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ONKOLOGIE/2073: 34. Deutscher Krebskongress zu innovativen Therapien und effektiver Prävention (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2020

ONKOLOGIE
34. Deutscher Krebskongress vom 19.-22. Februar 2020 in Berlin
Innovative Therapien - effektive Prävention

von Uwe Groenewold


Rückschau auf den 34. Deutschen Krebskongress in Berlin. Können vier von zehn Krebserkrankungen durch gesunde Lebensweise verhindert werden?


In Berlin kamen wie berichtet kürzlich mehr als 10.000 Wissenschaftler zum 34. Deutschen Krebskongress zusammen. Inhaltlich beschäftigten sich die Experten insbesondere mit neuartigen Behandlungsmethoden sowie den Möglichkeiten der Prävention.

Zu den Hoffnungsträgern in der systemischen Therapie zählt neben den zielgerichteten Medikamenten auch die Immunonkologie. Neu sei etwa die hochkomplexe CAR-T-Zelltherapie, bei der die T-Zellen der Patienten durch eine gentechnische Veränderung zu Tumorkillern werden, erläuterte Prof. Andreas Hochhaus, Kongresspräsident aus Jena. Bei der CAR-T-Zelltherapie werden dem Patienten zunächst gesunde Immunzellen entnommen und im Labor gentechnisch manipuliert. Dazu wird mithilfe eines Virus ein Molekül, der chimäre Antigenrezeptor (CAR), in die T-Zellen geschleust. Nach Rückgabe der Zellen erkennt das Molekül, das sich auf der Oberfläche der Immunzellen befindet, die Tumorzellen des Erkrankten und zerstört diese. Die CAR-T-Zelltherapie ist seit August 2018 für die Behandlung von Rückfällen bei der Akuten Lymphatischen Leukämie (ALL) und bei einer speziellen Form des B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphoms zugelassen. An ihrem Einsatz bei weiteren Krebserkrankungen werde aber derzeit intensiv geforscht, so Hochhaus.

Dr. Johannes Bruns von der Deutschen Krebsgesellschaft wies daraufhin, dass innovative Behandlungsverfahren Chancen und Risiken zugleich in sich bergen. Für austherapierte Patienten könne der rasche Zugang zu einer vielversprechenden medizinischen Innovation über Leben oder Tod entscheiden. Andererseits sei das Wissen über Wirksamkeit und Sicherheit des neuen Verfahrens zum Zeitpunkt der Zulassung begrenzt. "Ob eine neue Therapie im Versorgungsalltag effizient und sicher ist, muss sich erst noch erweisen", so Bruns. Wer die Therapie in Anspruch nehme, solle qualitätsgesichert behandelt werden. Das Wissen aus der Anwendung müsse gesammelt, evaluiert und publiziert werden. Denn ohne diese "Post-Zulassungs-Forschung" ließen sich kaum valide Aussagen zum tatsächlichen Patientennutzen treffen. "Die Realität sieht bislang jedoch anders aus", beklagt Bruns mit Verweis auf die CAR-T-Zelltherapie. Nur wenige Krankenhäuser würden über die nötige Erfahrung mit der hochkomplexen Therapie oder über eine geeignete Forschungsinfrastruktur verfügen. Und eine Verpflichtung zur Datenerhebung für Forschungszwecke gebe es bislang nicht. Bruns empfahl, dass die CAR-T-Zelltherapie zunächst nur von wenigen Zentren mit entsprechendem Know-how erbracht werden sollte. Diese Zentren sollten unter anderem an spezifischen Qualitätssicherungsverfahren sowie an industrieunabhängigen Registerstudien teilnehmen und bestimmte Struktur- und Qualitätskriterien erfüllen.

Experten schätzen, dass rund 40 Prozent aller Krebserkrankungen durch eine gesunde Lebensweise vermieden werden können. Welche Lebensstilfaktoren das Krebsrisiko beeinflussen, ist durch zahlreiche Studien belegt. Aber warum fördern etwa Bewegungsmangel oder starkes Übergewicht die Krebsentstehung, was spielt sich dabei auf molekularer Ebene in den Zellen ab? Hier setzt die Forschung von Prof. Mathias Heikenwälder vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg an. Übergewicht - insbesondere im Zusammenhang mit übermäßiger Fettablagerung im Bauchraum - sowie Diabetes Typ-2 gelten als wichtigste Risikofaktoren für die Fettleber. Doch ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel seien nur ein Aspekt des Geschehens, so Heikenwälder. Damit sich eine Fettleber zu einer Entzündung auswächst, müssen bestimmte Immunzellen in die Leber einwandern. Hierbei spielen Blutplättchen - üblicherweise zuständig für Blutgerinnung und Wundheilung - eine wesentliche Rolle. Verantwortlich dafür, Blutplättchen in die Leber zu locken, sind die Kupffer-Zellen (Makrophagen der Leber). Docken die eingewanderten Blutplättchen an die Kupffer-Zellen an, befeuert dies den entzündlichen Prozess. Werden die Andockstellen auf der Oberfläche der Blutplättchen jedoch medikamentös blockiert, geht in der Leber die Zahl jener Botenstoffe zurück, die inflammatorische Immunzellen anlocken - und die Leberentzündung schwächt sich ab.

"Aus diesen Ergebnissen wollen wir nun neue Ansätze für die Therapie der Fettleber und damit für die Prävention von Leberkrebs entwickeln", so Heikenwälder. "Wenn es uns gelingt, den Kreislauf von entzündlichen Prozessen zu durchbrechen, können wir betroffenen Menschen helfen, ihr Risiko für fettleber-induzierten Leberkrebs zu senken."

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Mit 25 Millionen Euro fördert die Deutsche Krebshilfe ein Nationales Krebspräventionszentrum, das am DKFZ Heidelberg entstehen soll. Ziel ist es, Ratschläge zur Prävention evidenzbasiert zu erarbeiten. Zugleich soll Prävention stärker im Bewusstsein von Bürgern und Patienten sowie von Entscheidungsträgern und Politikern verankert werden.
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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 4/2020 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2020/202004/h20044a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
73. Jahrgang, April 2020, Seite 37
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Mai 2020

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