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Z/145: Bertelsmann und Springer an vorderster Front


Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung Nr. 86 - Juni 2011

Bertelsmann und Springer an vorderster Front
In der deutschen Medienwirtschaft sind die Kapitalstrukturen erstaunlich stabil geblieben - das könnte sich aber ändern

Von Gert Hautsch


Der Skandal um Karl-Theodor zu Guttenberg im Februar 2011 hatte viele Facetten. Die politisch gewichtigste war das Zusammenspiel zwischen dem als Betrüger entlarvten Politiker und den Zeitungen des Axel-Springer-Konzerns. Die "Bild-Zeitung" hat mit einer Wucht, die Viele so nicht mehr für möglich gehalten hätten, für Guttenberg getrommelt und auch über seinen Rücktritt hinaus für ihn Stimmung gemacht. Die "Welt" hat - als einzige überregionale Tageszeitung - den geistigen Diebstahl klein geschrieben. Mit Erfolg: Auch nach seinem unrühmlichen Abgang wies das "ZDF-Politbarometer" den Freiherrn als beliebtesten deutschen Politiker aus.

Die moralische Qualität von Leuten wie Merkel, Seehofer oder Guttenberg ist die eine Sache. Dass aber ein Medienunternehmen aus eigener Machtvollkommenheit heraus derart ins politische Geschehen eingreift, moralische und juristische Maßstäbe setzt und darüber entscheiden will, ob jemand Minister bleibt oder nicht, war beängstigend. Damit wurde in seltener Klarheit deutlich, was es bedeuten kann, wenn privatkapitalistische Verlage zu Großkonzernen werden. Und was damit gemeint ist, wenn diese sich dann auf die Pressefreiheit berufen.


Machtstrukturen in der deutschen Medienwirtschaft

Im Mai 1965 schrieb der kritische Publizist Paul Sethe den viel zitierten Satz: "Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten." Und weiter: "Da die Herstellung von Zeitungen und Zeitschriften immer größeres Kapital erfordert, wird der Kreis der Personen, die Presseorgane herausgeben, immer kleiner. Damit wird unsere Abhängigkeit immer größer und immer gefährlicher." Dem ist auch heute kaum etwas hinzuzufügen, höchstens dass die Zahl 200 vermutlich halbiert werden darf.

An den Machtstrukturen in der deutschen Medienwirtschaft hat sich seit Paul Sethes Zeiten nichts Wesentliches verändert - auch nicht durch das Verschwinden der DDR. Die Rangfolge der Namen in der Spitzengruppe verschob sich zwar hin und wieder, hauptsächlich durch Zu- und Verkäufe von Firmen, aber im Großen und Ganzen blieb die Besetzung gleich (Tab. 1).

Die einzige echte Erschütterung hat es 2002 gegeben, als die Kirch-Gruppe zusammenbrach. Sie war der zweitgrößte deutsche Medienkonzern und hielt unter anderem 40 Prozent am Axel-Springer-Konzern. Aus diesem Bankrott sind zwei neue Konzerne hervor gegangen, die ihrerseits Plätze in der Spitzengruppe besetzen: Die Fernsehkonzerne ProSiebenSat.1 Media und Sky Deutschland (vormals Premiere). Sie befinden sich im Besitz von Finanzinvestoren (P7S1) bzw. des US-Medienmoguls Rupert Murdoch (Sky).


Tab. 1: Die größten deutschen Medienunternehmen(1)
Konzern
Umsatz (Mrd. Euro)
Beschäftigte (Tsd.)

2006   2009
2006   2009
  1. Bertelsmann AG
  2. ProSiebenSat.1 Media AG
  3. Axel Springer AG
  4. VG von Holtzbrinck
  5. Bauer Media Group
  6. VG Weltbild
  7. Hubert Burda Media
  8. WAZ-Mediengruppe (2)
  9. Medien-Union (2)(3)
 10. Südwestdt. Medienhld.(2)(3)
 11. Sky Dt. AG (Premiere)
 12. Springer SBM
 13. Dt. Sparkassenverlag
 14. M. DuMont Schauberg
 15. QVC Deutschland
 16. VG Madsack
 17. Klett-Gruppe
 18. Rheinisch-Bergische VG
 19. Cornelsen Bildungsgruppe
 20. HSE 24
19,3   15,4
2,1    2,8
2,4    2,6
2,2    2,4
1,8    2,1
1,6    1,6
1,6    1,6
1,1    1,3
1,2    1,1
0,3    0,9
1,1    0,9
0,8    0,9
0,9    0,8
0,6    0,7
0,7    0,7
0,5    0,5
0,4    0,5
0,4    0,5
0,4    0,4
0,4    0,4
97,1   103,0
3,0     4,8
14,1    10,7
15,5    16,5
6,5     9,0
6,9     6,5
7,1     7,1
16,0    17,0
6.5     6,5
1,7     6,7
1,2     1,2
5,5     5,5
1,7     1,9
3,9     4,2
6,7     3,4
2,7     3,4
2,7     2,8
2,3     2,7
2,1     3,0
2,0     2,6

1) Ohne öffentlich-rechtliche Anstalten; 2) Schätzung; 3) Südwestdeutsche Medienholding (SWMH) und Medienunion bilden zusammen mit der Südwestpresse ein Konzern-Konglomerat.

Quelle: HORIZONT, 30.9. 2010, sowie Vorjahresausgaben.


Volkswirtschaftlich betrachtet ist die Medienindustrie nicht übermäßig bedeutsam, aber auch nicht unbeachtlich. Ganz grob geschätzt stellt sie ein Umsatzvolumen von 60 Milliarden Euro (Tab. 2). Über die Beschäftigtenzahl gibt es keine verlässlichen Angaben.

Die meisten Mediensparten wurden 2009 von der Finanz- und Wirtschaftskrise hart getroffen, weil die Werbebudgets zusammengestrichen worden waren. Die Netto-Werbeerlöse (nach Abzug von Rabatten und Provisionen) waren um 15,6 Prozent geschrumpft, 2010 gab es wieder einen Zuwachs um 2,7 Prozent. Für das Privatradio und -fernsehen sowie die Onlineangebote sind Werbeerlöse die Haupteinnahmequelle, für andere Sparten eine wesentliche. Nur die Buchproduktion ist nicht betroffen. Entsprechend laut waren 2009 die Klagen der Verlags- und Senderchefs. Diese vergaßen allerdings meist zu sagen, dass sie schon seit Jahren mit Personalabbau und Preiserhöhungen gegenzusteuern wissen. Nur in wenigen Fällen sind im Krisenjahr Verluste geschrieben worden, meistens waren nur die Profitraten niedriger als gewohnt.


