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Z/184: "So wie einst der Commandante?" - Die europäische Linke vor der Europawahl 2014


Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung Nr. 97 - März 2014

"So wie einst der Commandante?"[1]
Die europäische Linke vor der Europawahl 2014

Von Klaus Dräger



Glaubt man den einschlägigen Medien, so wird die Europawahl am 25. Mai 2014 zum "Schicksalstag" für die künftige Entwicklung der Europäischen Union. 'Euroskeptische Rechts- und Linkspopulisten' könnten bis zu 30 Prozent der Sitze im Europäischen Parlament (EP) erobern. Die Wahlbeteiligung, so die Auguren, könne noch unter die mageren 43,3 Prozent bei der letzten Europawahl 2009 sinken.

Andererseits: Konservative (EVP) und Sozialdemokraten (S&D) könnten jeweils knapp 30 Prozent der Stimmen holen und so eine solide Mehrheit der 'europafreundlichen' Kräfte im nächsten EP sichern. Grüne und Liberale könnten - wenn auch mit schwächeren Werten als 2009 - das Lager der Verteidiger von Lissabon-Vertrag, Fiskalvertrag usw. stützen. In der auslaufenden Legislaturperiode des EP (2009-2014) gab es in strategischen Fragen wie der 'wirtschaftspolitischen Steuerung' der EU häufig eine große Koalition von Konservativen, Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen. Damit ist auch in der neuen Legislaturperiode (2014-2019) zu rechnen.


1. Sinkende Legitimation der EU - politische Polarisierung

In den Augen wachsender Teile der Bevölkerung verlor die EU seit Beginn der: Finanz- und Wirtschaftskrise deutlich an Zustimmung. Im Mai 2007 hatten in Eurobarometer-Umfragen EU-weit 57 Prozent ihr "Vertrauen in die Europäische Union" bekundet - im Mai 2013 waren es nur noch 31 Prozent. Auch in Deutschland halbierte sich das Vertrauen in die EU in diesem Zeitraum von 56 auf 29 Prozent. Der Einbruch in Krisenländern unter dem Kuratel der Troika von EU-Kommission, EZB und IWF wie Spanien (von 52 auf 8 Prozent) und Griechenland (von 41 auf 9 Prozent) war drastisch.

Anders als in den Zeiten vor der Eurokrise wurde vor allem für die Bevölkerung der Krisenländer deutlich, dass die EU-Ebene ihre Wirtschaften direkt durch Diktate (Memoranden der Troika für 'Programmländer' wie Irland, Griechenland, Portugal, Spanien, Zypern usw.) in die Depression trieb und eine soziale Katastrophe anrichtete. Die nationalen Parlamente der Krisenländer hatten in wesentlichen Fragen der Wirtschafts-, Fiskal- und Sozialpolitik nichts mehr zu entscheiden. Auch demokratische Wahlen und Regierungswechsel konnten nicht ändern, dass neu gewählte Regierungen die von der Troika oktroyierten Maßnahmen umsetzten. Die betroffenen Bevölkerungen spürten die Macht der EU als autoritäre Fremdherrschaft, der sie hilflos ausgeliefert waren. Die 'Demokratie, wie wir sie kannten' - Einflussnahme über nationalstaatliche Wahlen, um somit die Regierenden zur Rechenschaft zu ziehen und Alternativen zu ermöglichen - ging dort vor die Hunde.

In anderen EU-Ländern nahmen mehr Menschen als zuvor wahr, wie die neue wirtschaftspolitische Steuerung der EU (Economic Governance) ihre Regierungen öffentlich an den Pranger stellte und erfolgreich über das 'ständige Plebiszit der Finanzmärkte' zu mehr Austerität und neoliberalen Strukturreformen antrieb (z.B. Italien, Frankreich, Belgien, Slowenien usw.).

Auch schon zu früheren Europawahlen und im Zusammenhang mit den Referenden über den Verfassungsvertrag für eine Europäische Union wurde vor den Gefahren des Rechts- und Linkspopulismus gewarnt. Mit der 'Euro-Rettungspolitik' und ihren Folgen spitzt sich die Polarisierung an den Rändern des politischen Spektrums erneut zu. Sie verkörpern zwei diametral entgegengesetzte Pole einer Massenstimmung unter dem Motto "Wir zahlen nicht für eure Krise".

Das Credo der in einer Reihe von Ländern wachsenden rechtspopulistischen Opposition (z.B. Front National in Frankreich, die Schwedendemokraten, die 'Wahren Finnen', die österreichische FPÖ, die niederländische PVV, die flämische NVA usw.) lautet frei nach Bertolt Brecht: 'Für alle reicht es nicht'. Sie verbreiten eine einfache Botschaft: 'Unsere sozialstaatlichen Errungenschaften' gelten künftig nur für 'hart arbeitende Inländer', keine falsche Solidarität für die 'Müßiggänger' aus dem Süden und für 'korrupte Osteuropäer', die allesamt 'über ihre Verhältnisse gelebt haben'. Rechte Stimmungsmache - ob gegen Islam, bulgarische und rumänische Armutszuwanderer, Flüchtlinge aus Afrika sowie inländische 'Sozialschmarotzer' usw. - ist ein bewährtes Muster der Krisenabwälzung, das den Diskurs bis weit in die Mitte der Gesellschaft (und damit der konservativen und nicht weniger sozialdemokratischer Parteien) beeinflusst.

