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ORTHOPÄDIE/298: Zum Umgang mit einem künstlichen Kniegelenk - Interview mit einem Experten (idw)


Universitätsklinikum Tübingen - 02.03.2011

Langsam einsteigen - Mit dem künstlichen Kniegelenk aktiv in den Frühling starten!

Was Patienten von ihrer Knie-Prothese erwarten können und wie man am besten zu neuer Lebensqualität zurückfindet, beantwortet Prof. Nikolaus Wülker, Ärztlicher Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik Tübingen im folgenden Interview.


Langsam einsteigen - Mit dem künstlichen Kniegelenk aktiv in den Frühling starten!

Der Schnee ist verschwunden, die Tage werden länger und die Luft wärmer. Jetzt zieht es alle nach draußen, die ersten Spaziergänge locken. Was sollten Patienten, die ein künstliches Kniegelenk haben oder an Arthrose leiden, besonders beachten? Wir sprachen mit Prof. Nikolaus Wülker, Ärztlicher Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik Tübingen und Experte für den Einsatz von künstlichen Kniegelenken.


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Herr Prof. Wülker, was raten Sie ihren Patienten zu Beginn der warmen Jahreszeit?

Selbstverständlich können auch Menschen mit künstlichen Kniegelenken aktiv in den Frühling starten. Mit zunehmender körperlichen Bewegung steigt jedoch die Belastung der Kunstgelenke. Die Gehstrecken werden bei gutem Wetter länger, die Bewegungen an den Gleitflächen des Gelenks nehmen dadurch zu und zwischen dem Kunstgelenk und dem benachbarten Knochen treten vermehrt Belastungen auf. Auch die um das Gelenk gelegenen Weichteile müssen mehr Spannung und Bewegung verkraften. Daran müssen sich Kunstgelenke erst langsam gewöhnen. Eine behutsame Belastungssteigerung ist hier ganz besonders wichtig.



Wie kann so ein "Frühlingstraining" aussehen?

Wenn das Knie über die langen Wintermonate weniger aktiv war, sollte die täglich zurückgelegte Wegstrecke langsam gesteigert werden, zum Beispiel über einen Zeitraum von ein bis zwei Wochen. In dieser Zeit kann man sich tägliche Wege vornehmen, die dann immer länger und immer öfter abgegangen werden. Die Weichteile und die Muskulatur um das Gelenk sollten vor der Belastung gedehnt und aufgewärmt werden. Die Streckung kann man dehnen, in dem man das Bein ausgestreckt so legt, dass nichts unter dem Kniegelenk ist und dann mit den Muskeln des Beins oder zusätzlich mit der Hand vorsichtig nach unten drückt und 10 Sekunden lang unten hält. Die Beugung übt man zum Beispiel sitzend auf einem Tisch, indem man das gesunde Bein über das kranke schlägt und dann nach hinten drückt. Aufgewärmt wird die Muskulatur am besten, indem man zunächst zuhause kleine Wegstrecken zurück legt und das langsam steigert.



Was für Wege sind draußen empfehlenswert?

Wenn es nach draußen geht, dann am besten zunächst auf ebenen Strecken. Auch der Boden sollte flach sein, zum Beispiel asphaltierte oder fest getretene Wege. Unebener Waldboden oder Steinboden ist zu Beginn ungünstig. Später kann zunächst begonnen werden, kleinere Strecken bergauf und dann langsam bergab zu gehen. Dabei sollten weiche Schuhe getragen werden, die den Impuls auf das Kniegelenk beim Auftreten vermindern. Außerdem ist es günstig, Schnürschuhe zu tragen, damit die Füße einen festen Halt haben.



Muss das Knie vor Kälte geschützt werden?