Tab. 2: Die deutsche Medienwirtschaft als volkswirtschaftliche
Größe 2008
Sparte
Umsatz (Mrd. Euro)
Fernsehen
 - dar. Privatfernsehen Werbung
 - dar. Privatfernsehen sonstige(1)
 - dar. öffentl.-rechtl. Fernsehen
13,9
3,9
5,0
5,0
Zeitschriften
 - dar. Publikumszeitschriften
 - dar. Kundenzeitschriften
 - dar. Fachzeitschriften
11,8
7,6
2,2
2,0
Zeitungen
 - dar. gekaufte Zeitungen
 - dar. Anzeigenblätter
11,2
9,2
2,0
Buchhandel
9,7
Internet
 - dar. Onlinewerbung
 - dar. Online-Zugangskosten
6,0
3,6
2,4
Radio
 - dar. Privatradio
 - dar. öffentl-rechtl. Radio
3,6
0,7
2,9
Filmtheater und Heimkino
2,3
Musikproduzenten und -verlage
1,5
Summe
60,0
Nachrichtlich:

Bruttoinlandsprodukt
Umsatz Maschinenbau
Umsatz Pharmaindustrie
2.489,4
225,5
40,8

(1) Bezahlfernsehen, Kabelgebühren, Anrufdienste, Einkaufsfernsehen u. ä.
Quelle: Eigene Recherchen


Auch wenn sich in der Spitzengruppe der Medienkonzerne wenig verändert hat, finden in der Branche doch zahlreiche Übernahmen und Beteiligungen statt (Tab. 3). Dieser "Markt" ist 2009 deutlich geschrumpft und hatte sich 2010 noch nicht wieder erholt.


Tab. 3: Zahl der Übernahmen und
Beteiligungen bei deutschen Verlagen
Jahr
Übernahmen/Beteiligungen
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
82
94
138
164
240
261
213
205

Quelle: Bartholomäus & Cie., Transaktionsmonitor
Verlagswesen 2010, Frankfurt/M. Januar 2011


Für die wirtschaftliche Potenz eines Medienunternehmens ist der Marktanteil (Leser- oder Käuferzahl, Zuschauerquote, Nutzerzahl) der konzerneigenen Produkte entscheidend. Wer eine hohe "Reichweite" zu bieten hat, kann für den Werbeplatz höhere Preise verlangen und entsprechend größere Anteile am Reklamekuchen abschneiden. Eine Struktur, die sich wechselseitig verstärkt. Was das in den wichtigsten Mediensparten bedeutet, sei nachfolgend skizziert.


Zeitungsmarkt: Platzhirsch Axel Springer

Zeitungen genießen ein recht hohes Ansehen in der Bevölkerung und in der Öffentlichkeit. Einer Studie der Agentur Enigma GfK aus dem Jahr 2008 zufolge haben Jugendliche (12 bis 19 Jahre) auf die Frage, welchem Medium sie bei widersprüchlicher Berichterstattung am ehesten trauen würden, 43 Prozent die Tageszeitung genannt. Das Fernsehen kam mit 30 Prozent auf Platz zwei. Aber die Zeitungen leiden unter Akzeptanzproblemen. Die Zahl der Leser und der Käufer nimmt ab, besonders beim jüngeren Publikum. Zwischen 1999 und 2010 ist die verkaufte Auflage von 24 auf 19,4 Millionen gesunken.

Parallel dazu gehen die Anzeigeneinnahmen zurück. Haben sich die Abonnementszeitungen 2000 noch zu 54 Prozent aus Reklame finanziert, so waren es 2008 nur noch 45 Prozent. 2009 sank der Anteil krisenbedingt sogar auf 41 Prozent. Vor diesem Hintergrund findet auf dem Zeitungsmarkt ein anhaltender Zentralisationsprozess des Kapitals statt. So wurden 2007 die "Süddeutsche Zeitung" und der "Schwarzwälder Bote" von der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH) übernommen, M. DuMont Schauberg (MDS) kaufte 2006 die Mehrheit an der "Frankfurter Rundschau" und 2009 u. a. die "Berliner Zeitung" und die "Hamburger Morgenpost". Ende 2010 ging die "Main Post" an die Mediengruppe Pressedruck Augsburg. Axel Springer hat sich 2009 von den meisten seiner Regionalzeitungen getrennt. Daneben gab es etliche Übernahmen und Beteiligungen bei kleineren Zeitungen. Einige Titel sind eingestellt worden.


Tab. 4: Marktanteile der zehn größten Zeitungsverlage
(alle Tageszeitungen; anteilige Aufl. in %)

1991
2000
2006
2010
  1. Axel Springer
  2. Südwest-Gruppe(1)
  3. WAZ-Gruppe
  4. M. DuMont Schauberg
  5. Ippen-Gruppe
  6. Madsack
  7. FAZ-Gruppe
  8. DDVG
  9. Holtzbrinck
 10. Rheinische Post
(Süddeutscher Verlag)
Fünf größte Verlage
Zehn größte Verlage
23,9
5,0
5,0
4,5
2,4
2,2
3,2
  
  
  
3,2
41,6
54,4
23.6  
5,0
6,0
4,4
2,9
2,4
3,0
  
2,5
  
3,3
42,3
55,9
22,5
5,2
5,6
3,9
4,1
2,5
3,0
2,2
3,7
  
2,6
41,3
55,7
19,6
8,6
5,8
5,5
4,2
4,0
3,1
3,0
2,3
2,0
  
43,7
58,1

(1) Verlagsgruppe Südwestdeutsche Medienholding / Die Rheinpfalz / Südwest-Presse

Quelle: Horst Röper, Zeitungen 2010: Rangverschiebungen unter den größten Verlagen. in Media-Perspektiven 5/2010, S. 222, sowie frühere Ausgaben dieser Analysereihe


Die fünf größten Zeitungsverlage verkaufen 44 Prozent der Gesamtauflage aller Tageszeitungen, Axel Springer allein fast ein Fünftel (Tab. 4). Die Nummer acht in der Rangliste ist die DDVG, die Medienholding der SPD. Bei der Boulevardpresse, die wegen ihres Kampagnenjournalismus politisch besonders brisant ist, sieht es noch bedrohlicher aus: Springer allein liefert 80 Prozent aller Zeitungen, vor allem wegen der "Bild-Zeitung" (2,9 Millionen Auflage, über zehn Millionen Leser). Die restlichen 20 Prozent kommen von vier Verlagen (MDS, Abendzeitung, Ippen, Gruner+Jahr).

