Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → FACHMEDIZIN

AUGEN/346: Forschung - Einsatz von Stammzellen im Auge verhindert Erblinden (idw)


Technische Universität Dresden - 11.01.2012

Einsatz von Stammzellen im Auge verhindert Erblinden

Schutz und Regeneration von Photorezeptoren bei altersbedingter
Degeneration der Makula im Tiermodell bereits erfolgreich getestet


Bisher gibt es für die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) keine Heilungschancen, sondern nur die Möglichkeit, das Absterben weiterer Zellen zu verzögern und so die zentrale Sehschärfe länger zu erhalten. Dieser Problematik widmen sich Forscher der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus und der Life-Science-Inkubator GmbH & CoKG (LSI) an den Standorten Dresden, Hamburg und Bonn. Ziel des innovativen Ansatzes der Mesentech-Gruppe ist es, den fortschreitenden Prozess der Sehzellen-Degeneration zu stoppen bzw. im optimalen Fall sogar umzukehren. Das geschieht durch den Einsatz körpereigener Zellen der Patienten, sogenannter mesenchymaler Stammzellen. Um eine Zelltherapie in die klinische Anwendung zu bringen, erfordert es aber einen langen Atem von bis zu zehn Jahren. Das Projekt wird hierbei durch eine innovative Fördermaßnahme des Bundes, den so genannten Life Science Inkubator, mit fast zwei Millionen Euro unterstützt. Das Mesentech-Team - bestehend aus drei Wissenschaftlern, zwei PostDocs und zwei Technischen Assistenten - treibt nun die Entwicklung der in dieser Art ersten für das menschliche Auge geeigneten Therapie bis zur ersten klinischen Phase voran.

Die häufigste Erblindungsursache im Alter ist in den westlichen Industrienationen die Makuladegeneration. Es gibt Schätzungen, dass aufgrund der sich verschiebenden Alterspyramide 2020 etwa 25 Prozent der Bevölkerung über 60 Jahre von AMD betroffen sind. Die Krankheitshäufigkeit in der Gesamtbevölkerung beträgt drei Prozent. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung entspricht dies elf Millionen Menschen in Nordamerika, Westeuropa und Japan. Ursachen der AMD liegen im Alter, in genetischen Faktoren, im Rauchen, in entzündlichen Prozessen und in der Ernährung (Vitaminmangel). Ansonsten ist zu den Ursachen und Vorgängen bei der Entstehung der Krankheit wenig bekannt.

Bisher mussten Betroffene einmal monatlich gefäßwachstumshemmende Stoffe - so genannte VEGF-Hemmer - mit einer Spritze durch den Augapfel hindurch an die Makula bringen lassen. Das funktioniert aber nur bei der "feuchten Form" der AMD, die 20 Prozent aller Makuladegenerationen ausmacht. Diese Form der Behandlung ist mit hohem Aufwand und hohen Kosten von 800 bis 1500 Euro je Spritze über einen langen Zeitraum verbunden. Aber für 80 Prozent der Betroffenen - den Anteil, der an der "trockenen Form" der AMD leidet - gibt es keine grundlegende Therapie.

Hier will Mesentech für Abhilfe sorgen. "Das Projekt Mesentech entwickelt eine regenerative und protektive Zelltherapie für Patienten mit degenerativen Netzhauterkrankungen unter Verwendung von körpereigenen Zellen", erklärt Projektleiter Dierk Wittig. "Dabei liegt der Fokus auf der altersbedingten Makuladegeneration sowie der diabetischen Retinopathie." Das Voranschreiten dieser Erkrankungen kann bis heute nicht wesentlich beeinflusst werden. Mesentech will schwere Krankheitsverläufe in Zukunft verhindern, indem die Therapie bereits in frühen Krankheitsstadien Anwendung findet. "Degenerative Netzhauterkrankungen sind typische Alterskrankheiten, über ein Viertel aller Menschen über 60 Jahren sind davon betroffen. Die aktuellen Standardtherapien können lediglich in den späten Krankheitsstadien angewendet werden und können eine Erblindung nicht verhindern. Eine echte Verbesserung der Lebenssituation kann zu diesem Zeitpunkt nicht mehr erreicht werden. Und dort setzt Mesentech an. "Wir wollen diesen Menschen zu einer hohen Lebensqualität, auch im höheren Alter, verhelfen."

Die Planungen zum Projekt überzeugten schon mit einem ersten Platz im Businessplan Wettbewerb "futureSAX" in der Kategorie "Gründen". Durch diesen Erfolg wurde der Life Science Inkubator (LSI) am Bonner Forschungszentrum caesar auf das Projekt aufmerksam. Dieser bietet ein in Deutschland einzigartiges Inkubationskonzept. Durch eine systematische und zielorientierte Evaluierung und Projektsteuerung wird das Forschungs- und Entwicklungsrisiko minimiert und so eine stabile Basis für die spätere Gründung erarbeitet. Für die Umsetzung wird der Life Science Inkubator von Bundesministerium für Bildung und Forschung, Fraunhofer, Helmholtz Gemeinschaft, Max Planck Gesellschaft sowie anderen außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Kapitalgebern, finanziert. Nach detaillierter Evaluierung der bisherigen Arbeiten wurde die Forschergruppe Mesentech vom Investmentgremium der Life Science Inkubator GmbH zur sogenannten Inkubation empfohlen. Daraus ergab sich die Entscheidung zur Aufnahme in das Förderprogramm, wodurch über die kommenden zweieinhalb Jahre eine Vollfinanzierung von 1,9 Millionen Euro in das Projekt fließt und eine Ausgründung in Form einer GmbH erfolgt.

Das Institut für Anatomie, das durch den Mentor des Teams, Prof. Richard Funk, geleitet wird, bietet durch seine Infrastruktur sowie das vorhandene Know-how auf dem Gebiet der Grundlagenforschung am Auge dafür die idealen Bedingungen. Einen besonderen Beitrag leistet hier die Forschungsarbeit von Dr. Monika Valtink, die sich bereits seit über dreizehn Jahren mit der Entwicklung zellulärer Therapien für degenerative Erkrankungen des Auges befasst. In den Laboren der Life Science Inkubator GmbH in Bonn werden die speziellen molekularen Mechanismen des Therapieansatzes erforscht und die Gruppe im Rahmen von Personalentwicklung und Projektmanagement qualifiziert. Den Bezug zur Praxis erhält das Projekt durch die Einbindung der Chefärztin des Augenklinikums Chemnitz, Frau Prof. Katrin Engelmann, für die der Kampf gegen die Folgen degenerativer Netzhauterkrankungen zur täglichen Arbeit gehört. Auch Frau Dr. Lange aus der Interdisziplinären Klinik und Poliklinik für Stammzelltransplantation am Universitätsklinikum Hamburg und Prof. Axel Zander sind in die Projektarbeit eingebunden.


Kontakt:
Technische Universität Dresden
Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus
Institut für Anatomie
Dierk Wittig, Projektleiter Mesentech
E-Mail Dierk.Wittig@tu-dresden.de
bzw. wittig@life-science-inkubator.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution143


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Technische Universität Dresden, Konrad Kästner, 11.01.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Januar 2012