Der von den medialen Meinungsmachern ebenso als europafeindlich gescholtene 'Linkspopulismus' reklamiert eher Brechts Motto 'Keiner oder alle. Alles oder nichts' für sich - 'substanzielle soziale Demokratie' und eine 'sozial inkludierende' Logik im Interesse der Lohnabhängigen und Ausgegrenzten. Er stützt sich z.B. auf Indignados, Occupy-Bewegung, soziale und ökologische Bewegungen und NGO's sowie widerstandsorientierte Teile der Gewerkschaften. Im Januar 2014 verzeichnen z.B. die griechische SYRIZA (30 Prozent), die spanische Izquierda Unida (12-15 Prozent), die Rot-Grüne Einheitsliste in Dänemark (12 Prozent) und die Sozialistische Partei der Niederlande (20 Prozent) deutlich mehr als doppelt so hohe Umfragewerte im Vergleich zu ihren Ergebnissen bei der Europawahl 2009.[2]

Für die Europawahl 2014 haben die meisten der im EP vertretenen europäischen Parteienfamilien beschlossen, für das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission "europaweit" Spitzenkandidaten aufzustellen. So hat die Sozialistische Partei Europas (SPE, sozialdemokratisch) den amtierenden EP Präsidenten Martin Schulz aufs Schild gehoben, die Partei der Europäischen Linken (EL) den Frontmann der griechischen SYRIZA, Alexis Tsipras. So sollen die Lösungsansätze der EU-Parteifamilien zur "Euro-Rettungspolitik" stärker diskutiert werden und mit EU-Spitzenkandidaturen "ein Gesicht" bekommen.[3] Wie so oft zuvor, ist dies im Wesentlichen 'symbolische Politik'.


2. Die Linksfraktion im Europäischen Parlament und ihre Komponenten

Die Leserinnen und Leser dieser Zeitschrift interessieren sich vielleicht für die folgenden Fragen: Wer ist diese von den Medien mit dem Schimpfwort des Populismus[4] bedachte Europäische Linke? Was eint und was trennt sie - in inhaltlich-programmatischer und strategischer Hinsicht? Was sind ihr Stärken und Defizite? Welchen Einfluss kann sie realistisch auf die derzeitigen politischen Kräfteverhältnisse in der EU nehmen?

Im Europäischen Parlament ist diese Linke in der Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL) repräsentiert. Sie hat derzeit 35 Abgeordnete, die aus 13 Ländern und 18 Parteien stammen. 24 Abgeordnete kommen aus Parteien, die der Partei der Europäischen Linken (EL) angeschlossen sind: 8 von der LINKEN aus Deutschland, 5 von der Front de Gauche (PCF, PG) aus Frankreich, 2 vom Bloco Esquerda aus Portugal, jeweils einer von SYRIZA aus Griechenland, Izquierda Unida aus Spanien und der Rot-Grünen Einheitsliste aus Dänemark.[5] Hinzu kommen von den EL-Parteien mit Beobachterstatus 4 von der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens (KSCM) aus Tschechien und 2 von AKEL aus Zypern.

Die Bezeichnung "Nordische Grüne Linke" im Namen der Fraktion geht auf die EU-Erweiterung 1995 um Österreich, Schweden und Finnland zurück. Zunächst schlossen sich insgesamt 6 Abgeordnete vom Linksbund Finnland, der Linkspartei Schwedens und der Sozialistischen Volkspartei Dänemarks zur NGL zusammen, um anschließend mit der damaligen GUE zur GUE/NGL zu fusionieren. Diese Linksparteien aus Skandinavien verstehen sich als 'rot-grüne' Parteien - angeblich 'grüne' Themen wie Ökologie, Feminismus etc. rangieren bei ihnen sehr weit vorne. Gegenwärtig ist davon nur noch die Linkspartei aus Schweden mit einem Abgeordneten vertreten. Unter dem Label NGL stimmen sich fraktionsintern aber die Abgeordneten der Sozialistischen Partei der Niederlande (1), von Sinn Féin aus Irland (1) und der Rot-Grünen Einheitsliste aus Dänemark ab.[6]

Jeweils 2 Abgeordnete kommen von den Kommunistischen Parteien Griechenlands und Portugals (KKE, PCP), die im Rahmen des Netzwerks 'Internationales Treffen der Kommunistischen und Arbeiterparteien' aktiv sind und am Marxismus-Leninismus sowjetischer Prägung in der einen oder anderen Form festhalten. An diesem Netzwerk nehmen auch die EL-Beobachter AKEL aus Zypern und KSCM aus Tschechien teil.

Je ein/e Abgeordnete/r entstammen der Socialist Party aus Irland, der Sozialistischen Partei aus Lettland (der auf dem Ticket des sozialdemokratisch orientierten Bündnisses 'Zentrum der Harmonie'-SC kandidiert hatte) sowie der Partei der Arbeit (HL) aus Kroatien.[7] Die Fraktion arbeitet darüber hinaus mit Rifondazione Communista (PRC) und PdCI aus Italien, Déi Lénk aus Luxemburg und dem Linksbund aus Finnland zusammen, die derzeit nicht im EP vertreten sind - sowie außerhalb der EU mit der Sozialistischen Linkspartei aus Norwegen und der Partei der Arbeit aus der Schweiz.

Die Linksfraktion im EP (GUE/NGL) arbeitet nach dem Konsensprinzip, es besteht kein Fraktionszwang. Die Delegationen der Mitgliedsparteien können ihre jeweilige Parteilinie öffentlich vertreten und entsprechend im EP abstimmen. Aus einigen Ländern gehören Parteien der Fraktion an, die bei nationalen und Europawahlen in Konkurrenz zueinander antreten - etwa Sinn Fein und Socialist Party aus Irland, SYRIZA und KKE aus Griechenland, PCP und Bloco Esquerda aus Portugal oder z.B. in früheren Legislaturperioden PRC und PdCI aus Italien oder PCF und das "trotzkistische" Bündnis LCR/LO aus Frankreich. Die Parteidelegationen wollen auch aufgrund der Heterogenität ihrer jeweiligen Traditionen 'von gleich zu gleich' behandelt werden. Keine soll durch eine Fraktionsmehrheit einfach untergebuttert werden können.