In Deutschland gibt es elf überregionale Zeitungskonzerne, die zusammen etwa 60 Prozent der Gesamtauflage verkaufen. Die restlichen 40 Prozent kommen von 56 kleineren Unternehmen, die häufig regional mächtig sind. Diese 67 Zeitungsverlage unterhalten 134 Publizistische Einheiten (Kernredaktionen, die alle wesentlichen Teile der Zeitung selbst erstellen). Übernimmt eine Zeitung den Politik- und Wirtschaftsteil von einer anderen, dann firmiert sie zwar weiterhin als eigenständiger Verlag ("Herausgeberverlage"), ist aber eigentlich nur ein Ableger des Zentralblatts. Die jeweiligen Zeitungen enthalten oft noch unterschiedliche regionale Varianten, sodass sich das gesamte Spektrum auf 1.511 Zeitungsausgaben summiert (Tab. 5).


Tab. 5: Struktur des deutschen Zeitungsmarkts 2009
Zeitungsunternehmen
 - davon überregionale Pressekonzerne
 - davon konzernunabhängige Verlage
Publizistische Einheiten (Kernredaktionen)
Herausgeberverlage
Zeitungsausgaben
67
11
56
134
351
1511

Quelle: BDZV, Die deutschen Zeitungen in Zahlen und Daten 2010/11, S. 4; eigene Recherchen.


Die Zeitungen innerhalb eines Verlags und auch eines Konzerns können ideologisch formiert werden. Das beste Beispiel dafür liefert der Springer-Konzern, der Unternehmensgrundsätze mit dezidierten politischen Positionen (z.B. "Solidarität ... mit den Vereinigten Staaten von Amerika") formuliert hat. Wer sich als Redakteur nicht daran hält, kann entlassen werden. Bei der FAZ gibt es ebenfalls einen "redaktionellen Kodex" als Bestandteil der Arbeitsverträge der Redakteure.

Bei den Regionalzeitungen ist der Normalfall das Monopol. Meistens gibt es in einem Landstrich nur einen Verleger, der sich unter Umständen zwei "Konkurrenz"-Blätter leistet (z. B. in Stuttgart, Nürnberg oder Aachen). In fast 60 Prozent aller Landkreise und Kreisstädte ist man bei der regionalen und lokalen Berichterstattung auf ein einziges Produkt angewiesen (Tab. 6).


Tab. 6: Anteil der Ein-Zeitungs-Kreise an allen
Landkreisen und kreisfreien Städten (in Prozent)
1954
1964
1989
1993
2004
2008
15,2
21,4
48,8
54,5
58,3
57,9

Quelle: Walter J. Schütz, Deutsche Tagespresse 2008, in Media Perspektiven 9/2009, S. 475


Zeitschriftenmarkt: Fünf Verlage in der Spitzengruppe

Ebenso wie die Zeitungen leiden die Publikumszeitschriften unter wirtschaftlichem Druck. in keiner Mediensparte sinken die Reklameeinnahmen so stark wie hier. Seit 2001 sind die Netto-Werbeerlöse jedes Jahr - mit einer Ausnahme 2006 geschrumpft, 2009 um 16,8 Prozent. 2010 hat es vermutlich eine "schwarze Null" gegeben. Gleichzeitig nimmt die verkaufte Gesamtauflage ab Tab. 7). Sie lag 2010 um 11,8 Prozent unter der von 2001. Und zu allem Überfluss werfen die Verlage laufend neue Titel auf den Markt. Die Durchschnittauflage pro Magazin schrumpft dadurch noch mehr.


Tab. 7: Auflage und Titelzahl der Publikumszeitschriften (1), jeweils März

1985
1990
2000
2008
2010
IVW-Auflage Jahresdurchschnitt (Mio.)
Titelzahl gesamt
 - mind. 14-tgl.
Titel der 4 größten Konzerne (2)
 - mind. 14-tgl.
94,5
627  
92  
  
  
109,8
781  
108  
  
  
128,6
1.127  
140  
120  
56  
116,2
1.482  
140  
198  
65  
112,7
1.536  
136  
172  
63  

(1) 1985/90 nur Westdeutschland; Bauer, Burda, Gruner+Jahr, Springer (nur IVW-geprüfte Titel)

Quelle: Andreas Vogel, Zeitschriftenmarkt. in Media-Perspektiven 6/20 10, S. 297 und 300, sowie frühere Ausgaben dieser Analysereihe.


Auf dem Markt für Publikumsblätter bestand bis vor wenigen Jahren ein Oligopol von vier Großverlagen, die mehr als 60 Prozent der Gesamtauflage lieferten. Inzwischen hat sich die WAZ-Gruppe als fünfter Spieler in der Spitzenrunde etabliert. Der exklusive Klub verkauft nun knapp zwei Drittel der Gesamtauflage und 87,5 Prozent der Magazine mit wöchentlicher oder zweiwöchentlicher Erscheinungsweise (Tab. 8). Hier kommen 30,9 Prozent allein vom Bauer-Konzern. Der Axel-Springer-Verlag ist gleichzeitig Marktführer bei den Zeitungen und damit der mit Abstand mächtigste deutsche Pressekonzern. Neben ihm ist nur noch die WAZ-Gruppe auf beiden Märkten stark.

Anders als bei den Zeitungen gibt es bei den Zeitschriften große Preisunterschiede; sie bewegen sich zwischen 50 Cent und zehn Euro pro Heft. Deshalb sagen die Marktanteile bei den Auflagen nicht alles aus. Während sich Bauer, Axel Springer und die WAZ-Gruppe hauptsächlich im Niedrigpreissegment (Regenbogenpresse, Programmzeitschriften) tummeln, sind Gruner+Jahr (Bertelsmann) und Burda eher mit anspruchsvolleren Titeln unterwegs. Damit wird deutlich mehr Geld eingenommen. In Bezug auf die finanzielle Marktmacht (Tab. 9) ergibt sich deshalb eine andere Rangfolge als bei der Auflage.

In der jüngsten Zeit hat es auch bei den Publikumszeitschriften Machtverschiebungen gegeben. Im Jahr 2004 übernahm Burda den Verlag Milchstraße und liquidierte ihn schrittweise, im selben Jahr kaufte Gruner+Jahr die Mehrheit am Verlag Motorpresse Stuttgart. Axel Springer hat 2009 drei Jugendzeitschriften und seinen 50-Prozent-Anteil am Verlag Family Media verkauft. Bauer Media hat 2008 die Magazine der britischen Emap-Gruppe übernommen.


