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RADIOLOGIE/215: Meldungen vom Deutschen Röntgenkongress 2011 (2) (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

Radiologie ist Vielfalt!
Ein Einblick in das Themenspektrum des 92. Deutschen Röntgenkongresses
Freitag, 3. Juni 2011 und Samstag, 4. Juni 2011


→  Brustkrebsdiagnostik: Radiologie hilft Hochrisiko-Patientinnen
→  Mit Mikrowellen und Kügelchen - wie interventionelle Radiologen Krebs behandeln
→  Kommunikation auf Augenhöhe
      Austausch von Radiologen und Allgemeinmediziner auf dem 92. Deutschen Röntgenkongress


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Brustkrebsdiagnostik - Radiologie hilft Hochrisiko-Patientinnen

Hamburg, Juni 2011. In Deutschland gibt es seit Anfang 2009 flächendeckend ein Programm zur Früherkennung von Brustkrebs durch regelmäßige Röntgenuntersuchungen der Brust (Mammographie), das von allen Frauen zwischen 50 und 70 Jahren in Anspruch genommen werden kann. Dieses sogenannte Mammographie-Screening-Programm zeichnet sich durch strenge Qualitätssicherungsmaßnahmen aus, durch die die Qualifikation der teilnehmenden Ärzte und die technische Qualität der eingesetzten Geräte regelmäßig überprüft werden. Auch werden, um die Sicherheit zu erhöhen, alle Aufnahmen von mindestens zwei Ärzten getrennt beurteilt (Doppelbefundung).

Allerdings bietet dieses Programm keinen ausreichenden Schutz für Frauen der Hochrisikogruppe, die aufgrund einer genetischen Vorbelastung häufig lange vor dem Eintrittsalter in das Mammographie-Screening erkranken, meint Prof. Dr. med. Ulrich Bick, Radiologe an der Charité Berlin. Bick ist Sprecher des Zentrums für familiären Brust- und Eierstockkrebs der Charité, einem von derzeit 12 solchen Zentren in Deutschland, an denen ein intensiviertes Früherkennungsprogramm für Frauen der Hochrisikogruppe angeboten wird.

Gehäuftes Auftreten von Brust- und Eierstockkrebs - Zufall oder genetisch bedingt?

Zunächst einmal geht es darum, das individuelle Erkrankungsrisiko einer Frau einzuschätzen. Eine gesunde Frau ohne eine besondere Vorbelastung wird mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 10 Prozent im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs erkranken (Lebenszeitrisiko). Bei der Hochrisikogruppe liegt dieses Risiko bei bis zu 80 Prozent. "Alle Frauen, die ein Lebenszeitrisiko von mehr als 30 Prozent haben, sollten intensiver beobachtet werden", sagt Prof. Bick.

Bei den Hochrisiko-Frauen sind im familiären Umfeld häufig zwei bis drei Verwandte erkrankt. Der entscheidende Indikator ist das Alter der Erkrankung. "Je früher etwa die Mutter, eine Schwester oder eine Tante an Brust- und/oder Eierstockkrebs erkrankt ist - zum Beispiel vor dem 50. Lebensjahr - desto wahrscheinlicher ist es, dass die Krebsfälle nicht zufällig gehäuft in der Familie auftreten, sondern genetische Ursachen vorliegen. Inzwischen sind mehrere Genveränderungen bekannt, die die Wahrscheinlichkeit an Brust- und Eierstockkrebs zu erkranken erhöhen können. Am häufigsten beobachtet werden hierbei Veränderungen an den Genen BRCA1 und BRCA2, die an der Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen und der Regulation der Zellteilung beteiligt sind. Ist eines dieser Gene verändert, steigt die Gefahr eines unkontrollierten Zellwachstums", erklärt der Radiologe. Schätzungsweise 5 bis 10 Prozent aller Brustkrebserkrankungen sind auf solche genetischen Veränderungen zurückzuführen. Neben dem hohen Erkrankungsrisiko und dem frühen Ausbruchsalter kommt für die Hochrisiko-Gruppe ein zusätzlich erschwerender Faktor hinzu: Der genetisch bedingte Krebs wächst häufig schneller und aggressiver und kann an mehreren Stellen in einer oder auch in beiden Brüsten gleichzeitig auftreten. "Neben der umfangreichen Familienanamnese kann daher vor Beginn einer intensivierten Früherkennung die Durchführung einer genetischen Testung sinnvoll sein, mit der wir versuchen, Defekte an den bekannten Brustkrebsgenen auszuschließen oder zu bestätigen", sagt Prof. Bick. Da allerdings bisher nur ein Teil der für Brustkrebs verantwortlichen Genveränderungen bekannt ist, schließt ein negativer (unauffälliger) Gentest das Vorliegen einer familiären Form von Brustkrebs nicht völlig aus.

