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VORWÄRTS/1281: Tabubruch öffnet Tür und Tor


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 13/14 vom 28. April 2017

Tabubruch öffnet Tür und Tor

von Siro Torresan


Gewerkschaften und SP unterstützen offiziell die Altersreform 2020, die zu einem Sozialabbau von 1,3 Milliarden Franken auf dem Buckel der arbeitenden Frauen führt. Das höhere Frauenrentenalter ist eine alte Forderung der Bürgerlichen, die das generelle Rentenalter 67 als Ziel haben.

Bei den Gewerkschaften hat der Entscheid, die Altersreform 2020 tatkräftig zu unterstützen, alles andere als die Reihen zum Kampf geschlossen. Vor allem in der Westschweiz und im Tessin unterstützen verschiedene Lokalsektionen- und Verbände, FunktionärInnen und ein breiter Teil der Basis das Referendum gegen die Reform, das von einem linken Komitee ergriffen wurde, dem auch die Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS) angehört. Für das Komitee sind vor allem die Erhöhung des Frauenrentenalters sowie der Rentenverlust bei den Pensionskassen zwei fette, übelriechende Kröten, die man nicht schlucken will.

Letzte AHV-Revision scheiterte

Für den Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) ist das "Gesamtpaket für Arbeitnehmende positiv". Weiter ist in der Stellungnahme des SGB zu lesen: "Das Rentenniveau wird erhalten und alle Angriffe auf das Rentenniveau der heutigen Rentnerinnen und Rentner wurden abgewehrt. Im Gegensatz zur Vorlage aus dem Jahr 2010 wird die Senkung des Umwandlungssatzes in der zweiten Säule ausgeglichen."

Man hat also etwas abgewehrt und etwas bekommen, so die Kurzform, und daher ist es ein Erfolg. Bekommen hat man die 70 Franken mehr AHV-Rente im Monat, die von der Senkung der BVG-Rente und den Preiserhöhungen durch die höhere Mehrwertsteuer mehr als nur weggefressen werden (siehe dazu vorwärts Nr. 11/12). Abgewehrt wurde das Rentenalter 67, das von den Bürgerlichen mit der FDP an vorderster Front mehr oder weniger direkt gefordert wurde. Dies getreu der Weisheit, dass der stete Tropfen den Stein höhlt, wie das Frauenrentenalter beweist. So ist dies beileibe keine neue Forderung der Bürgerlichen. Der erste konkrete Versuch das Frauenalter zu erhöhen, scheiterte am linken Widerstand, da sich auch die SP und die Gewerkschaften entschlossen dagegen wehrten; die 11. AHV-Revision wurde an der Volksabstimmung vom 16. Mai 2004 vehement mit 64 Prozent Nein-Stimmen verworfen. Lange Zeit galt die Erhöhung des Frauenrentenalters auch innerhalb der SP und den Gewerkschaften als unverhandelbar. Jetzt, mit der "Altersvorsorge 2020", die von der SP und den Gewerkschaften als Sieg abgefeiert wird, kommt es zum Tabubruch. Bedenklich!

"Notwendiger denn je"

Bedenklich, auch weil das Rentenalter 67 keine neue Forderung ist. Bereits 2009 forderte die neoliberale Denkfabrik Avenir Suisse eine "schrittweise Erhöhung des Rentenalters" auf 67 Jahre. In regelmässigen Abständen wird diese Forderung in den neoliberalen Publikationen immer wieder gestellt Und wenige Stunden nach der Schlussabstimmung im Nationalrat über die "Altersreform 2020" schrieb die "NZZ" auf ihrer Website, dass die Rente mit 67 für alle "notwendiger denn je" sei.

Die parlamentarische Linke hat diesen Angriff jetzt noch abgewehrt, doch der Preis, der dafür bezahlt werden soll, ist ein sehr hoher: Die Erhöhung des Rentenalters für die Frauen! So kann man die Sache eben auch umdrehen: Zwar haben die Bürgerlichen das Rentenalter 67 noch nicht bekommen, aber dafür die Erhöhung des Rentenalters für die Frauen. Eine Forderung, die sie seit Jahren stellen. Und wer nun glaubt, das Rentenalter 67 sei für die Bürgerlichen vom Tisch, ist mehr als nur politisch naiv, denn Tür und Tor dafür sind jetzt weit offen.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 13/14/2017 - 73. Jahrgang - 28. April 2017, S. 3
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
und ihre Deutschschweizer Sektionen
Redaktion: vorwärts, Postfach 2469, 8026 Zürich
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juni 2017

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