Tab. 8: Die größten Verlagskonzerne für Publikumszeitschriften;
konsolidierte Marktanteile bei der Auflage in Prozent
Konzern
1985
1990
2000
2008
2010
Alle IVW-Zeitschriften:





Bauer
Burda
Springer
Gruner+Jahr
Summe
WAZ-Gruppe
Gesamtsumme
27,9
11,4
16,8
8,8
64,9
  
  
27,6
9,8
16,9
9,7
62,4
  
  
22,3
10,8
15,4
10,1
58,6
  
  
19,5
16,5
15,1
10,8
61,9
6,6
68,5
19,0
15,4
13,4
9,5
57,3
7,7
64,9
Mindestens 14-tägl. IVW-Zeitschriften:





Bauer
Springer
Burda
Gruner+Jahr
Summe
WAZ-Gruppe
Gesamtsumme














32,2
22,0
13,5
9,5
77,3
  
  
30,6
22,6
18,0
7,6
78,8
8,5
87,3
30,9
21,6
17,6
7,2
77,3
10,3
87,5

Quelle: Andreas Vogel, a. a. 0., S. 298, sowie frühere Ausgaben dieser Analysereihe in MP 9/08, 7/06 und 7/04


Tab. 9: Marktumsätze(1) der größten Verlage
von Publikumszeitschriften in Mio. Euro

2007
2009
+/-%
Burda
Gruner+Jahr
Axel Springer Verlag
Bauer
Spiegel Verlag (2)
Condé Nast
Jahreszeiten-Verlag
1.463
1.413
1.196
1.121
420
234
186
1.277
1.176
1.092
1.028
396
268
165
-12,7
-16,8
-8,7
-8,3
-5,7
+14,5
-11,3

(1) Summe aus Bruttowerbeerlösen und Vertriebserlösen, (2) Am Spiegel-Verlag hält Gruner+Jahr 25,1 Prozent der Anteile
Quelle: kressreport, 8.2.2008 und 19.2.2010


Bei der Programmpresse, die für den TV-Konsum der Bevölkerung von Bedeutung ist, sind die Marktstrukturen am krassesten zentralisiert. Die Fernsehzeitschriften werden von nur vier Konzernen (Bauer, Springer, WAZ Burda) produziert, Bauer allein liefert 46 Prozent der Gesamtauflage. Bei den Programmbeilagen verkaufen Bertelsmann 64 Prozent und M. DuMont Schauberg (MDS) 30 Prozent. Alle diese Verlage sind auch im Fernsehgeschäft engagiert.


Buchmarkt: Wenige Große und viele Kleine

Auf dem dritten großen Markt für Printmedien - den Büchern - fehlen Werbeeinnahmen. Außerdem kann ein Glücksgriff bei einem Titel den Verlagsumsatz eines Jahres spürbar in die Höhe treiben. Mittelgroße Verlage spielen deshalb eine vergleichsweise bedeutsame Rolle. Es gibt etwa 2.800 Buchverlage, die 2009 knapp 82.000 neue Titel herausbrachten und einen Buchhandelsumsatz von zehn Milliarden Euro erzeugten.

Von den 25 größten Buchverlagen sind nur sieben im Segment Belletristik unterwegs, die übrigen liefern Fach- und Bildungsbücher. Die Verlagskonzerne treten meist nicht unter ihrem eigenen Namen auf den Markt, sondern in Gestalt einzelner Verlage oder Imprints (Tab. 10).


Tab. 10: Die größten Buchverlagskonzerne in Deutschland 2009
Konzern
Verlage
Umsatz(1) (Mio. Euro)
Fach- und Bildungsbücher


Springer SBM
Medien-Union
Haufe
Wolters Kluwer
Südwestdt. Medienholding
C.H. Beck
55
15
4
12
16
4
520
327
191
190
166
167
Belletristik


Random House (Bertelsm.)
VG Holtzbrinck
Bonnier
Weltbild
Ganske
Bastei Lübbe
42
6
5
2
3
7
307
233
211
207
85
68

(1) Reine Netto-Buchumsätze im deutschsprachigen Raum, keine Verlagsumsätze
Quelle buchreport.magazin, April 2010, S. 41 ff.


Die jeweils vier größten Verlagskonzerne konzentrierten 2009 in der gesamten Buchsparte 17,5 Prozent aller Umsätze auf sich, im Segment Belletristik sogar 30 Prozent. Fast die Hälfte des Buchumsatzes entfiel auf 25 Großverlage (Tab. 11).

Tab. 11: Marktmacht in der Buchverlagssparte 2009
Buchumsatz insgesamt
 - darunter 25 größte Verlage
 - darunter 4 größte Verlage
Buchumsatz Belletristik
 - darunter 4 größte Verlage
9,7
4,6
1,7
3,2
958  
Mrd. Euro
Mrd. Euro
Mrd. Euro
Mrd. Euro
Mio. Euro
100 %
47.4 %
17,5 %
100 %
29.9 %

Quelle eigene Recherchen


Wegen der Kleinteiligkeit der Buchsparte verleihen solche Marktanteile mehr Macht als es der erste Blick nahelegt. Wer viele große Titel repräsentiert und dafür entsprechend Werbung macht, kann in den Buchhandlungen den meisten Raum und die besten Plätze in den Auslagen beanspruchen. Und er kann Sonderkonditionen und niedrigere Händlermargen durchsetzen, obwohl das eigentlich verboten ist. Die Weltbild-Gruppe ist zusätzlich im Vorteil, weil sie zusammen mit Hugendubel Deutschlands zweitgrößte Buchhandelskette DBH betreibt. Bertelsmann unterhält neben seinen Belletristikverlagen die Fachverlagsgruppe Wissenmedia und Buchklubs mit zahlreichen Läden.

Die bedeutsamste Machtveränderung war 2003 der Ausstieg von Axel Springer aus dem Buchgeschäft; er hat seine Verlage an Bertelsmann und die dänische Bonnier-Gruppe verkauft. Die FAZ-Gruppe ist zwischen 2003 und 2007 ebenfalls aus dem Markt ausgestiegen, der ADAC hat seinen Verlag CartoTravel 2007 verkauft. Brockhaus ist 2008/09 zerschlagen und größtenteils an Bertelsmann und Cornelsen abgegeben worden. Bertelsmann schluckte 2010 den Hörverlag. Daneben gab es zahlreiche kleinere Übernahmen oder Fusionen (so wie aktuell die von Aufbau mit Eichborn).


Radio und Fernsehen: Private Macht in öffentlich-rechtlichen Grenzen

Die Märkte für Funkmedien sind gespalten. Es gibt die öffentlich-rechtlichen Anstalten und seit knapp 30 Jahren private Sender und Senderketten.

Beim Hörfunk teilen sich die ARD-Kanäle und die Privaten die Reichweite jeweils zur Hälfte, von den Brutto-Werbeerlösen gehen 70 Prozent an die Privatsender. Wegen gesetzlicher Regelungen (die in den Bundesländern gerade stark gelockert werden) gibt es bisher kaum Radiosender, die sich vollständig oder mehrheitlich im Besitz eines Unternehmens befinden. Das bedeutet aber nicht, dass die großen Medienkonzerne sich dieses Geschäft entgehen ließen (Tab. 12). Einige Namen finden sich auch auf diesem Markt an vorderster Stelle, andere (z. B. die WAZ-Gruppe oder MDS) sind beim Regional- und Lokalradio stark mit dabei.


