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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/1453: Die Atomindustrie macht Kasse - ab mit Merkel in die Asse!


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 10 - Oktober 2010
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Die Atomindustrie macht Kasse - ab mit Merkel in die Asse!
Gorleben "politisch nicht durchsetzbar" machen

Von Thadeus Pato


PECUNIA NON OLET.

Geld stinkt nicht, aber wenn man es eine Zeitlang in einem Reaktorgebäude lagert, dann strahlt es. Das Geld, um das es (unter anderem) bei dem Deal der Bundesregierung mit den Herren von RWE und Konsorten, geht, strahlt und stinkt nicht, es stellt schlicht das dar, was man in der kapitalistischen Marktwirtschaft ein gutes Geschäft auf Gegenseitigkeit nennt. Der eine hat ein Recht zu verkaufen, sagen wir mal, ein Jagdrecht, und der andere möchte gerne Tiere totschießen. Der eine kassiert, der andere schießt.

So hat die Regierung den Energieversorgungsunternehmen (EVU) das Recht zum Weiterbetrieb ihrer klapprigen Altlasten verkauft - sie stammen aus einer Zeit, als man den Leuten noch weismachen konnte, ein bisschen Strahlung sei gar nicht so schlecht. Wie bei einem guten Geschäft üblich, haben beide profitiert und, wie im Kapitalismus ebenfalls üblich, der Staat hat alle Risiken übernommen.

Den Wildverbiss bezahlt in diesem Falle nämlich nicht der Jagdpächter, wie sonst Usus. Denn dabei gibt es ein kleines Problem: Die bereits existierenden Kollateralschäden der Atomenergie - von der Asse über Harrisburg bis Tschernobyl, um nur die populärsten Werbeträger dieses Geschäftszweiges zu nennen - sind ebenso wie die zukünftig möglichen schlicht nicht bezahlbar, jedenfalls dann nicht, wenn man den produzierten Strom günstig anbieten will. Da muss dann die Allgemeinbevölkerung ran, mit ihren Steuergroschen und/oder mit den gesundheitlichen Folgen, die eine leckgelaufene strahlende Müllkippe oder ein Reaktorbrand in der mehr oder weniger nahen Umgebung so nach sich ziehen.

Nicht vergessen sollte man im Übrigen, dass man sich mit dem Weiterbetrieb der Reaktoren auch die militärische Option offenhält. Die Nukleartechnologie ist als Waffentechnologie entstanden - eine Trennung zwischen ziviler und militärischer Nutzung gibt es nicht. Und dieses Knowhow könnte man ja noch einmal für andere Zwecke brauchen als nur zur Stromproduktion.


Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten...

...die sich mit jedem Winde drehen. Sie nahten, kaum waren die Pläne der Regierung ans Licht gekommen. Und es ist schwer zu unterscheiden, wer in diesem Paradestück politischer Spiegelfechterei, das sich dann abspielte und immer noch abspielt, die jämmerlichste Figur abgab:

Etwa der Bundesumweltminister, der erst den guten Polizisten gab, für eine "moderate Laufzeitverlängerung" eintrat und mit freundlichem Gesicht verfassungsrechtliche Bedenken äußerte (damit ist er unter Umständen demnächst fein raus und kann seine Hände in Unschuld waschen), um dann bei der ersten Gelegenheit komplett umzufallen und den Durchmarsch der Atomlobbyisten als historisches Ereignis zu feiern? Der am 15.9. in einem Interview auch noch bekannt gab, er sei bei den Vertragsverhandlungen mit Letzteren gar nicht dabei gewesen, denn da hätte es sich ja nur um Finanzielles gedreht? (Als ob es sich je um etwas anderes gedreht hätte.)

Oder der Rächer des Dosenpfands, Jürgen Trittin, der seinerzeit die "Ausstiegsregelung" mitzuverantworten hatte, die zeitlich so großzügig bemessen und so konstruiert wurde, dass eine nachfolgende Regierung sie ziemlich sicher wieder kippen konnte, und der als amtierender Umweltminister das Problem der illegalen Atom- und Giftmüllkippe Asse schlicht bis zur nächsten Wahlniederlage aussaß? Und der jetzt die Empörung in Person ist, weil die CDU ihm das schöne Logo "Brückentechnologie", das er einst für die Brennstoffzelle verwendete, gestohlen hat?

Mein Favorit ist eher Herr Gabriel, der als Ministerpräsident von Niedersachsen und als Umweltminister - genau wie jetzt - immer dann laut zu rufen anfing, wenn es sich gar nicht mehr vermeiden ließ, wobei im Fall der Asse der Basso continuo "Haltet den Dieb" unter seinem Heldentenor nicht zu überhören ist. Die beiden Letzteren entblöden sich nicht einmal zu meinen, sie könnten sich jetzt an die Spitze der Widerstandsbewegung gegen die Laufzeitverlängerung setzen. Das ist nicht nur jämmerlich, das ist schamlos.


