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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/1230: Mit einer "Bad Bank" wollen Banken ihre faulen Kredite loswerden


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 2 - Februar 2009
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Sieben auf einen Streich Mit einer "Bad Bank" wollen die Banken ihre faulen Kredite loswerden

Von Angela Klein


10 Milliarden Euro für die IKB, 50 Milliarden für die Hypo Real Estate, 10 Milliarden für die Bayern LB, 18 Milliarden für die Commerzbank, rund 500 Milliarden für den Rettungsschirm - innerhalb von vier Monaten Ist ein Geldsegen von fast 600 Mrd. Euro auf die Banken herabgerieselt, mehr, als 18 Jahre deutsche Einheit gekostet haben. Den Banken reicht das immer noch nicht.


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Als JP Morgan den Daumen über Lehman Brothers senkte und Goldman Sachs-Manager Hank Paulson in seiner späteren Eigenschaft als Finanzminister die viertgrößte Investmentbank fallen ließ, trat Angela Merkel vor die Kameras und verkündete: "Die Einlagen der Bürger sind sicher." Da schloss sich die deutsche Nation zusammen und die Not kannte keine Parteien mehr: Über Nacht wurde möglich, was vorher streng verboten schien: staatliche Hilfe für die Wirtschaft. Von außen war eine Katastrophe hereingebrochen, und Banken und Politik wollten ganz unschuldig an ihr sein. Die Schuld wurde auf einige schwarze Schafe und Heuschrecken abgeladen, z. B. US-Investmentbanken. Laut tönte die Klage über die "Exzesse der Marktwirtschaft", die mit der "sozialen Marktwirtschaft" so rein gar nichts zu tun hätten.

Nur so lässt sich verstehen, warum diejenigen, die uns die Suppe eingebrockt haben, sich nun anmaßen, die Rettungsschirme aufzuspannen, die uns vor dem Abgrund bewahren sollen. An vorderster Front muss hier die Spitze des Bundesfinanzministeriums genannt werden, Steinbrück und Asmussen und ihre Gehilfen Otmar Issing und Axel Weber. Ihre Rettungspakete sind pures Gift. Sie retten das private Vermögen von Spekulanten, indem sie die öffentlichen Haushalte astronomisch verschulden.


Nach den Landesbanken die Privaten

Die Abschlüsse aus dem dritten und vierten Quartal 2008 strafen das Märchen Lügen, es seien vor allem die öffentlichen Banken, die gezockt und sich verspekuliert hätten - siehe KfW, siehe die Landesbanken. Alle großen drei Privatbanken haben im Investmentbanking Milliardenverluste gemacht, zuletzt musste die Deutsche Bank einen Quartalsverlust von fast 4 Milliarden bekannt geben.

Ackermanns Nimbus, sein Haus habe die deutsche Finanzwirtschaft mit relativ wenigen Blessuren durch den Finanzsturm gesteuert, ist verflogen. Zwar behauptet er noch tapfer: "Wir haben nicht nach dem Staat gefragt. Wir haben nie mit ihm gesprochen. Und wir haben auch nicht die Absicht, mit der Regierung über die Deutsche Bank zu sprechen."

Zwar hat bislang von den drei großen Privaten nur die Commerzbank das Rettungspaket in Anspruch genommen - um die Dresdner schlucken zu können. Zwar muss die Postbank erst einmal 8% der Aktien der "Deutschen" übernehmen, damit diese genügend Geld hat, ihrerseits die Postbank übernehmen zu können. Aber seit die Finanzkrise in den USA in eine neue Runde gegangen ist - mit der Zerlegung der Citigroup und hohen Verlusten der Bank of America - beschleicht die Banker das ungute Gefühl, die 500 Mrd. könnten nicht reichen.

Ein Vorschlag aus dem Jahr 2003 liegt neu auf dem Tisch: der Vorschlag einer "Bad Bank", einer schlechten Bank.