Tab. 12: Die wichtigsten Eigentümer von privaten Hörfunkbetreibern (Zahl der
Sender Ende 2009)
Konzern
             
direkte Beteiligung (%)
indirekte Beteiligung (%)

100
50-99
unter 50
   
100
50-99
unter 50
RTL-Group (Bertelsmann)
Regiocast
Oschmann
VG Madsack
Axel Springer
Hubert Burda Media(*)
Studio Gong(*)
Nordwest-Zeitung
2
4
1




1
5
1
4

2
3
1
10
6
8
7
4
7
10
3
    
    
    
    
    
    
    
    
1








2

1


9
7
16
14
10
13
5
4

(*) Burda ist zu 41,7 Prozent an Studio Gong beteiligt
Quelle: Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM), Jahrbuch 2009, S. 287 ff.


Auf dem finanziell und politisch gewichtigeren Fernsehmarkt begrenzen ARD und ZDF ebenfalls die privatkapitalistische Macht. Etwa 43 Prozent aller Zuschauer schalten öffentlich-rechtliche Kanäle ein. Beim jüngeren Publikum finden sie allerdings ein deutlich schwächeres Interesse (Tab. 13).


Tab. 13: Zuschauer-Marktanteile frei empfangbarer deutscher
Fernsehsender in Prozent

Ab 3 Jahre
14 bis 49 Jahre

2009  2010
2009  2010
ARD und ZDF(*)
RTL-Gruppe(*)
P7S1-Gruppe(*)
Sonstige
42,9  43,1
25,2  26,1
22,0  20,4
9,9  10,4
23,0  23,4
34,3  35,1
30,2  28,6
12,5  12,9

(*) Zur RTL-Gruppe zählen die Sender RTL, Vox, RTL 2, Super RTL und n-tv; zur P7S1-Gruppe gehören die Sender Sat.1, ProSieben, Kabel 1, Sixx und Neun Live (bis Juni 2010 auch N24); zu ARD + ZDF gehören die Sender Das Erste, ZDF, Dritte Programme, KIKA, Arte, 3sat und Phönix, außerdem diverse Digitalkanäle.

Quelle: epd medien, 7.1.2011


Der private Fernsehsektor ist die Mediensparte mit der stärksten Monopolisierung. Zwei Senderketten liefern 82 Prozent des Programms: Die zum Bertelsmann-Konzern gehörende RTL-Gruppe und die ProSiebenSat.1-Gruppe. Letztere gehörte bis 2002 zum Imperium des Leo Kirch, wurde dann an wechselnde Finanzinvestoren verschoben und soll 2011 erneut verkauft werden.

Der Rest wird von einer Vielzahl von Spartenkanälen bedient. Im Jahr 2009 hat es in Deutschland 72 private Fernsehsender mit bundesweiter Ausstrahlung und 177 mit regionaler oder lokaler Reichweite gegeben.

Wirtschaftlich genauso bedeutsam wie die Reichweite ist der Zugriff auf die Werbegelder, denn sie bilden die Haupteinnahmequelle (etwa 85 Prozent) beim "Free TV". Von jedem Euro, der 2009 brutto für Reklamespots ausgegeben worden ist, wanderten 84 Cent auf die Konten der beiden Marktführer (Tab. 14).


Tab. 14: Anteile an den Brutto-Werbeumsätzen
bei Fernsehketten in Prozent
Anbieter
2002
2005
2008
2009
P7S1-Gruppe
RTL-Gruppe
ARD und ZDF
Sonstige
45,3
42,8
  
  
43,5
43,5
4,4
8,6
40,8
43,2
5,6
10,4
43,0
40,8
5,1
11,1

Quelle: kressreport, 5.2.2010 (nach Nielsen); eigene Berechnungen


Seit einigen Jahren steigern die kleineren Privatsender ihren Anteil am Werbekuchen - zwischen 2005 und 2009 um 2,5 Prozentpunkte. Erstaunlich ist auch, dass die RTL-Gruppe zwar höhere Zuschauer-Marktanteile als die P7S1-Gruppe erreicht, dass sie beim Anteil an den Werbeerlösen aber meistens von ihrer Konkurrentin abgehängt wird.

Auf dem Fernsehsektor spielt ausländisches Kapital eine wesentliche Rolle. Nicht nur die ProSiebenSat.1-Gruppe befindet sich im Eigentum angloamerikanischer Finanzinvestoren, auch US-Medienkonzerne betreiben deutsches Fernsehen. Disney hält 50 Prozent an "Super RTL", Viacom strahlt "MTV", "Viva", "Nick" und "Comedy Central" aus, "QVC" gehört Liberty Global und "Das Vierte" einem Luxemburger Investor. Die Kabelnetzbetreiber, die auch Bezahlfernsehen anbieten, gehören ebenfalls Liberty Global oder Finanzinvestoren.

Das Bezahlfernsehen steht vorwiegend unter ausländische Dominanz. Auf diesem Segment laufen derzeit etwa 5,5 Millionen Abonnements. Marktführer ist Sky (vormals Premiere) mit 2,7 Millionen Kunden; dieser Konzern gehört zu 50 Prozent dem angloamerikanischen Medienmogul Rupert Murdoch. An zweiter Stelle folgt die Deutsche Telekom mit 1,1 Millionen Abonnenten im Internetfernsehen. Der Rest wird von den Angeboten der Kabelnetzbetreiber abgedeckt. Bezahlfernsehen ist in Deutschland defizitär. Der Marktführer Sky hat in den 20 Jahren seiner Existenz nur Verluste produziert. Trotzdem wird dieses Feld weiter eifrig beackert.

Ein wichtiger Sektor ist die Fernsehproduktion. Hier steht der Bertelsmann-Konzern mit seiner Tochter UFA an der Spitze. Sie lieferte 2006 (neuere Zahlen liegen nicht vor) 14 Prozent der gesamten Sendezeit, die in Deutschland hergestellt worden ist, und erreichte 2008 einen Umsatz von 320 Millionen Euro. Eine Besonderheit in diesem Segment sind privatkapitalistische Tochterkonzerne der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Die beiden größten ARD-Konzerne, Studio Hamburg und Bavaria Film, erreichten 280 bzw. 224 Millionen Euro Umsatz und stehen damit weit oben in der Rangskala. Auch ZDF-Enterprises nimmt einen der vorderen Plätze ein.


Internet: Die Strukturen sind fließend

Die Kapitalkonzentration bei den Internetanbietern ist kaum erforscht. Das Medium ist weltweit ausgerichtet und unterliegt raschen sprunghaften Veränderungen. Das Sozialnetzwerk Facebook beispielsweise spielte vor eineinhalb Jahren noch keine nennenswerte Rolle in Deutschland, inzwischen hat es alle Konkurrenten überholt. Gleichzeitig erlebt der Vorläufer Myspace, den Rupert Murdoch 2005 für 580 Millionen Dollar gekauft hat, einen Absturz.


