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VORWÄRTS/659: Klare Worte aus Griechenland


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 22/23/2010 vom 11. Juni 2010

BLICKPUNKT KKE
Klare Worte aus Griechenland


Redaktion. In Griechenland reissen die Massenproteste gegen die massiven Sparmassnahmen der Regierung nicht ab. Eine wichtige Rolle im Widerstand hat die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE), die alleine über hunderttausend Menschen mobilisieren kann. Wir veröffentlichen einen Auszug einer Rede von Aleka Papariga, der Generalsekretärin des Zentralkomitees der KKE. Sie nennt dabei unter anderem die Vorschläge der Partei.


"Unsere Strategie ist es, die barbarischen Massnahmen zu stoppen, damit sie nicht durchgesetzt werden. Dies so weit wie möglich unter den heutigen Bedingungen. Wir müssen verhindern, dass die Massnahmen im Bewusstsein des Volkes legitimiert werden. Im jetzigen Moment geht es darum, eine Umgruppierung vorzunehmen und mit dem Gegenangriff voranzukommen. Dies um das heutige Kräfteverhältnis zugunsten der Volksmacht zu verändern. Wir sind nicht gleichgültige und neutrale Beobachter. Aber wenn das politische Kräfteverhältnis uns keine wirksame Einmischung zugunsten des Volkes ermöglicht, dann legen wir den Schwerpunkt auf die ausserparlamentarische Bewegung. (...) Aus diesem Grund ist es notwendig, die Kräfte um die KKE zu bündeln, ungeachtet ob das arbeitende Volk mit der KKE in allem übereinstimmt, die Menschen Fragen haben oder sie verschiedene Ansichten über den Sozialismus vertreten. Es geht konkret um die kämpferischen Kräfte der Arbeiter und Angestellten in privaten Firmen und im öffentlichen Dienst, um die armen, selbständigen, kleinen Gewerbetreibenden, um die armen Bauern, sowie um eine verstärkte Beteiligung von Jugendlichen und Kindern aus der Arbeiterklasse, von Familien mit niedrigem Einkommen, von Werkstudenten, von jenen in den Ausbildungsprogrammen, den Frauen und Einwanderern, den Kämpfern auf den Gebieten der Wissenschaft, Kunst und Kultur. (...)


Auf der Strasse und im Betrieb

Das Herz der Kämpfe sind die Arbeitsplätze, die Strassen mit den kleinen Geschäften, die Provinz, Schulen, Universitäten, Einwandererviertel, Arbeiterwohnbezirke, Armensiedlungen des Volkes. Die Blockade der neuen arbeiterfeindlichen Massnahmen muss mit dem Kampf gegen die Abschaffung der gewerkschaftlichen Kollektivvereinbarungen (Gesamtarbeitsverträge, Anm. d. Red.) und der Förderung individueller Vereinbarungen, sowie für die Arbeitszeitsenkung und gegen die Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse verbunden und kraftvoll an jedem Arbeitsplatz durchgesetzt werden. Das arbeitende Volk muss das Kräfteverhältnis von unten verändern. Und dies muss sich darin zeigen, dass sich der Kampf gleichzeitig auf politischer Ebene entwickelt. Das Volk muss es sich nicht länger gefallen lassen, unbeschreibliche Opfer für die Profite der Industriellen, der Schiffseigner, der Grosshändler und der Monopole allgemein auf sich zu nehmen.

Das erste Ziel ist der Kampf, welcher den Widerstand, die Zermürbung und das Unterlaufen der barbarischen Massnahmen von der Regierung und ihren Handlangern verbindet. Es ist der Kampf gegen die Maschinerie, deren Teil das bürgerliche, politische System des Landes und die Plutokratie ist. Ein Zermürbungskampf ist aber nicht genug. Es müssen auch kleine oder grössere Siege erkämpft werden. (...) Die KKE verstärkt derzeit ihre Anstrengungen, um ihren politischen Vorschlag zu propagieren. Gleichzeitig verstärkt sie ihre Präsenz in den täglichen Kämpfen.


