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VORWÄRTS/604: Die unsichtbare Hand des gelben Riesen


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 33/34 vom 4. September 2009

Die unsichtbare Hand des gelben Riesen


sit. Den ZeitungsverteilerInnen der Zuvo und der Prevag soll der Lohn um bis zu 15 Prozent gekürzt werden. Die Betroffenen wehren sich mit ersten Kampfmassnahmen. Im Hintergrund stehen die Interessen der Schweizerischen Post, welche die Drecksarbeit anderen überlässt, um dann mit einer sauberen Weste dazustehen.


Es ist wahrlich kein Job für Morgenmuffels oder Weicheier: Während selbst der Hahn noch seinen Schönheitsschlaf geniesst, müssen die ZeitungsverträgerInnen aus den Federn, ihren Ziehkarren mit Zeitungen bepacken und damit zu Fuss auf eine kilometerlange Tour gehen. Und dies bei jedem Wetter, denn dem Abonnenten ist es egal ob es regnet, schneit oder bitterkalt ist. Er will jeden Morgen seine Tageszeitung vorfinden und zwar pünktlich bitteschön, denn schliesslich hat er dafür bezahlt. Doch am Mittwoch 26. August suchten 5000 AbonenntInnen im Raum Zürich ihre Zeitung vergeblich im Briefkasten. Sie wurde nicht verteilt, weil das Personal der Zuvo einen "ersten, zeitlich und örtlich befristeten Warnstreik" durchgeführt hat, erklärt die Gewerkschaft comedia in ihrer Medienmitteilung. Das Personal der Zeitungsfrühzustellfirmen Zuvo und Prevag wehrt sich bereits seit Monaten gegen die massive Lohnkürzung, welche mittels Änderungskündigungen durchgesetzt werden sollen. Der ausbezahlte Stundenlohn soll in Zukunft zwischen 16 und 17 Franken betragen. Unterstützt wird der Kampf der ZeitungsverträgerInnen von den Gewerkschaften comedia und Kommunikation sowie von über 15.500 KundInnen, sprich ZeitungsleserInnen, die eine Petition gegen die Lohnkürzungen unterschrieben haben. Auch das "solikomitee" in Zürich und Basel hat sich mit einer Flugblattaktion an die VerteilerInnen gewendet: "Es ist ein Skandal, dass die Eure Löhne senken will! Immer wieder versuchen die Bosse verschiedener Branchen und Unternehmen auf dem Rücken der Angestellten ihre Profite auf gleicher Höhe zu halten oder gar zu steigern. Dass Ihr Euch nun dagegen wehrt, finde ich gut und wichtig. Ich nehme sehr gerne in Kauf, eines Morgens keine Zeitung im Briefkasten zu finden, weil ihr in den Streik tretet."


Im Interesse der Schweizerischen Post

"Da die Löhne für die VerträgerInnen der Zustell- und Vertriebsorganisation Zuvo deutlich über dem marktüblichen Lohniveau liegen, sehen wir uns gezwungen, die Löhne um durchschnittlich 9,3 Prozent zu senken", kommentierte Sonja Levy, Sprecherin der Zuvo, die Massnahme. Aber: Im Verteilgebiet der Zuvo, das sind die Kanton Glarus, Zürich, Thurgau, St. Gallen und Appenzell, hat die Zuvo gar keine Konkurrenz sondern das alleinige Monopol. Gleiches gilt in Basel für die Prevag, welche die Löhne bis zu 15 Prozent kürzen will und eine 100-Prozent-Tochtergesellschaft der Post ist. Es ist der gelbe Riese, der mehr oder weniger direkt seine Finger im Spiel hat und im Hintergrund eine üble Rolle spielt. So gaben bereits anfangs Oktober 2008 Tamedia und die NZZ bekannt, dass sie ihre 50 Prozent Beteiligung an der Zuvo in eine neu zu gründende Tochtergesellschaft der Schweizerischen Post einbringen werden. Läuft alles nach Plan, werden Tamedia und NZZ mit 12,5 Prozent beteiligt sein. Durch diese neue Tochtergesellschaft wird die Post in weiten Teilen der Deutschschweiz die Frühzustellung von Zeitungen und Zeitschriften beherrschen. Einzig in den Kantonen Schaffhausen, Aargau und Solothurn wird es vorerst noch unabhängige Zustellorganisationen geben. Es ist klar, dass "die Post nicht als unsoziale Arbeitgeberin mit Lohnabbaumassnahmen in Erscheinung treten will", schreibt die Gewerkschaft comedia. Die Drecksarbeit sollen daher die jetzt noch zuständigen Zuvo und Prevag erledigen und die Löhne senken, bevor sie zur neuen Tochtergesellschaft der Post fusionieren.


Den Kampf unterstützen

Die ZeitungsverträgerInnen haben den beiden Firmen eine Frist bis zum St. August 2009 um 10.00 Uhr gesetzt, um in Verhandlungen zu treten. Hans-Peter Graf, Mitglied der Geschäftsleitung der comedia, meint jedoch auf Anfrage: "Ich glaube nicht auf eine positive Rückmeldung." Als Ziele nennt er "die Rücknahme der Lohnsenkungen, der Beginn von echten Verhandlungen und die Anerkennung der beiden Gewerkschaften als Verhandlungspartner". Alles deutet darauf hin, dass es zu weiteren Streikaktionen der ZeitungsverteilerInnen kommen wird. Der vorwärts ruft daher auf, den Kampf solidarisch zu unterstützen. Alle, die jeden Morgen eine Zeitung im Briefkasten vorfinden, die vom Personal der Zuvo oder Prevag verteilt wird, sollen bei der entsprechenden Tageszeitung per Email oder Brief ihre Empörung äussern und die Rücknahme der Lohnsenkung fordern!


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 33/34 - 65. Jahrgang - 4. September 2009, Seite 4
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
und ihre Deutschschweizer Sektionen
Redaktion: Vorwärts, Postfach 2469, 8026 Zürich
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vorwärts erscheint 14-täglich,
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Probeabo: 4 Ausgaben gratis
Jahresabo: Fr. 160.-, reduziert (AHV, Stud.) Fr. 110.-


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2009