Die Brücke als Sackgasse

Das Problem, das Trittin und Gabriel gemeinsam haben und das sie mit ihrem Geschrei vergessen lassen möchten, ist, dass die Ziele im Energiekonzept der jetzigen Bundesregierung sich von den Konzepten, mit denen sie selbst seinerzeit hausieren gingen, nur quantitativ unterscheiden: Die Atomkraftwerke laufen schlicht noch etwas länger, als Rotgrün es ohnehin vorgesehen hatte.

Was sich allerdings nicht unterscheidet, das ist das "immer weiter so", immer mehr Wachstum, immer mehr Produktion, immer mehr Verkehr, immer mehr Konsum. Was die Reduktionsziele in Bezug auf den CO2-Ausstoß betrifft, haben sie mit der amtierenden Regierung ebensowenig Differenzen wie in Bezug auf die Frage, dass der Kapitalismus grün angestrichen werden soll. Die Tünche dafür wurde soeben in einem Eimer namens "Energiekonzept" angerührt.

Dass die EVUs aus dem Schaden, den sie mit ihrer ungehemmten und teilweise illegalen Einlagerung von Atommüll in die Asse angerichtet haben, nicht klug geworden sind, ist verständlich - sie müssen ihn ja nicht bezahlen. Dass aber ausgerechnet eine promovierte Physikerin jetzt die "Erkundungen" in Gorleben wieder aufnehmen lässt und sich weder durch die Gefahr des Wassereinbruchs noch der Explosion durch tiefer gelagerte Erdgasvorkommen davon abhalten lässt, erstaunt den Laien doch etwas - allerdings nur, wenn er davon ausgeht, dass derartige Entscheidungen etwas mit wissenschaftlichem Sachverstand, Verantwortlichkeit und nachhaltigem Handeln zu tun haben. Geht es der Atommafia und ihren Helfershelfern aus der Politik doch nur darum, endlich einen wie auch immer gearteten Entsorgungsnachweis zu bekommen - denn nur dann können sie sicher sein, ihre größten Profitbringer weiterbetreiben zu dürfen. Und dafür ist jedes Mittel recht.

Der Orwell'sche Neusprech ist bei den Verlautbarungen unserer Atomregierungen der letzten Jahrzehnte - ob nun SPDFDP, CDSUFDP, SPDGRÜNE oder CDSUSPD - zur Gewohnheit geworden. Der Kunstgriff, die Nuklearindustrie als "Brückentechnologie" zu verkaufen, soll vermeiden, dass sie als das benannt wird, was sie ist: ein Auslauf-Modell. In Sellafield, in Tscheljabinsk, in La Hague und nicht zuletzt in der Asse - überall läuft der strahlende Dreck seit Jahren ins Grundwasser, in die Flüsse, ins Meer oder schlicht in die Umgebung.

Im Zusammenhang mit dem projektierten Endlager in Gorleben bekommt das Zauberwort "Brückentechnologie" noch eine weitere, ganz neue, Bedeutung: In die Asse hat man ja auch erstmal hineingekippt, was das Zeug hielt, nur um es jetzt wieder herausholen zu müssen. Gorleben wäre dann die (nächste) Brücke, bis man entweder die Gesetze geändert hat oder die Wanderung zur nächsten Müllkippe antreten muss. Denn eine "sichere Endlagerung" für hochradioaktiven Müll - das ist eine Binsenweisheit - gibt es nicht. Damit hat die Regierung auch gleich noch eine verkehrstechnische Neuerung eingeführt: die Brücke als Sackgasse.


Politisch nicht durchsetzbar

Vernünftigen Argumenten sind die Verantwortlichen nicht zugänglich - die werden vom Klingeln der Registrierkasse übertönt. Aber es wäre ja nicht das erste Mal in der Geschichte der Anti-AKW-Bewegung, dass diese sich trotz Ausgrenzung, Kriminalisierung und Bestechung gegen Rosstäuscher vom Schlage Merkels, Röttgens, Gabriels und Trittins durchsetzt:

Wyhl 1975 und Wackersdorf 1989 haben gezeigt, dass gegen eine Massenbewegung, die die öffentliche Meinung auf ihrer Seite hat, kein realpolitisches Kraut gewachsen ist. Als in Bezug auf die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf die VEBA 1989 kalte Füße bekam (obwohl Franz-Josef Strauss seinerzeit tönte, die Anlage sei "nicht gefährlicher als eine Fahrradspeichenfabrik") und vom Bau (angeblich aus Kostengründen) Abstand nahm, war der eigentliche Grund der, den der niedersächsische Ministerpräsident Albrecht später in dankenswerter Offenheit nannte, als er das Moratorium verkündete, das jetzt aufgehoben wird: "Gorleben ist politisch nicht durchsetzbar".

Auch Merkel wird das jetzt lernen müssen: Gorleben und die Laufzeitverlängerung sind politisch nicht durchsetzbar. Schon den letzten Castortransport hat die wiedererwachende Anti-AKW-Bewegung der Staatsmacht mit 23 Millionen in Rechnung gestellt. Es könnte noch viel teurer werden.


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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 10, 25.Jg., Oktober 2010, S. 6
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Oktober 2010