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INNERE/1308: Gesunde Darmflora schützt vor Allergien und Übergewicht (DGVS)


Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)
Viszeralmedizin 2012 - Pressemitteilung vom 20.09.2012

Bakterienvielfalt im Verdauungstrakt

Gesunde Darmflora schützt vor Allergien und Übergewicht



Hamburg - Sie schützen vor Infektionen, helfen bei der Regulierung des Immunsystems und sorgen für die Verwertung von Nährstoffen: Im Darm des Menschen tummeln sich schätzungsweise 100 Billionen Bakterien. Zwar weiß man bislang wenig über Eigenschaften und Funktionen einzelner Mikrobenstämme. Doch immer mehr Studien zeigen, wie wichtig die Zusammensetzung der Darmflora für die Gesundheit ist. Demnach begünstigen Störungen der Bakterienkolonien nicht nur verschiedene Allergien, sondern auch Übergewicht und Stoffwechselstörungen. Welche Mechanismen daran beteiligt sind und wie sich die Darmflora therapeutisch verändern lässt, ist ein Thema auf dem Kongress "Viszeralmedizin 2012", der noch bis zum 22. September in Hamburg stattfindet.

Billionen Bakterien besiedeln den Menschen - etwa auf der Haut, im Mund oder in den Atemwegen. Die weitaus meisten Mikroorganismen leben jedoch im Darm - vor allem im Dickdarm. Mit molekularbiologischen Verfahren können Mediziner inzwischen die Zusammensetzung dieser Darmflora detailliert untersuchen und die Funktionen einzelner Stämme klären. "Diese Untersuchungen zeigen zunehmend, wie wichtig diese Bakterien für den Erhalt der Gesundheit sind", sagt Professor Dr. med. Stephan C. Bischoff, Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin an der Universität Hohenheim.

So deuten etliche Studien darauf hin, dass Störungen der Darmflora sowohl die Anfälligkeit für manche Allergien als auch die Neigung zu Übergewicht fördern. Kürzlich untersuchten Mediziner der Universität New York die Entwicklung von über 11.000 Kindern, die 1991 oder 1992 in der britischen Region Avon zur Welt kamen. Jene Kleinen, die während der ersten fünf Lebensmonate Antibiotika bekamen, hatten im Alter von zehn bis 20 Monaten im Verhältnis zu ihrer Größe mehr Gewicht als die übrigen Kinder. Und mit gut drei Jahren waren sie eher übergewichtig. Jene Kinder, die im Alter von sechs bis 14 Monaten Antibiotika bekamen, hatten allerdings kein erhöhtes Risiko für späteres Übergewicht. Im "International Journal of Obesity" vermuten die Forscher, dass die Medikamente gerade im Säuglingsalter die Entwicklung der Darmflora verändern.

Umgekehrt scheint eine Veränderung der Darmflora auch Übergewicht und Krankheiten wie Diabetes Typ 2 zu bessern. Dies zeigt eine Studie aus den Niederlanden an Menschen mit dem metabolischen Syndrom. In deren Verdauungstrakt pflanzten Mediziner Darmbakterien ein, die von schlanken Spendern stammten. Sechs Wochen später hatte sich bei den Empfängern nicht nur die Darmflora verändert, sondern sie reagierten auch empfindlicher auf das Hormon Insulin, wie die Forscher in der Zeitschrift "Gastroenterology" berichten. Das Nicht-Ansprechen auf Insulin ist Ursache der Stoffwechselkrankheit Diabetes Typ 2. Die Erklärung für dieses Ergebnis liegt vermutlich darin, dass sich die Darmbakterien bei dünnen und dicken Menschen unterscheiden. "Übergewichtige weisen zum Beispiel mehr sogenannte Firmicutes-Bakterien im Darm auf. Diese helfen, ansonsten kaum verdaubare Kohlenhydrate verdaubar zu machen, und steigern die Energiegewinnung", erläutert der Mikrobiom-Forscher Bischoff.

"Je besser wir die Bedeutung und Eigenschaften der verschiedenen Darmbakterien kennen, desto gezielter können wir sie einsetzen, um die Gesundheit unserer Patienten zu fördern", betont Professor Bischoff. Auf dem Kongress für Viszeralmedizin stellt der Experte den aktuellen Wissensstand vor und erläutert, wie sich die bisherigen Erkenntnisse therapeutisch nutzen lassen. Veranstalter der Tagung sind die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV).


Literaturquellen:

Trasande L, Blustein J, Liu M, Corwin E, Cox LM und Blaser, MJ:
Infant antibiotic exposures and early-life body mass.
International Journal of Obesity, 2012, Online-Vorabveröffentlichung

Vrieze A, van Nood E, Holleman F, Salojärvi J, Kootte RS, Bartelsman JF et al.:
Transfer of Intestinal Microbiota From Lean Donors Increases Insulin Sensitivity in Individuals With Metabolic Syndrome;
Gastroenterology, 2012 Jun 20, Online-Vorabveröffentlichung


Weitere Informationen:
www.viszeralmedizin.com
www.dgvs.de

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Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)
Pressestelle Viszeralmedizin 2012, Christine Schoner und Irina Lorenz-Meyer
Pf 30 11 20, 70451 Stuttgart
Telefon: 0711 8931-573, Fax: 0711 8931-167
E-Mail: info[@]dgvs[.]de
Internet: www.viszeralmedizin.com und www.dgvs.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. September 2012