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INTERNATIONAL/086: Kenia - Online gegen Korruption, neue Website findet breites Publikum (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. November 2012

Kenia: Online-Kriegserklärung gegen Korruption - Neue Website findet breites Publikum

von Mike Elkin


Boniface Mwangi ist ein in Nairobi bekannter Graffiti-Künstler und Fotograf - Bild: © Mike Elkin/IPS

Boniface Mwangi ist ein in Nairobi bekannter Graffiti-Künstler und Fotograf
Bild: © Mike Elkin/IPS

Nairobi, 22. November (IPS) - In Kenia ist eine Gruppe politischer Provokateure mit einer Webseite online gegangen, die korrupte Politiker bloßstellt. 'MaVulture.com' steht für 'many vultures' - 'viele Aasgeier' - und zählt bereits nach wenigen Wochen zu den meist besuchten Internetplattformen des Landes.

Im Netz ist MaVulture.com seit dem 13. November. Die Webseite ist ein neues Projekt von Boniface Mwangi, eines für seine Graffitis und Fotos in Nairobi bekannten Aktivisten. Für seine Fotoausstellungen über die Gewalt nach den Wahlen vor fünf Jahren hat ihn der US-Fernsehsender CNN gleich zweimal - 2008 und 2010 - mit dem 'Mohamed-Amin-Fotopreis ausgezeichnet.

Nach der Bekanntgabe des umstrittenen Wahlergebnisses im Dezember 2007 waren Unruhen und ethnische Kämpfe ausgebrochen, die 1.200 Menschen das Leben kosteten. Weitere 600.000 Kenianer wurden vertrieben.

"Habt ihr alle mavulture.com ausbaldowert?", twitterte unlängst das kenianische Unterhaltungsmagazin 'Blink'. "Ich denke, ihr solltet das tun, bevor ihr im nächsten Jahr zu den Urnen schreitet." In Kenia finden im März Präsidentschaftswahlen statt. "Danke für die Info, mavulture.com", twitterte ein Internetsurfer mit Namen Msanifu zurück. "Ich weiß jetzt, warum/wen ich nicht wählen werden."


Webseite als Verbrecherarchiv

Die Webseite hat bisher die Profile von 17 Politikern hochgeladen. Auch Uhuru Kenyatta, der Sohn des ersten kenianischen Präsidenten und derzeitiger Präsidentschaftskandidat, ist vertreten. Gegen ihn ermittelt der Internationale Strafgerichtshof wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Kenianer sprechen von dem Blutbad nach den Wahlen 2007 als "die Gewalt",

Geldwäsche, Land Grabbing, Drogenhandel und Morde sind nur einige Vorwürfe, die Mavulture.com ihren Zielpersonen vorwirft. Neben Berichten enthält die Seite Videos, Infografiken zu jedem Politiker und Streckbriefe in der Größe von Postern, die aus dem Internet heruntergeladen werden können. Finanziert wird das Projekt von anonymen Spendern.

Wie Mwangi im Gespräch mit IPS in Nairobi erklärte, will die Website die Kenianer über die Kandidaten informieren, die sich zur Wahl stellen. "Wir bringen alle verfügbaren Unterlagen über die Regierungsvertreter, jeden Korruptionsfall, mit dem sie in Verbindung gebracht werden, ins Netz. Wenn es also ans Wählen kommt, kann sich jeder auf der Plattform über die einzelnen Kandidaten informieren."

Wie der 29-Jährige weiter berichtete, sind es immer die gleichen Politiker, die seit 49 Jahren in Korruptionsfälle verwickelt sind. 'Transparency International' (TI) schätzt die dem Land durch Korruption entstehenden finanziellen Schäden auf jährlich 357 Millionen US-Dollar. Dem TI-Korruptionsindex von 2011 zufolge sind 153 von 183 gelisteten Ländern weniger korrupt als Kenia.

Mwangi ist nach eigenen Angaben aus Frust und Zorn über das Blutbad nach den letzten Wahlen politisch aktiv geworden. 2009 organisierte er 'Picha Mtaani', eine Wanderausstellung mit Fotos über die Gräuel von 2007, die die Erinnerung an das ganze Ausmaß der Gewalt wachhalten soll.

Mwangi hat zudem eine Gruppe von Graffiti-Künstlern zusammengebracht, die im Umfeld von Nairobi kontrovers diskutierte Mauerbilder erstellen. Die Graffitis stellen Politiker als Aasgeier dar und kritisieren die Bevölkerung dafür, dass sie den korrupten Politikern des Landes immer und immer wieder ihre Stimme geben.

Im Juni trugen Mwangi und andere Aktivisten 49 schwarze Särge zum Parlamentsgebäude. Jeder Sarg stand für jedes einzelne Jahr der Straffreiheit, die Politiker seit der Unabhängigkeit 1963 genießen. "Beerdige den Aasgeier mit deiner Stimme", war auf den Särgen zu lesen, die zudem auf verschiedene politische Skandale verwiesen.

Die Behörden haben einen Großteil der Graffitis überpinseln lassen. Doch eines, das Mwangi in der Nähe des Marktes im Zentrum gesprüht hat, ist erhalten geblieben. Es zeigt einen Ober-Aasgeier, der verschlagen grinsend auf einem Thron sitzt. In der einen Hand hält er eine Teetasse, die andere ist mit Handschellen an einen Aktenkoffer gekettet. In einer Sprechblase heißt es: "Sie plündern, vergewaltigen, brandschatzen und töten zu meiner Verteidigung. Ich stehle ihre Steuern und ihr Land, doch die Idioten werden auch weiterhin für mich stimmen."


Bevölkerung soll wachgerüttelt werden

"Sie wissen, was Aasgeier tun?", fragt der Taxifahrer Kimani Jong Kimani Nganga, als er an dem Graffiti vorbeifährt: "Sie fressen Fleisch. Wir haben es seit den letzten Wahlen mit Politikern zu tun, die uns auffressen. Wir sollten das ändern." Eine solche Haltung ist genau das, was Mwangi mit seinen Aktivitäten erreichen will. Die Menschen sollen auf politische und finanzielle Übergriffe reagieren anstatt das Unrecht apathisch hinzunehmen.

"Erst kürzlich haben Ärzte und Lehrer gegen ihre schlechte Bezahlung protestiert. Die Abgeordneten setzen sich zusammen und haben sich innerhalb einer halben Stunde eine Erhöhung der eigenen Diäten genehmigt", berichtete der Aktivist. "Es kam zu keinem Aufruhr."

Für Mwangi ist es völlig unverständlich, wie 200 Personen in einem Land mit 40 Millionen Menschen auf diese Weise schalten und walten können, ohne dass irgendjemand dagegen protestiert. "Wie nennt man solche Menschen? Zombies, Feiglinge? Es widerspricht jeder Logik, dass Menschen, die von einem System versklavt werden, sich nicht dagegen auflehnen."

Mwangi nimmt an, dass es die Angst vor den möglichen Folgen ist, die die meisten Menschen schweigen lässt. Deshalb denkt er derzeit über die Veranstaltung eines Masken-Protestumzugs nach. "Dieses Land ist sehr klein. Die Mehrheit der Unternehmen gehört Politikern und Aasgeiern. Wenn Menschen also protestieren, müssen sie damit rechnen, gefeuert zu werden. Maskiert können sie jedoch Farbe bekennen." (Ende/IPS/kb/2012)

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. November 2012