Wenn es im Frühjahr draußen noch frisch ist, soll das Knie nicht auskühlen. Neben warmer Kleidung können hier zusätzlich Bandagen um das Kniegelenk getragen werden. Neben der verbesserten Stabilität tragen diese Bandagen auch dazu bei, den Wärmeverlust der Haut zu vermindern. Im Winter werden wir alle ja oft ein bisschen schwerer. Das Körpergewicht spielt für die Belastung von Kunstgelenken eine große Rolle. Wenn es nach den Festtagen noch ein paar Kilo zu viel sind, tut man gut daran, das Gewicht wieder auf ein normales Niveau zu reduzieren. Oft fällt das abnehmen ja auch wieder leichter, wenn mehr Aktivität möglich ist. Nicht nur normale Kniegelenke leiden unter Übergewicht, auch bei künstlichen Kniegelenken ist die Haltbarkeit durch zu viele Kilos deutlich reduziert!



Was für Aktivitäten sind neben Spazierengehen möglich?

Es lohnt sich, in den ersten wärmeren Frühlingstagen dran zu bleiben. Mit gut funktionierenden, künstlichen Kniegelenken kann man später unbegrenzt spazieren gehen und wandern. Auch Bergwanderungen sind gut möglich, allerdings ohne aktives Klettern. Fahrradfahren und Schwimmen sind ohnehin unproblematisch, insbesondere wenn man sich den Sattel so hoch wie möglich stellt, um mit den Füßen noch auf den Boden zu kommen. Beim Tennis und bei anderen Ballsportarten gilt, dass ein gepflegtes Doppel unschädlich ist.



Was sollte man vermeiden?

Bei Sportarten, wo im Spiel plötzliche Richtungswechsel notwendig sind oder sogar ein Kontakt mit einem Mitspieler oder Gegner vorkommen kann, können plötzlich unvorhersehbare Kräfte auf das Kniegelenk wirken, die von der Muskulatur nicht mehr zu kompensieren sind. Dann werden diese Kräfte direkt auf die Bänder und die Gelenkkapsel des Kunstgelenks geleitet. Dies kann bei allen Kniegelenken problematisch sein, bei denen nur die Gelenkoberfläche ersetzt wird, die Teile des Gelenks jedoch nicht gekoppelt sind. Dies ist bei den allermeisten künstlichen Kniegelenken so. Bei allen Knieprothesen, ob gekoppelt oder ungekoppelt, ist bei plötzlichem Richtungswechsel auch die Belastung in der Grenzschicht zwischen Prothese und Knochen ein Problem. Wenn diese Grenzschicht durch belastende Sportarten übermäßig beansprucht wird, halten künstliche Kniegelenke deutlich kürzer als normal. Normalerweise halten über 80 Prozent der künstlichen Kniegelenke 15 Jahre und länger bevor es zu einer Lockerung der Prothese im Knochen kommen kann, die einen Prothesenwechsel erforderlich macht.


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Arthrose im Kniegelenk
Patiententag an der Orthopädischen Universitätsklinik Tübingen

Die Orthopädische Universitätsklinik Tübingen lädt am Samstag, 26. März 2011 Betroffene, Angehörige und Interessierte zum diesjährigen Patiententag rund um die Arthrose ein. Arthrose ist eine Volkskrankheit, unter der mit zunehmendem Alter immer mehr Menschen leiden. Mit am häufigsten entsteht sie am Hüftgelenk, was sich durch zunehmende Schmerzen beim Gehen und später auch in Ruhe bemerkbar macht. Sie kann aber auch an Knie- und Schultergelenken, an der Hand oder am Ellenbogen und am Sprunggelenk auftreten. Nicht immer aber muss gleich operiert werden. Wenn operiert werden muss, handelt es sich häufig um einen Ersatz des Gelenkes, der Implantation einer Endoprothese. Im Mittelpunkt steht dieses Jahr die Arthrose des Kniegelenks. Experten des Klinikums beantworten Fragen zur Entstehung der Arthrose, zu deren Behandlung mit und ohne Operation und zum Einsatz künstlicher Kniegelenke. Dabei werden herkömmliche und neue Operationstechniken und Prothesensysteme vorgestellt und demonstriert.


Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.medizin.uni-tuebingen.de
http://www.arthrosetage.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Anhänge unter:
http://idw-online.de/de/attachment7884
Programm Arthrosetage 2011

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution82


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universitätsklinikum Tübingen, Dr. Ellen Katz, 02.03.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. März 2011