugleich auch die geistigen Strömungen unserer Zeit ausdrücken, finden sich bei "Compasito" an keiner Stelle. Mit anderen Worten: Eine exakte Widerspiegelung der Wirklichkeit ist nicht gegeben. Auch die Vokabel "Regierungsform" trägt der Realität nicht Rechnung. Denn Demokratie beginnt im Alltag der Menschen und umfaßt weit mehr als eine Summe verfassungsmäßiger Institutionen.

"Gesundheit ist ein grundlegendes Menschenrecht" heißt es bei "Compasito". Dementsprechend müßte auch gesichert werden, daß die Einrichtungen des Gesundheitswesens dem Gemeinwohl verpflichtet und dem Profitstreben entzogen sind. Sie sollten vom Staat bzw. den Kommunen betrieben werden. Im heutigen Kapitalismus aber dominiert der Trend zur komplexen Privatisierung des Gesundheitswesens. Zwei-Klassen-Medizin, Ungerechtigkeiten wie Kopfpauschale und Sonderzahlungen der verschiedensten Art sind an der Tagesordnung. Bei "Compasito" werden keinerlei Forderungen nach einem Wandel der Verhältnisse erhoben.

Soweit mein Kommentar zu einigen ausgewählten Themen des "Handbuchs". Überdies gibt es noch etliche relevante Aspekte des menschlichen Lebens, die in "Compasito" entweder nicht erfaßt oder nur marginal erwähnt werden. Das betrifft z. B. den gesamten Komplex der "Arbeit". Kinder besitzen Eltern, die Arbeit haben oder auch nicht. Ein Recht auf Arbeit ist im Artikel 23 der Menschenrechtserklärung festgeschrieben, Sie schaffe Wohlstand, heißt es. Für alle? Beeinträchtigt wird die Realisierung dieser Devise allerdings durch die kapitalistische Wirklichkeit. Niedriglöhne und Zeitarbeit, vor allem aber Ausbeutung bestimmen das Bild. Für "Compasito" kein Thema.

Auch der Komplex "Wirtschaft" kommt dort nicht vor. Zu ihm gehört die gesamte Eigentumsproblematik, die natürlich präsent sein müßte. Privateigentum oder Gemeineigentum stehen zwar im Zentrum der Diskussion, allerdings nicht im Handbuch.

Bei einer intensiveren Analyse könnte man mit Gewißheit weitere "Lücken" ausfindig machen. Von den Verfassern wird betont, die Themen seien nach "ihrer besonderen Relevanz für Kinder" ausgewählt worden, was zum Verzicht auch auf wichtige Aspekte zwinge. Eine dürftige Erklärung!

Menschenrechte sind - wie eingangs bereits erwähnt - in mehreren Dokumenten fixiert worden. Es muß darum gerungen werden, die oft gewaltigen Diskrepanzen zwischen verkündeten Idealen und der Praxis Schritt für Schritt zu überwinden. Wie an den geschilderten Beispielen belegt, ergibt sich, daß den Ursachen solcher Defizite nicht auf den Grund gegangen wird, obwohl man deren Auswirkungen oft sogar sehr ausführlich beschreibt. An die Stelle der Analyse treten im Handbuch oft genug Allgemeinplätze. Man verhindert, daß tabuisierte Fragen überhaupt auf die Tagesordnung gelangen. Bei manchen Defiziten läßt man deren Ursachen absichtlich im dunkeln. Dieses Absehen von exakter Aufklärung ist der Hauptmangel von "Compasito". Dort findet keine realitätsgerechte Widerspiegelung der Verhältnisse statt. Mit anderen Worten: Die "Bildungszentrale" der BRD erweist sich als Verbildungszentrale; sie bietet ein irreales Weltbild - ein Zerrbild der Wirklichkeit an.

Heinz Gliemann, Wismar

Raute

"Hotel Lux" - das neueste Machwerk des Kommunistenhassers Leander Haußmann

Um die ersten 30 Jahre seines Lebens von der DDR betrogen" fühlte sich Leander Haußmann, was ihn wohl dann dazu veranlaßte, Filme wie "Sonnenallee" und "NVA" zu drehen. Wenn er indes Charlie Chaplin als sein überseeisches Vorbild anführt, dann greift er dabei zweifellos in die falsche Kiste. Denn der war nicht nur ein glühender Antifaschist, sondern wurde überdies in der McCarthy-Ära des "Kommunismus" bezichtigt und der USA verwiesen.

Vom "Happy-End" in Hollywood bis zu Kabarettszenarien bedient sich Haußmann ganz ungeniert beim großen Kino. Das Moskauer "Hotel Lux" - einst Sitz der Kommunistischen Internationale und zugleich Wohnquartier linker Emigranten vor allem auch aus Nazi-Deutschland - läßt er in seinem gleichnamigen Spielfilm schmutzig und düster erscheinen. Er benutzt es für seinen Streifen als digitale Horrorkulisse mit eigens dressierten Ratten. Als Hauptdarsteller hat er sich Bully Herbig ("Schuh des Manitu") ausgesucht, der einen Komödianten aus Berlin spielt, welcher zufällig nach Moskau verschlagen wird. Leander Haußmann bedient sich sämtlicher Klischees, Gags und Tingeltangel-Effekte, um das Publikum zu belustigen. Auf wessen Kosten? Er karikiert Gäste des Hotels wie Walter Ulbricht, Wilhelm Pieck, Georgi Dimitroff und andere namhafte Antifaschisten.

Setzt die Filmhandlung 1939 nach dem Abschluß des Nichtangriffsvertrages zwischen der UdSSR und Deutschland mit einer verharmlosenden Darstellung der Nazi-Herrschaft ein, so wird gleich zu Beginn deren Kernaussage präsentiert: Hitler und Stalin sind von ein und demselben Schlag! Nur, daß der sowjetische Staatsmann im weiteren Verlauf noch dümmer, abartiger und lächerlicher dargestellt wird als der "Führer". Hauptdarsteller Herbig erntet zunächst Beifall vom SS-Publikum eines Berliner Kabaretts für sein Duett nach der Melodie "Ein Freund, ein guter Freund ...", wobei er als Hitlerfigur mit seinem als Stalin zurechtgemachten Partner tanzt.

Einen "echten" Stalin in Moskau aufzutreiben, mißlang Haußmanns Team trotz zahlreicher auf dem Roten Platz herumlungernder Touristenschnorrer in Stalinmaskierung: Die meisten Angesprochenen lehnten ab, als sie den Braten rochen. Nach Besichtigung der Originalkulissen in und um Moskau und trotz bereits getroffener Absprachen mit russischen Herstellerfirmen machten auch diese nach der Lektüre des infamen Drehbuchs allesamt einen Rückzieher. So fühlte sich Haußmanns unwillkommener Stab an der Moskwa nicht wohl, worauf man beschloß, das Machwerk lieber im heimischen Berlin zu produzieren. Stalinszenen auf einem gewissen Örtchen mit KGB-Bewachern hinter dem Duschvorhang, mit Hellsehern, hölzernen Parteideppen, gnomenhaften Kretins als Beamten und automatisierten Marionetten als Gefolgsleuten Ulbrichts - das kam selbst bei der Stalin gegenüber durchaus distanzierten russischen Öffentlichkeit nicht gut an.

Man fragt sich übrigens, warum der Regisseur ausgerechnet auf einen Part Herbert Wehners verzichtete, dessen Moskauer Wirken Heinrich Breloer doch so eindrucksvoll beschrieben hat. Immerhin gehörte auch der spätere SPD-Politiker zu den Dauergästen im "Hotel Lux".

Leider dürften nicht wenige arglose, in politischer und historischer Hinsicht unwissende Zuschauer mit dem frivolen, gezielt antikommunistischen Klischeefeuerwerk im Gewand einer Schmierenkomödie recht wirksam manipuliert werden. Schon seit Monaten läuft in den bundesdeutschen Medien der profitträchtige Reklamerummel auf vollen Touren. Jünger der "Totalitarismusdoktrin" kommen einmal mehr auf ihre Kosten. Denn "dressierte Ratten" gibt es ja nicht nur im Film ...

Jobst-Heinrich Müller, Lüneburg

Raute

Satire für Atheisten

Oh Gott, was waren das alles für Jahresrückblicke bei den einschlägigen Fernsehsendern! Immer wieder wurden Katastrophen nett aufbereitet und dümmliche Höhepunkte des Antisports (Vettel!) gefeiert, wobei man das politische Versagen der FDP und das schmierige Taktieren des alten wie neuen Berliner Bürgermeisters weitestgehend ignorierte. Unser aller Papst bekam mehr Platz als sämtliche anderen. Denn für ihn wurde in Deutschland ja auch enorm viel Geld verpulvert. Rund um Etzelsbach im sündigen Eichsfeld - hierzu sollte man den früheren stellvertretenden Oberschuldirektor Althaus befragen - gibt es jetzt an der kleinen Wallfahrtskapelle eine breite betonierte Straße. Sie entstand extra für das Papamobil und soll den Wanderern fortan das Ausschreiten erleichtern. Monströs zurechtgemacht, geisterte Ratzinger durch sämtliche Jahresrückblicke, und keiner konnte auch nur darüber lachen.

