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ARBEITSMEDIZIN/310: Studie - Langes Arbeiten schadet Gesundheit und Sozialleben (idw)


Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin - 20.12.2010

Langes Arbeiten schadet Gesundheit und Sozialleben


Der Anteil von Beschäftigten, die über gesundheitliche Beschwerden klagen, nimmt mit der Dauer der geleisteten Arbeitszeit zu. Auch die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Freizeit wird durch steigendes Arbeitspensum eingeschränkt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Bei der Auswertung von vier unabhängigen Befragungen ließ sich ein direkter Zusammenhang zwischen der Dauer der wöchentlich geleisteten Arbeitszeit und dem Auftreten gesundheitlicher Beschwerden nachweisen. Faktoren wie Schichtarbeit, variable Arbeitszeiten und Arbeitsschwere wirken sich verstärkend aus.

Die Arbeitszeiten in Deutschland werden immer flexibler, immer häufiger wird im Schichtbetrieb, abends und nachts gearbeitet. Seit längerem vermuten Arbeitswissenschaftler einen Zusammenhang zwischen langen Arbeitszeiten und gesundheitlichen Beschwerden. Die BAuA führte deshalb eine systematische Untersuchung durch, die sich auf eine Stichprobe von über 50.000 Befragten stützt. Die jetzt veröffentlichte Studie zeigt beispielhaft den Zusammenhang zwischen der wöchentlichen Arbeitsdauer und drei gesundheitlichen Symptomen - Schlafstörungen, Rückenschmerzen und Herzbeschwerden - auf. Zusammengefasst heißt das: Je länger die Arbeitszeit, desto häufiger treten gesundheitliche Beschwerden auf.

Zwei Untersuchungen aus Deutschland zeigen: Jeder zehnte Befragte in Teilzeit (weniger als 19 Wochenarbeitsstunden) klagt über Schlafstörungen, bei Beschäftigten in Vollzeit (zwischen 35 und 44 Wochenarbeitsstunden) ist es bereits jeder fünfte. Im Bereich der Beschäftigten mit deutlich überlangen Arbeitszeiten von mehr als 60 Stunden pro Woche leidet nach eigenen Angaben sogar etwa jeder vierte unter Schlafbeschwerden. Faktoren wie Schichtarbeit, variable Arbeitszeiten, Arbeit an Wochenenden oder schlechte Planbarkeit der Arbeitszeit wirken sich noch verstärkend auf gesundheitliche Beeinträchtigungen aus.

Doch nicht nur das gesundheitliche Wohlbefinden hängt von der Dauer und Lage der Arbeitszeit ab. Auch die Einschätzung über das eigene Sozialleben wird von der Arbeitszeitgestaltung beeinflusst. In der Studie wurden die Auswirkungen der Arbeitsdauer auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und auf Freizeitaktivitäten untersucht. Aus allen untersuchten Stichproben ging hervor, dass die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit eng mit der subjektiven Einschätzung von Vereinbarkeit von Arbeit und Freizeit sowie Familie zusammenhängt.

Besonders in den beiden untersuchten europäischen Umfragen wurde außerdem deutlich, dass die Arbeit zu sozial ungünstigen Zeiten wie an Wochenenden oder nachts ebenso wie Schichtarbeit eine Verschlechterung der Vereinbarkeit bewirken kann.

Daher ist es wenig überraschend, dass auch das Fazit zum Thema Arbeitszeit und Vereinbarkeit zu ähnlichen Ergebnissen kommt wie Arbeitszeit und Gesundheit. Mit langen Arbeitszeiten werden die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und auch das Freizeitverhalten deutlich eingeschränkt. Auch eine Flexibilisierung der Arbeitszeit, beispielsweise durch Gleitzeitmodelle, mildert die aufgezeigten negativen sozialen und gesundheitlichen Effekte langer Arbeitszeiten nur wenig ab.

Längere Arbeitszeiten erhöhen also das Risiko gesundheitlicher Beeinträchtigung und erschweren das Leben jenseits der Arbeit. Dass sich lange tägliche und wöchentliche Arbeitszeiten negativ auf das Unfallrisiko auswirken, ist bereits seit einiger Zeit bekannt. Nimmt man nun die gesundheitlichen und psychischen Risiken von Verlängerungen der Arbeitszeit in die Diskussion um weitere Arbeitszeitverlängerungen mit auf, sollte nicht nur die wirtschaftliche Komponente berücksichtigt werden. Auch gesundheitliche und soziale Effekte müssen Beachtung finden. Denn auf längere Sicht könnten Arbeitszeitverlängerungen und -flexibilisierungen das Gegenteil dessen bewirken, weshalb sie eigentlich eingeführt wurden: höhere Lohnkosten durch steigende Krankenstände und sinkende Produktivität.

"Gesundheitliche und soziale Folgen langer Arbeitszeiten"; Dr. phil. Dipl.-Psych. Anna Wirtz; Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2010; ISBN 978-3-88261-124-3; 267 Seiten; PDF-Datei. Der Bericht kann auf der Internetseite der BAuA www.baua.de im Bereich Publikationen in der Rubrik Fachbeiträge kostenlos als PDF-Datei heruntergeladen werden.


Weitere Informationen finden Sie unter
www.baua.de//de/Publikationen/Fachbeitraege/Gd59.html
(Direkter Link zum Bericht "Gesundheitliche und soziale Folgen langer Arbeitszeiten")

Forschung für Arbeit und Gesundheit
Sichere und gesunde Arbeitsbedingungen stehen für sozialen Fortschritt. Sie ermöglichen Unternehmen wie auch der gesamten Volkswirtschaft einen Vorsprung im globalen Wettbewerb. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) forscht und entwickelt im Themenfeld Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit, fördert den Wissenstransfer in die Praxis, berät die Politik und erfüllt hoheitliche Aufgaben - im Gefahrstoffrecht, bei der Produktsicherheit und mit dem Gesundheitsdatenarchiv. Die BAuA ist eine Ressortforschungseinrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Rund 660 Beschäftigte arbeiten am Hauptsitz in Dortmund und den Standorten Berlin, Dresden sowie in der Außenstelle Chemnitz.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution1087


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Jörg Feldmann, 20.12.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Dezember 2010