Einig ist sich die Fraktion in ihrer Gegnerschaft zur neo-liberalen Verfasstheit und Politik der EU. Sie lehnt z.B. den Vertrag von Lissabon, Fiskalvertrag und EuroPlusPakt, FRONTEX, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die Liberalisierungspolitik im EU-Binnenmarkt und des EU-Außenhandels, die massenhafte Überwachung durch NSA und europäische Geheimdienste usw. ab. Sie stellt sich gegen die Troika und die Politik neoliberaler Strukturreformen, gegen Entdemokratisierung und Austeritätspolitik.

Über viele Politikbereiche hinweg hat sie gemeinsam vertretene Positionen und Alternativen entwickelt: Verteidigung und Ausbau des Sozialstaats, Stärkung von Tarifverträgen und Arbeitnehmerrechten, Vollbeschäftigung und Arbeitszeitverkürzung, feministische Gleichstellungspolitik, Schutz und Ausbau von Bürgerrechten, humane Flüchtlingspolitik, nachhaltige Landwirtschafts- und Fischereipolitik und strengere Regeln zum Klimaschutz, solidarische Handels- und Entwicklungspolitik, zivile nicht-militärische Außenpolitik usw.[8]


3. Linker 'Europa-Föderalismus' vs. linker 'Souveränismus'?

Erhebliche Differenzen zwischen diesen europäischen Formationen der Linken jenseits von Sozialdemokratie und Grünen bestehen traditionell in ihren Grundsatzpositionen zur 'Europafrage'. Diese bestimmen erwartungsgemäß auch ihre Diskussion zur Eurokrise - sowohl zwischen den Parteien als auch innerhalb von ihnen. Der Spannungsbogen ist vordergründig durch die Pole "Föderalismus" versus "Souveränismus" geprägt.

Am 'souveränistischen' Pol stehen die griechische KKE, die portugiesische PCP, die schwedische Linkspartei, die Rot-Grüne Einheitsliste aus Dänemark, die kroatische Partei der Arbeit und mit Abstufungen die niederländische SP, Sinn Féin aus Irland und AKEL aus Zypern. Ihr langfristiges Ziel sehen sie in einer europäischen Integration, die eher als Kooperation zwischen souveränen Nationalstaaten gestaltet wird.[9] Ihre Motive und Argumentationslinien sind dabei keineswegs einheitlich.

KKE und PCP verweisen auf die weitgehende Deindustrialisierung ihrer Länder als Folge des Beitritts zur EU, der Auswirkungen des Europäischen Binnenmarktprogramms und der Währungsunion. Sie charakterisieren die EU im Verbund mit NATO und der europäischen Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik als eine 'imperialistische Vereinigung', die abzulehnen sei. Die KKE fordert allerdings nicht den sofortigen Austritt Griechenlands aus EU und Währungsunion. Ein sofortiger Euro-Austritt werde unter den gegenwärtigen Kräfteverhältnissen nur dazu führen, dass die griechische nationale Bourgeoisie und die ihr verpflichteten politischen Kräfte eine Strategie der Währungsabwertung mit einer verschärften Auspressung der Arbeiterklasse verbinden, um so mehr Wettbewerbsfähigkeit für den Export von Produkten und Dienstleistungen zu gewinnen. Erst wenn die 'Volkskräfte' in einem revolutionären Prozess die heimische Bourgeoisie besiegt und das kapitalistische Eigentum an den Produktionsmitteln abgeschafft hätten, könne der Ausstieg aus der EU erfolgversprechend vollzogen werden.

Die PCP verfolgt mit Berufung auf die portugiesische Nelkenrevolution von 1974 das Projekt einer 'Fortgeschrittenen Demokratie', welches über die bürgerliche Demokratie hinausweise. Portugal müsse seinen Status als verlängerte Werkbank multinationaler Konzerne überwinden, nationale Souveränität zurückgewinnen und eine für die Mehrheit seiner Bevölkerung vorteilhafte Spezialisierung und Diversifizierung der Produktion erreichen. Mittelfristig müssten die negativen Aspekte der EU-Integration gemindert und mögliche positive Formen der Zusammenarbeit gestärkt und ausgebaut werden. Zu letzterem fordert die PCP z.B. die Verdoppelung der Mittel des Europäischen Sozialfonds, einen Hilfsfonds für die Krisenländer, eine europäische Strategie für nachhaltige Entwicklung und Solidarität (statt Europa 2020) usw. Der Austritt Portugals aus dem Euro wird von der PCP bislang nicht propagiert.

AKEL aus Zypern unterstützte hingegen den Beitritt ihres Landes zur Europäischen Union in der Hoffnung, dies erleichtere die Lösung der Zypernfrage, d.h. die Wiedervereinigung mit dem von der Türkei besetzten nördlichen Teil der Insel. Den Vertrag von Lissabon und die neoliberale Politik der EU-Institutionen hat die Partei hingegen stets abgelehnt. Nach der Präsidentschaftswahl 2013 fordert sie nach wie vor eine Lösung für Zyperns Zahlungsbilanzprobleme 'ohne die Troika'.[10] Sie schlägt einen verhandelten Austritt Zyperns aus der Eurozone vor, um Spielräume für eine wirtschaftliche Erholung und sozialstaatliche Entwicklung des Landes zurückzugewinnen.

