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VORWÄRTS/1278: Teufelskreis "The Circle"


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 11/12 vom 7. April 2017

Teufelskreis: "The Circle"

von Tarek Idri


In Zürich beginnt der Bau des teuersten und grössten Immobilienprojekts der Schweiz. Neben dem Flughafen soll mit dem "Circle" eine Luxusdestination im Grossformat entstehen.


Beim Flughafen Zürich wird ein Monster hingeklotzt: Vor zwei Wochen wurde der Grundstein für das grösste Immobilienprojekt der Schweiz gelegt. Mindestens eine Milliarde Franken wird das 11-stöckige Ungetüm kosten, das auf 180.000 Quadratmetern Luxusmarken, edle Restaurants, 5-Sterne-Hotels und grosse Konferenzsäle beherbergen wird. "The Circle", wie der Milliarden-Bau heisst, sei städtisch, beschönigt der Projektleiter Beat Pahud. Es würde ein Geschäftsviertel entstehen, wo man Business betreibt und Ideen entwickelt. Bis 30.000 Personen würden an einen Durchschnittstag erwartet. Pahud steckt grosse Erwartungen in das Projekt: "Der 'Circle' soll den Flughafen von der Verkehrsdrehscheibe zur eigenständigen, landseitigen Destination verwandeln." Es wird eifrig PR getrieben. Die "Vision" von "The Circle", das trotz Namen eigentlich einen Halbkreis bildet, wird von den bürgerlichen Medien schwärmerisch ausgemalt. Man ergötzt sich über imposante Glasfassaden, enge Gassen und hohe Häuserschluchten, die an die Altstadt von Zürich erinnern sollen. Man spricht von Erlebniswelten, attraktiven Standorten, von einer Lifestyle- und Begegnungsdestination, gar vom "Niederdörfli 2.0". "The Circle" sei mehr als ein Projekt, es sei ein Ereignis, begeistert sich die "NZZ". Welche Auswirkungen der Baukoloss auf die anliegenden Liegenschaften hat, Stichwort Verdrängung von mittellosen Menschen durch höhere Mieten, wird nicht gefragt. "Wir wollen, dass die Bevölkerung Teil dieses Projekts wird", erklärt stattdessen Andreas Schmid, Präsident der Flughafen-AG, die das Projekt finanziert. Durch möglichst frühe Bindung sollen die AnwohnerInnen und restlichen ZürcherInnen zu "Fans" werden: Ab Mai werden Baustellenführungen angeboten.


Hohe Leerstandszahlen

Die Hälfte der Fläche ist bereits vermietet. Grossmieter sind das Hyatt-Hotel, Jelmoli - und das Universitätsspital Zürich. Daneben werden im "Circle" unter anderem Caviar House & Prunier und die Uhrenmarken Omega und, Swatch ihre Luxusprodukte zum Verkauf anbieten. Harziger läuft es mit der Vermietung der Büroflächen, da die Situation auf dem Büromarkt sowieso schon dramatisch ist: Das Glattal, die Gegend zwischen Oerlikon und Flughafen, verzeichnet besonders hohe Leerstandszahlen. Trotzdem wird weiter gebaut. Dieses Jahr werden im Glattpark rund 40.000 Quadratmeter Bürofläche fertiggestellt. Das Immobilienunternehmen JLL stellt die offensichtliche Prognose, dass "The Circle" die Situation mittelfristig "weiter verschärfen" wird. Derweil sind besonders in der Stadt Zürich kaum mehr günstige Wohnungen zu haben. Die Partei der Arbeit (PdA) Zürich fordert folgerichtig die Vergesellschaftung von leerstehenden Büroräumen und deren Umwandlung in günstigen kommunalen Wohnraum.

