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VORWÄRTS/1005: Keine Nazis auf dem Bundesplatz!


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 11/12 vom 28. März 2014

Keine Nazis auf dem Bundesplatz!

von David Hunziker



Beim zweiten Anlauf soll es also klappen: Am 29. März lädt der Verein "Stopp Kuscheljustiz" zu einer Demo auf dem Bundesplatz, die wohl erneut zahlreiche Rechtsextreme anziehen wird. Das Kollektiv "Bern bleibt nazifrei" will dem entschieden entgegenwirken.


Letztes Mal noch gingen die Linken als Sieger aus dem Ring. Bereits 2012 hatte der Verein "Stopp Kuscheljustiz" eine Demonstration für mehr "Law and Order" auf dem Bundesplatz beantragt. Nachdem Linke ihre Absicht erklärten, den rechten Aufmarsch bekämpfen zu wollen, zogen diese nach Absprache mit den Behörden der Stadt Bern den Schwanz ein. Laut dem 25-jährigen Vereinspräsident von "Stopp Kuscheljustiz", Dominik Pfister, hätte die Absage auch mit den vielen Nazis zu tun gehabt, die sich plötzlich auf Facebook für die Veranstaltung anmeldeten. Noch einmal will der Verein das Gesuch nicht zurückziehen, er hofft auf 1000 bis 1300 TeilnehmerInnen. Es wird also eine weitere Runde eingeläutet, denn auch das Kollektiv "Bern bleibt nazifrei" wird nicht tatenlos zusehen. "Stopp Kuscheljustiz" ist ein Sammelbecken für alle möglichen Empörungen am rechten Rand. Die Forderungen des Vereins decken sich in etwa mit dem SVP-Parteiprogramm - dazu gehören "härtere" Strafen, vor allem für AusländerInnen, weitere Beschränkungen der Einwanderung und die Abschottung der Schweiz. Vorgetragen wird das Ganze eher aus der Perspektive des Stammtischs. Nicht weit ist auf der Seite des Vereins ein Video von Massimo Portmann, der sich im Internet zum Wutbürger vom Dienst gemausert hat.


Vorgespielte Neutralität

In einem seiner zahlreichen Videos stimmt Portmann etwa in den Chor der KommentatorInnen zum Thema ein und empört sich über das "verfickte" Sondersetting von Carlos. Das ist der Stoff, aus dem die Politik von "Stopp Kuscheljustiz" gemacht wird. In einem weiteren Video auf der Vereinshomepage befragt Pfister Benjamin Moser, Vizepräsident des Vereins, zu allen möglichen Themen. Es geht um die EU, die Islamisierung der Schweiz, die fehlende Abschreckung der Strafjustiz und den Schutz der Heimat und ihrer Traditionen.

Dass sich der Verein "Stopp Kuscheljustiz" in seinen Statuten als politisch neutral versteht, ist lachhaft. Jedenfalls betonen Pfister und Moser in ihren Portraits auf der Vereinsseite, wie gern sie reisen und fremde Kulturen kennenlernen. Unter Vereinszweck heisst es: "Wir stehen ein für die Erhaltung. unserer Kultur, für Menschenrechte, Demokratie, Meinungsfreiheit sowie eine fortlaufende Aufklärung der Bevölkerung!" Weiter setzt sich der Verein die "Belebung der Allgemeinheit" und die "Förderung der Kameradschaft und Pflege der Geselligkeit" zum Ziel.


Neutrales Image

Die Strategie scheint klar: Diese Leute vermeiden in der Öffentlichkeit verbindliche politische Bekenntnisse, um zu verbergen, aus welchem Lager die Ressentiments stammen, an deren Gärung sie sich beteiligen, und in welchen Kreisen sie verkehren. Vereinspräsident Pfister jedenfalls ist als Veranstalter von Musikevents in rechtsextremen Kreisen hervorgetreten und auf Facebook ein Fan der "Partei nationalorientierter Schweizer" (PNOS). Vizepräsident Moser betont jeweils seinen Migrationshintergrund, um den Verdacht des Rassismus von sich abzuwenden.

Mit Sicherheit handelt es sich bei den OrganisatorInnen um eine rechtsextrem durchzogenen Gruppe. Ein Blick auf die geschlossene Facebook-Seite des Vereins zeigt die Beteiligung von Mitgliedern der PNOS, die Kameradschaft Innerschweiz ist als Organisation vertreten und Teilnehmende des Neonazi-Fackelmarsches vom 15. Februar dieses Jahres in Solothurn bieten Mitfahrgelegenheiten aus dem süddeutschen Raum. Als was sich die DemonstrantInnen verstehen, machen sie dort unmissverständlich klar: "Wir sind Eidgenossen, (eingebürgerter) Schweizer kann mittlerweile jeder werden", heisst es auf ihrer Facebook-Seite.


Rechts ist populär

Die Autonome Recherchegruppe Bern weist auf zahlreiche Verbindungen zur rechtsextremen Szene hin, die sich etwa in Post einschlägiger Lieder äussern. Über das Feld der Mobilisierung schreibt die Gruppe: "Ein Blick durch die Teilnehmer zeigt, das Teile der PNOS, unorganisierte Neofaschisten, rechte Sportfans, rechtspopulistische SVP-SympathisantInnen so wie das Hardcore- und Gabber-Umfeld vom Veranstalter, den Weg nach Bern suchen möchten."

Mit einem Umweg über die geplante Demo auf dem Bundesplatz lässt sich so eine Linie zwischen dem Wutbürger Portmann und der organisierten Neonaziszene ziehen. Das zeigt keineswegs, dass Portmann ein Neonazi ist, sehr wohl aber, wie leicht sich rechtes Gedankengut derzeit popularisieren lässt. Die Masseneinwanderungsinitiative ist dafür das beste Beispiel. Jedenfalls scheint bei den DemonstrantInnen das Bedürfnis gering, sich von der organisierten Neonaziszene abzugrenzen, der Kontakt wird offenbar sogar gewünscht und gesucht.


Gegen das Establishment

Wenn diese Leute nicht nur für die SVP an die Urne gehen, sondern ihre Anliegen auch auf der Strasse kundtun, ist das bedenklich. Denn dadurch wird die Vorstellung bestärkt, der Ruf nach der harten Hand des Staates gegen VerbrecherInnen und AusländerInnen sei die Auflehnung der kleinen Frau und des kleinen Mannes gegen das Establishment. Doch welchen sozialen und ökonomischen Hintergrund die DemonstrantInnen auf dem Bundesplatz auch haben werden, die Umsetzung ihrer Forderungen wird ihre Lebensbedingungen auf keinen Fall verbessern.

Doch nicht nur das: Ängste, die ökonomisch berechtigt sind, werden zur Speisung einer nationalistischen Ideologie missbraucht. Denn dass eine Arbeiterin oder ein Arbeiter, die/der durch die Personenfreizügigkeit in Konkurrenz zu einer immer grösseren Menge an neuen Arbeitskräften geworfen wird, sich fürchtet, ist nicht erstaunlich. Es wäre erbärmlich, wenn der etablierten Linken da nur noch die Möglichkeit bliebe, die nationale Beschränktheit der politischen Diskussion zu akzeptieren und den sozialen Schirm aus Mindestlohn und Sozialstaat wenigstens bis an die Grenzen zu ziehen. Dafür liesse sich vielleicht sogar die PNOS gewinnen.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 11/12/2014 - 70. Jahrgang - 28. März 2014, S. 3
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2014