Tab. 15: Die 15 stärksten Nachrichten-Websites,
Quartalsreichweiten im vierten Quartal 2010 (Millionen Einzelnutzer)
Angebot
Betreiber
Mio.
Bild.de
Spiegel Online
Focus Online
Welt Online
Stern.de
Sueddeutsche.de
Zeit online
RP Online
FAZ.net
Abendblatt.de
n-tv.de
DerWesten
Berliner Morgenpost
Handelsblatt.com
Tagesspiegel.de
Axel Springer
Spiegel-Verlag(1)
Burda
Axel Springer
G+J/Bertelsmann
SWMH
Holtzbrinck
Rheinische Post
FAZ-Gruppe
Axel Springer
RTL/Bertelsmann
WAZ-Gruppe
Axel Springer
Holtzbrinck
Holtzbrinck
11,93
9,57
6,97
6,82
4,85
4,78
3,65
3,62
3,42
2,57
2,39
2,18
1,57
1,56
1,44

(1) Am Spiegel-Verlag ist Gruner+Jahr (Bertelsmann) mit 25,1 Prozent beteiligt

Quelle: meedia.de, 17.3.2011 (nach AGOF)


In manchen Segmenten der Internetwirtschaft sind US-Konzerne übermächtig. Bei den Suchmaschinen z. B. laufen 95 Prozent aller Anfragen in Deutschland über Google. So sammelt dieser Konzern rund zwei Drittel aller Werbegelder im Internet ein. Auf anderen Onlinemärkten sind deutsche Medienkonzerne stark. Spitzenreiter bei den allgemeinen Angeboten ist die Deutsche Telekom, deren Website auf vielen Rechnern als Startseite gespeichert ist. Es folgen der Internethändler eBay, die United Internet AG. die VG von Holtzbrinck, Yahoo und Microsoft.

Die meisten Internetportale gehören zu den Segmenten elektronischer Handel, Marktplätze, Spiele oder Sozialnetzwerke. Medienangebote im eigentlichen Sinn, auf denen redaktionelle Inhalte zur Verfügung gestellt werden, sind das Terrain von Medienkonzernen. Axel Springer findet sich auch hier an fuhrender Stelle (Tab. 15).

Bedeutsam für die Machtstrukturen auf den Onlinemärkten sind die Vermarkter. Sie sammeln für die einzelnen Portale die Werbegelder ein und verdienen dabei. Auch hier stehen die großen Medienkonzerne ganz vorne (Tab. 16). In der Spitzengruppe gibt es rasche Verschiebungen: United Internet lag 2008 noch an der Spitze und ist seither auf Platz fünf gerutscht. Stattdessen ist die Deutsche Telekom aufgestiegen, wird aber seit Anfang 2010 von Burda bedrängt.


Tab. 16: Die 10 stärksten Onlinevermarkter, Quartalsreichweiten
in Millionen Einzelnutzern
Vermarkter
Konzern
3/08
3/09
4/09
4/10
Interactive Media
Tomorrow Focus
SevenOne Interactive
IP Deutschland
United Internet Media
eBay Advertising
Axel Springer MI
Ströer Interactive
Yahoo! Deutschland
Microsoft Advertising
Dt. Telekom
Hubert Burda
ProSiebenSat.1
Bertelsmann

eBay
Axel Springer
Ströer OHM
Yahoo!
Microsoft
17,5
17,5
19,0
12,6
19,8
10,8
10,8

22,3
19,9
19,3
14,4
20,2
4,1
13,6
15,3
13,5
14,7
24.2
21,8
18,4
14,2
19,8
6,7
15,1
15,8
13,1
14.9
31,4
30,7
28,1
27,0
26,1
25,5
23,5
23,1
22,6
21,4

Quelle: AGOF Internet-Facts, eigene Recherchen


Die Medienunternehmen sind immer noch auf der Suche nach erfolgversprechenden Geschäftsmodellen im Internet. Ende der neunziger Jahre hatte es einen ersten Hype gegeben. Fast jeder Medienkonzern legte sich damals eine eigene Multimedia-Abteilung zu. Man kaufte Startup-Firmen, ohne sich über deren Marktchancen große Gedanken zu machen. Nachdem im Spätsommer 2000 die Blase geplatzt war, schwand das Interesse. Viele der teuer eingekauften Firmen wurden liquidiert, eingedampft oder abgestoßen, die Geschäftsbereiche aufgelöst.

Seit etwa 2005 ist der Aufstieg des "Web 2.0" zu beobachten, bei dem die Nutzer selber Texte, Bilder und Videos ins Netz stellen und sich untereinander verknüpfen können. Wieder wurden für zum Teil abenteuerliche Summen Onlinefirmen, die oft nur wenige Monate alt waren und außer einer zündenden Idee kaum Substanz zu bieten hatten, gekauft. Holtzbrinck zahlte z. B. 2007 für das Studentennetzwerk "StudiVZ" 85 Millionen Euro. Das Portal hat erstmals im dritten Quartal 2010 einen Gewinn gemeldet. Die Welle von Aufkäufen hält an. Zwischen 2007 und 2010 sind von deutschen Medienunternehmen mehr als 200 Onlinefirmen ganz oder teilweise übernommen worden (Tab. 17).


Tab. 17: Übernahmen von und Beteiligungen an Internetportalen
durch deutsche Medienunternehmen 2007 bis 2010
Erwerber
Zahl der Übernahmen
VG von Holtzbrinck
Hubert Burda Media
Axel Springer
Bertelsmann
Andere Medienunternehmen
zusammen
43
33
28
27
80
211

Quelle: Bartholomäus & Cie. a. a. O. 2010, sowie frühere Ausgaben: eigene Recherchen.


Nicht alle Medienkonzerne reiten auf dieser Welle mit. Auffällig zurückhaltend ist Bauer Media; auch die ProSiebenSat.1-Gruppe agiert vorsichtig. Bertelsmann hatte sich 1999/2000 sehr weit vorgewagt und mehrere Bauchlandungen erlebt (Pixelpark, Lycos Europe), hält sich aber alle Türen offen. Holtzbrinck, Burda und Axel Springer engagieren sich am stärksten. Die Masse der Erwerbungen betrifft Portale aus medienfernen Bereichen (Handel, Dienstleistungen, Netzwerke). Dadurch verschiebt sich der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit in den Medienkonzernen. Springer und Burda erzielen schon mehr als ein Viertel ihres Umsatzes online, den größten Teil davon auf medienfernen Geschäftsfeldern. Holtzbrinck ist gerade dabei, seine Zeitungen zu verkaufen, um Geld für Akquisen im Internet zu mobilisieren.


