afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 2, März/April 2015
Journalisten im Visier
Willkür und Terror beeinträchtigen die Pressefreiheit in Simbabwe.
Übergriffe staatlicher Sicherheitskräfte gefährden das Leben
regimekritischer Journalisten.
von Rita Schäfer
Am 9. März 2015 wurde der Journalist Itai Dzamara in Harare verschleppt. Menschenrechtsanwälte und seine Familie versuchten vergeblich, seinen Aufenthaltsort herauszufinden. Amnesty International, internationale Journalistenverbände und mehrere Regierungen verlangen die sofortige Freilassung Dzamaras. Wegen seines regimekritischen Engagements für Demokratie und seiner Kritik an der Wirtschaftskrise im Land wurde er bereits im letzten Jahr verhaftet und von Sicherheitskräften misshandelt.
Sein Schicksal ist kein Einzelfall, vielmehr reiht sich die willkürliche Verhaftung in eine Vielzahl von Übergriffen auf Journalisten in Simbabwe ein. Dazu zählen das Verschleppen von Angela Jimu, einer Fotografin der unabhängigen Zeitung Zimbabwe Mail am 18. August 2014, die Angriffe auf mindestens vier Journalisten im Vorfeld der Wahlen 2013, die Verschleppung des News Day-Reporters Paul Pindani im Herbst 2012 sowie wiederholte Festnahmen von Journalisten des Zimbabwe Independent und der Daily News. Der Mord an Edward Chikomba, einem freien Kameramann, im Jahr 2007 ist bis heute nicht aufgeklärt.
Opfer willkürlicher Gewalt staatlicher Sicherheitskräfte wurde auch Jestina Mukoko. Sie ist Journalistin, frühere Nachrichtensprecherin der Zimbabwe Broadcasting Corporation und Direktorin des Zimbabwe Peace Project. Ab 2008 wurde sie mehrfach von Geheimdienstmitarbeitern verschleppt, inhaftiert und gefoltert, was international verurteilt wurde. Medienberichten zufolge soll der Ex-General Ahser Walter Tapfumanei im Auftrag des Geheimdienstes CIO bei den Übergriffen federführend gewesen sein. Ihm wird auch die Mitverantwortung für die Gewalt im Umfeld der Wahlen 2008 mit vielen Todes- und Folteropfern zur Last gelegt. CIO-Vertreter gehören dem Joint Operations Command an, einer Stabstelle staatlicher Sicherheitsdienste, die derzeit Vize-Präsident Emmerson Mnangagwa leitet. Er übte bereits in den 1980er Jahren während der Massaker im Matabeleland eine Führungsfunktion im Sicherheitsapparat aus. Etliche Journalisten bewerten Mnangagwas Kritik an Itai Dzamaras Verschleppung als heuchlerisch.
Trotz der Vorgaben zur Pressefreiheit in neuen Verfassung und der Reformforderungen von Medienorganisationen sind drakonische Gesetze zur drastischen Einschränkung der Arbeit von Medienvertreter/-innen weiter in Kraft. Dazu zählen das kafkaesk titulierte Gesetz zur Informationsfreiheit und den Schutz der Privatsphäre. Es ermöglicht, Medien zu schließen, die über Korruptionsfälle berichten. Auch das Gesetz zur staatlichen Überwachung von Telefonverbindungen und E-Mails wurde nicht reformiert. Eine Vielzahl weiterer Gesetze unterstreicht staatliche Sicherheitsinteressen und reglementiert die Medienarbeit.
Reporter ohne Grenzen zufolge bekräftigte Informationsminister Webster Shamu die feindselige Haltung gegenüber der unabhängigen Presse folgendermaßen: "Dieses Land ist durch den Gewehrlauf entstanden. Es kann nicht mit dem Stift weggenommen werden, niemals." Simbabwe belegt Platz 131 von 180 in der international vergleichenden Rangliste der Pressefreiheit.
Nicht nur Journalisten sind Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen. Allein im Februar 2015 wurden mindestens 209 Männer und 86 Frauen Opfer politisch motivierter Gewalt. Im Dezember 2014 registrierten Menschenrechtsorganisationen 170 Opfer. Ihnen wurde zur Last gelegt, der Opposition oder der seit Dezember in Misskredit geratenen Mujuru-/Mutasa-Fraktion innerhalb der Regierungspartei Zanu-PF anzugehören und staatsfeindliche Interessen zu verfolgen. Die Gewaltübergriffe fanden teilweise bei der Vergabe von Nahrungsmittel- und Agrarhilfe statt. Die meisten Täter vertraten Interessen des derzeitig herrschenden Flügels der Regierungspartei Zanu-PF. Etliche Agrarbehörden werden inzwischen von Ex-Militärs geleitet. Auch dort ist die landesweit vorherrschende Korruption verbreitet, die der verschleppte Itai Dzamara kritisierte.