Wer nun so richtig über gewisse Kirchenmänner schmunzeln, kichern oder sich den Bauch halten möchte, dem sei das Bändchen "Gottlose Bilder" aus dem Eulenspiegel-Verlag empfohlen. Auf leider nur 96 Seiten "streiten" sich die besten Cartoonisten über das knalligste Bild zu diesem atheistischen Thema. Auf keiner Seite richten sich die Zeichner nach der Forderung Gottes im Alten Testament "Du sollst Dir kein Bildnis machen!" Vielmehr türmen sich Bilder über Bilder - gewissermaßen Antiheiligenbildchen - gegen das gottlose Tun der Kirche auf. Mögen sie wie Granaten einschlagen!

Da präsentiert Reiner Schwalme, der seit DDR-Tagen immer wieder für den Eulenspiegel und verschiedene Tageszeitungen zeichnet, den Papst in einer Karikatur als böse Dreinblickenden, der zu einem Priester meint: "Diese Pädophilen haben doch hoffentlich keine Kondome benutzt?!" Herrlich auch der Cartoon des Erfurter Zeichners Nel, der sich mit dem Thema Vergangenheitsbewältigung beschäftigt. Mehrere Priester sitzen mit ihrem Vorbeter in der Kirche und tun Buße: "Ich habe mich vergangen, du hast dich vergangen, er hat sich vergangen, wir haben uns vergangen", lautet ihr Gebetstext. Da braucht man keine großen Worte, einige lustige Striche tun es auch.

Alles endet mit einem wunderbaren Bild von Greser & Lenz: Endlich bricht die Kirche ihr Schweigen. Hier hält ein Priester seine letzte Rede, die in dem Satz mündet: "... und übrigens haben wir festgestellt, es gibt überhaupt keinen Gott."

Der Herausgeber Rolf Lonkowski, der bereits mit den "Schweinischen Bildern" und den "Schrecklichen Bildern" für Aufsehen und Heiterkeit sorgte, versammelte unter anderem auch Arbeiten von Burkhard Fritsche, Gerhard Glück, Haderer, Mette, Andreas Prüstel und Polo.

Thomas Behlert, Gotha

Gottlose Bilder, Eulenspiegel-Verlag, Berlin 2011, 9,95 Euro, ISBN 978-3-359-02327-2

Raute

Vom ganz normalen Aufwachsen und Leben im Sozialismus

Cornelias kleine große DDR (2)

Im Herbst freuten wir Schulkinder aus Stalinstadt uns, wenn es nach Wellmitz auf die LPG zum Kartoffelbuddeln ging. Von Treckern mit Anhängern aufs Feld gebracht, wurden wir zur "Nachlese" eingeteilt, weil wir noch so schön kurz waren. Die Arbeit gefiel uns und machte herrlich müde. Ich kann mich auch noch daran erinnern, wie wir im Frühjahr mit Flaschen auf Kartoffelkäfersuche gingen, was sicher nützlich war, obwohl mir die kleinen Viecher leid taten.

Zu Hause wurde ich als "Große" in die täglichen Hausarbeiten eingebunden. Am Schlimmsten war, auf meine kleine Schwester achtzugeben. Die Mistbiene fing immer gleich zu zetern an und drohte mit "Mama-Petze". Am liebsten rückte sie aus. Wie oft ist unsere ganze Großfamilie durch die Stadt gezogen, um sie ausfindig zu machen, während sie gemütlich beim Abschnittsbevollmächtigten der Volkspolizei - unserem ABV - auf dem Schoß saß. Von meiner Oma habe ich viel gelernt, vor allem Handarbeiten oder auch das traditionelle Kochen.

Sie erzählte mir von Jesus, obwohl sie gar keine praktizierende Katholikin mehr war, und schilderte ihn als den ersten Revolutionär. Sie übte verzweifelt den Pionierknoten mit mir und suchte ständig ihre auf dem Kopf steckende Brille oder die ewig verlegte Geldbörse.

Bei uns herrschte oft Hektik. Am Morgen sollten alle pünktlich aus dem Haus sein. Da wurden die langen Haare auch schon mal unsanft in die verschiedenen Frisuren "geborstet", und ab ging's in die Schule.

Zu Weihnachten hat Papa immer etwas selbst gebaut, ob es der tolle Kaufmannsladen zum Dahinterstehen oder das traumhafte Puppenhaus mit Licht und selbstgenähten Gardinchen war. Es gab zwar nicht dauernd eine neue Puppe, aber regelmäßig vor dem Fest verschwand mein Lieblingsstück Lilo mit den braunen Zöpfen und saß dann in neuen und immer hübschen Kleidchen unter dem Baum. Und erst Papas Faschingskostüme! Mein Schneeköniginkleid hatte eine wunderschöne Winterlandschaft auf dem Oberteil, und auf dem Chinesenkittelchen sah man ein Buchstabenhäuschen.

Es gab aber Ereignisse, die mich bis heute grollen lassen, auch wenn ich selbst daran nicht schuldlos war. Ich hatte einen Hang zu meiner Mitschülerin Karin. Als Einzelkind besaß sie wunderschöne Spielsachen.

Einmal hatte ich mich regelrecht festgespielt. Als ihre Eltern fragten, ob ich nicht nach Hause müsse, behauptete ich, meine Mutti sei noch in der Parteiversammlung, so daß ich "Überstunden" machen könne. Als ich mich zum Abendessen um 60 Minuten verspätete, bekam ich von meinem Vater die erste und letzte Tracht Prügel meines Lebens. Dazu Stubenarrest, weil ich geschwindelt hatte. Am schlimmsten aber war, daß meine Mutti der Klassenlehrerin den Vorfall hinterbrachte und verlangte, mir zeitweilig das blaue Halstuch zu entziehen, da ich gegen das Pioniergebot der Ehrlichkeit verstoßen hätte. Ich fühlte mich doppelt bestraft, was für mein weiteres Leben prägend war. Von nun an kämpfte ich immer und überall für Gerechtigkeit. So kam es auch, daß ich mich mit Peter, einem kleinen Raufbold aus meiner Klasse, auf dem Schulrasen prügelte. Ihm war nur noch mit Kratzattacken beizukommen, nachdem er mir einige Haarbüschel ausgerissen hatte. Beim Direktor mußte sich jeder bei dem anderen entschuldigen und ihm die Hand geben. Später waren wir übrigens oft in den gleichen Arbeitsgemeinschaften, die an unserer Schule bestanden.

Im Hort machten wir nach dem Mittagsschlaf und Kaffeetrinken immer Hausaufgaben. Mir gegenüber saß unser Klassenprimus Michael, der Sohn unserer Pionierleiterin. Er war nicht schlecht, aber überheblich. Natürlich hatte er seine Hausaufgaben schon fehlerfrei bewältigt und durfte mit den Baukästen spielen, während ich die Rechenaufgaben wiederholen mußte. Als Michael mich dann auch noch ausbuhte, sah ich rot und warf ihm einen Baustein an den Kopf, obwohl ich das als Junger Sanitäter nicht hätte tun dürfen. Es sollte ja auch nur ein Denkzettel sein, doch auf seinem Blondschopf prangte eine Platzwunde. Im Anschluß an die Schimpfe und das Pflasteraufkleben mußte ich Michael nach Hause bringen. Ich kannte unsere Pionierleiterin als freundliche Frau. Wie aber würde sie als Mutter reagieren? Sie war zunächst erschrocken, bat mich rein und fragte ganz ruhig, wie das denn passiert sei. Mit tränenerstickter Stimme schilderte ich den Vorfall. Mich überraschte, daß sie ihrem Sohn sagte, es sei ein sehr unschöner Zug, Schwächere zu hänseln, statt ihnen zu helfen. Michael senkte beschämt den Kopf. Ich erhielt den Rat, Konflikte künftig nicht mit Wurfgeschossen auszutragen. Michas Wunde habe ich dann in den folgenden Tagen "sachkundig" behandelt, während er mir bei den Hausaufgaben half.

Zu den schönsten Erlebnissen meiner frühen Schuljahre gehört das Singen im Chor. Vor Weihnachten sind oft wir im Krankenhaus oder vor Rentnern aufgetreten.

Die 3. Klasse habe ich besser als die 2. geschafft, was sich auch an den Zensuren bemerkbar machte. Am Ende des Schuljahres fand bei uns eine "Sichtung" für die Ballettschule statt. Ergebnis: Ich sollte zur Aufnahmeprüfung, wenn meine Eltern einverstanden wären. Mutti zeigte sich nicht ganz abgeneigt, aber mein Papa stellte sich quer - und das, obwohl die Ballettschule in unmittelbarer Nähe zur Parteihochschule lag, wo er damals studierte. Er wäre also in der Gegend nicht ganz allein gewesen. Ich habe lange versucht, ihn umzustimmen, doch leider blieb er hart. Vielleicht habe ich mir ja dadurch blutende Zehen erspart.

Mein Onkel Heinz arbeitete im Eisenhüttenkombinat-Ost - unserem EKO -, zu dessen Erbauern er gehörte, worauf er sehr stolz war. Für mich aber zählte besonders, daß er in der Kampfgruppenkapelle - im wahrsten Sinne des Wortes - auf die Pauke haute. Am 1. Mai wartete ich immer, bis sein Spielmannszug auftauchte, um ganz stolz neben ihm gehen zu dürfen.

