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INTERNATIONAL/130: Lateinamerika - Qualitätsjournalismus durch Online-Medien, Finanzierungswege gesucht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. Oktober 2013

Lateinamerika: Qualitätsjournalismus durch Online-Medien - Finanzierungswege gesucht

von Milagros Salazar


Bild: © Edgardo Ayala/IPS

Bandenchef Carlos Mojica mit Gefolgsleuten im August 2012 im Cojutepequeen-Gefängnis. Die Berichterstattung über geheime Absprachen zwischen der Regierung von El Salvador und den Mara zugunsten einer Verringerung der Gewalt wurde in diesem Jahr mit dem Lateinamerikanischen Preis für investigativen Journalismus ausgezeichnet
Bild: © Edgardo Ayala/IPS

Rio de Janeiro, 23. Oktober (IPS) - In Lateinamerika haben sich zahlreiche unabhängige digitale Medien zu Laboratorien für neue Formen des investigativen Journalismus entwickelt. Sie suchen nun nach Möglichkeiten einer langfristigen Finanzierung.

Diese Medien sind "Patrouillen, die eine authentische Qualität des investigativen Journalismus garantieren", meinte Fernando Ruiz, Professor für Medien und Demokratie der Südlichen Universität von Buenos Aires.

"Wir brauchen jedoch ein Rezept, das sicherstellt, dass wir rentabel arbeiten können. Bisher befinden wir uns in einer Experimentierphase, in der verschiedene Optionen denkbar sind", betonte der Leiter der salvadorianischen Online-Publikation 'El Faro' (Der Leuchtturm), Carlos Dada.

Dada und Jorge Simán hatten sich schon vor Beginn der digitalen Revolution in Lateinamerika 1998 Gedanken darüber gemacht, wie sie die Informationslücken in ihrem Heimatland schließen könnten. Das Ergebnis war die Gründung von El Faro.

Inzwischen hat die Online-Zeitung mehrere Auszeichnungen erhalten, zuletzt den diesjährigen Lateinamerikanischen Preis für investigativen Journalismus, der vom Institut für Presse und Gesellschaft (IPYS) und von 'Transparency International' am 14. Oktober vergeben wird.

Ausgezeichnet wurden Berichte von El Faro über eine geheime Absprache zwischen der Regierung von El Salvador und den Bandenchefs der Jugendgangs 'Mara Salvatrucha' und 'Barrio 18'. Den rund 30 inhaftierten Gang-Chefs wurden als Gegenleistung zu weniger Gewalt bessere Haftbedingungen in Aussicht gestellt. El Faro ist finanziell gesehen jedoch kein Vorbild, wie Dada gegenüber IPS erklärte. "In den ersten sieben Jahren haben wir keinen einzigen Cent verdient."


Die traditionellen Medien räumen das Feld

In Lateinamerika gibt es inzwischen etliche digitale Publikationen, die die Mächtigen der Region im Auge behalten, während sich die Spielräume der traditionellen Medien für die aufwändigen Recherchen immer weiter verkleinern.

Im Juni hatten sich etliche dieser neuen unabhängigen Medien in Buenos Aires zusammengetan, um die Qualität des Journalismus zu verbessern, die Zusammenarbeit zu stärken und neue Einnahmequellen zu generieren. Bündnispartner sind unter anderem El Faro, das 'Centro de Investigación Periodística' (Zentrum für investigativen Journalismus - Ciper), aus Chile, die 'IDL-Reporteros' (IDL-Reporter) aus Perus, 'La Silla Vacía' (Der leere Stuhl) aus Kolumbien, die 'Agência Pública' (Öffentliche Agentur), 'Animal Político' (Politisches Tier) aus Mexiko, 'Plaza Pública' (Öffentlicher Platz) aus Guatemala und 'El Puercoespín' (Das Stachelschwein') aus Argentinien.

In diesem Jahr hat Ciper für eine Reihe von Reportagen über die Finanzierung privater Universitäten den Ehrenpreis erhalten. Auch die Recherchen von 'Verdad Abierta' (Offene Wahrheit) über Ungerechtigkeiten bei der Rückgabe von Millionen Hektar Land an die Opfer der Gewalt in Kolumbien wurden ausgelobt.

An der Preisverleihung während der 13. Lateinamerikanischen Konferenz für investigativen Journalismus vom 12. bis 15. Oktober in Rio de Janeiro hatten mehr als 1.000 Journalisten teilgenommen. Veranstalter waren die Brasilianische Vereinigung des investigativen Journalismus und die Globale Konferenz für investigativen Journalismus.

Im vergangenen Jahr hatten die IDL-Reporter mit einer ganzen Reihe investigativer Beiträge über die Korruption einflussreicher Fischereiunternehmnen in Peru einen der drei Hauptpreise gewonnen. "Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Qualität des Journalismus durch diese Medien gewährleistet wird", hieß es damals.

Der argentinische Journalist Mariano Blejman leitet das Lateinamerika-Projekt 'Media Factory', das sich dafür einsetzt, finanziell tragfähige digitale Medien zu fördern. Seiner Meinung nach gilt es dringend neue Finanzierungsformen zu finden.

Für Giannina Segnini, Leiterin des Teams innovativer Journalisten der Tageszeitung 'La Nación' aus Costa Rica, liegt die Zukunft des Journalismus in Teams aus Journalisten, Computeringenieuren, Webdesignern und Experten anderer Disziplinen, um die Story hinter Zahlen und Informationen zu finden, die auf den ersten Blick undurchdringbar erschienen. Auch sie hat in diesem Jahr als die Gründerin eines ersten solchen Teams einen Preis erhalten.

Die Argentinierin Marina Walker, Vizedirektorin des 'International Consortium of investigative Journalists', vertrat die Meinung, dass es einen lukrativen investigativen Journalismus niemals geben werde, weil er sehr zeitintensiv sei und umfangreichere finanzielle Mittel erforderlich mache. Diese Form der Berichterstattung wird ihrer Meinung nach zum größten Teil von Spenden abhängen.


Globale Zusammenarbeit

Das ICIJ, ein Zusammenschluss von Reportern aus unterschiedlichen Weltregionen mit Sitz in Washington, hat in den letzten fünf Jahren mit lateinamerikanischen Journalisten an einem gemeinsamen Thema gearbeitet. Heraus kam eine kritische Untersuchung über die geheimen Vorgänge in Steuerparadiesen. Für diesen Beitrag wurden 2,5 Millionen digitale Archive durchforstet.

Ying Chan vom Zentrum für Journalismus und Medien der Universität von Hongkong ist der Meinung, dass jede Berichterstattung zum Wohl der Bevölkerung ein Umdenken erfordert. Er warb für die Einrichtung eines globalen Journalismusfonds, um Korruption zu bekämpfen und Demokratie zu stärken. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.mediafactory-latam.com/
http://www.elfaro.net/
http://www.ipys.org/noticia/1644
http://colpin.ipys.org/
http://www.icij.org/
http://www.ipsnoticias.net/2013/10/el-mejor-periodismo-es-digital-e-independiente/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 23. Oktober 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Oktober 2013