Das wesentliche Motiv für den 'Souveränismus' der Parteien der Nordischen Grünen Linken ist hingegen, die Errungenschaften des 'Nordischen Modells' des Wohlfahrtsstaats und der industriellen Beziehungen zu bewahren, welches durch die neoliberale Politik und Verfasstheit der EU unterminiert wird. Die schwedische Linkspartei war sowohl gegen den EU-Beitritt ihres Landes 1995 als auch (erfolgreich beim Referendum 2003) gegen den Beitritt zur Eurozone. Die Rot-Grüne Einheitsliste lehnt einen Eurobeitritt Dänemarks ab und ist langfristig für den Austritt aus der EU. Sie versuche bis dahin den 'Schaden zu begrenzen', den die EU in der Welt und in Dänemark anrichte.[11] Die schwedische Linkspartei will den EU-Haushalt auf eine grüne Investitionspolitik für Klimaschutz und Arbeitsplätze konzentrieren, wofür der Agrarhaushalt und die Strukturfördermittel gekürzt werden sollen. Die niederländische SP ist ebenfalls für eine Kürzung des EU-Haushalts - die reicheren EU-Staaten sollten z.B. die Strukturforderung für ihre ärmeren Regionen selbst übernehmen und die verbleibenden Mittel nur noch den ärmeren Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen. Das NGL-Spektrum lehnt es auch ab, dass die EU eigene Steuern erheben kann, um den EU-Haushalt zu finanzieren (Diskussion um verbreiterte Eigenmittelbasis).

Die schwedische Linkspartei, die dänische RGE und die SP der Niederlande fordern 'Opt-out'-Möglichkeiten von Bestimmungen des EU-Vertrags oder des EU-Rechts. SP und Linkspartei werben dafür, dass ihre Länder in dieser Hinsicht die Bedingungen für die weitere EU-Mitgliedschaft neu verhandeln. Im Gegensatz zum britischen konservativen Premier David Cameron wollen sie dabei allerdings soziale, umwelt- und verbraucherpolitische EU-Mindeststandards erhalten und z.B. EU-Vorschriften zum liberalisierten Binnenmarkt usw. zurück drehen, die Cameron hingegen ausweiten möchte. Die kroatische Partei der Arbeit war gegen den EU-Beitritt ihres Landes, weil sie von den damit verbundenen Auflagen zur Liberalisierung der Wirtschaft und Empfehlungen zur Privatisierung öffentlicher Unternehmen eine Schwächung der Gewerkschaften, eine verschärfte Austeritätspolitik zu Lasten der Lohnabhängigen und weiteren wirtschaftlichen Niedergang erwartete.

Den eher 'föderalistischen' Pol bilden traditionell die meisten Mitgliedsparteien der Partei der Europäischen Linken EL (SYRIZA, DIE LINKE, PCF, PG, Izquierda Unida, Bloco Esquerda, neuerdings auch der Linksbund Finnland[12] usw.). Auch hier gibt es Abstufungen. Die französische Front de Gauche wirbt z.B. für eine 'Strategie des Ungehorsams', wonach EU-Richtlinien und EU-Recht, welche sozialstaatlichen und linken politischen Grundsätzen zuwider laufen, auf nationalstaatlicher Ebene nicht umgesetzt werden sollen.[13] Unter dem Eindruck der Folgen der Troika-Diktate in Portugal befindet der Bloco Esquerda, dass die Alternative "Zwischenstaatliche Regierungszusammenarbeit (inter-governmentalism) versus Föderalismus" als politische Modelle für die Steuerung der EU falsch gestellt und beide zudem autoritär seien. Der Aufbau Europas solle die kulturelle Identität und die Souveränität aller Mitgliedstaaten respektieren.

Die EL strebt eine "Neugründung" Europas an - gemeint ist ein neuer Grundlagen-Vertrag der EU, der den Lissabon-Vertrag ablösen und den Weg zu einer 'politischen Vereinigung' (political unification) im Sinne einer demokratischen, sozialen, ökologischen und friedlichen EU frei machen soll.[14] Sie will den Euro erhalten und fordert ein legislatives Initiativrecht des Europäischen Parlaments, die Stärkung der Rolle des EP und der nationalen Parlamente, die bessere Einbeziehung der Bürger in Entscheidungsprozesse, die Respektierung der Volkssouveränität sowie Referenden zu europäischen Fragen auf EU- wie auf nationalstaatlicher Ebene. Konkretere Aussagen zum Inhalt eines neuen EU-Vertrags, die über die Beschwörung der Notwendigkeit eines alternativen Entwicklungsmodells mit den üblichen Adjektiven hinausgehen, geben die offiziellen Dokumente der EL allerdings nicht her.

Es bleibt auch unklar, wie die institutionelle Architektur der EU nach Meinung der EL konkret umgebaut werden sollte. Im Politologenjargon ausgedrückt: Welche Kompetenzabgrenzung zwischen der europäischen und den unteren Ebenen in der EU wird vorgeschlagen? Wer kann neue Kompetenzen schaffen ('Kompetenz-Kompetenz')? Wie könnte eine demokratische europäische föderale Ordnung konkret verfasst sein (Bundesstaat? Konföderation?), die z.B. die angestrebte 'Respektierung der Volkssouveränität' sichert?[15] Darüber ergeben die offiziellen Dokumente der EL kein aufschlussreiches Bild.

Insofern ist es fraglich, ob die EL insgesamt als strikt 'europa-föderalistisch' eingestuft werden kann. Allein dass sie das europäische 'Mehrebenen-System' von der kommunalen bis zur EU-Ebene für politische Interventionen nutzen will, sagt noch nicht viel aus. Dies tun die 'souveränistischen' linken Formationen ebenfalls, und dies sehr häufig gemeinsam mit den linken 'Föderalisten', wenn es z.B. um politische Kampagnen und Mobilisierung, um die Verhinderung oder Veränderung von EU-Richtlinien usw. geht.


4. Europawahlkampf der Partei der Europäischen Linken (EL)

Auf ihrem 4. Parteikongress am 15.12.2013 in Madrid hat die EL ein Politisches Dokument "Vereinigt euch für eine linke Alternative in Europa" verabschiedet. Es analysiert die internationale Lage und insbesondere die ökonomische, soziale und politische Entwicklung in der EU. Die EL ruft zu einer Konvergenz der linken Parteien, sozialen Bewegungen und Gewerkschaften[16] sowie zu gemeinsamen Aktionen gegen den Austeritätskurs, das geplante Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen zwischen EU und USA (TTIP), gegen eine Militarisierung der EU und als 'humanitär' verbrämte militärische Interventionspolitik auf. Sie will die Verbindung zu Parteien der Linksfraktion im EP (GUE/NGL) stärken, die nicht Mitgliedsparteien der EL sind, sowie mit neu entstehenden Linksparteien (z.B. in Ost- und Südosteuropa) stärker in Dialog treten.

Die ebenfalls in Madrid beschlossene Programmatische Plattform der EL zur Europawahl 2014 ("Europa verändern, für ein Europa der Arbeit") erklärt fünf Achsen der politischen Intervention als für alle Mitgliedsparteien verbindlich: Widerstand gegen Austerität - für ein neues Entwicklungsmodell; Alle Macht dem Volk - für eine Revolution der Bürger;[17] Für ein soziales Europa - für ein Europa mit Rechten; Für fairen Welthandel - gegen den großen transatlantischen Binnenmarkt; Für ein Europa des Friedens. Der erste verbindliche Teil der Plattform (Kurzfassung) garniert jede dieser Achsen mit ein paar Spiegelstrich-Forderungen (z.B. Die Schulden werden nicht bezahlt - Bürgeraudit der Schulden, Streichung der illegitimen Schulden und Restrukturierung der anderen) oder bloßen Unterüberschriften (Frauenrechte, Migrantenrechte, Recht auf Arbeit und Löhne usw.).

Der zweite Teil der Plattform (erweiterte Fassung) basiert auf Eingaben der Mitgliedsparteien, von EL-Arbeitsgruppen und -Netzwerken usw. und führt ebenfalls überwiegend in Spiegelstrichforderungen - die politischen Orientierungen unter den fünf Achsen etwas weiter aus. "Nicht alle" der so erweiterten Punkte des zweiten Teils seien "auf europäischer Ebene oder in allen Ländern anzuwenden". Sie seien als ein Diskussionsangebot an die Parteien zu bewerten, an dem nach dem EL-Kongress auf europäischer wie nationaler Ebene weiter gearbeitet werden soll.

Insofern bleibt abzuwarten, was die weitere Diskussion der EL an programmatischen Konkretisierungen ergibt. Im Vergleich zur EL-Plattform zur Europawahl 2009 ist die für 2014 derzeit vorliegende - gelinde gesagt - äußerst vage. Für die mediale Öffentlichkeit wird wohl eher zählen, was Alexis Tsipras als 'Gesicht' der EL-Kampagne (im Verbund mit den jeweiligen Parteigranden und SpitzenkandidatInnen in den Mitgliedstaaten) bei seiner Wahlkampftour durch Europa verkünden wird.

Eine einigermaßen kohärente makro-ökonomische Strategie mit entsprechenden Instrumenten zur Überwindung der Eurokrise ist bei der europäischen Linken (ob EL oder andere) schwer zu erkennen. Die Linksfraktion im EP (GUE/NGL) forderte 2010 z.B. ein europäisches ökologisch-solidarisches Zukunftsinvestitionsprogramm über fünf Jahre, das jährlich mindestens 1 Prozent des EU-BIP mobilisieren und mit entsprechenden Programmen der Mitgliedstaaten koordiniert werden sollte. Ein Teil des EU-Programms sollte durch die Ausgabe von Eurobonds der Europäischen Investitionsbank (EIB) finanziert werden die so das Geld der SparerInnen zu günstigen Zinssätzen mobilisieren könne.[18] Dieses Konzept (Eurobonds für Investitionen) wird so heute noch von der irischen Sinn Fein vertreten. In der erweiterten Fassung der EL-Plattform 2014 heißt es nur noch vage: "Wir schlagen europäische industriepolitische Pläne für strategische Industrien und ein europäisches Konjunkturprogramm vor."

Man konnte im Lauf der Verschärfung der Eurokrise beobachten, wie sich bei vielen der linken Parteien (und z.B. Netzwerken wie Euromemo) der Diskurs von Eurobonds für Investitionen in Richtung Eurobonds zur "Vergemeinschaftung von Staatsschuldtiteln" verschob.[19] Die Eurobonds-Konzepte z.B. der Europäischen Kommission (Stabilitätsbonds) sehen vor, dass die Mitgliedstaaten bei einem Tausch ihrer nationalstaatlichen Schuldtitel bis zur Maastricht-Obergrenze von 60 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts strikte Auflagen à la Fiskalvertrag zu erfüllen hätten.