Noch nicht zu spät

Das griechische Volk muss zwischen zwei Wegen der Entwicklung für die griechische Gesellschaft wählen: Dem aktuellen Weg und jenem, welcher durch das Volk erkämpft werden muss. Wir stehen zu den Fakten und dem Nachweis, dass Griechenland die Voraussetzungen hat, um eine selbsttragende Volkswirtschaft zu schaffen und zu entwickeln. Dies trotz den schwerwiegenden und zerstörerischen Schäden in gewissen Bereichen, welche durch die Kapitalherrschaft und die Konkurrenz der Monopole verursacht wurden. Die negativen Entwicklungen der letzten 20 Jahre in gewissen Zweigen der industriellen Produktion und in der Landwirtschaft können unter anderen politisch-ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen geändert und verbessert werden. Es ist nicht zu spät dafür.

Griechenland hat einen zufriedenstellenden Grad an Konzentration der Produktion, ein Handelsnetz und einen besonderen Entwicklungsstand in der modernen Technologie. Griechenland verfügt über ein grosses Potential von erfahrenen Arbeitskräften mit verbessertem Bildungs- und Spezialisierungsgrad im Vergleich zur Vergangenheit. Griechenland besitzt wertvolle Mineralien, bedeutende Reserven an Bergbaugütern, was einen Vorteil für die industrielle Produktion und die Produktion von Konsumgütern darstellt Griechenland hat den grossen Vorteil, dass es ausreichend Nahrungsmittel für die Befriedigung der Bedürfnisse des Volkes sowie den Aussenhandel bereitstellen kann. Griechenland hat seine Fähigkeiten in der Produktion moderner Erzeugnisse, Maschinen, Werkzeuge und Haushaltsgeräte.


Vergesellschaftung ist unerlässlich

Um zu einer Volkswirtschaft für alle zu kommen, müssen wir eine Lösung für das Problem des Eigentums zugunsten der Befriedigung der Bedürfnisse des Volkes und nicht der Bedürfnisse des Profits finden. Dafür braucht es eine Veränderung in den historisch überkommenen, gesellschaftlichen Eigentumsverhältnissen, die auch das politische System bestimmen und die Konzentration der Produktionsmittel in den folgenden Gebieten betreffen: Energiewesen, Telekommunikation, Mineralien, Bergbau, Industrie, Wasserversorgung, Transportwesen. Die Vergesellschaftung des Bankwesens, des Bergbaus, die Übertragung und Verwaltung der Naturreichtümer, des Aussenhandels, ein zentralisiertes Netz im Binnenhandel, Wohnstätten für das Volk, Forschung und ein demokratisches Informationswesen für das Volk sind unerlässlich. Ein ausschliesslich öffentliches, umfassendes und freies Bildungs-, Gesundheits-, Fürsorge- und soziales Sicherheitssystem ist unerlässlich!

Unserer Einschätzung zur Folge kann es Gebiete geben, die nicht in die vollständige, landesweite Vergesellschaftung eingeschlossen sein werden. In Ergänzung sollte daher ein Bereich für produktive, landwirtschaftliche Genossenschaften auf niedriger Entwicklungsstufe gebildet werden. Ebenso für die kleinen Geschäftsleute in Zweigen, in der die Konzentration niedrig ist.

Der vergesellschaftete sowie der genossenschaftliche Bereich, die Produktion und die Verteilung sind als ein Ganzes, eine Einheit zu verstehen. Sie müssen in einen zentralisierten, nationalen Wirtschaftsmechanismus der Planung und Verwaltung eingeschlossen werden. Dies damit alle Produktionsmittel und die Arbeitskraft mobilisiert werden können, und jede mögliche Form der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit auf der Grundlage des gegenseitigen Nutzens angewendet werden kann. Die einheimische Produktion wird geschützt werden. Und die Interessen der Arbeiter werden gegenüber allen möglichen Konsequenzen beschützt werden, die aus den Erfordernissen des Aussenhandels entstehen.