In den Ferien besuchte ich manchmal Papas Mutti - Oma Pietsch - in Guben. Sie tat viel für die Volkssolidarität und hat uns oft in deren Wohngebietsklub oder auch auf Gartenfeste mitgenommen. Da sie früher in der Hutfabrik gearbeitet hatte, war sie immer gut behütet. Von ihr habe ich wohl den Hut-Tick geerbt. Oma und Opa wohnten in derselben Straße, waren aber geschieden. Vor und während der Nazizeit gehörten beide der KPD an, und Opa, der wiederholt eingesperrt worden war, mußte sich verbergen. Oma nahm aber an, er hätte eine andere. So ging ihre Ehe in die Brüche, obwohl noch drei Kinder im Haus waren. Den ältesten Sohn kannten wir nur vom Foto mit einem schwarzen Band darüber. Er war im Krieg gefallen.

Doch zurück nach Eisenhüttenstadt, wie unsere Stadt nach Stalins Tod bald hieß. Wir verstanden den Namenswechsel noch nicht. Ich merkte nur, daß mit Papa irgend etwas nicht stimmte. Schließlich hatte er auch in Stalins Werken "Partei studiert". Das EKO besaß in Lauterbach auf Rügen ein Betriebsferienlager, in das ich fahren durfte. Es bestand aus mehreren Baracken mit Vier- bis Sechs-Bett-Zimmern, einem Außen-WC, wo es wegen der vielen Schnecken recht gruselig war, einem großen Appellplatz und einer Wache, in der jeder mal Dienst hatte - so richtig mit Parole, Feldtelefon und einem Außenzeltplatz.

In Lauterbach beschäftigten wir uns auch mit Leben, Kampf und Sterben Hans Beimlers. Wir bastelten Käppis der Interbrigadisten und sangen "Spaniens Himmel". Nach den Ferien warteten bereits die Schulbücher der 4. Klasse aufs Einschlagen.

Cornelia Noack, Beeskow

(Wird fortgesetzt)

Raute

Friedrich Wolfs Stücke und Prosawerke wurden vielfach verfilmt

Als Wolfgang Heinz den "Mamlock" gab ...

Friedrich Wolfs Beziehungen zur Filmkunst reichen in seinem Schaffen weit zurück. Schon zu Beginn der zwanziger Jahre beschäftigte er sich mit spezifischen Fragen der Kinematographie und entwarf mehrere Filmprojekte. Im Band 11 (1959) seiner "Ausgewählten Werke in Einzelausgaben" wurden zahlreiche Szenarien vorgestellt, auch die seiner Erfolgsfilme. In der französischen Emigration schrieb Wolf 1938/39 einige Exposés. "Die unsichtbare Brigade" war 1941 das letzte dort entstandene Filmszenarium. Er entwarf es nach seinen Erlebnissen im Konzentrationslager Vernet. Unter dem Titel "Kolonne Strupp" wurde das Szenarium zu dem geplanten DEFA-Film "Pulsschlag der Erde" vorgestellt, das Wolf 1947 mit dem legendären Slatan Dudow beendete. Es wurde nie realisiert. Gegenstand der konfliktreichen Handlung war der Kampf von Berliner U-Bahn-Arbeitern gegen die Sprengungen der SS-Sonderkommandos Anfang Mai 1945.

Friedrich Wolfs weltweit erfolgreiches Bühnenstück "Cyankali" (1928) mobilisierte gegen den Paragraphen 218 des Strafgesetzbuches, der Abtreibungen mit Zuchthaus bestrafte. Das Stück wurde erstmals 1930 von Hans Tintner verfilmt und 1977 dann noch einmal durch Jurij Kramer mit Renate Krössner für das Fernsehen der DDR aufbereitet. Nach der Züricher Premiere von "Professor Mamlock", die 1934 stattfand, folgte bereits 1938 dessen erste Verfilmung im sowjetischen Lenfilm-Studio mit dem österreichischen Regisseur Herbert Rappaport. Der Streifen hatte eine beachtliche internationale Resonanz. Das Hauptgewicht der DEFA-Neuverfilmung 1961 durch Konrad Wolf lag vornehmlich auf der Frage nach der Verantwortung des Wissenschaftlers gegenüber der Gesellschaft. Maßgeblichen Anteil an der emotionalen Wirkung hatte Wolfgang Heinz in der Hauptrolle. Der Film wurde auf internationalen Festivals in Moskau und Neu-Delhi ausgezeichnet und bereicherte jahrelang das Bildungsfernsehen für die 9. Klassen.

Bereits 1949 schrieb Wolf das Szenarium seines Films "Rat der Götter", bei dem Kurt Maetzig die Regie übernahm. In umfangreichem Aktenstudium ermittelte der Autor die Untaten des IG-Farben-Konzerns, die im Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß enthüllt wurden. Der 1950 uraufgeführte Film zählt zu den frühen Meisterleistungen der DEFA.

An "Bürgermeister Anna" (1950) war Wolf mit dem Exposé beteiligt. Zu den bedeutendsten historisch-biographischen DEFA-Filmen der 50er Jahre zählt "Thomas Müntzer. Der Mann mit der Regenbogenfahne". Dieser Farbfilm entstand 1956 nach dem gleichnamigen Schauspiel und einem Szenarium Wolfs. Regie bei dem mit 169 Schauspielern besetzten Film führte Martin Hellberg. Nach Skizzen, Dialogen und Porträts aus Wolfs Kriegstagebuch von der Schlacht an der Wolga 1942/43 gestaltete Regisseur Peter Vogel 1974 seinen szenischen Bericht "Siebzehn Brote" für das Fernsehen der DDR, dem ein Manuskript von Peter Jacubeit zugrunde lag. Wolf beschäftigte sich darin mit den ersten Begegnungen von Angehörigen der faschistischen Wehrmacht mit Sowjetbürgern. Nach Wolfs berühmtem Theaterstück "Die Matrosen von Cattaro", das 1930 an der Volksbühne in Berlin uraufgeführt worden war, kam 1979 eine Koproduktion der Fernsehstationen der DDR und Jugoslawiens heraus. Regie führte Fritz Bornemann. Die Hauptrolle des Franz Rasch verkörperte Ulrich Thein.

Friedrich Wolfs frühes und ungewöhnliches Stück "Die Zeche Koritke" war bereits während der 20er Jahren in Stuttgart und Essen aufgeführt worden und wurde 1976 auch in Neustrelitz gespielt. Später inszenierten es Helmut Straßburger und Ernstgeorg Hering an der Volksbühne Berlin. Danach erfolgte eine Fernsehaufzeichnung unter dem Titel "Koritke" mit Wolfgang Dehler, der den armen Schlucker, Ringer und Portier verkörperte. Nach Wolfs Erzählung "Der Russenpelz" (1942) schuf Regisseur Roland Gräf den DEFA-Film "Das Haus am Fluß" (1986). Zu den ausdrucksstarken Darstellern zählten Jutta Wachowiak, Corinna Harfouch, Johanna Schall und Rolf Hoppe.

Noch kurz vor seinem Tod befaßte sich Wolf mit ersten Arbeiten für einen Karl-Marx-Film. Ein bewegendes Familien- und Zeit-Porträt schuf Lew Hohmann 1988 für das Fernsehen der DDR mit seinem Dokumentarfilm "Verzeiht, daß ich ein Mensch bin! Friedrich Wolf - Fragen an seine Kinder, Erinnerungen von Zeitgenossen".

Von Wolfs Theaterstücken und Prosawerken wurden seit 1930 nahezu ein Dutzend in Spiel- bzw. Fernsehfilme umgesetzt. Sie erreichten ein Millionenpublikum.

Dieter Fechner

Raute

Archie in verschiedenen "Klimazonen"

Es soll hier nicht ums Wetter gehen, sondern um ein Klima ganz anderer Art. Schon als Minderjähriger hatte Archie die Früchte der Herrschaft Weniger kennengelernt, als er 1945 und nach Kriegsende zwischen seiner Geburtsstadt Breslau, dem heutigen Wroclaw, Bautzen und Bremen, der Ostsee und dem Bodensee mit der verzweifelten Mutter auf der hoffnungslosen Suche nach dem umherirrte, was man Sicherheit und Heimat nennen könnte.

Wem sollten sie das ganze Unheil zuordnen, das über sie, über Europa und die Welt hereingebrochen war? Dem unersättlichen Kapital, der faschistischen Wehrmacht und der Hitlerclique hätte man es zu verdanken, erfuhr Archie dann in der Schule der DDR. Als er in den 50er Jahren in Berlin mit seinem Vier-Mächte-Status studierte, war ihm dieser deutsche Staat bereits zur geistigen Heimat geworden. Nach Westberlin fuhr er nur, um gelegentlich ins Konzert oder ins Kino zu gehen.

Es ergab sich aber, daß er aufgrund einer behördlichen Fehlsteuerung sein theaterwissenschaftliches Zweitstudium nicht an der Humboldt-Uni abschließen konnte, so daß er es an der FU im Westteil der Stadt fortsetzte, ohne seinen Wohnsitz in der zum Osten gehörenden Zionskirchstraße aufzugeben.