In der erweiterten Plattform der EL zur EP Wahl 2014 wird gefordert, dass die EZB als 'Kreditgeber der letzten Instanz' ihre Kompetenz zur Geldschöpfung nutzen solle, um den Mitgliedstaaten direkt Kredite zu niedrigen Zinssätzen oder gar zinslos ohne politische oder wirtschaftliche Auflagen zu gewähren.[20] Weiterhin fordert die erweiterte Fassung der EL Plattform, eine Europäische Öffentliche Bank für ökologische und soziale Entwicklung zu schaffen, die aus einem Teil des EU-Haushalts, einer Finanztransaktionssteuer und aus Mitteln der EZB zu finanzieren sei, um vor allem den Krisenländern Fonds für nach ökologischen und sozialen Kriterien ausgewählte Investitionsprojekte bereit zu stellen. Der Entwurf des EP-Wahlprogramms 2014 der LINKEN fordert hingegen die Gründung einer europäischen Bank für öffentliche Anleihen, die von der EZB für Staaten der Eurozone direkt, finanziert wird - hier ist offenbar die Monetisierung von Schulden über den 'Umweg' dieser neuen Bank das Ziel, weil der Vertrag von Lissabon der EZB dies strikt verbietet.

Für eine Finanztransaktionssteuer sprechen sich so gut wie alle europäischen Linksparteien aus. Einige fordern weiterhin eine 'Tobin Tax' (also eine Devisenumsatzsteuer), andere eine allgemeine Steuer auf alle Finanztransaktionen (General FTT).[21]

Konkretere knappe Aussagen zum Steuersatz einer Finanztransaktionssteuer und ihrer Ausgestaltung, zu Kapitalbedarf, angestrebtem Kreditvolumen und Kreditvergabepolitik sei es der europäischen Bank für öffentliche Anleihen oder der Europäischen Öffentlichen Bank für ökologische und soziale Entwicklung sind in den entsprechenden Dokumenten selten vorhanden.[22] Es fragt sich: Wozu braucht die EU z.B. diese letztere neue Bank, wo sie mit der EIB bereits eine öffentliche Bank für Investitionen hat? Soll die EIB die beträchtlichen Mittel, die sie hat, und das Finanzierungspotenzial, das sie darüber hinaus erschließen könnte, weiterhin größtenteils zugunsten der europäischen Großkonzerne und ökologisch nicht nachhaltiger Infrastrukturprojekte einsetzen dürfen? Ist die Forderung nach einer neu zu schaffenden europäischen Bank für öffentliche Anleihen 'realistischer' als die nach einer direkten Monetisierung von Staatsschulden durch die EZB?

Der innere strategische Zusammenhang der teils widersprüchlichen Einzelforderungen wird insbesondere bei der EL-Plattform 2014 nicht so richtig deutlich. Es mangelt m. E. an inhaltlicher und strategischer Kohärenz und Systematik vor allem in wirtschaftspolitischen Fragen - das angestrebte neue Entwicklungsmodell bleibt nebulös. Es unterliegt weder ein klares keynesianisches Paradigma noch eine Strategie antikapitalistischer Strukturreformen (wie bei André Gorz in den 1960er und den bundesdeutschen Jusos in den 1970er Jahren), noch ein roter Faden im Sinne eines 'Übergangsprogramms zum Sozialismus', um an einige frühere Ansätze zu erinnern.


5. Griechenland als 'Zündfunke zur Linkswende in Europa'?

So wird die gemeinsame Wahlkampagne der EL wohl in erster Linie von der Hoffnung getrieben, mit SYRIZA und Alexis Tsipras voran neuen Schub zu entwickeln nach dem Motto: "Griechenland könnte der Zündfunke werden, um die Austeritätspolitik in Europa zu beenden." Unterschätzt werden die Dilemmata, vor denen SYRIZA als mögliche künftige Regierungspartei in Griechenland steht. Sie muss Koalitionspartner finden, die ihr alternatives Regierungsprogramm zumindest in größeren Teilen mittragen wollen. Sie muss Erfolge beim angestrebten teilweisen Schuldenerlass (nach dem Modell des Londoner Abkommens 1953 zur Entschuldung Deutschlands) und bei der Neuverhandlung von Kreditkonditionen vorweisen können, die ihr genügend Spielraum zumindest für die Umsetzung einiger Kernpunkte ihres Regierungsprogramms verschaffen (vgl. Dericquebourg 2013). Bislang zeigten ihr selbst die französische sozialistische Regierung und die SPD diesbezüglich die kalte Schulter.

Auf wirkliche Unterstützung kann SYRIZA bislang nur bei den meisten europäischen Linksparteien zählen. Deren Gewicht dürfte auch nach möglichen Zuwächsen in einigen EU-Staaten bei der Europawahl 2014 nicht ausreichen, um die politischen Kräfteverhältnisse in der EU grundlegend zur erhofften 'Linkswende' zu verschieben. Gelingt es aber nicht, Frankreich oder zumindest die Regierungen der Mittelmeerländer halbwegs als Bündnispartner zu gewinnen, wird es mit der Umsetzung der Versprechen des Regierungsprogramms und gleichzeitigem Verbleib Griechenlands in der Eurozone sehr schwierig. Knickt auch SYRIZA in den verschiedenen Stadien solcher Verhandlungen ein, ist es mit der heutigen strahlenden Popularität vermutlich bald vorbei. Dies haben die meisten Linksparteien bitter erfahren, die auch nur als Juniorpartner in Mitte-Links-Regierungen auf nationaler Ebene (Frankreich, Italien, Spanien usw.) zähneknirschend Maßnahmen mit trugen, die sie zuvor als Oppositionsparteien massiv bekämpft hatten (Dräger 2012).