Eigentümerinnen von "The Circle" ist zu 51 Prozent die Flughafen Zürich AG, und damit der Kanton Zürich als Grossaktionär beim Flughafen, sowie zu 49 Prozent die Versicherung Swiss Life. Strategisches Ziel des Flughafens sei es, "auch in Zeiten wachsen zu können, in denen der Flugverkehr an seine Grenzen stossen wird", indem eine zusätzliche Destination neben dem Airport angeboten wird. 2019 wird "The Circle" eröffnet.


Konkurrenz unter Spitälern

Anlass zur Kritik am teuersten privaten Hochbauprojekt der Schweiz gibt einzig, dass das Universitätsspital Zürich (USZ) sich auf einer Fläche von 10.000 Quadratmetern im "Circle" einmieten wird. Das geplante Gesundheitszentrum des USZ mit einer 24-Stunden-Permanence wird sich zur direkten Konkurrenz für das Spital Bülach erwachsen. Der Wettbewerb zwischen den Spitälern, besonders regional, hat sich seit der neuen Spitalfinanzierung von 2012 immens verschärft. Besonders die Fallpauschalen bewirken, dass die Spitäler möglichst viele PatientInnen behandeln müssen. Dadurch verdienen sie nämlich mehr Geld. Die einstigen Versorgungsgebiete gelten nicht mehr; die Spitäler müssen sich überregional ausbreiten. Die Zweigstelle am Flughafen würde dem USZ gute "Voraussetzungen für seine weitere unternehmerische Entwicklung" bieten, schreibt das Unispital in einem Communiqué. Sie müssten sich schliesslich im Markt behaupten und "am Flughafen können wir an einem attraktiven Standort wachsen". Es gehe ihnen darum, die Gesundheitsversorgung in der Flughafenregion "sicherzustellen". Darauf erwiderte das Spital Bülach, dass sein universitärer Konkurrent "eine Überkapazität in der Grundversorgung" schaffe. Die Nachfrage sei durch HausärztInnen, das Medical Center im Flughafen und seine Wenigkeit, das Spital Bülach, abgedeckt. "The Circle" sei gesundheitspolitisch und finanziell fraglich. Für die 10.000 Quadratmeter errechnete es dem Unispital einen jährlichen Mietzins von 9 Millionen Franken. Durch die Grundversorgungsleistung an teuerster Geschäftslage seien die Mietkosten für das USZ somit "ungemein hoch". Die Fläche sei kaum "kostendeckend zu bewirtschaften.


PdA dagegen

Die PdA Schweiz war die einzige Partei, die sich von Anfang an gegen die neue Spitalfinanzierung stellte. Die Schweizer KommunistInnen fordern bis heute, das System der Fallpauschalen wieder abzuschaffen und die Qualität der Gesundheitsversorgung in den Mittelpunkt zu stellen. Die Zürcher Sektion fordert die Kantonsregierung auf, sich aus dem Projekt, aus diesem "Teufelskreis", zurückzuziehen. Die Bürofläche, die wohl kaum MieterInnen finden wird, soll zumindest in kommunalen gemeinnützigen Wohnraum verwandelt und der Gemeinde Kloten übergeben werden. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt muss schleunigst verbessert werden: "Bezahlbarer Wohnraum statt Prestigebauten!" Die PdA Zürich kritisiert auch das Vorhaben des USZ, im "Circle" ein überteuertes Gesundheitszentrum einzurichten. Im Communiqué schreibt die PdA Zürich: "Der unsäglich Konkurrenzkampf unter den Spitälern, der auf dem Rücken der Krankenversicherten, der PatientInnen und des Gesundheitspersonals ausgetragen wird, muss ein Ende haben. (...) Das Universitätsspital Zürich soll seine grössenwahnsinnigen überteuerten Projekte stoppen und sich als kantonale Anstalt auf ihren gesellschaftlichen Auftrag konzentrieren: Die Sicherstellung einer bezahlbaren medizinischen Grundversorgung."

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 11/12/2017 - 73. Jahrgang - 7. April 2017, S. 12
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
und ihre Deutschschweizer Sektionen
Redaktion: vorwärts, Postfach 2469, 8026 Zürich
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Mai 2017

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