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VORWÄRTS/1459: Schweiz - Asylfürsorge gefährdet Kindeswohl


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 13/14 vom 26. April 2019

Asylfürsorge gefährdet Kindeswohl

von Siro Torresan


Die Kürzungen der Leistungen bei vorläufig aufgenommenen Personen trifft vor allem Kinder und Jugendliche. Die gesellschaftlichen und finanziellen Folgen werden längerfristig höher wiegen, als die aktuellen Einsparungen. Zu diesem Schluss kommt die Studie der Monitoringstelle map-F.


Am 24. September 2017 entschieden die Stimmberechtigten im Kanton Zürich, dass vorläufig aufgenommene Personen (F-Ausländer*innen-Status) von der Sozialhilfe ausgeschlossen und nach den wesentlich tieferen Ansätzen der Asylfürsorge unterstützt werden sollen. Gegen diese erneute Änderung formierte sich während des Abstimmungskampfes das "Integrationsstopp Nein!"-Komitee. Nach der verlorenen Abstimmung gründeten Mitglieder dieses Komitees die Monitoring- und Anlaufstelle für vorläufig aufgenommene Personen map-F. Als Monitoringstelle sammelt map-F möglichst umfassende Informationen über die neue Situation in den verschiedenen Gemeinden des Kantons und versucht durch ihre Veröffentlichung einen Beitrag zu mehr Transparenz zu leisten.

Die Monitoring- und Anlaufstelle map-F stellt nun in ihrem zweiten Bericht zu betroffenen Kindern und Jugendlichen fest, dass "die Kürzung das Kindeswohl gefährdet und den schulischen Lernerfolg sowie den Berufseinstieg massiv erschweren." Und die Anlaufstelle kommt zum Schluss: "Die gesellschaftlichen und finanziellen Folgen werden längerfristig höher wiegen, als die aktuellen Einsparungen."


Einsparungen auf Kosten der Perspektiven

Familien, welche schon seit Jahren in der Schweiz leben, müssen in Kollektivunterkünfte umziehen. Beengende, isolierte Wohnsituationen beeinträchtigen die psychische Entwicklung und verunmöglichen Erholung - mit negativen Folgen auf Schule und Beruf. Familienbudgets, die teils gerade noch rund 3 Franken pro Person und Tag fürs Essen ermöglichen, gefährden die Gesundheit. Gestrichene Krippen- und Spielgruppenplätze erhöhen den sprachlichen Rückstand schon in der frühen Kindheit. Knappe Familienbudgets machen Mitgliedschaften in Sportverein, Nachhilfeunterricht und ÖV-Abos unerschwinglich. Unbegleitete Minderjährige mit Status F sind von der Kürzung besonders betroffen: Obwohl sie eine besonders verletzliche Personengruppe darstellen, wurde ihnen zum Beispiel Geld für Kleider gestrichen oder gekürzt. Der finanzielle Druck und der erschwerte Zugang zu weiterführender Bildung und Berufseinstieg zwängt Jugendliche in Hilfsarbeiterjobs. Die Kürzungen stellen für diese jungen Menschen also Weichen, die sie ins gesellschaftliche Abseits führen.

Da die Gemeinden frei über die Höhe der Asylfürsorge bestimmen, sind den Kürzungen kaum Grenzen gesetzt. Schon der UN-Kinderrechtsausschuss hat 2015 von der Schweiz Mindeststandards bei der Betreuung und Versorgung von Kindern aus dem Migrations- und Asylbereich verlangt. Map-F unterstreicht, dass "ohne Mindeststandards das Kindeswohl und die UNO-Kinderrechte der Gefahr systematischer Missachtung ausgeliefert sind." Zudem brauche es im Kanton ein umfassendes, behördenübergreifendes Integrationskonzept von der frühen Kindheit bis ins junge Erwachsenenalter. Und map-F hält unmissverständlich fest: "Die neuen Integrationshürden für vorläufig aufgenommene Kinder und Jugendliche laufen den Zielen der Integrationsagenda Schweiz diametral entgegen."

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 13/14 - 75. Jahrgang - 26. April 2019, S. 3
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Mai 2019

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