Eine Lebensnotwendigkeit

Eine zentrale Planung ist notwendig, um strategische Ziele und Richtungen zu formulieren. So können Wirtschaftszweige und -bereiche gefördert werden, in denen grössere Mittel und Kräfte konzentriert werden sollen. Die planmässige Deckung der Nachfrage sowie die Verteilung nach Branche und Gebiet wird vor allem durch die Arbeiterkontrolle in jeder Produktionseinheit und jeder Dienstleistungseinheit sowie jedem Verwaltungsorgan gewährleistet. Die Regierung als Organ der Volksmacht wird verpflichtet sein, die Teilnahme des Volkes an dieser völlig neuen und völlig unbekannten Aufgabe sicherzustellen. Sie muss die Volksbewegung und die neuen Einrichtungen der Arbeiter- und gesellschaftlichen Kontrolle unterstützen. Die Regierung muss zugleich von diesen neuen Einrichtungen beaufsichtigt werden. Die zentral geplante Entwicklung der Gesellschaft ist eine Notwendigkeit, welche von den heutigen Forderungen stammt. Vor allem den Forderungen der Menschheit, welche die erste Produktivkraft ist. Die Notwendigkeit, die breiten modernen Bedürfnisse des arbeitenden Volkes zu befriedigen, die Erfordernisse für die Entwicklung der Produktionsmittel sicherzustellen, die Entwicklung von Wissenschaft und Technologie zum Nutzen des Volkes auszurichten, dies alles macht zentrale Planung zu einer Lebensnotwendigkeit (...).


Ziel und Bedeutung

Ganz am Anfang wird die Volksmacht sich mit der organisierten inneren und internationalen Reaktion auseinander setzen müssen. Die EU und die NATO, die Vereinbarungen mit den USA, lassen nicht viel Spielraum für EU-Mitgliedsstaaten. Die Lösung dieses Problems ist unvermeidlich der Austritt aus der EU. Dies mit dem Ziel einer selbsttragenden und im Interesse des Volkes liegenden Entwicklung und Zusammenarbeit. Notwendig ist es, unsere Aktivität auf der Basis des Kampfes gegen die Probleme voranzubringen. Wir kämpfen unaufhörlich für sofortige Gewinne für das arbeitende Volk. Und wir werden damit weitermachen, damit Massnahmen von der Macht der Massenbewegung durchgesetzt werden können, die die akuten Probleme mindern und das Volk entlasten. Wir haben Positionen und Forderungen für jedes Problem und jede Angelegenheit entwickelt, die sich uns derzeit stellt. Was heute ist, reicht uns nicht. Ein alternativer Vorschlag für Fortschritt ist notwendig, damit der Kampf ein Ziel hat, einen Zweck, eine Bedeutung, und letztlich in jeder Phase als Druck angewendet werden kann.


DIE VOLLSTÄNDIGE REDE UNTER:
http://de.kke.gr


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Gleiche Münze

In Griechenland gehen die Reaktionen des Volkes auf den brutalen mörderischen Angriff der Regierung und des Staates Israel gegen die Schiffe der Solidaritätsmission für Gaza weiter. Die Front Aller Kämpferischen Arbeiter (PAME) organisierte mächtige Massendemonstrationen in Athen und in weiteren 55 Städten Griechenlands. Diese Demonstrationen waren anfänglich als eine Antwort auf die neuen arbeiterfeindlichen Massnahmen der griechischen Regierung geplant, welche drastische Kürzungen bei Altersrenten durchsetzt und die betrieblichen Kollektivvereinbarungen ausser Kraft setzt. Nach den jüngsten Entwicklungen verurteilten die Demonstrationen beides: den neuen Angriff der sozialdemokratischen Regierung mit der EU und dem IWF auf die Rechte der Arbeiter und die Rechte des Volkes auf soziale Sicherheit sowie die Intensivierung der imperialistischen israelischen Aggressivität.

Der Generalsekretär des ZK der KKE, Genosse Aleka Papariga, welcher an der Demonstration teilnahm, erklärte: "Die Völker müssen weitaus entschlossener die führende Rolle spielen. Die vom israelischen Staat angerichtete Tragödie und die Tragödie der bevorstehenden Massnahmen sind zwei Seiten derselben Münze. Aus diesem Grund muss das Volk weiterhin den Gegenangriff leisten."


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 22/23/2010 - 66. Jahrgang - 11. Juni 2010, S. 7
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juli 2010