Helmholtz Zentrum München / Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 07.07.2017
Wohlbefinden im Alter: Auch die geistige Gesundheit zählt
Das Wohlbefinden im Alter hängt maßgeblich von psychosozialen Faktoren ab. Körperliche Beeinträchtigungen spielen eher eine untergeordnete Rolle, zeigen Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München und der Technischen Universität München in "BMC Geriatrics".
"Das Altern an sich ist nicht zwangsläufig mit einem Rückgang der Lebensfreude und Lebensqualität verbunden", fasst Prof. Dr. Karl-Heinz Ladwig die Ergebnisse zusammen. "Vielmehr beeinträchtigen psychosoziale Faktoren wie Depressionen oder Angststörungen das subjektive Wohlbefinden*", so der Leiter der Gruppe Mental Health am Institut für Epidemiologie II des Helmholtz Zentrums München und Professor für psychosomatische Medizin am Klinikum rechts der Isar der TU München. "Bei Frauen spielt zudem das Alleinsein auch eine wichtige Rolle."
Für die aktuelle Arbeit griffen Ladwig und sein Team auf Daten von rund 3600 Probandinnen und Probanden mit einem Durchschnittsalter von 73 Jahren zurück. Sie waren im Rahmen der Augsburger Bevölkerungsstudie KORA-Age** befragt worden. "Die Studie war vor allem vor dem Hintergrund interessant, dass der Einfluss von emotionalem Stress auf das Wohlbefinden bisher kaum in einem breiteren, nicht-klinischen Zusammenhang untersucht wurde", erklärt PD Dr. Karoline Lukaschek. Sie ist Epidemiologin in der Arbeitsgruppe Mental Health und Erstautorin der Arbeit. "Unsere Studie schloss daher Angststörung, Depressionen und Schlafstörungen explizit mit ein."
Die Wissenschaftler bestimmten das Wohlbefinden über einen fünfteiligen Fragebogen der Weltgesundheitsorganisation, dessen Auswertung Werte von 0 bis 100 zulässt (WHO-5-Wohlbefindens-Index). Für ihre Analysen teilten sie anschließend die Ergebnisse der Probanden in "hoch" (Index > 50) und "niedrig" (Index < 50) ein. Die folgende Auswertung ergab bei einer Mehrheit (79 Prozent) der Befragten ein hohes subjektives Wohlbefinden. Durchschnittlich lagen die Werte zudem über dem von der WHO festgesetzten Grenzwert von 50. In der "niedrig"-Gruppe befanden sich allerdings auffällig oft Frauen: rund 24 Prozent gegenüber rund 18 Prozent bei den Männern.
Auf der Suche nach den Ursachen konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor allem psychosoziale Faktoren ermitteln: Vor allem Depressionen und Angststörungen hatten den stärksten Effekt auf das Wohlbefinden. Negative Einflüsse hatten zudem ein niedriges Einkommen und Schlafstörungen. Schlechte körperliche Gesundheit (etwa geringe sportliche Aktivität oder sogenannte Multimorbidität) schien wenig Einfluss auf Lebenszufriedenheit zu haben. Bei Frauen erhöhte außerdem das Alleinleben signifikant die Wahrscheinlichkeit für ein niedriges Wohlbefinden.
"Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit machen deutlich, dass für ältere Menschen entsprechende Angebote und Interventionen eine große Rolle spielen können, besonders für alleinlebende ältere Frauen", ordnet Ladwig die Ergebnisse ein. "Vor allem, wenn man weiß, dass hohe Werte von subjektiv empfundenem 'Well-being' mit einem geringeren Mortalitätsrisiko verbunden sind."
* Subjektives Wohlbefinden (engl. subjective well-being, SWB) beschreibt das selbst wahrgenommene Gefühl des Glücks im Leben oder der Zufriedenheit mit dem Leben. Daneben gibt es Maße des objektiven Wohlbefindens, die versuchen die Lebensqualität eines Menschen zu erfassen, beispielsweise die Verfügbarkeit von materiellen und immateriellen Dingen.
** Die Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg (KORA)
untersucht seit 30 Jahren die Gesundheit tausender Bürger aus dem Raum
Augsburg. Ziel ist es, die Auswirkungen von Umweltfaktoren, Verhalten und
Genen zu verstehen. Kernthemen der KORA-Studien sind Fragen zu Entstehung
und Verlauf von chronischen Erkrankungen, insbesondere Herzinfarkt und
Diabetes mellitus. Hierzu werden Risikofaktoren aus dem Bereich des
Gesundheitsverhaltens (u.a. Rauchen, Ernährung, Bewegung), der
Umweltfaktoren (u.a. Luftverschmutzung, Lärm) und der Genetik erforscht.
