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VORWÄRTS/576: Keine Billigpauschalen für Multimilliardäre


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 01/02/09 vom 9. Januar 2009

Keine Billigpauschalen für Multimilliardäre


mgb. Ausländische Millionäre, die "keiner Erwerbstätigkeit nachgehen", können in vielen Schweizer Kantonen von massiven Steuererleichterungen profitieren. Statt Einkommen und Vermögen zu versteuern, bezahlen sie eine stark reduzierte Pauschale. Im Kanton Zürich erhalten die Stimmberechtigten am 8. Februar die Chance, mit dieser unfairen Praxis Schluss zu machen.


Der russische Multimilliardär Viktor Vekselberg lebt seit einigen Jahren in der Stadt Zürich. Gemäss dem Wirtschaftsmagazin "Bilanz" besitzt Vekselberg per Ende 2008 ein Vermögen von 11 bis 12 Milliarden Franken. Er erreicht somit Platz vier der 300 reichsten in der Schweiz lebenden Menschen. Dennoch bezahlt der Russe jährlich bloss 1.5 Millionen Franken Steuer. Angesichts seines immensen Vermögens kaum mehr als ein Trinkgeld. Wie ist das möglich?


Besteuerung nach Lebensaufwand

Das Zauberwort heisst Pauschalbesteuerung. Anspruch auf eine solche können AusländerInnen erheben, welche in der Schweiz wohnen und hier keine Erwerbstätigkeit ausüben. Davon profitieren ausschliesslich wohlhabende Migranten - wie Vekselberg. Sie werden nicht gemäss ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert (Einkommen und Vermögen), sondern gemäss ihrem Lebensaufwand in der Schweiz. Pauschalbesteuerte bezahlen üblicherweise bloss einen Steuersatz, der dem fünffachen Mietwert ihrer Wohnung oder ihres Hauses entspricht.

Ursprünglich entwickelte der Kanton Waadt die Idee der Pauschalbesteuerung, um reiche ausländische RentnerInnen in die Schweiz zu locken. Hier sollten sie von gerechten Steuerforderungen unbehelligt ihren Ruhestand geniessen - und dabei natürlich auch ordentlich konsumieren... Diese ohnehin schon obszöne Idee wurde durch die Praxis in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten noch weiter pervertiert. Die Pauschalbesteuerung entwickelte sich je länger, je mehr zu einem Steuerschlupfloch für Gutbetuchte. Die Formulierung im Gesetz lässt Tür und Tor offen für Missbrauch. In den vergangenen Jahren kamen verschiedene Fälle von Personen ans Licht, welche die Anforderungen für eine Pauschalbesteuerung nur mit Tricks und Winkelzügen erfüllen. Das passende Stichwort wäre hier wohl Schein-Erwerbslosigkeit: Vekselberg - oder auch der deutsche Milchbaron Theo Müller ("Alles Müller oder was?") - geben vor, in der Schweiz keiner Erwerbstätigkeit nachzugehen, obwohl sie ihre weltweiten Firmenkonglomerate von Zürich aus managen. Vekselberg beispielsweise ist unter anderem Mehrheitseigner von Sulzer und OC Oerlikoo. Allerdings kaschiert er diesen Umstand mittels ausländischer Holdings. Dadurch geht er in der Schweiz offiziell keiner Erwerbstätigkeit nach.


Eine Frage der Gerechtigkeit

Es gibt Grund zur Annahme, dass im Kanton Zürich eine Mehrheit der Pauschalbesteuerten erwerbstätig sind - und dies irgendwie kaschieren. Von 105 Personen, die 2005 von einer Pauschalbesteuerung profitierten, waren gerade mal 33 über 65 Jahre alt. Zwei Personen waren gar jünger als fünfundzwanzig. Im Endeffekt bleibt es aber irrelevant, was und ob pauschalbesteuerte Personen tun. Die Institution an sich ist zutiefst ungerecht und unsolidarisch. Wieso sollten Multimilliardäre prozentual weniger Steuern bezahlen, als Werktätige?

Dank einer Initiative der AL haben nun die Stimmberechtigten im Kanton Zürich die Möglichkeit, der absurden Praxis einen Riegel zu schieben. Am 8. Februar kommt es zur Abstimmung. Bei einem Ja zur Vorlage wird die Pauschalbesteuerung im Kanton Zürich bis auf Weiteres abgeschafft. Den GegnerInnen dürfte es schwer fallen, Argumente zur Verteidigung der Pauschalbesteuerung zu finden. Nicht einmal der von den Bürgerlichen oft bemühte Steuerwettbewerb zieht hier. Denn die 105 Pauschalbesteuerten im Kanton bezahlen - unter anderem dank den massiven Steuervergünstigungen - gerade mal 15 Millionen Franken Steuern an Bund, Kanton und Gemeinden. Selbst wenn sämtliche Pauschalbesteuerten über Nacht wegziehen würden, bliebe der Steuerausfall im Bereich der Budgetunschärfe. Er wäre schlichtweg nicht spürbar.

Letztendlich geht es am 8. Februar somit nicht um Steuereinnahmen, sondern um Gerechtigkeit: Es geht darum, ob Multimilliardäre im Kanton Zürich prozentual weniger Steuern bezahlen sollen, als Werktätige.

www.pauschalbesteuert.ch


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 01/02/2009 - 65. Jahrgang - 9. Januar 2009, S. 3
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2009