Die Perspektiven sind unklar

Meinungen und politische Einstellungen können von den Massenmedien zwar nicht gemacht, aber wesentlich beeinflusst werden. Deshalb ist der Befund über die Strukturen auf den deutschen Medienmärkten bedrückend:

Der Bertelsmann-Konzern ist die Nummer Eins beim Privatfernsehen, bei der Fernsehproduktion und bei Belletristik, er gibt die "Financial Times" und den "Stern" heraus und besitzt 25 Prozent am "Spiegel".
Der Springer-Konzern verkauft 80 Prozent der Boulevardzeitungen, ist der führende Zeitungsverlag, einer der Marktführer bei Zeitschriften und sehr erfolgreich bei Internet-Nachrichtenportalen. Anfang 2006 wollte er die ProSiebenSat.1-Fernsehkette übernehmen, was von der Politik gewollt, von der Kartellaufsicht aber verhindert wurde.
Auf allen wichtigen Medienmärkten wird ein Großteil der Nachfrage von einigen wenigen Anbietern gedeckt.
Der größte Teil der Medienunternehmen gehört Privatpersonen und steht unter deren direktem wirtschaftlichem und politischem Einfluss auch dann, wenn es sich um international agierende Konzerne handelt.

Diese Strukturen sind seit Jahrzehnten über alle Krisen hinweg stabil geblieben. Die größte Erschütterung war der Zusammenbruch des Kirch-Imperiums 2002. Damit verschwand der zweitgrößte Konzern vorn Markt. Im Ergebnis entstanden zwei TV-Konzerne (ProSiebenSat.1 und Premiere/Sky). Kirchs 40-Prozent-Anteil am Axel-Springer-Konzern ging auf dem Umweg über die Deutsche Bank an die Verlegererbin Friede Springer, die sich so die Aktienmehrheit sicherte. Die Kirch-Pleite bewirkte eine gewisse Dezentralisation des Kapitals.

Im selben Jahr 2002 wurden bei drei führenden internationalen Medienkonzernen die Chefs gefeuert: Robert Pittman bei AOL/Time Warner, Jean-Marie Messier bei Vivendi und Thomas Middelhoff bei Bertelsmann. Pittman und Messier hatten 92 bzw. 23 Milliarden Dollar Verluste eingefahren, Middelhoff wollte seinen Konzern gegen den Willen des Patriarchen Reinhard Mohn an die Börse bringen. Bei Axel Springer war im Jahr zuvor der Vorstandschef Gustav Fischer entsorgt worden, nachdem er den ersten Verlustabschluss der Verlagsgeschichte abgeliefert hatte.

Mit Namen wie Pittman, Middelhoff & Co. war das Konzept des "integrierten Medienkonzerns" verbunden, das zu diesen Zeiten gerade beerdigt wurde. Die Idee war simpel: Ein und derselbe "Content" sollte in möglichst vielen Mediensparten (TV, Zeitungen, Magazine, Bücher, Film, Entertainment, Internet) verwurstet und zu Geld gemacht werden, wobei idealerweise die verschiedenen Sparten füreinander Reklame machen. Die Zauberworte hießen "Synergieeffekte" und "Verwertungsketten". Sie verloren zu Beginn des neuen Jahrzehnts ihren Zauber, weil sich herausstellte, dass die Koordination der Sektoren selten gelang und die Kompetenz fehlte, um überall erfolgreich zu sein.

Deshalb fingen zu dieser Zeit die Medienkonzerne an, aus bestimmten Geschäftsfeldern wieder auszusteigen. Bertelsmann verabschiedete sich von den Fachverlagen, dem Sportrechtehandel, dem Musikgeschäft und dem Großteil seiner Zeitungen, Axel Springer vom Buchgeschäft und der Fernsehproduktion, Holtzbrinck von seinen Radio- und Fernsehsendern. Im Ergebnis beschränken sich derzeit die Medienkonzerne auf wenige Sparten. Nur Bertelsmann spielt immer noch auf vielen Feldern.

Gleichzeitig wurden die Schutzmauern nach außen verteidigt. Branchenfremdes Kapital spielt so gut wie keine Rolle in der deutschen Medienwirtschaft. Versuche aus der Peripherie (Deutsche Telekom beim Bezahlfernsehen, Deutsche Post bei Werbeblättern) dürften begrenzt bleiben. Umgekehrt waren auch Investitionen von Medienunternehmen auf fremden Märkten meist erfolglos. Den größten Flop erlebte Axel Springer Ende 2007 mit dem Postdienstleister PIN und einem Verlust von 600 Millionen Euro.

Der Drang an die Börse ist nach der geplatzten Blase 2000 ausgeblieben. Danach hat es zwar einige Börsengänge gegeben (der erstaunlichste war der des Milliardengrabs Premiere 2005), aber von einem Trend kann keine Rede sein. Bertelsmann hat sich 2006 sogar einen Kraftakt zugemutet, um einen drohenden Börsengang abzuwenden. 25 Prozent der Aktien hatten bei einem belgischen Investor gelegen, der sie zu verkaufen gedachte. Die Familie Mohn wollte das unbedingt verhindern und mobilisierte 4,5 Milliarden Euro, um die Anteile zurück zu kaufen.

Ausländische Konzerne besetzen in der Buchsparte (Bonnier, Egmont) und beim Bezahlfernsehen (Murdoch) Plätze in der Spitzengruppe. Ansonsten sind sie im Mittelfeld unterwegs (Zeitschriften, Fernsehen, Hörfunk, Filmproduktion). Auch Finanzinvestoren haben bisher keine prägende Rolle gespielt. Meistens kamen sie dort zum Zuge, wo sie Notsituationen ausnutzen konnten. Das galt nach der Kirch-Pleite, als Käufer für die Fernsehketten (P7S1, Premiere) gesucht wurden. Das gleiche traf bei den Kabelnetzen zu, die die Deutsche Telekom bis 2003 auf Druck der EU-Kommission verkaufen musste.

Typisch für die Verfassung deutscher Medienunternehmen und -konzerne ist weiterhin das Familienunternehmen (Tab. 18). im Verlauf von 2010 ist in etlichen davon die Nachfolge geregelt worden, weil die bisherigen Patriarch(inn)en in die Jahre gekommen sind. Das galt bei Bertelsmann, Bauer, Burda, MDS und der Ganske-Verlagsgruppe. In allen Fällen wurden Familienmitglieder der folgenden Generation als künftige Unternehmensführer eingeführt.

Ausnahmen als Eigentümer sind die katholische Kirche und die Sparkassen - und die SPD. Letztere unterhält mit ihrer Medienholding DDVG einen respektablen Konzern, der ihr 2009 rund zehn Millionen Euro Gewinn in die Parteikasse gespült hat. Drei Konzerne unter den zwanzig größten gehören Finanzinvestoren, an zwei halten personengeführte ausländische Konzerne die Mehrheit.