Der Bundesverband deutscher Banken fordert sie mit Nachdruck. Die immer neuen Abschreibungen, die die Banken vornehmen müssen, weil das Bankensterben weitergeht, fressen das Eigenkapital auf. Der Rettungsschirm ist zu klein geraten, weil jede Bank "nur" für 5 Milliarden Euro faule Kredite loswerden darf, und das auch nur für drei Jahre. Wenn die Banken ihre Eigenkapitalquote unterschreiten - die, nebenbei gesagt, mit 8% viel zu niedrig angesetzt ist -, droht sich ihr Rating und damit ihre Wettbewerbsposition erheblich zu verschlechtern.

Der Staat soll jetzt helfen, indem er eine Bank schafft, in die alle schlechten Papiere ausgelagert werden. Deren Umfang wird derzeit auf 300 Mrd. Euro beziffert - die soll der Staat zahlen, sprich: der Steuerzahler. Die Belastungen, die auf die öffentlichen Haushalte in einem solchen Verfahren zukämen, wären nicht zu ermessen. Eine Bad Bank kann auch einen Staat wie die BRD in den Bankrott treiben.


Verantwortung der Politik

Bad Bank ist der zeitgenössische Ausdruck für die Sozialisierung der Verluste. Steinbrück winkt deshalb ab: "Es gibt keine Diskussion von Verantwortlichen über dieses Thema", heißt es aus seinem Haus. Das ist eine Lüge. Eine solche Diskussion gibt es schon lange - spätestens seit sie im Februar 2003 aufgeflogen ist.

Damals veröffentlichte das Handelsblatt eine Indiskretion, die in Bankenkreisen für großen Ärger sorgte. Bundeskanzler Schröder, Finanzminister Eichel und Wirtschaftsminister Clement hatten sich mit Spitzenvertretern der deutschen Banken und Versicherungen getroffen, weil mehrere große Privatbanken, darunter die Dresdner Bank, die Commerzbank und die Hypo-Vereinsbank, schwer an einem großen Bündel notleidender Kredite trugen. "Es kämen leicht 7 Mrd. Euro zusammen", schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung.

Damals schlug Josef Ackermann die Gründung einer Auffanggesellschaft vor. Sie sollte die Kredite Notleidender Banken einsammeln, bündeln, als Wertpapier verpacken und wieder verkaufen - also genau das machen, woran die Finanzmärkte letzten Herbst zusammengebrochen sind. Der Staat sollte für die Risiken einstehen und eine Garantie abgeben.

Durch die vorzeitige Bekanntmachung wurde der Plan vereitelt; die Gespräche aber "würden fortgeführt", schrieb das Handelsblatt seinerzeit (24.2.03). Es ist davon auszugehen, dass sie niemals abgerissen sind.

Der Finanzminister warnte damals auch nicht etwa vor diesen Geschäften, die er dann im Herbst 2008 als "immens riskante Immobilien- und Kreditgeschäfte" bezeichnet hat, als "unverantwortliche Überhöhung eines zügellosen Renditestrebens ohne ausreichende Regulierung". Im Gegenteil, er hat diese Geschäfte forciert.

Das belegt ein Aufsatz von Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen (der 2008 maßgeblich den Rettungsschirm ausgearbeitet hat) aus 2006. Darin schreibt er, dass "im Koalitionsvertrag die nächsten Reformschritte für den deutschen Verbriefungsmarkt eingeläutet werden", damit "im breiten Umfang die Möglichkeiten des internationalen ABS-Markts in Deutschland zur Finanzierung der Wirtschaft genutzt werden". Asset backed securities (ABS) sind verzinsliche Wertpapiere, die mit Forderungen hinterlegt sind, also verbriefte Kredite.


Aufschlussreiches Eigenlob

Wie aus einer "Zusammenstellung des Bundesfinanzministeriums über die Förderung der Deregulierung des Finanzmarkts durch die Bundesregierung" vom 31.8.2005 hervorgeht (www.bundesfinanzministerium.de), hat die Bundesregierung seit Regierungsantritt der SPD 1988 mehr für die Deregulierung der Finanzmärkte in Deutschland getan als 16 Jahre Kohlregierung vor ihr.

