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VORWÄRTS/1057: Kontinuität in Burkina Faso


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 39/40 vom 15. November 2014

Kontinuität in Burkina Faso

Von Tarek Idri



Nach den Protesten, die zum Sturz des langjährigen Machthabers Blaise Compaoré geführt haben, verspricht der Übergangspräsident Isaac Zida "staatliche Kontinuität". Diese dürfte wohl in Einklang mit den Interessen Frankreichs stehen.


In Burkina Faso ist wieder Ruhe eingekehrt. Ende Oktober kam es im westafrikanischen Land zu Massenprotesten als Reaktion auf eine geplante Verfassungsänderung. Der nun gestürzte Präsident Blaise Compaoré hätte damit weitere 15 Jahre lang an der Macht bleiben können. Zehntausende Menschen protestierten dagegen. Die Situation eskalierte, als im burkinischen Parlament über die Vorlage beraten wurde. Die Protestierenden in der Hauptstadt Ouagadougou stürmten das Parlamentsgebäude und legten Feuer. Ebenso wurden der Sitz der Partei von Compaoré und der staatliche Rundfunksender angegriffen. Während den Auseinandersetzungen mit der Polizei wurden mindestens 30 Menschen getötet.


Gewaltsam gegen Proteste

Schliesslich stellten sich ArmeevertreterInnen auf die Seite der Protestierenden und erklärten den Präsidenten für abgesetzt. Ziel sei es, eine Übergangsregierung zu bilden, um möglichst bald wieder die "verfassungsmässige Ordnung" herzustellen. Compaoré trat zurück und floh in die benachbarte Elfenbeinküste. Daraufhin kündigte der Militärchef Honoré Traoré an, dass er mit sofortiger Wirkung das Amt des Staatspräsidenten übernehmen werde. Wenige Stunden später stellte sich der Vizechef der Präsidentengarde Isaac Zida gegen den Armeechef. Ein interner Machtkampf brach aus, der damit endete, dass sich die Armeeführung hinter Zida stellte. In einer Ansprache erklärte Zida, er werde als Übergangspräsident die "staatliche Kontinuität" wahren und für einen "ruhigen demokratischen Übergang" sorgen. Gleichzeitig beendete die Armee gewaltsam die Proteste, die immer noch andauerten. Die Opposition hatte einen zivilen Übergangsprozess gefordert und in Ouagadougou Grosskundgebungen durchgeführt. Das Militär kündigte an, solche Proteste "mit aller Härte" zu unterbinden.


Frankreich im Hintergrund

Während der Proteste erinnerten die Menschen in ihren Sprechchören an den legendären Revolutionär Thomas Sankara. Dieser hatte in den 80er Jahren versucht, die ehemalige französische Kolonie sozialistisch umzugestalten. Er war dadurch zu einem gefährlichen Störenfried für die postkoloniale Ordnung in Afrika geworden. Mit Frankreich im Hintergrund, wobei vermutlich Bestechungsgelder geflossen sind, liess ein enger Weggefährte - Blaise Compaoré - Sankara umbringen und übernahm die Macht, die er 27 Jahre lang halten konnte. Jean Ziegler meinte dazu: "Wenn jemand die Hand von Compaoré gelenkt hat, dann waren es sicher die französischen Geheimdienste." Sankara habe den Bruch versucht. Sich aber mit dem neokolonialen System anzulegen, "das ist lebensgefährlich".

Compaoré begründete den Mord damit, dass es ihm um eine "Berichtigung der Revolution" ginge. Tatsächlich aber öffnete er dem französischen Neokolonialismus umgehend wieder alle Tore ins Land, die Sankara dichtgemacht hatte. Burkina Faso wurde so unter anderem zur Drehscheibe des französischen Waffenhandels. Das Land galt bis anhin als stabil. Frankreich hat Militärs stationiert, die USA bildet Antiterroreinheiten aus. Im Gegensatz zur USA begrüsste Frankreich aber die Umwälzung in Burkina Faso. Weshalb? Ein Hinweis könnte sein, dass neben dem von Compaoré neu errichteten gigantischen Präsidentenpalast, der ebenfalls zum Unmut der Bevölkerung beigetragen hat, das neue Gebäude der US-Botschaft steht, ein Privileg, das früher Frankreichs Botschaft vorbehalten war. Jetzt ist Compaoré gestürzt. Sich mit Frankreich anzulegen, ist offenbar auch politisch lebensgefährlich.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 39/40 - 70. Jahrgang - 15. November 2014, S. 5
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2014