Das radiologische Früherkennungskonzept

Findet sich bei einer Frau eine Veränderung in einem der bekannten Brustkrebsgene, liegt das individuell errechnete Lebenszeitrisiko bei mindestens 30 Prozent oder liegt die Wahrscheinlichkeit einer genetischen Veränderung bei mindestens 20 Prozent, erfüllt sie die Kriterien für eine intensivierte Früherkennung in einem der 12 Zentren des von der Deutschen Krebshilfe geförderten Konsortiums für familiären Brust- und Eierstockkrebs in Deutschland. Hierbei werden neben der Tastuntersuchung vor allem bildgebende Diagnoseverfahren einsetzt. So wird den Frauen ab dem 25. Lebensjahr, bzw. 5 Jahre vor dem Erkrankungsalter der jüngsten Betroffenen in der Familie, die halbjährliche Brustsonografie angeboten.

"Die Ultraschalluntersuchung hat den Vorteil, dass mit ihr auch kleine, nicht tastbare Tumore entdeckt werden können und das Verfahren auch im dichten Brustgewebe einer jungen Frau eine hohe Empfindlichkeit aufweist", erklärt Prof. Bick. Ab dem 30. Lebensjahr können die Frauen zusätzlich jährlich eine Mammografie in Anspruch nehmen. Ein Problem: "Bestimmte aggressive Tumorformen sind bei jungen Frauen mit dichtem Drüsenparenchym in der Mammografie häufig relativ schlecht erkennbar", so der Bildgebungsexperte.

Wachsende Bedeutung der Magnetresonanztomografie

Daher wird in dem intensivierten Früherkennungsprogramm zusätzlich ab dem 30. Lebensjahr regelmäßig jährlich eine Magnetresonanztomografie (MRT) der Brust durchgeführt. "Die MRT ist das Verfahren mit der höchsten Sensitivität, sie ermöglicht die Detektion kleinster Veränderungen der Brust - und zwar bereits ab einer Größe von fünf Millimetern", beschreibt Bick die Vorteile. Allerdings gibt es auch Nachteile: "Um das Krebsgewebe in der MRT sichtbar zu machen, nutzen wir Kontrastmittel, das sich in den Krebsregionen stärker anreichert als im Normalgewebe. Gerade aber bei jungen Frauen kommt es oft zu einer physiologisch bedingten, kräftigen Anreicherung des Kontrastmittels. Damit wächst die Gefahr falsch positiver Befunde. Dennoch ist die MRT in der Hochrisikogruppe unverzichtbar, so Prof. Bick, denn gegenüber der Mammografie habe die MRT klare Vorteile bei der Beurteilung dichten Brustgewebes, also vor allem bei Frauen unter 50 Jahren.

Verstärkte Aufklärung notwendig

Schließlich sei auch die Information der Hochrisikogruppe noch nicht ausreichend in Deutschland - viele Frauen würden erst nach der ersten Krebserkrankung als Hochrisikopatientinnen identifiziert. Den größten Nutzen hat das intensivierte Früherkennungsprogramm aber gerade bei noch nicht erkrankten Frauen. Hier sei eine verstärkte Aufklärungsarbeit erforderlich und eine höhere Sensibilität für das Thema: "Bei familiärer Häufung der Erkrankung und frühem Ausbruchsalter bei einer nahen Verwandten sollte sich jede Frau möglichst früh - sofern möglich bereits vor dem 25. Lebensjahr - einer eingehenden Beratung unterziehen" fasst der Berliner Radiologe zusammen.