Er hätte auch nach Westberlin ziehen können. Immerhin gab es dort eine Nenn-Tante aus Kindheitstagen, die in Reinickendorf ein Reihenhaus besaß. "Du kannst bei uns wohnen, ein Zimmer ist frei. Unser Ältester ist ja Berufsoffizier bei der Bundeswehr geworden und lebt jetzt im Westen. Onkel Walter sucht einen dritten Mann zum Skat", sagte sie einladend.

Archie mußte unwillkürlich daran denken, wie sie der spießige Onkel auf der Flucht vor dem Krieg kaltherzig abgewiesen hatte. Außerdem mißfiel ihm das politische Klima, das er verbreitete. Der Onkel war ein alter SPDler, der ohne Unterlaß auf die "SED-Bonzen im Osten" schimpfte. Überhaupt war die Atmosphäre in Westberlin nicht nach Archies Geschmack.

Der Ungeist der Adenauer-Ära und des Kalten Krieges prägte das Universitätsleben an der FU. Archie lehnte damals das Engagement an einem kleinen, aber feinen Westberliner Theater ab, zog es ihn doch eher zu Brecht als an eine Bühne des Boulevards. Im Herbst 1959 entschied er sich, zunächst ans Senftenberger Theater der Bergarbeiter zu gehen - nach weiteren sechs Semestern, aber noch immer ohne Abschluß. Er wollte vorerst Theaterpraxis erwerben und nicht nur auf die Theorie beschränkt bleiben. Denkt er heute an seine FU-Zeit zurück, dann fällt ihm stets das dort herrschende Klima ein: Alles wurde verteufelt, was auch nur entfernt nach Sozialismus roch. Außerdem bemerkte er, daß viele Kommilitonen nebenher schuften mußten, um ihr Studium so recht und schlecht finanzieren zu können. Andere aber fuhren in chauffierten Limousinen vor und ließen sich ihre Diplom- oder Doktorarbeiten von bezahlten Ghostwritern schreiben.

Archie lebte in jenen Jahren von Übersetzungsaufträgen, die er seinem Slawistik-Studium an der Humboldt-Uni zu verdanken hatte, das groteskerweise von der FU nicht anerkannt wurde. Ihm schien schon immer eine der wichtigsten Fragen im Leben zu sein, wer wem was verdankte. Der DDR verdankte Archie seine Bildung und seinen Beruf, für die er keinen Pfennig hatte bezahlen müssen - dazu gesellschaftliches Bewußtsein.

All das ging ihm wieder durch den Kopf, als er im Herbst einer Veranstaltung im ND-Gebäude am Berliner Ostbahnhof beiwohnte. Es handelte sich um die Vorstellung des Buches der beiden ranghöchsten Militärs der DDR, welche die politische Lage jener Zeit erläuterten, die dem 13. August 1961 vorausgegangen war. Der Titel "Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben" hatte Archie zur Teilnahme bewogen, weil die Wirkungen des letzten Weltbrandes auch für ihn schlimmste Folgen gezeitigt hatten. Ein paar Tage später erschien dann das bereits zur Legende gewordene "Danke!" auf der Titelseite der jW. Danke für 28 Jahre ohne Kapitalismus auf deutschem Boden! Der Aufmacher war bewußt in einer bunten und provokanten Reihenfolge gehalten, teils zum Lachen, teils zum Weinen, vor allem aber wahr. In der BRD brach daraufhin ein scheinheiliger Sturm der Entrüstung los, an dem sich leider auch bestimmte Politiker der Linkspartei beteiligten. Das alles habe etwas Lächerliches an sich und rieche nach blamabler Rückversicherung, obwohl man es den Akteuren kaum danken werde, folgerte Archie. Wenn sich Leute in ein Boot setzen und bis zur Bewußtlosigkeit mitrudern, ohne auf den Kurs Einfluß nehmen zu können, machen sie sich zu Galeerensklaven der Bootsbesitzer.

Auch will Archie scheinen, daß das politische und gesellschaftliche Klima heutzutage immer mehr jenem der 50er Jahre des verflossenen Jahrhunderts ähnelt, als zur Treibjagd auf alles geblasen wurde, was wirklich links war. In der großen Krise des Kapitals ist die Wahrheit weniger denn je gefragt. Als bedrohlich empfindet Archie das und gelangt zu dem Schluß, man müsse kein Kommunist sein, um das Spiel zu durchschauen. Es reiche durchaus, den eigenen Kopf zu bemühen.

Manfred Hocke

Raute

Ein echter Verlust

Seit zehn Jahren gab der heute 85jährige namhafte Historiker und Marxismus-Forscher Prof. Dr. Erich Kundel aus Eggersdorf im Auftrag der DKP Brandenburg die informativen und aufschlußreichen "Roten Kalenderblätter" heraus. Sie erreichten einen beachtlichen Leserkreis.

Vor Jahresende erfuhren wir zu unserem Bedauern, daß die inzwischen renommierte Publikation in Anbetracht des Alters des Redakteurs ihr Erscheinen hat einstellen müssen, zumal ein gleichbleibendes Niveau nach seinem Ausscheiden nicht gewährleistet werden konnte.

Wir übermitteln Erich Kundel und seinem Autorenkreis Gefühle herzlicher Verbundenheit.    K. S.

Raute

Leserbriefe an RotFuchs

Mit großem Schmerz nahm ich die Nachricht vom Tod unseres geliebten Freundes und Genossen Walter Ruge auf. Ehre seinem Andenken!

Da ich aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Beisetzung in Potsdam teilnehmen konnte, bitte ich, einen mir möglichen Anteil an den Aufwendungen des RF-Fördervereins für Blumen zur Beisetzung Walter Ruges diesen Zeilen beifügen zu dürfen.

Ronald Brunkhorst, Kassel


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In den ersten Dezembertagen des Jahres 1941 wurde die faschistische Kriegsmaschine vor Moskau zum Stehen gebracht. Frische sibirische Divisionen, die am 7. November auf dem Roten Platz paradiert hatten, machten dem zermürbenden Rückzug der Roten Armee ein Ende und drängten die Aggressoren etwa 100 km zurück. Dieser erste Sieg wurde von den Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges stets feierlich begangen. Ich erinnere mich an den Dezember 1991, als die nun schon ergrauten Kämpfer in lichter gewordenen Reihen des 50. Jahrestages der Schlacht vor Moskau gedachten.

Ich arbeitete damals in der deutschsprachigen Redaktion von Radio Moskau. Auch wir würdigten das Jubiläum.

Doch am selben Tag fiel ein Teertropfen ins Honigfaß der Erinnerungen. Die sowjetische Staatsbank mußte ihre Zahlungsunfähigkeit erklären, woraufhin die Deutsche Bank postwendend die Bürgschaft für sie übernahm. Diese Meldung ging in der bereits sterbenden UdSSR unter, offenbarte jedoch die tragische Schizophrenie jener Tage, denen weit Schlimmeres folgen sollte.

Was dem deutschen Imperialismus 1941 mit Waffen nicht gelang, besorgte 50 Jahre später der Geldkoffer. Die Sowjetunion hat den Krieg gewonnen, den Frieden aber verloren, lautete ein Kommentar.

Wolfgang Kroschel, Cottbus


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Am 9. November 1938 hielt Hitlers Propagandachef Joseph Goebbels eine antisemitische Hetzrede, in der er erklärte, die NSDAP organisiere zwar keine antijüdischen Aktionen, werde sie aber auch nicht behindern. Viele faschistisch Gestimmte betrachteten das als Aufforderung zum Handeln. Die Bilanz der folgenden Schreckensnacht waren 2676 zerstörte Synagogen, 7500 verwüstete Geschäfte und 91 Tote. Wer konnte, floh aus Deutschland in ein unbekanntes Schicksal.

Bei uns in Rostock fanden sich am Jahrestag des schrecklichen Geschehens Angehörige der studentischen Glaubensgemeinden beider christlicher Konfessionen, der jüdischen Gemeinde u. a. zu einer Gedenkveranstaltung auf dem Jüdischen Friedhof im Lindenpark zusammen. Gläubige und Atheisten, darunter auch Mitglieder der VVN-BdA und der DKP, beteiligten sich an dieser Ehrung.

Stefanie Rosin, Rostock


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Am 23. Dezember 1961 starb der Kommunist und antifaschistische Widerstandskämpfer Paul Blechschmidt. Er war Lehrer, Arbeiter, Kommunalpolitiker und Generalmajor der Nationalen Volksarmee der DDR. Die Hitlerfaschisten, die ihn wegen illegaler Tätigkeit für die KPD ins Gefängnis warfen, vertrieben ihn aus dem Schuldienst. So war er Bau- und Steinbrucharbeiter.

Zur faschistischen Wehrmacht eingezogen, lief er 1943 zur Roten Armee über. Im April 1945 sprang er hinter den faschistischen Linien mit dem Fallschirm ab. Zunächst Landrat, trat er 1950 in die bewaffneten Organe ein. Er war Chef der Rückwärtigen Dienste der DDR-Seestreitkräfte. Ich lernte ihn zuvor an der NVA-Kadettenschule Naumburg kennen, wo er den Zirkel "Junger Sozialisten" meiner FDJ-Gruppe leitete. Paul Blechschmidt gehört für immer zu meinen Vorbildern.