Unter anderem rühmt sie sich, es "Kreditinstituten erleichtert (zu haben), Kreditforderungen zu verbriefen: Es wurden Verbriefungszweckgesellschaften, die von Kreditinstituten Kreditforderungen übernehmen und verbriefen, gewerbesteuerrechtlich hinsichtlich der Behandlung von Dauerschulden den Banken gleichgestellt." Die "Befugnis zur Pfandbriefemission" wurde ausgedehnt, d.h. die Mindestanforderungen dafür herabgesetzt - beide Maßnahmen haben die Spekulationsgeschäfte des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate erst richtig befördert.

Der Drang des Bundesfinanzministers, durch weitgehende Deregulierung den "Finanzplatz Deutschland" international auf einen vorderen Platz zu bringen, kostet den Steuerzahler heute allein bezogen auf die Hypo Real Estate 50 Mrd. Euro. Wo ist das Gericht, das Peer Steinbrück dafür zur Verantwortung zieht? Warum dürfen diese Leute immer noch an der Regierung ihr Unwesen treiben und werden nicht unverzüglich abberufen? Wenigstens die Vorstandsvorsitzenden der HRE und der KfW und einiger Landesbanken mussten gehen. Warum nicht Steinbrück mitsamt seinen Ministerialen?

Das Vorhaben der Bad Bank zeigt: Die Überwindung der Finanzkrise wird immer noch den Akteuren anvertraut, die sie (mit) verbrochen haben. Deren neue Rezepte heißen bislang nicht anders als die alten: Verbriefung fauler Kredite. Das ist Betrug und es ist Raub und Plünderung der öffentlichen Kassen. Derweil finanziert die Bundesregierung mit öffentlichem Geld gigantische Bankenfusionen (davon ist der Commerzbank/Dresdner-Deal nur der erste), die in Tausenden von Entlassungen münden (die Commerzbank kündigt 9000 Entlassungen an; die HRE will mehr als die Hälfte aller Stellen streichen). Wo ist der Rettungsschirm für die Beschäftigten?

Entgegen ihren Fensterreden hat die Bundesregierung keinesfalls vor, die Banken stärker unter Kontrolle zu nehmen. Selbst dort, wo sie als Gegenwert zu einer Kapitalspritze Anteile erhält und damit Sitze im Aufsichtsrat (wie bei der Commerzbank), will sie die Geschäfte nicht wirklich kontrollieren. In einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag schreibt das Bundesfinanzministerium: "Eine gesonderte Vorbereitung der Mitglieder von Überwachungsorganen oder der Vertreter in den Anteilseignerversammlungen erfolgt bislang nicht."


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Das Beispiel Schweden

"Wenn der Staat eingreifen muss. dann hart und gerecht." Bo Lundgren, Steuerminister Anfang der 90er Jahre, als Schweden eine schwere Bankenkrise erlebte, bei der mehrere Banken verstaatlicht wurden.

"Wir schützten das Kapital der Gläubiger und Kunden, aber nicht das der Bankaktionäre. Wir boten an, bei vorübergehenden Engpässen mit staatlichen Garantien zu helfen. Für die berechneten wir eine Gebühr. Aber wenn eine Bank Geld von uns brauchte, sagten wir den Aktionären: Wenn ihr vom Staat Kapital bekommt, wird er dafür den entsprechenden Einfluss im Unternehmen verlangen. Die SEB dachte, dass der Staat ihnen einfach so mit Geld hilft - ohne Einfluss zu verlangen. Sie argumentierten: Wenn der Staat eine Form von Hilfe anbietet, bei der die alten Aktionäre ihren Einfluss verlieren, könnten die alten Aktionäre dieses Angebot ausschlagen. Dann geht es der Bank noch schlechter, und das schadet der ganzen Volkswirtschaft. Darum sollte der Staat uns entgegenkommen. Wir haben schnell ein Gesetz erlassen, das es dem Staat erlaubte, eine Bank auch gegen den Willen der Aktionäre zu übernehmen, wenn sie nicht mehr über die vorgeschriebene Kapitaldeckung verfügt."


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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 2, 24. Jg., Februar 2009, Seite 3
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2009