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Neue Leitlinien bestätigen den Einsatz der minimalinvasiven Methoden zur Behandlung des hepatozellulären Karzinoms

Hamburg im Juni 2011. Radiologen sind nicht "nur" Diagnostiker. Mit der interventionellen Radiologie stellen die "Bildgeber" der Medizin eine ganze Palette an minimalinvasiven Methoden zur wirkungsvollen und für den Patienten schonenden Tumorbekämpfung bereit. Bei der Therapie des hepatozellulären Karzinoms (HCC), dem primären Leberzellkarzinom, zieht bei selektierten Patienten die bildgesteuerte Tumorablation mittlerweile mit der konventionellen, chirurgischen Tumorentfernung gleich - eine entsprechende Erstellung der Behandlungsleitlinie ist für Deutschland in Arbeit, sagt Professor Dr. Philippe L. Pereira, Klinikdirektor an den SLK-Kliniken Heilbronn. Er wird auf dem 92. Deutschen Röntgenkongress die aktuellen Entwicklungen und Studien in der minimalinvasiven Behandlung dieser häufigen Krebsart vorstellen.

Nur ein Stich durch die Haut

"Wir unterscheiden grundsätzlich zwischen den perkutanen und den intraarteriellen Verfahren", erklärt Professor Pereira und beschreibt damit die beiden Wege, auf denen sich der 'Interventionalist' (international "Interventioneller Onkologe") dem Tumor im Lebergewebe nähern kann. Bei den perkutanen Verfahren sticht der Radiologe eine oder mehrere Sonden von etwa 1,5 Millimeter Durchmesser durch die Haut des Patienten, um zum Tumor vorzudringen. Vor Ort angelangt entströmen der Sonde Radiofrequenzen oder Mikrowellen, die den Tumor mit Temperaturen bis zu 120 Grad Celsius verkochen.

"Das Verfahren selbst ist nicht neu", sagt Professor Pereira, schon in den 20er Jahren habe man elektromagnetische Wellen zur Verödung von Tumoren eingesetzt - allerdings bei den meist sehr kleinen Hirntumoren. "Die Größe war lange Zeit ein limitierender Faktor für die Mikrowellenanwendung", erklärt Professor Pereira. "Inklusive des Sicherheitsabstands, also des gesunden Geweberings um einen Tumor, den wir ebenfalls entfernen müssen, ist die zu behandelnde Fläche bis zu fünf Zentimeter im Durchmesser. Moderne Sonden können dieses Gewebegebiet sicher verkochen." Der Patient spürt wenig von dieser hohen Wärmeeinwirkung, die Nadel erhitzt sich nicht, das Lebergewebe selbst ist schmerzfrei. Betäubt wird nur die Einstichstelle, der Patient kann während des Eingriffs wach bleiben. Ein großer Vorteil, denn auf die belastende Vollnarkose bei ohnehin schwerkranken Patienten kann bei der interventionellen Technik verzichtet werden.

Ideal für schwer zugängliche Tumoren

Ein weiterer Vorteil des minimalinvasiven Verfahrens: "Mit der Sonde kommen wir auch dorthin, wo der Chirurg in der offenen OP nicht mehr oder nur unter erheblichen Mühen hingelangt", so Pereira. Üblicherweise ist das Verfahren dreigeteilt: Zunächst wird mithilfe eines schnittbildgebenden Verfahrens (Computertomografie oder Magnetresonanztomografie) der Tumor geortet und die Entscheidung über den Zugangsweg für die Sonde gefällt. Wichtig ist hierbei, empfindliche Gewebestrukturen, allen voran größere Gefäße, zu meiden. Dann folgt - ausgehend von der "Landkarte", die das CT oder MRT bereitstellt, die exakte Platzierung der Sonde. Nach etwa einer viertel Stunde der Mikrowellenanwendung wird eine erneute Aufnahme erstellt und kontrolliert, ob das Tumorgewebe bereits vollständig verkocht ist - wenn ja, ist der Eingriff nach einer viertel Stunde abgeschlossen.

Kleinste Kügelchen schneiden den Leberkrebs oder die Lebermetastasen von der Blutzufuhr ab

Nicht nur durch die Haut, auch über die Gefäßbahnen kann der Interventionalist zum Tumor gelangen. Bei den intraarteriellen Verfahren wird ein Gefäßkatheter eingesetzt, der zumeist über die Arterie in der Leiste unter Röntgenkontrolle an das Tumorgewebe herangeführt wird. Dort angekommen streut der Katheter mikrofeine Partikel aus, die ein Zytostatikum, ein chemotherapeutisches Medikament, enthalten können. "Wir bringen das Medikament genau dorthin, wo es wirken soll und dämmen damit die Nebenwirkung, die man von der systemischen Chemotherapie kennt, radikal ein", sagt Professor Pereira. Auch bei der intraarteriellen Methode haben technische Verfeinerungen die Behandlung immer besser werden lassen, sagt Pereira mit Blick auf die Studienlage.