Fregattenkapitän a. D. Heinz Mattkay, Strausberg


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Meine Frau und ich, 1939 und 1940 geboren, haben als Kleinkinder die Schrecken der braunen Brut noch zu spüren bekommen. Nach 1945 hofften wir, in Ruhe und Frieden leben zu können. Leider ist uns das nicht mehr vergönnt, denn seit 1990 sind wir Bürger eines Staates, in dem die braunen Machthaber von ehedem bis in die 60er Jahre mitregierten. Ihm liegt auch heute trotz gegenteiliger Erklärungen nichts daran, faschistische Organisationen wirklich auszuschalten. Verboten wurden vielmehr zwischen 1952 und 1956 die FDJ, die KPD, der DFD und andere Verfechter von Frieden und Antifaschismus. Solange Gerichte Naziparteien durch ihre Sprüche dulden und der Staat diese - wie im Fall der NPD - sogar finanziell unterstützt, kann man hierzulande nicht mehr in Ruhe leben.

Alt-Bürgermeister Gerhard Müller, Nohra/OT Ulla


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Es ist ein Horrorszenario - die braune Flut wird zurückkehren, wenn wir uns ihr nicht entschieden entgegenstemmen. Die Herrschenden wollen uns mit ihrer Dunstglocke vorgespiegelter Ahnungslosigkeit die klare Sicht nehmen. Keiner aus den Reihen der staatstragenden Politiker und der Schlapphüte hat von den faschistischen Serienmorden angeblich etwas gewußt. Sie servieren uns das mit einer schlecht gespielten Naivität, die ans Lächerliche grenzt. Geheuchelte Betroffenheit von Merkel bis Tillich. Erst wurden Hunderttausende Euro durch die Geheimdienste über ihre V-Leute in den Aufbau faschistischer Strukturen gesteckt, anschließend entschädigt man die Opfer mit einem - gemessen daran - geringen Betrag. Perverser geht's nimmer!

Jens Heydecke, Chemnitz


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Den RF zu lesen ist immer wohltuend. Die Zeitschrift kann einen so richtig aufbauen! Ich möchte demjenigen, der mir den Tip gegeben hat, den RF zu bestellen, tausendmal dafür danken. Hier finde ich mich wieder. Im Februar werde ich 75, kann also auf mancherlei zurückblicken. Das Kriegsende erlebte ich im zunächst unbesetzten Gebiet, das als "Freie Republik Schwarzenberg" bekannt wurde. In der DDR habe ich wie selbstverständlich einen Beruf erlernt, ein Studium aufgenommen und bis zur Kolonialisierung meines Staates durch die BRD gearbeitet. Heute bin ich Rentner, schreibe Bücher und Gedichte, die auch des öfteren in unserer hiesigen Parteizeitung abgedruckt werden.

In einem Beitrag habe ich mich unlängst gegen gewisse "Personaldebattenkönige" gewandt, deren auch nach Erfurt nicht verstummende Kampagnen die PDL schädigen. Von solchen Leuten, die in die Schranken gewiesen werden müssen, dürfen wir uns die Partei nicht kaputtmachen lassen.

Klaus Glaser, Schwarzenberg


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Auf dem Erfurter Parteitag bekannte Gregor Gysi, er sei "Zentrist". Früher hatte er sich als "libertärer Sozialist" bezeichnet. Welche ideologische Position er damit vertritt, hielt er im dunkeln. Und so jemand soll eine Leitfigur in der Linkspartei sein? Niemals! Das alles mag ja in seinem Beruf als Anwalt mit den dazugehörigen taktischen Leckerchen und Kniffen durchaus angebracht sein. Doch es handelt sich hier um ein Geschehen, das die linke Entwicklung und unseren Zusammenhalt nur schwächt, obwohl es sicher einigen Leuten gefällt. Wer aber die tägliche Kleinarbeit erlebt, der weiß, welcher Schaden dadurch entsteht.

Kurt Körner, Panketal


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Ich will nicht behaupten, die DDR sei eine Idylle ohne Widersprüche gewesen. Aber ihre Probleme ergaben sich nicht aus der Unmenschlichkeit einer Ausbeuterordnung, sondern waren anderer Natur. Angesichts der Tatsache, daß die Wahlbeteiligung in der BRD von Jahr zu Jahr zurückgeht, erübrigt es sich, gegen die Überbewertung der bürgerlichen Demokratie selbst unter Linken zu polemisieren. Ohne Zweifel haben wir bei der Ausgestaltung der sozialistischen Demokratie ernste Fehler begangen. Dennoch blieb der Wortsinn "Volksherrschaft" schon dadurch gewahrt, daß bei uns alle entscheidenden Gesetze tatsächlich mit der Bevölkerung diskutiert worden sind. Weder die sozialistische Verfassung der DDR noch das Familiengesetzbuch oder das Gesetzbuch der Arbeit wurden - wie im bürgerlichen Staat - lediglich parlamentarisch abgenickt. Ich selbst habe an der Gestaltung etlicher DDR-Gesetzesinitiativen teilgenommen und kann aus eigener Erfahrung sagen: Es dürfte wohl kaum einen Bürger gegeben haben, welcher nicht über den Text, der zur Abstimmung stand, informiert gewesen wäre. Im Gegensatz dazu entscheiden die Wähler in der BRD alle vier Jahre nur darüber, welche Vertreter der herrschenden Klasse das Volk im Parlament vertreten und zertreten sollen.

Dr. sc. Fritz Welsch, Berlin


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Im RF wurden die unbedarften Ausfälle der sächsischen Landtagsabgeordneten Freya-Maria Klinger geschildert, die sich namens der PDL-Fraktion für die lange vor ihrer Geburt errichtete Berliner Mauer entschuldigt hat. In Leipzig besitzt sie eine ähnlich positionierte Schwester. Es handelt sich um Skadi Jennicke. Sie ist ebenfalls jung, dynamisch und befand sich vor 50 Jahren in irgendeinem Vorstadium zum Embryo. Verständlicherweise kann sie vom Kalten Krieg oder den schweren Jahren des Anfangs keine Ahnung haben. Doch Skadi suchte sich ein vorjähriges Fest der Leipziger Linken aus, um dort mal so richtig Dampf abzulassen. Der jungen Dame wäre nur anzukreiden, daß sie es in der Zeit ihrer Zugehörigkeit zur Linkspartei versäumt hat, sich bei ihren älteren, politisch erfahrenen Leipziger Genossen von Format eines Ingo Wagner, Ekkehard Lieberam oder Kurt Schneider über die Hintergründe des wirklichen Geschehens jener Periode kundig zu machen.

Joachim Spitzner, Leipzig


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In der DDR hatte ich beruflich mehrere Jahre auf Betriebsebene mit wirtschaftlichen Problemen zu tun. Dabei konnte ich feststellen, daß sich durch Ulbrichts Neues Ökonomisches System, das leider bald wieder abgewürgt wurde, bemerkenswerte Perspektiven auftaten.

Über die zentrale staatliche Planung kann man unterschiedlicher Meinung sein. Ich glaube indes, daß sie in jeder Gesellschaft mit einer bestimmten Zielsetzung und auf verschiedenen Ebenen stattfindet. Marktwirtschaft und Sozialismus schließen sich ja nicht gegenseitig aus. Auch im Sozialismus existiert ein Markt. Dieser wird so lange bestehen, wie es Warenproduktion gibt.

Falsch war, daß wir Klein- und Mittelbetriebe verstaatlicht haben. Der Volkswirtschaft wurde dadurch schwerer Schaden zugefügt. Wichtige Produktionslinien brachen einfach weg, "Nischenproduktionen" von volkswirtschaftlicher Bedeutung wurden liquidiert, wodurch ein erhebliches Potential verlorenging.

Ich halte natürlich kein Plädoyer gegen staatliches Eigentum an sich. Als Leiter eines volkseigenen Betriebes mußte ich die wirtschaftlichen Entwicklungen und Kenngrößen, erforderliche Ressourcen, Fondsausstattung, Kosten, Betriebsergebnis, Nettogewinn u. a. genauso planen wie ein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen. Der "kleine" Unterschied bestand allerdings darin, daß der erwirtschaftete Nettogewinn nicht in meine Tasche floß, sondern an den Staat abgeführt wurde, um die subventionierten Verbraucherpreise, die unentgeltlichen Leistungen des Gesundheitswesens und die niedrigen Mieten finanzieren zu können. Das machte den Sozialismus aus.

Reinhard Wecker, Falkensee


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Ein dreifaches Lob auf die 6. Mitgliederversammlung des RF-Fördervereins in Berlin, an der ich mit anderen Genossen aus unserer jungen Regionalgruppe Barnim-Eberswalde teilnehmen konnte. Sie hat uns viel gegeben und ist Ansporn für die Lösung weiterer Aufgaben mit dem Ziel gemeinsamer Aktionen der linken Kräfte.

Helmut Braunschweig, Schorfheide


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Es wäre gut, mehr junge RF-Leser zu haben, aber das erreicht man nur mit Beharrlichkeit. Auf neue Trends à la Facebook, Blogs u. ä. einzusteigen, halte ich für wenig sinnvoll, denn die bürgerlichen Medien treiben ja jede Woche eine neue Sau durchs Dorf, ganz abgesehen von der "üblichen Datensammelei". Die Beschäftigung mit der virtuellen Welt durch Spiele oder belanglosen Meinungsaustausch dient der Ablenkung und bindet nur Zeit. Natürlich gibt es auch im Internet sehr gute und kluge Äußerungen.