Aus Sicht der Versorgungsforschung werden Fragen der Inanspruchnahme und
Kosten der Gesundheitsversorgung untersucht.
www.helmholtz-muenchen.de/kora
• Hintergrund:
Die Stabilität der hohen SWB-Werte trotz altersbedingter Gebrechen
und/oder sozialer Verluste ist auch als "Alters-Paradoxon" bekannt.
Weitere Studien sind notwendig, um die scheinbare Diskrepanz zwischen
tatsächlichem (hohem) biologischen Alter und subjektiv empfundenem (hohen)
Well-being zu untersuchen und die Ressourcen zu identifizieren, die es
Menschen ermöglichen trotz nachlassender Gesundheit und schwindenden
sozialen Kontakten eine positive Lebenseinstellung zu bewahren.
Weitere Artikel:
Altersschwäche: enger Zusammenhang mit Stresshormonspiegeln
www.helmholtz-muenchen.de/presse-medien/pressemitteilungen/alle-pressemitteilungen/pressemitteilung/article/23624/index.html
Bundesregierung fördert Versorgungsforschung
www.helmholtz-muenchen.de/presse-medien/pressemitteilungen/alle-pressemitteilungen/pressemitteilung/article/38434/index.html
Depressionen schlagen auf das Herz wie Übergewicht und Cholesterin
www.helmholtz-muenchen.de/presse-medien/pressemitteilungen/alle-pressemitteilungen/pressemitteilung/article/37421/index.html
Original-Publikation:
Lukaschek, K. et al. (2017): "In the mood for ageing": determinants of
subjective well-being in older men and women of the population-based KORA-Age
study. BMC Geriatrics, DOI: 10.1186/s12877-017-0513-5
- Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für
Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose,
Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes
mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das
Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des
Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum
München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der
Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und
medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten
angehören.
www.helmholtz-muenchen.de
- Das Institut für Epidemiologie II (EPI II) erforscht die Zusammenhänge von
Umwelt, Lebensstil und Genetik bei der Entstehung von Diabetes, Erkrankungen
des Herzens und der Erhaltung der Gesundheit im Alter. Die Forschung stützt
sich auf die einzigartigen bevölkerungsbasierten KORA-Ressourcen (Kohorte,
Herzinfarktregister, Aerosol-Messstation). Folgestudien innerhalb der Kohorte
ermöglichen die Untersuchung von Frühformen und Komplikationen ausgewählter
chronischer Erkrankungen und deren Verbreitung in der Bevölkerung.
www.helmholtz-muenchen.de/epi2
- Die Technische Universität München (TUM) ist mit mehr als
500 Professorinnen und Professoren, rund 10.000 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern und 40.000 Studierenden eine der forschungsstärksten Technischen
Universitäten Europas. Ihre Schwerpunkte sind die Ingenieurwissenschaften,
Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften und Medizin, verknüpft mit
Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Die TUM handelt als unternehmerische
Universität, die Talente fördert und Mehrwert für die Gesellschaft schafft.
Dabei profitiert sie von starken Partnern in Wissenschaft und Wirtschaft.
Weltweit ist sie mit einem Campus in Singapur sowie Verbindungsbüros in
Brüssel, Kairo, Mumbai, Peking, San Francisco und So Paulo vertreten. An der
TUM haben Nobelpreisträger und Erfinder wie Rudolf Diesel, Carl von Linde und
Rudolf Mößbauer geforscht. 2006 und 2012 wurde sie als Exzellenzuniversität
ausgezeichnet. In internationalen Rankings gehört sie regelmäßig zu den
besten Universitäten Deutschlands.
www.tum.de
Fachlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Karl-Heinz Ladwig
Helmholtz Zentrum München -
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH)
Institut für Epidemiologie II
Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg
E-Mail: ladwig@helmholtz-muenchen.de
Weitere Informationen finden Sie unter
https://www.helmholtz-muenchen.de/presse-medien/pressemitteilungen/alle-pressemitteilungen/index.html
Weitere News aus dem Helmholtz Zentrum München (mit Themenfilterfunktion)
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution44
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt
Sonja Opitz, Abteilung, 07.07.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juli 2017
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang