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ONKOLOGIE/1752: Forschung - Gestörte Müllentsorgung in Leukämiezellen (idw)


Wilhelm Sander-Stiftung - 15.09.2016

Gestörte Müllentsorgung in Leukämiezellen


Wissenschaftlern der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ist es gelungen, neue therapeutische Angriffspunkte für Leukämien zu identifizieren. In Zusammenarbeit mit Forschern aus Deutschland, der Schweiz und den USA beschäftigte sich die Arbeitsgruppe von Privatdozent Dr. Jan Henning Klusmann im Rahmen des von der Wilhelm Sander Stiftung geförderten Projekts mit den Wirkmechanismen von Histondeacetylase-Inhibitoren (HDACi). "Diese Substanzen wecken große Erwartungen im Kampf gegen Krebserkrankungen. Einige Medikamente sind schon zugelassen", erklärt PD Dr. Klusmann. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass HDACi unerwartete Wirkungen in Leukämiezellen haben."

Histondeacetylasen sind Enzyme, die das Ablesen des Erbguts - der DNA im Zellkern - und die Funktion von Eiweißen in der Zelle regulieren. Wie genau sie bei Krebserkrankungen wirken, ist nicht vollständig verstanden. Dr. Klusmann war diesen Substanzen schon lange auf der Spur. "Wir begannen mit einer systematischen Suche nach dem, was in Zellen unter dem Einfluss von HDACi geschieht. Am Ende vieler Experimente gelangten wir zur Erkenntnis, dass diese Enzymblocker die Autophagie in Leukämiezellen blockieren." Über Autophagie - Zellen bauen dabei ihre eigenen Strukturen ab - recyceln Zellen Eiweiße und Zellorganellen; sie nutzen diese Vorgänge vor allem in Mangelsituationen. Die Ergebnisse der Studie wurden nun im renommierten Fachjournal Leukemia (http://www.nature.com/leu/journal/vaop/naam/abs/leu2013264a.html) publiziert.

"Es sieht so aus, dass wir durch eine Blockade der Autophagie diese Tumorzellen regelrecht ,zumüllen' und sie dadurch vermehrt absterben", erläutert der Forscher. "Das können wir durch HDACi erreichen, aber auch durch andere Substanzen. Tumorzellen produzieren offenbar mehr Müll, der ständig beiseite geschafft werden muss. Auf Störungen der Autophagie reagieren sie daher sehr sensibel."

Dass diese Erkenntnisse auch direkte Bedeutung für die Behandlung von Patienten haben, zeigten die Forscher an einem konkreten Fall, den sie kürzlich in dem Fachjournal Pediatric Blood & Cancer (http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/pbc.26062/abstract) veröffentlichten. "Für einen Jungen mit dem zweiten Rückfall einer speziellen Form von Leukämie nach Knochenmarkstransplantation haben wir keine Behandlungsmöglichkeit mehr gesehen", berichtet PD Dr. Klusmann. "Unsere Laboruntersuchungen sagten allerdings ein gutes Ansprechen dieser Form von Leukämie auf HDACi voraus." Der Junge wurde daraufhin mit HDACi behandelt und die Leukämie konnte tatsächlich zurückgedrängt werden. Die Erkenntnisse sollen nun in klinischen Studien berücksichtigt werden. "Wie immer bleiben aber noch Fragen offen", sagt Dr. Klusmann. "Unsere Beobachtungen liefern genügend Stoff, um weiter gemeinsam zu forschen und Therapien zu verbessern. Das kann dann sowohl Menschen mit Leukämien als auch denen mit Störungen im Immunsystem zu Gute kommen."


Weitere Informationen
erhalten Sie von dem Projektleiter
Dr. Jan Henning Klusmann
klusmann.jan-henning@mh-hannover.de

Die Wilhelm Sander-Stiftung hat dieses Forschungsprojekt mit rund 182.000 Euro unterstützt. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 220 Millionen Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist. Weitere Informationen zur Stiftung:
http://www.wilhelm sander-stiftung.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution890

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Wilhelm Sander-Stiftung, Bernhard Knappe, 15.09.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. September 2016

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