Gerrit Junghans, Pößneck


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In der zurückliegenden Zeit gab es mir Auftrieb, wenn der "RotFuchs" im Briefkasten lag. Der Versuch, die Ursachen der Niederlage des Sozialismus in Europa und des Untergangs der DDR zu analysieren, war sehr hilfreich, ist aber leider nicht fortgeführt und auf kurzgefaßte Punkte gebracht worden.

Um junge Leser zu gewinnen, muß der RF neue Wege beschreiten. Ein guter Ansatz dazu ist es, daß der gedruckte "RotFuchs" im Internet steht. So kann ich - im Besitz eines Computers - von der Printausgabe mühelos umsteigen.

Petra Reichel, Bad Kreuznach

Bemerkung der Redaktion:
Der RF wird monatlich von 32.000 bis 35.000 Internet-Benutzern ganz oder teilweise heruntergeladen. Dabei dürfte es sich wohl mehrheitlich um junge und jüngere Leser handeln.


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Das im Bremer Donat-Verlag erschienene Buch "Na, Lütten? - Briefe aus dem KZ und Zuchthaus 1933-1937 von Heinrich Buchholz" (es wurde im RF bereits durch Dr. Ernst Heinz vorgestellt) hat am 12. November den Literaturpreis "Plattdeutsches Buch des Jahres 2011" der Hamburger Carl-Toepfer-Stiftung erhalten. Mehr als 40 Verlage aus zehn Bundesländern sowie aus Irland und den Niederlanden stellten ihre Produktionen vor. Erstmals wurde mit "Na, Lütten?" ein Buch des antifaschistischen Widerstandes in Platt- und Hochdeutsch angeboten. Während seiner Zeit im KZ und im Zuchthaus war Heinrich Buchholz schweren Mißhandlungen ausgesetzt. Doch bei seinen Briefen spürt man das an keiner Stelle. Heinrich verfaßte Gedichte, erfand kleine Geschichten mit lustigen Zeichnungen, karikierte sogar sein Zellendasein. Er nahm am Familienleben Anteil, spendete anderen Trost und machte ihnen Mut.

Heinrich Buchholz kam nur 58jährig bei einem Stromunfall ums Leben. Seine Tochter Lore hat viele Jahre unter schwierigen Bedingungen am Kampf der Kommunisten in der BRD teilgenommen und ist noch heute mit 84 Jahren in der DKP Bremen-Nord aktiv.

Gerd-Rolf Rosenberger, Bremen-Nord


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Während im Osten schon 1945 sämtliche Nazi-Juristen sofort ausgeschaltet wurden, brauchte man diese in der BRD dringend. Das unrühmlichste Beispiel lieferte Hitlers Blutrichter Hans Filbinger, der es bis zum CDU-Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg brachte. Die etwa 3000 Wehrmachts-Richter und -Staatsanwälte bildeten in der BRD ein furchtbares Bedrohungspotential für die bürgerliche Demokratie. Als juristisch verbrämte Tötungswerkzeuge der NS-Diktatur hatten sie während des Krieges 30.000 Todesurteile gefällt und allein 20.000 deutsche Soldaten gleich ins Jenseits befördern lassen. Mehr als 100.000 weitere Verurteilte kamen in Straflager und Strafbataillone. Mein eigener Vater befand sich darunter. Filbingers Maxime: "Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein", kennzeichnete die "rechtsstaatliche" Generallinie der BRD-Justiz.

Dipl.-Ing. Hermann Ziegenbalg, Riesa-Weida


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Mein Anliegen ist, die noch immer - auch im RF! - erkennbaren Unterschiede der klassenkämpferischen Sozialisation von Ost- und Westgenossen verringern zu helfen. Die Differenzen aus dem jeweils so anderen Erfahrungshintergrund errichten nach meiner Beobachtung bis heute eine Sperre. Die erkenne ich als gelernte DDR-Bürgerin und seit 15 Jahren im Westen lebende und arbeitende Sozialistin stets erneut. So fällt mir auf, daß die PDL, auf die der RF so gern scharfe Kritik abschießt, hier in Hessen aus Nichtopportunisten besteht. Wenn ich nun manche RF-Beiträge mit deren Augen lese, so finde ich ihre mühsame Sisyphos-Arbeit oft nicht ganz gerecht beurteilt. Es ist keineswegs egal, ob es um Wahlanteile von 10, 15 oder mehr Prozent geht oder um kommunal-, kreis- oder landesparlamentarisches Sein oder Nichtsein. Die klein gewordene DKP ist ja oft auf den Listen mit vertreten.

Die Entwicklung seit 1989 verlief voll zu unseren Ungunsten. Aber die RF-Leser sollten doch mal von der Lage ausgehen, wie sie tatsächlich ist. Mein Eindruck: Im RF überwiegen nach hinten, ins verloren gegangene Gestern der DDR gerichtete Beiträge. Diesen Blick aber können viele Genossinnen und Genossen in der Alt-BRD kaum nachvollziehen.

Marianne Walz, Gernsheim


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Es ist unbestritten das Recht der Redaktion, darüber zu entscheiden, ob ein Beitrag veröffentlicht wird oder nicht bzw. ob eine Kürzung aus redaktionellen Gründen vorgenommen werden muß. Die Redaktion hat aber m. E. nicht das Recht - wie mit meinem als Leserbrief in Nr. 166 erschienenen Beitrag über die Entwicklung der Bundeswehr zu einer weltweit einsetzbaren Interventionsarmee geschehen - den Inhalt so zu redigieren, daß das eigentliche Anliegen weitgehend verlorengeht und der Autor als militärpolitischer Dilettant erscheint.

Wenn mein Beitrag für die Leserbriefseite zu lang war, hätte man ihn unproblematisch in den Textteil einordnen können. In letzter Zeit haben des öfteren weniger wichtige Artikel die Seiten gefüllt. In diesem Zusammenhang werde ich das Gefühl nicht los, daß Themen aus dem Bereich der Militär- bzw. Sicherheitspolitik nicht erwünscht sind.

Oberstleutnant a. D. Roland Potstawa, Königs Wusterhausen


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Da man den Eltern und Großeltern sowie anderen Verwandten und Bekannten unserer Jüngsten scheinbar nicht traut, dem Nachwuchs die Wahrheit über das Leben in der DDR zu vermitteln und selbst die Lügenmärchen des Fernsehens offenbar nicht ausreichen, wurde jetzt für Kindergartengruppen ein neues "Erziehungs- und Bildungsangebot" entwickelt. In der ehemaligen Bautzener Strafvollzugsanstalt II, die den herrschenden Antikommunisten als "Gedenkstätte für die Opfer des DDR-Terrors" dient, werden neuerdings auch spezielle Führungen für Drei- bis Sechsjährige angeboten. Ein solcher Vorgang bedarf wohl keines Kommentars.

Helge Tietze, Bautzen


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Mir inzwischen 90jährigem stehen die Prophezeiungen Carl Friedrich von Weizsäckers vor Augen, die er vor 25 Jahren formuliert hat: "Die Menschheit wird nach dem Niedergang des Kommunismus das skrupelloseste und menschenverachtendste System erleben, wie sie es noch niemals zuvor gesehen hat ... Dieses System heißt 'unkontrollierter Kapitalismus'." Genau darum handelt es sich heute.

Manfred Wulf, Glauchau


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Seit mehreren Jahren bin ich interessierter und begeisterter RF-Leser. Immer wieder empfinde ich die Beiträge als lehr-, aufschluß- und inhaltsreichen Stoff für Diskussionen sowohl mit Gleichgesinnten als auch mit Andersgestimmten, die ihren Verstand zu gebrauchen wissen.

Obwohl ich Rentner bin und über die Höhe einer Spende nachdenken muß, folge ich dem "Gänsekeulen"-Aufruf im November-RF und beteilige mich aus solidarischer Überzeugung.

Johannes Auerswald, Berlin


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Die Fragestellung des Artikels von Irene Eckert im Novemberheft "Dürfen Deutsche Israel kritisieren?" möchte auch ich eindeutig mit ja beantworten. Der Staat Israel, der seit Jahrzehnten im Interesse des Imperialismus, besonders der USA, in Nahost die Rolle des Störenfrieds übernommen hat, ist in meinen Augen eindeutig aggressiv. Tel Aviv mißachtete während der ganzen Zeit alle einschlägigen UNO-Beschlüsse, raubt systematisch das Land der Palästinenser für den Bau immer neuer Siedlungen und kapert zivile Schiffe mit Hilfsgütern für die Bevölkerung im Gazastreifen.

Für ehrliche Deutsche, welche die geschichtlichen Lehren beherzigen, ist es durchaus legitim, die völker- und menschenrechtswidrigen Handlungen Israels anzuprangern. Berechtigte Kritik am Aggressionskurs der regierenden Zionisten mit Antisemitismus gleichzusetzen, entbehrt jeder Grundlage.

Klaus Schmidt, Zwickau


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In die UNESCO ist Palästina als Mitglied aufgenommen worden, eine Akzeptanz durch die UNO wurde seitens der USA, der BRD und anderer Staaten blockiert. Was hier passierte, ist an Ignoranz und Mißachtung des Völkerrechts kaum zu überbieten. Seit Urzeiten ist Palästina ein Siedlungsgebiet der arabischen Palästinenser. Sie sind eines der wenigen Völker, die keine wiederholten Wanderungen durchgemacht haben. Was die arabische Bevölkerung Palästinas seitens der Führung des Staates Israel zu erdulden hat, ist kaum zu beschreiben.

Wilfried Meißner, Blankenburg


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Im Text Horst Schneiders ("Unrühmlicher Glorienschein", RF 165) las ich folgende Formulierung: "Wie Egon Bahr unter Bezug auf 1953 sagen konnte, ohne den RIAS (an dem er selbst mitwirkte) hätte es den 17. Juni nicht gegeben ..."

Tatsächlich äußerte Bahr: "Ohne den RIAS hätte es den 17. Juni so nicht gegeben." Mit anderen Worten: Selbstverständlich hatte der RIAS einen herausragenden Anteil am Verlauf der Ereignisse um den 17. Juni auf seiten der Konterrevolution, aber es gab durchaus auch andere gravierende Gründe.

Dieter Hornung, Berlin


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Herzlichen Dank für die Glückwünsche zu meinem 85. Geburtstag. Ich habe mich darüber besonders gefreut, weil sie von "meinem" RotFuchs kamen. Durch viele Beiträge kann ich immer wieder mein Wissen ergänzen, Ansichten bestätigt finden und bei Diskussionen die Fakten gut anwenden.

Über die Hälfte meines Lebens hatte ich als Pädagoge und Schulfunktionär die Möglichkeit, unzähligen jungen Menschen und Kollegen beim Erwerb fachlichen und politischen Wissens behilflich zu sein. Heute - nach weit über 20 Jahren - sagen mir hin und wieder ehemalige Schüler: Was Sie uns zu DDR-Zeiten über die Menschenfeindlichkeit des Kapitalismus gesagt haben, ist durch die Wirklichkeit noch um vieles übertroffen worden.

Oberstudienrat i. R. Josef Grohmann, Boxberg


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Das Datum war nicht zufällig gewählt: Genau am 7. Oktober, dem 62. Gründungstag der DDR, bot das Land Mecklenburg-Vorpommern in der "Schweriner Volkszeitung" 20.000 Immobilien aus früherem DDR-Volkseigentum als "Schnäppchen" an. Die Filetstücke waren natürlich schon längst für Spottpreise in Privateigentum umgewandelt worden. Nachdem die Gier altbundesdeutscher "Überflieger" befriedigt wurde, hat man jetzt den Ramschtisch eingerichtet. Bleibt zu fragen: Wohin sind eigentlich die bisher auf solche Weise "erwirtschafteten" Gelder geflossen? Wo blieb hier die angebliche "Kontrolle" durch die Volksvertreter von M-V?

Walter Krüger, Dudinghausen


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Ein großes Lob dem Autor Klaus Horn. Der Geheimtip für mich in Heft 166 hieß nämlich: "Der 'RotFuchs' braucht Welpen." Als ich mich vor einigen Jahren im Gespräch mit meiner damals 19jährigen Nichte abfällig über die Breuel-Bande der Treuhand-Wessis äußerte, stieß ich auf völliges Unverständnis. Da wurde mir plötzlich klar, daß sie zur "Wende" gerade erst zwei Jahre alt war.

Monate später fand ich dann über ein anderes Thema - ich verglich das Einkommen eines DDR-Kombinats-Direktors mit dem Viel-Millionen-Salär des Deutsche-Bank-Chefs Ackermann - Zugang zu ihr. Man muß sich eben stets in die Erfahrungswelt Jüngerer und ganz Junger hineindenken können.

Jürgen Bauch, Dresden


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Man mag darüber streiten, ob der RF für junge Menschen "reizvoll" ist oder nicht. Aber daß in der Zeitschrift auf "jeden", der "anderen Ideen und Gedankengängen" folgt, "eingedroschen" wird, wie Uwe Liebscher im RF Nr. 166 behauptet, kann ich nicht feststellen. Mit den Worten, der Marxismus-Leninismus habe "in Gestalt der Werke der Klassiker" einmal seine Berechtigung gehabt, äußert er seine Zweifel an dessen Aktualität. Natürlich wäre es falsch, Aussagen von Marx, Engels und Lenin, die sich auf eine andere Situation bezogen, heute noch wie eine Monstranz vor sich herzutragen. Was aber nicht veraltet ist, sind die geistigen Instrumente, die Marx und Engels entwickelten und die Lenin anwandte. Mit ihrer Hilfe analysierte er die gesellschaftliche Entwicklung sowie deren Gesetzmäßigkeiten und zog Schlüsse für die Errichtung einer humanen Ordnung. Die Methode des wissenschaftlichen Herangehens an alle Probleme, das dialektische Denken, veraltet nicht.

Die Tatsache, daß der RF das Vermächtnis der DDR in Ehren hält, bedeutet keineswegs, deren Defizite und Mängel zu verschweigen. Wer sich indes bewußtmacht, unter welchen objektiven und subjektiven Bedingungen der Sozialismus aufgebaut wurde, muß staunen, was für historische Errungenschaften dennoch innerhalb von 40 Jahren erkämpft worden sind. Der "RotFuchs" leistet viel für das Bewußtmachen dieser Tatsache. Dafür bin ich seinen Initiatoren und Autoren sehr dankbar.

Sebastian Zachow-Vierrath, Cottbus


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In gewisser Weise möchte ich Uwe Liebscher unterstützen. Unsere Autoren sollten tatsächlich darum bemüht sein, bei ihren Beiträgen zu DDR-Themen immer auch den Blick nach vorn zu richten und mögliche Alternativen für die Zukunft anzubieten. Dabei hat sicher niemand fertige Lösungen parat, doch ist an Bewährtem wie der Überführung von Banken und entscheidenden Produktionsmitteln in Volkseigentum sowie der Aufhebung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und der Volksmacht unbedingt festzuhalten. Viele gute Anregungen vermittelt uns die Rostocker Rede Götz Dieckmanns. Ich las sie mit Freude, gibt sie nicht nur mir neue Zuversicht. Mich bewegt die Frage, ob es in absehbarer Zeit gelingen wird, einen Konsens für die vielen kleinen oder auch etwas größeren kommunistischen Parteien und Gruppen zu finden.

Ich weiß nicht, ob ich mich mit der Auffassung, der Kapitalismus stehe am Abgrund, doch keiner sei da, um ihn hinunterzustoßen, zu weit aus dem Fenster lehne. Gewisse Reformer behaupten ja, die Revolution stünde nicht mehr auf der Tagesordnung, und der Klassenkampf sei überholt. Für Marxisten ist das natürlich nicht hinzunehmen. Die ideologische Auseinandersetzung mit Uwe Liebscher und anderen, die seine Meinung teilen, sollte prinzipiell, aber kulturvoll und nicht verletzend geführt werden.

Waldemar Arndt, Vellahn


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Als langjähriger RF-Leser wurde ich in Nr. 166 durch Oberst a. D. Hans Linke direkt angesprochen. Das veranlaßt mich zu einer Bemerkung: Im allgemeinen wird in der Mehrzahl der RF-Beiträge und -Veranstaltungen anerkannt, daß das Gesellschaftsmodell der Sowjetunion und der mit ihr verbündeten Staaten Europas, darunter der DDR, vorwiegend an eigenen Fehlern und Schwächen zugrundegegangen ist. Es wird sogar gefordert, diese Defizite schonungslos zu analysieren, damit es künftige Generationen besser machen können. Unternimmt man aber, gestützt auf persönliches Erleben und eigene Sachkenntnis auf so neuralgischen Gebieten wie der DDR-Sicherheitspolitik oder des Schutzes der Staatsgrenze im letzten Jahrzehnt der DDR einen solchen Versuch, dann stößt man bald auf Widerstand. Mancher sieht seine Lebensleistung geschmälert oder meint, dem politischen Gegner würde das Wort geredet. Schnell ist auch der Opportunismus-Vorwurf zur Hand oder es wird, wie in meinem Fall, vom "Versuch anmaßender, elitärer Deutungshoheit" gesprochen. Das Dilemma sich als konsequente Linke Begreifender besteht wohl darin, Bewahrenswertes an der untergegangenen Gesellschaft zu verteidigen, zugleich aber bis an die Wurzeln ihres letztlichen Versagens vorzudringen.

Oberst a. D. Dr. Rolf Ziegenbein, Dresden


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Derzeit erleben wir den verzweifelten Versuch von EU-Politikern, den Niedergang des Kapitalismus aufzuhalten. Das erinnert mich an Don Quichottes vergeblichen Kampf gegen Windmühlenflügel. Banken- und Schuldenkrise, Euro-Krise, Rettungsschirm, Finanzhebel - das sind nur einige jetzt unablässig von den Herrschenden verwendete Begriffe, die den Fäulnisprozeß des Kapitalismus widerspiegeln. Es gibt nur einen Weg aus der Misere: die Überwindung des kapitalistischen Systems. Alles andere ist reine Flickschusterei, Herumbasteln an Symptomen.

Günther Röska, Leipzig


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In der Novemberausgabe wurde Michael Beltz aus Gießen verdientermaßen zum 70. Geburtstag gratuliert. Allerdings feierte er diesen nicht am 16., sondern schon am 6. 11.

Uwe Moldenhauer, Altena

Bemerkung der Redaktion:
Wir entschuldigen uns für diese Fehlleistung. Wie uns Erika Beltz allerdings wissen ließ, war unser Irrtum für Michael auch von Vorteil: Am 16. erhielt er nämlich noch einmal einen ganzen Schwung Glückwünsche.


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Die BRD ist im Besitz von 3428 t Gold. Der Preis für eine Feinunze schwankt derzeit um 1600 Dollar. Wann, wenn nicht jetzt, sollte das tote Metall verkauft werden? Damit fielen auch die Lagerkosten in Fort Knox (USA) weg, wo sich der größte Teil der BRD-Goldreserve befindet. Mit dem Verkauf könnte so manches Unrecht gegenüber früheren DDR-Bürgern endlich beseitigt werden. Zum Beispiel wäre damit eine längst überfällige Angleichung von Renten und Arbeitseinkommen möglich.

Werner Juhlemann, Geithain


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Im vergangenen Herbst unternahmen wir als Mitglieder der RF-Regionalgruppe Erfurt-Weimar eine Bildungsreise in das 1945 unter VVN-Regie erbaute Ferienheim "Heideruh" in Buchholz. Wir besichtigten die Hamburger Thälmann-Gedenkstätte, suchten das einstige KZ Bergen-Belsen auf, erlebten eine antifaschistische Stadtführung in Buxtehude, unternahmen Wanderungen, eine Heide-Kutschfahrt und schipperten durch den Hamburger Hafen. Uns beeindruckten nicht nur die solide Unterbringung und gute Verpflegung, sondern vor allem auch das politische Engagement der dort Tätigen. Anderen "RotFüchsen" können wir nur sagen: Es lohnt sich. Da wir wissen, daß der RF auch in "Heideruh" von Hand zu Hand geht, möchten wir unseren Gastgebern auf diesem Wege herzlich danken.

Dieter Schulze, Sömmerda


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Die dem RF 166 zufolge für das Dresdner Hannah-Arendt-Institut angeblich bereitgestellten Summen können so nicht stimmen: Pro Jahr wären das mehr als 1,3 Milliarden (!!).

Reinhard Melzer, Moritzburg/OT Boxdorf


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Mitte November meldete die MZ eine "Bedrohung durch 'Rotkäppchen'". Gemeint war der überaus beliebte Sekt dieser Marke. In dem Blatt hieß es wörtlich: "Der Jungen Union sind Ostalgie-Produkte ein Dorn im Auge." Deshalb habe sie dem CDU-Bundesparteitag zu prüfen nahegelegt, "ob die Verherrlichung der DDR durch sogenannte Ostalgie-Produkte nicht verboten werden kann".

Man bedenke, daß dieser vorlaute CDU-Nachwuchs vor 20 Jahren bestenfalls im Kleinkindalter war. Am liebsten sähen die Autoren des Antrags auf ein "Ostalgie-Verbot", daß Rotkäppchen - wie im Märchen - vom bösen Wolf gefressen wird.

Dr. Günther Freudenberg, Bernburg


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Von einem Berliner Freund erhielt ich die Septemberausgabe des "Roten Fuchses". Von der Themenvielfalt und der klaren Haltung der Zeitschrift bin ich fasziniert. Mit den selbsternannten "Aufarbeitern" der DDR-Geschichte, die Lügen und Haß über sie verbreiten und besonders die Herzen ahnungsloser junger Menschen vergiften, wird im RF schonungslos abgerechnet. Glückwunsch!

Günther Hönicke, Zwickau


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"Nichts ist vergessen und niemand!" Diese Worte Franz-Josef Degenhardts sollten uns ständig motivieren. In der ganzen Griechenland-Debatte wird hierzulande einfach unterschlagen, welch unendliches Leid das faschistische Deutschland im Zweiten Weltkrieg den Hellenen brachte. Unerwähnt bleibt auch die brutale Unterstützung der Athener Schwarzen Obristen durch die BRD in den 60er und 70er Jahren. Die Regierung der BRD, die sich als Rechtsnachfolger des "Dritten Reiches" betrachtet, sollte den Griechen nicht nur Rechnungen präsentieren, sondern in Betracht ziehen, daß von deutscher Seite noch bestimmte griechische Rechnungen unbeglichen sind.

Falk Moldenhauer, Bochum


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Der RF, der das anfängliche "politische Ghetto" längst verlassen hat und heute ein weitverbreitetes marxistisches Blatt ist, verschweigt weder die Härte noch die Kontinuität des Klassenkampfes und bringt so die Dinge immer besser auf den Punkt. Schaut man sich demgegenüber die taz an, die den RF erst unlängst als "Stasi-Nostalgie-Blatt" abzustempeln versuchte, so muß man feststellen, daß dort ein negativer Qualitätssprung von anfangs nach links tendierender Berichterstattung zum bürgerlichen Mainstream stattgefunden hat.

Walter Drexler, Berlin


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Mich beschäftigt die aktuelle Debatte über den Ausstieg aus der Atomenergie. Die Mengen giftigen Plutoniums vermehren sich im gleichen Verhältnis wie das Kapital der Privateigentümer. Obwohl es "nur" 159.400 Jahre braucht, um 99 % seiner ursprünglichen Strahlung abzubauen, kommen jährlich Tausende Tonnen neu hinzu. Wer bei dieser gewaltigen Zeitspanne an die Zukunft seiner Nachkommen denkt, muß sich fragen: Wie können künftige Generationen in einem so unüberschaubaren Zeitraum vor der Radioaktivität des Atommülls sicher sein? Fukushima machte schlagartig klar, wie schutzlos die Menschen sogenannten Sachzwängen gegenüberstehen.

Somit ist der Ausstieg aus der Atomenergie viel zu wenig, weil sich dadurch nichts am anarchischen Agieren des Kapitals, an seinen zerstörerischen Kräften ändert.

Das Privateigentum an Produktionsmitteln ist - auf die Gemeinschaft bezogen - asozial. Es entmündigt eine Gesellschaft nicht nur, sondern beraubt sie auch aller demokratischen Einwirkungsmöglichkeiten, um sich und die Nachfolgenden wirksam schützen zu können.

Gilbert Karasek, E-Mail


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Als lustig empfinde ich den Streit über Albert Einsteins Ausspruch: "Zwei Dinge sind unendlich: das Weltall und die menschliche Dummheit. Beim Weltall bin ich mir nicht so sicher."

Ich bin überzeugt, daß es sich dabei nicht um eine wissenschaftliche These des großen Gelehrten handelte, sondern um einen Scherz. Wenn ich indes manche Handlungen von Politikern betrachte, könnte ich doch zu der Auffassung neigen, daß Einstein es ernst gemeint hat.

Dr. Kurt Laser, Berlin

Raute

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Der RotFuchs wird ausschließlich aus Spenden und nach eigenem Ermessen jedes einzelnen finanziert.
Einen festen Preis gibt es nicht. Die Zeitschrift kommt jeweils am letzten Werktag eines Monats zum Versand.

Raute

IMPRESSUM

Der im Februar 1998 gegründete "RotFuchs" ist eine von Parteien unabhängige kommunistisch-sozialistische Zeitschrift für Politik und Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft.

HERAUSGEBER: "RotFuchs"-Förderverein e. V.

CHEFREDAKTEUR: Dr. Klaus Steiniger, (V.i.S.d.P.)
Rheinsteinstraße 10, 10318 Berlin,
Telefon 030/561 34 04
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(Redaktionsadresse)

SEKRÄTERIN: Karin Großmann

LAYOUT: Rüdiger Metzler

HERSTELLUNG: Druckerei Bunter Hund

INTERNET: www.rotfuchs.net

INTERNET-PRÄSENTATION DES ROTFUCHS
UND AKUSTISCHE AUSGABE (für Sehbehinderte):
Sylvia Feldbinder

Redaktionsschluß für die übernächste Ausgabe ist der 20. eines Monats.

AUTORENKREIS:
Dr. Matin Baraki
Rolf Berthold
Dr. Manfred Böttcher
Dr. Vera Butler (Melbourne)
Wolfgang Clausner
Prof. Dr. Götz Dieckmann
Dr. Rudolf Dix
Ralph Dobrawa
Dieter Fechner
Bernd Fischer
Peter Franz
Günter Freyer
Prof. Dr. Georg Grasnick
Ulrich Guhl
Bernd Gutte
Dr. Ernst Heinz
Jürgen Heiser
Helmuth Hellge
Dr. Dieter Hillebrenner
Manfred Hocke
Prof. Dr. Hans Heinz Holz †
Hans Horn
Dr. Klaus Huhn
Dr. Hans-Dieter Krüger
Rudi Kurz
Wolfgang Mäder
Bruno Mahlow
Dr. Bernhard Majorow
Prof. Dr. Herbert Meißner
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Jobst-Heinrich Müller
Gerhard Schmidt
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Prof. Dr. Rolf Sieber
Joachim Spitzner
Fritz Teppich
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Prof. Dr. Zbigniew Wiktor (Wroclaw)

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Dieter Eckhardt, Heinz Herresbach,
Klaus Parche, Heinrich Ruynat,
Renatus Schulz

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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2012