Um den Widerstand gegen Austeritätspolitik und neoliberale Strukturreformen zu stärken und dem Aufwind der extremen Rechten entgegenzuwirken sind die europäischen Linksparteien das wahlpolitisch nutzbare Angebot. Eine gestärkte Linksfraktion im EP (GUE/NGL) könnte mit ihren parlamentarischen Ressourcen dazu beitragen, zumindest die europaweite Vernetzung dieses Widerstands sowie gemeinsame Kampagnen und Diskussionen zu befördern.

Die neoliberale 'Hayeksche EU' könnte durchaus mittelfristig zerbrechen - deutsche (Kapital)Dominanz und ihre sich als Zuchtmeister Europas gerierenden Regierungen seit Angela Merkel haben maßgeblich die immer weiter auseinander driftende wirtschaftliche und soziale Entwicklung innerhalb der EU zu verantworten - und damit die politischen Folgen. Wenn 'europafreundliche' Politik im Wesentlichen bedeutet, eine deflationäre Abwärtsspirale zu erzeugen und im Namen der 'Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft' via Europa Löhne, Renten und Sozialleistungen zu schleifen, erübrigt sich eigentlich "das Geschwätz über die Pseudoalternative zwischen mehr oder weniger Europa" (Schumann 2014). Vielleicht sind die Linken sogar als 'deutschlandfeindlich' einzustufen, weil sie Kritik am deutschen Standortnationalismus und seiner 'Exportweltmeister'-Strategie üben - wieder einmal die 'vaterlandslosen Gesellen'? Viel Feind, viel Ehr' ­...



Klaus Dräger - Köln, Autor



Anmerkungen

[1] Siehe den Kommentar von Lenz Jacobsen zum Wahlkampfauftakt der Partei der Europäischen" Linken (EL) in der Berliner Volksbühne auf Zeit-online vom 12.01.2014
(http://www.zeit.de/politik/deutschland/2014-01/europaeische-linke-europawahl), der diese als ewig gestriges Relikt der 1970er Jahre darstellt.

[2] Im 'wirklichen Leben' mag es anders kommen. Die politische Stimmung in Europa und die realen Wahlentscheidungen sind sehr volatil. Die SP der Niederlande z.B. wurde vor der letzten nationalen Parlamentswahl in Umfragen mit 26 Prozent und mehr gehandelt, erreichte letztlich aber nur knapp 10 Prozent. Zu den Hintergründen vgl. Finn (2012).

[3] Der Hintergrund: Artikel 17 des Vertrags von Lissabon besagt, dass der Rat der Staats- und Regierungschefs dem Europäischen Parlament einen Kandidaten für das Amt des Präsidenten der EU-Kommission verschlägt. "Dabei berücksichtigt er (der Rat) das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament", heißt es dort aber nur kryptisch. Ob die Rechnung der EP-Parteifamilien aufgeht, so zu einer Art indirektem Vorschlagsrecht des EP für die Nominierung des Kommissionspräsidenten zu kommen, sei einmal dahin gestellt.

[4] Erhellend dazu ist die kritische Dekonstruktion des Populismusvorwurfs durch D'Eramo (2013).

[5] Der dänische Abgeordnete S&oskasg;ren S&oskasg;ndergaard ist Mitglied der Rot-Grünen Einheitsliste (RGE) und wurde über die Liste der dänischen Volksbewegung gegen die EU (FmEU) ins EP gewählt. Zur Europawahl 2014 wird die RGE wieder nicht antreten, sondern die Liste der FmEU unterstützen, auf der Kandidaten der RGE vertreten sind.

[6] Die skandinavischen Parteien haben außerhalb des EP einen Zusammenschluss - die Nordic Green Left Alliance (NGLA) - der außer der schwedischen Linkspartei entsprechende Linksparteien aus Finnland (Linksbund VAS), Norwegen (Sozialistische Linkspartei), Island (Links-Grüne Bewegung), Grönland und den Färöer Inseln angehören, sowie die Sozialistische Volkspartei aus Dänemark, die seit 2004 bei der EP-Fraktion der Grünen ist. Sinn Fein, die niederländische SP und die dänische Rot-Grüne Einheitsliste sind nicht Mitgliedsparteien der NGLA.

[7] Hinzu kommt die vormals der niederländischen SP angehörende Abgeordnete Kartika Liotard, die als Parteilose in der Fraktion geblieben ist.

[8] Aus Platzgründen kann ich diese Politikbereiche hier nicht vertieft darstellen und verweise auf die einschlägigen Publikationen der Fraktion unter http://guengleu/policy/publications und http://guengleu/policy/resolutions.

[9] Einige sehen die zwischenstaatliche Kooperation progressiver Regierungen in Lateinamerika als einen auch für Europa anzustrebenden alternativen Entwicklungspfad, um gemeinsame Ziele koordiniert anzugehen.

[10] Von 2008 bis 2013 stellte AKEL mit Dimitris Christofias den Präsidenten der Republik Zypern. Als die Eurokrise auf Zypern Übergriff und die Zahlungsunfähigkeit des Landes drohte, hatte er bis zuletzt die Austeritätsauflagen der EU für Hilfskredite abgelehnt.

[11] Auch die Sozialistische Linkspartei Norwegens und die Links-Grüne Bewegung Islands sind traditionell wie aktuell gegen einen EU-Beitritt ihrer Länder.