Denn die Trägerpartikel, die zugleich dafür sorgen, dass der Tumor von der Gefäßversorgung abgeschnitten wird, sind mittlerweile untern einem Millimeter, teilweise nur noch 0,04 mm groß. Die Partikel dringen tief in die Kapillaren des Tumors ein und schneiden ihn damit komplett von der Blutversorgung ab.

Neue Leitlinien: Minimalinvasive Therapie kurativ einzusetzen Aufgrund der in verschiedenen Studien nachgewiesenen Erfolge der mininmalinvasiven Tumorablation werden jetzt sowohl die perkutane als auch die intraarterielle Behandlung des kleinen HCC in die Behandlungsleitlinien als gleichrangig zur chirurgischen Methode aufgenommen. Beide Verfahren, die Chirurgie wie die Intervention zeigt hier eine 50-60 Prozentige Überlebensrate beim Patienten nach fünf Jahren. Diesen kurative Aspekt der interventionellen Radiologie hebt Prof. Pereira besonders hervor: "Über Jahre hinweg waren die Krebsbehandlungsmethoden der Radiologie vor allem palliativer Natur, wir haben vorrangig Metastasen bei ohnehin schwerstkranken Patienten behandelt. Jetzt zeigt sich, dass die Interventionelle Radiologie Krebspatienten auch abschließend heilen kann."


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Kommunikation auf Augenhöhe

Austausch von Radiologen und Allgemeinmediziner auf dem 92. Deutschen Röntgenkongress

Wie der Allgemeinmediziner ist auch der Radiologe Ganzkörpermediziner - umso wichtiger ist die daher Zusammenarbeit beider Fachdisziplinen und eine Kommunikation auf Augenhöhe, sagt Prof. Dr. med. Walter Hruby vom Donauspital Wien. Walter Hruby ist Präsident des 92. Deutschen und sechsten gemeinsam mit der Österreichischen Röntgengesellschaft ausgerichteten Kongresses. In der Session "Radiologie trifft Allgemeinmedizin" bot die größte Tagung der bildgebenden Medizin heute ein Forum für die beiden Schlüsseldisziplinen der Patientenversorgung.

Die Zusammenarbeit der beiden Facharztgruppen Radiologie und Allgemeinmedizin ist ein zentrales Thema der Gesundheitsversorgung, führt Hruby aus. Denn der Hausarzt ist der erste Ansprechpartner für die Patienten - 75 Prozent aller österreichischen Patientinnen und Patienten gehen bei Beschwerden zuerst zum Hausarzt. Er ist damit der wichtigste Entscheider für den weiterführenden Diagnose- und Behandlungspfad. Der Radiologe hingegen spielt die zentrale Rolle bei der Abklärung von Verdachtsdiagnosen: Mit über 500.000 Einzelleistungen führen die radiologischen Untersuchungen den Leistungskatalog bei Krankenhausaufenthalten in österreichischen Kliniken an, im ambulanten Bereich sind es noch einmal 1,5 Millionen. In der Session auf dem Röntgenkongress ging es um sehr häufige Krankheitsbilder - wie den unklaren Kreuzschmerz, den unklaren Kopfschmerz, den unklaren Bauchschmerz sowie Gelenkerkrankungen. Thematisiert wurden außerdem der für den Behandlungsablauf wichtige Austausch zwischen Hausarzt und Bildspezialist, insbesondere die Übermittlung wichtiger Patientendaten durch den zuweisenden Hausarzt sowie die praxisgerechte Aufbereitung der Bildbefunde durch den Radiologen.

Besucherrekord auf dem diesjährigen Röntgenkongress

Der heute zu Ende gehende 92. Deutsche Röntgenkongress verzeichnete einen Besucherrekord. 7.700 Ärzte, Physiker und Medizinisch-technische Radiologieassistenten besuchten den größten Kongress der medizinischen Radiologie, der vom 1. bis 4. Juni 2011 in Hamburg stattfand.


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Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution449


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Röntgengesellschaft e.V., Pressesprecher Florian Schneider, 3. und 4.6.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juni 2011