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GELEUGNETE GENOZIDE
Die Debatte zum Völkermord an den Armeniern ruft auch den Genozid an
den Nama und Herero wieder in Erinnerung. Christian Bommarius
kommentiert.
AKTUELL
NYUSI, GUEBUZA UND EIN MORD
Mosambiks Präsident Filipe Nyusi überrascht mit einem neuen
Politikstil, doch der Mord an dem Verfassungsrechtler Gilles Cistac
belastet seine erste Amtszeit, meint Lothar Berger.
INS EIGENE BEIN GESCHOSSEN
Beim Trauermarsch für Cistac ließ die regierende Frelimo jegliche
Solidarität vermissen, wundert sich Fion de Vletter.
JOURNALISTEN IM VISIER
Die Übergriffe auf Journalisten und weitere schwere
Menschenrechtsverletzungen in Simbabwe beschreibt Rita Schäfer.
GRACE LAND
Die First Lady von Simbabwe zieht geschickt die Fäden für ihre
politische Karriere. Itai Mushekwe über Grace Mugabe.
IN TREUE FEST
Namibia ist ein gefestigter Staat - in doppelter Hinsicht, wie Henning
Melber meint. Er zeigt die Grenzen einer Befreiungsbewegung an der
Macht auf.
VOM BOHREN DICKER BRETTER
Frauen in Namibia sind den Männern nach der Verfassung gleichgestellt.
Die Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Frauenpolitik
veranschaulicht Liz Frank.
NAMIBIAS WEG ZUR UNABHÄNGIGKEIT IN BILDERN
Mit seiner Kamera dokumentiert Guenay Ulutuncok den Wandel im Land -
vom Kolonialismus über die Befreiung zur Unabhängigkeit.
DIE AUTORITÄRE DEMOKRATIE ETABLIERT SICH
Heribert Weiland zeigt auf, wie sich die autoritäre Demokratie in
Namibia etabliert hat.
JUNGE FRAUEN UND ALTE RITUALE
Liz Frank kritisiert die Wiederbelebung des Olufuko-Rituals im Norden
Namibias.
VIELE GESCHICHTEN
Das Literaturschaffen Namibias ist von seiner wechselvollen Geschichte
geprägt. Manfred Loimeier stellt es vor.
THE PURPLE VIOLET OF OSHAANTU
Auszug aus Neshani Andreas gleichnamigem Roman.
KEINESWEGS EIN LUXUS
Der Film in Namibia wird von der Gesellschaft wenig gewürdigt, wie
Hans-Christian Mahnke kritisiert.
EIN PIONIER DER NAMIBISCHEN MUSIKWELT
Ein Nachruf auf den Musik-Veteran Willie Mbuende von Christoph
Ludszuweit.
ENTSCHULDIGUNG ÜBERFÄLLIG
In der Entschädigungsfrage bewegt sich wenig, aber Völkermord verjährt
nicht. Andreas Bohne beleuchtet die Hintergründe.
EINE GLATTE SECHSMINUS
Überfüllte Klassen, Lehrer ohne Arbeit und ein verdeckter Rassismus.
Diese Missstände im Bildungssystem Südafrikas prangert Anna Majavu an.
IM BILDUNGSRANKING GANZ HINTEN
Hein Möllers bezieht sich auf Erhebungen des Weltwirtschaftsforums.
SINGEND GRENZEN ÜBERSCHREITEN
Der Rosa Chor des Cape Cultural Collective leistet kulturelle
Versöhnungsarbeit. Rita Schäfer hörte ihm zu.
ALLES AUF ANFANG
Die vorgezogenen Wahlen in Lesotho haben keine klaren
Mehrheitsverhältnisse geschaffen, erläutert Brigitte Reinhardt.
CHRISTLICHE NATION PER DEKRET
Religion prägt nationalistische Ideologien. Adriaan van Klinken zeigt
den Einfluss von Pfingstkirchen auf Politik und Gesellschaft in
Sambia.
KOMMT AFRIKA UNTER DIE RÄDER?
Mega-Regionalabkommen wir das TTIP werden gravierende Auswirkungen auf
Afrika haben. Benjamin William Mkapa, früherer Staatspräsident von
Tansania, kennt die Gründe.
REZENSIONEN
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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
44. Jahrgang, Nr. 2, März/April 2015, S. 12
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
Königswinterer Straße 116, 53227 Bonn
Tel.: 0228 / 46 43 69, Fax: 0228 / 46 81 77
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juni 2015
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