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INTERNATIONAL/029: Bildung aus dem Internet - Captcha-Erfinder will Kriminalität bekämpfen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. August 2011

Technologie: Bildung aus dem Internet - Captcha-Erfinder will Kriminalität in Guatemala bekämpfen

Von Danilo Valladares


Guatemala-Stadt, 15. August (IPS) - Wer regelmäßig im Internet surft, kennt die Captchas, die Ansammlung verzerrter Zahlen und Buchstaben am Ende von Formularen, die vom User zur Vermeidung von Spams entschlüsselt und eingegeben werden müssen. Doch was so gut wie keiner weiß: Ein Erfinder des Programms ist ein Guatemalteke, der nach Mitteln und Wegen sinnt, die hohe Kriminalität in seinem Lande mit Hilfe der virtuellen Intelligenz zu bekämpfen.

Der Mathematiker und Unternehmer Luís von Ahn will vor allem eins: das Internet zu einer Plattform von allen für alle machen. Ein Ergebnis ist 'reCaptcha', das Texte digitalisieren kann. Mit Hilfe der Captcha-Erweiterung werden jedes Jahr 2,5 Millionen Bücher digitalisiert und online zur freien Verfügung gestellt. Kaum ist ein reCaptcha dechiffriert, wird ein Satz beziehungsweise eine Sequenz der Druckversion digitalisiert.

Die gleiche Logik steckt hinter Duolingo. Das System, das von Ahn in wenigen Monaten vorstellen will, ermöglicht Internetnutzern das kostenlose Erlernen einer Sprache. Als Gegenleistung müssen die 'Schüler' Webinhalte übersetzen. "Lernen und übersetzen ist eins", erläutert der Wissenschaftler. "Gleichzeitig werden Sprachbarrieren überwunden und Internetuser aus aller Welt befähigt, ihr Wissen zu teilen." Auch die Übersetzungsschwächen des Computers würden dadurch ausgeglichen.

"Es gibt Unmengen an Internetinhalten, die Millionen Menschen verschlossen bleiben", erläutert der 32-Jährige und weist darauf hin, dass Wikipedia in spanischer Sprache eine auf 20 Prozent reduzierte Version von Wikipedia in englischer Sprache sei. "Somit bleibt 500 Millionen Menschen der Zugang zu 80 Prozent der Wikipedia-Inhalte verschlossen."

Von der Crowdsourcing-Methode, auf die von Ahn bei seinen Projekten zurückgreift, könnten gerade Lateinamerikaner profitieren. Von Ahn gilt als Pionier der 'Crowdsourcing'-Methode und wurde dafür 2006 mit der 'MacArthur Fellowship' ausgezeichnet, einer als 'Geniepreis' bekannten US-amerikanischen Auszeichnung zur Würdigung besonderer Leistungen. Darüber hinaus wurde der Wissenschaftler von der spanischen Ausgabe der Zeitschrift 'Foreign Policy' zum einflussreichsten iberoamerikanischen Intellektuellen gekürt.

Der Jungprofessor ist zuversichtlich, dass die Technologie eines Tages den ärmsten Bevölkerungsgruppen helfen wird, das Elend zu besiegen. "Irgendwann wird dies möglich sein", ist er überzeugt. Der Zugang zum weltweiten Web werde immer preiswerter und die Zahl der Menschen im Internet nehme kontinuierlich zu. Mobiltelefone hätten bereits Erfolgsgeschichte geschrieben. Innerhalb der nächsten Jahre, schätzt er, wird auch das Internet eine Invasion der Nutzer erleben. Dann könnten die Menschen fast gratis in Kontakt miteinander treten.


Internetzugang als Bildungs- und Entwicklungschance

Den Armen den Zugang zum Internet zu erleichtern, sei in jedem Fall ein Gewinn für die Bildung. Derzeit bewegen sich höchstens 30 Prozent der Weltbevölkerung im Netz. "Von allen, die nicht online sind, darf man annehmen, dass sie arm sind."

Nach Duolingo strebt der Professor der 'Carnegie Mellon University' die Entwicklung eines Programms an, das die Kriminalität in Guatemala wirkungsvoll bekämpfen kann. Mit dieser Herausforderung setzt er sich nach eigenen Angaben bereits seit längerem geistig auseinander. "Die verbreitete Kriminalität hält viele Guatemalteken davon ab, sich um Bildung zu kümmern", sagte er in einem Online-Interview mit IPS.

"Vielleicht bin ich der einzige aller Guatemalteken, die ich kenne, der noch nicht überfallen wurde. Und Guatemala ist nicht das einzige Land mit einem großen Gewaltproblem", erläutert von Ahn. "Hätten wir nicht ständig Angst vor Übergriffen, könnten wir unsere Kräfte dazu verwenden, uns weiterzubilden."

Zu was das Internet fähig sei, hätten die Volksaufstände in der arabischen Welt eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Der Mathematiker ist deshalb der Meinung, dass das weltweite Netz auf ähnliche Weise dazu beitragen kann, Probleme wie die ausufernde Gewalt in Lateinamerika zu lösen. Über das Wie müsse er sich noch Gedanken machen.

Guatemala werde von höchstens 50.000 Gangstern terrorisiert, die jedoch 13 Millionen Menschen in Angst und Schrecken hielten, so der 32-Jährige. "Es wäre schön, eine Möglichkeit zu finden, diesen 13 Millionen Menschen zu helfen." (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.captcha.net/
http://www.google.com/recaptcha
http://duolingo.com/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=98672

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 15. August 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. August 2011