[12] Der finnische Linksbund (VAS) will, dass sich die EU künftig am Nordischen Modell orientiert, weil dieses soziale Gerechtigkeit, Gleichheitspolitik für Frauen und ökologische Nachhaltigkeit mit einer gestärkten "Wettbewerbsfähigkeit" verbinde.

[13] Fritz Scharpf (Direktor des Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung und langjähriger Berater der SPD) hatte dies in Deutschland z.B. im Hinblick auf die EuGH-Urteile zur EU-Entsenderichtlinie (Viking, Laval, Rüffert, Luxemburg usw.) vorgeschlagen.

[14] So vermerkt z.B. das auf dem 4. Parteitag der EL am 15.12.2013 beschlossene Politische Dokument: "Aus diesem Grund kämpfen wir für eine Neugründung Europas, mit anderen Worten, für eine neue Definition seiner Ziele, Politiken und Strukturen; für ein ganz anderes wirtschaftliches, produktives, soziales und ökologisches Modell, das auf Solidarität, sozialer Gerechtigkeit und Volkssouveränität beruht."

[15] Sei 'Volkssouveränität' nun europäisch gemeint oder in Bezug auf die Mitgliedstaaten - eine föderale Ordnung würde entsprechende Klärungen und Grenzen für das Handeln der obersten Ebene erfordern.

[16] Mit Bezug auf den AlterSummit-Prozess und europäische Vernetzungsbestrebungen sozialer Bewegungen (wie z.B. in Florenz im November 2012) heißt es: "Eine europäische Front als Ausdruck der Vereinigung von sozialen, gewerkschaftlichen, feministischen, kulturellen, ökologischen und politischen Kräften gegen antisoziale Maßnahmen bilden, um die Krise zu bekämpfen und Alternativen zu finden, die den Völkern dienen."

[17] Give power to the people - for a citizens revolution; gemeint sind wohl die Bürgerinnen und Bürger als 'citoyennes et citoyens' in der Rousseauschen Diktion der Aufklärung und der Französischen Revolution

[18] Auftrag und Programme der EIB müssten in diesem Sinne radikal umstrukturiert werden. Siehe GUE/NGL Archiv Resolutionen
(http://guengl.eu/policy/old-resolutions/P20), Plenary Session 14 - 17 June 2010, Dokument P7_B(2010)0354_EN.doc

[19] Diese europäische Vergemeinschaftung der Schulden wurde grundsätzlich etwa von SYRIZA, dem Bloco Esquerda und dem Euromemo unterstützt und ist auch im Entwurf des EP-Wahlprogramms 2014 der LINKEN enthalten.

[20] Dann könnten allerdings Rüstungsprojekte, neue Autobahnen und was immer finanziert werden, was nicht so recht zu dem von der EL angestrebten 'neuen Entwicklungsmodell' passen würde.

[21] Die Europäische Kommission hat einen Vorschlag für eine allgemeine FTT vorgelegt, der insbesondere den Handel mit Derivaten extrem niedrig besteuert. Dieser konkrete Vorschlag wird von einigen Linksparteien kritisiert, weil somit der Handel mit gefährlichen Finanzprodukten nicht hinreichend eingedämmt wird. Andere hingegen sehen ihn als Einstieg zu einer später strenger zu fassenden FTT. Unterschiedliche Positionen gibt es zu der Frage, ob die Einnahmen aus der FTT in den EU-Haushalt eingestellt werden oder den Haushalten der Mitgliedstaaten zugute kommen sollen.

[22] Der Programmentwurf der LINKEN schlägt einen Steuersatz bei der FTT von 0,1 Prozent vor.



Literatur & Links

Anderson, Perry (2009): The New Old World, London

D'Eramo, Marco (2013): Populism without the People; in: New Left Review 82 (new series); July/August

Dericquebourg, Baptiste (2013): Where Syriza stands; Le Monde Diplomatique (English edition), July;
http://mondediplo.com/2013/07/07syriza

Dokumente des 4. Kongresses der Partei der Europäischen Linken (15.12.2013): Programmatische Plattform zur Europawahl 2014 (Escaping from Austerity - Rebuilding Europe; Change Europe - for a Europe of Work);
http://www.european-left.org/sites/default/files/programe_en.pdf; 'Vereinigt euch für eine linke Alternative in Europa' (Politisches Dokument);
http://www.european-left.org/sites/default/files/political_doc_d.pdf

Dräger, Klaus (2012): Mit Francois Hollande zum sozialen Europa? In: Denknetz Jahrbuch 2012 'Auf der Suche nach Perspektiven', S. 88-99, Zürich;
http://www.denknetz-online.ch/IMG/pdf/Draeger.Jahrbuch_Denknetz_2012-2.pdf

Finn, Daniel (2012): The Dutch Left; in: New Left Review 77 (new series); September/October

Lapavitsas, Costas (2012): Crisis in the Eurozone, London

Lehndorff, Steffen, Hrsg. (2014): Europa vor einem verlorenen Jahrzehnt? Länderstudien und Politikanalysen zum Triumph gescheiterter Ideen, Hamburg

Sauer, Thomas/Wahl, Peter; Hrsg. (2013): Welche Zukunft hat die EU? Eine Kontroverse; Hamburg

Schumann, Harald (2014): Europas Krise - Merkels Schuld am Rechtspopulismus, Der Tagesspiegel vom 11.01.2014

Wehr, Andreas (2013): Der europäische Traum und die Wirklichkeit - Über Habermas, Rifkin, Cohn-Bendit, Beck und die anderen, Köln

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Quelle:
Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung Nr. 97,
März 2014, Seite 126 - 137
Herausgeber: Forum Marxistische Erneuerung e.V. und IMSF e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2014