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INTERNATIONAL/080: Neue Medien für den Wandel - Prominente Aktivistinnen im IPS-Gespräch (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. Oktober 2012

Frauen: Neue Medien für den Wandel - Prominente Aktivistinnen im IPS-Gespräch

von Alberto Pradilla



San Sebastián, Spanien, 29. Oktober (IPS) - Jolly Okots Kindheit fand 1986 ein jähes Ende, als sie in ihrem Heimatland Uganda Mitgliedern der 'Lord's Resistance Army' (LRA) in die Hände fiel. Zwei Jahre lang wurde sie von den Rebellen als Kindersoldatin und Sexsklavin missbraucht, dann konnte sie fliehen.

Als erwachsene Frau kämpft sie nun dafür, dass die Milizionäre, die mittlerweile in der Demokratischen Republik Kongo und der Zentralafrikanischen Republik ihr Unwesen treiben, gefasst und vor den Internationalen Menschenrechtsgerichtshof gestellt werden. Die Informations- und Kommunikationsmedien (IKT) sind ihr dabei eine große Hilfe.

"Das Besondere an den neuen Medien ist, dass wir Informationen mit einem einzigen Mausklick an tausende Menschen weiterleiten können", sagte sie unlängst am Rande eines Kongresses im spanischen San Sebastián zum Thema 'Frauen, Technologie und Demokratie für sozialen Wandel' im IPS-Gespräch.

"Die IKT befähigen uns, mit Politikern Kontakt aufzunehmen und sie zu Entscheidungen zu drängen. Sie sind ein Werkzeug, das uns zu dem wohl wichtigsten Instrumentarium Afrikas verhilft: der Bildung", sagte Okot, die 2005 für den Friedensnobelpreis nominiert worden war.


Druckmittel

Seit sieben Jahren produziert die Menschenrechtsaktivistin Dokumentarfilme. Sie ist Gründerin der Organisation 'Invisible Children', die das Leid der vielen Mädchen und Jungen dokumentiert, die zur Teilnahme an den verschiedenen Kriegen gezwungen werden. Invisible Children hat zudem zwei Kurzfilme produziert ('Kony 2012'), die für globale Unterstützung werben, den LRA-Chef endlich zu fangen und vor den Weltstrafgerichtshof zu bringen.

Okot war eine von 14 Aktivistinnen aus vier Kontinenten, die die Konferenz im Baskenland als Plattform nutzten, um sich über die Möglichkeiten der neuen Medien als Instrumente des Wandels auszutauschen. Die ägyptische Cyberaktivistin Manal Hassan schilderte, wie mit Hilfe der neuen Medien die Zensur während der ägyptischen Revolution umgangen und der Sturz des damaligen Präsidenten Hosni Mubarak (1981-2011) eingeleitet werden konnte.

Hassan hatte zusammen mit ihrem Mann an der Entwicklung neuer angewandter Technologien für einen sozialen Wandel gearbeitet. Sie war also technisch versiert, als Hundertausende von Ägyptern am 25. Januar 2011 auf den Tahrir-Platz in Kairo strömten, um Mubarak zum Rücktritt zu zwingen.

Hassan hatte mit Nichtregierungsorganisationen (NGOs) Datenbanken und Dokumentationszentren aufgebaut. Sie war lange vor dem Arabischen Frühling an der Gründung einer Bloggerplattform für unterschiedliche politische Gruppen beteiligt. "Am Anfang waren wir nur wenige. Doch dann kam eine Welle von Antworten und die Revolution stand vor der Tür", sagte sie gegenüber IPS. Tausende Landsleute hätten ihr technologisches Knowhow genutzt, um die Zensur zu überwinden.

Hassan selbst war in Südafrika gewesen, als die Revolution ausbrach. Sie wurde telefonisch über die Ereignisse auf dem Tahrir-Platz informiert. Die Berichte stellte sie in ihre Blogs ein. Server wurden miteinander verbunden, um die Blockade zu umgehen, Voicemails in Tweets umgewandelt, damit die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Echtzeit über die Ereignisse vor Ort berichten konnten. Seit dem Sturz Mubaraks sei immer noch viel zu tun, meinte Hassan. Das Militär sei schlimmer als der Diktator, und Aktivismus sei nach wie vor gefragt.

"Leider haben Journalisten keinen so großen Einfluss, um einen Wandel herbeizuführen", meinte Judith Torrea, die seit mehr als 14 Jahren über die Morde an Hunderten von jungen Frauen in Ciudad Juárez berichtet, einer mexikanischen Stadt an der Grenze zu den USA. "Wir haben aber die Pflicht, Bericht zu erstatten, damit andere ihrer Verantwortung nachkommen."


Pranger

Wie Torrea betonte, ist es wichtig, dass möglichst viele und unterschiedliche Menschen die Wahrheit über Verbrechen verbreiteten, auch wenn sie von den Herrschenden oft nur als Störenfriede wahrgenommen würden. "Insbesondere Bloggerinnen, wenn sie es schaffen, gehört zu werden, müssen sich auf einen gewaltigen Druck, auf Drohungen und Schmierkampagnen gefasst machen. Das gilt uns für alle, ob wir in Tunesien, Ciudad Juárez oder Saudi-Arabien leben."

Torrea, Autorin des preisgekrönten Buches 'Ciuadad Juárez, en la sombra del narcotráfico' (Ciudad Juárez im Schatten des Drogenhandels'), ist es wichtig, jedes Unrecht unermüdlich publik zu machen. "Denn solange wir nicht wissen, was in der Welt vor sich geht, sind die Chancen, einen Wandel herbeizuführen, gering." (Ende/IPS/kb/2012)


Links:

http://www.fund-culturadepaz.org/barcelonaENG.htm
http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=Y4MnpzG5Sqc
http://www.youtube.com/watch?v=c_Ue6REkeTA
http://www.ipsnews.net/2012/10/women-using-icts-to-change-the-world/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 29. Oktober 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Oktober 2012