Auch wenn die Strukturen an der Spitze der Medienwirtschaft fest gemauert zu sein scheinen, so dürfte das doch nicht so bleiben. Als größte Herausforderung gelten die Digitalisierung und das Internet. Beide werden schon mittelfristig die Verwertungsbedingungen für das Kapital in allen Mediensparten verändern und neue Kapitalgruppen zum Zug bringen.

Die Zeitungen leiden darunter, dass ein wachsender Teil der Rubrikenanzeigen ins Internet abgewandert ist. Mit den neuen Tablet-Rechnern und Smartphones wird sieh möglicherweise auch der elektronische Konsum von Zeitungen ausbreiten (die bisherigen "E-Papers" waren zu wenig leserfreundlich). Ob sich damit Geld verdienen lassen wird, muss sich erst noch zeigen. Bei den jüngeren Bevölkerungsgruppen sinkt das Interesse an gedruckten Zeitungen deutlich.


Tab. 18: Eigentümer der größten deutschen Medienunternehmen(1)
  1. Bertelsmann AG
  2. ProSiebenSat.1 Media AG
  3. Axel Springer AG
  4. VG von Holtzbrinck
  5. Bauer Media Group
  6. VG Weltbild
  7. Hubert Burda Media
  8. WAZ-Mediengruppe
  9. Medien-Union
 10. Südwestdt. Medienhld.
 11. Sky Deutschland AG
 12. Springer SBM
 13. Dt. Sparkassenverlag
 14. M. DuMont Schauberg
 15. QVC Deutschland
 16. VG Madsack
 17. Klett-Gruppe
 18. Rheinisch-Bergische VG
 19. Cornelsen Bildungsgruppe
 20. HSE 24
Liz Mohn und Kinder (indirekt über Stiftung)
Finanzinvestoren (KKR und Permira)
Friede Springer
Stefan von Holtzbrinck
Yvonne Bauer
Katholische Kirche
Hubert Burda
Erbenfamilien Brost und Funke
Familie Schaub
Familien Schaub, Ebner u. a.
News Corp. (Rupert Murdoch/USA)
Finanzinvestoren (EQT und GIC)
Landesbanken, Sparkassen
Familien Neven DuMont und DuMont-Schütte
Liberty Global (John Malone/USA)
Sylvia Madsack, SPD-Medienholding DDVG
Familie Klett
Familien Girardet u. a.
Franz Cornelsen Stiftung
Finanzinvestor (AXA Private Equity)

(1) ohne öffentlich-rechtliche Anstalten
Quelle: eigene Recherchen


Für die Zeitschriften gilt zumindest bei bestimmten Segmenten Ähnliches. Programmzeitschriften z. B. erleiden Auflagenverluste, weil sich elektronische Programmführer und entsprechende Anwendungen auf Handys durchsetzen. Für jüngere Menschen sind Sozialnetzwerke reizvoller als gedruckte Magazine.

Fernsehen wird ab 2012 nur noch digital ausgestrahlt. Damit wird die Zahl der Kanäle vervielfacht, die Zahl der möglichen Programme tendiert gegen unendlich. Der technische Betrieb von Sendern wird billiger. Die Zuschauer können sich Filme auf Abruf auf den Bildschirm holen. Die bisherigen Vollprogramme verlören an Bedeutung gegenüber Spartenkanälen. Davon wären die großen Senderketten betroffen. Außerdem ist das herkömmliche Fernsehen womöglich gar nicht die Technik der Zukunft, sondern wird vom Internetfernsehen (IP-TV) verdrängt.

Musik- und Filmverlage bzw. -produzenten stöhnen über kriminelle Tauschbörsen im Internet. Sie haben weltweit deutliche Umsatzeinbußen erlitten. Wie viel davon auf das Konto von Raubkopien und illegalen Ladungen geht, ist zwar umstritten, nicht aber der Umstand als solcher. Eine tragfähige Strategie, wie damit umzugehen ist, gibt es nicht.

Bei den Büchern erfolgt gerade die Markteinführung der elektronischen Lesegeräte ("E-Books"). Das wird den Markt umkrempeln: Literarische Werke müssen nicht mehr gedruckt, sondern können als Datei heruntergeladen werden. Dadurch wird - wie bei Musik und Filmen - das Problem der Raubkopien auftreten. Die sonstigen Auswirkungen auf Buchverlage, Buchhandlungen und Druckereien sind noch gar nicht absehbar.

Im Internet heißt das Hauptproblem bezahlte Inhalte. Die meisten Online-Angebote der Verlage sind defizitär, weil sie umsonst zu haben sind. Mit Werbung allein werden die Kosten dauerhaft nicht zu decken sein, aber die Bereitschaft der Nutzer, für Inhalte zu bezahlen, ist nach wie vor gering. Hohe Profite erzielen hingegen weltweit agierende US-Konzerne, wie Google, eBay oder Amazon. Sie bewegen sich allerdings auf Geschäftsfeldern, die eher medienfern angesiedelt sind (Handel, Preisvergleiche, Netzwerke). Diejenigen deutschen Medienkonzerne, die stark aufs Internet setzen (insbesondere Holtzbrinck, Axel Springer und Burda) verlegen den Schwerpunkt ihrer Online-Aktivitäten ebenfalls hierhin.

Derzeit versuchen die großen US-Internetkonzerne (Google, Apple, eBay, Amazon, Microsoft), sich auf Medienmärkten festzusetzen - auch in Deutschland. Amazon hat sich im März 2011 ein Monopol bei Online-Antiquariaten verschafft und ist ins Buchgeschäft eingestiegen, Google betreibt Nachrichten-Sammelportale. Diese Unternehmen verfügen über schier unbegrenzte Finanzmittel. Deshalb könnten sie in den kommenden Jahren die Strukturen in der deutschen Medienwirtschaft stärker verändern als man sich das gegenwärtig vorzustellen vermag. Wie sich dadurch das Geschäft mit redaktionellen Inhalten verändern wird, ob die Phalanx des deutschen Medienkapitals durchbrochen werden wird, ist offen.


Dr. Gert Hautsch - Frankfurt/M., Volkswirt, Medienforscher, Autor der Quartalsberichte zur Medienwirtschaft auf http://druck.verdi.de


*


Quelle:
Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung Nr. 86,
Juni 2011, Seite 32 - 50
Herausgeber: Forum Marxistische Erneuerung e.V. und IMSF e.V.
Redaktion: Postfach 500 936, 60397 Frankfurt/M.
Tel./Fax: 069/530 544 06
E-Mail: redaktion@zme-net.de
Internet: www.zeitschrift-marxistische-erneuerung.de

Z. erscheint vierteljährlich.
Der Abonnementpreis (vier Hefte) beträgt 33,50 Euro,
das Einzelheft kostet 10,- Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2011