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SPORTMEDIZIN/220: Sport- und Bewegungstherapie für chronisch Herzkranke - Teil 1 (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 11/2009

Positive Auswirkungen körperlicher Aktivität
Update zur Sport- und Bewegungstherapie

Auftakt zu einer zweiteiligen Serie von Prof. Kolenda und Stefan Maurer zur Sport- und Bewegungstherapie für chronisch Herzkranke.


Unter "Sport" versteht man nach W. Hollmann, dem Nestor der deutschen Sportmedizin, muskuläre Beanspruchung mit Wettkampfcharakter und dem Ziel der herausragenden persönlichen Leistung. Bei chronisch Herzkranken, insbesondere bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK), ist ein so definierter Sport wegen des unkalkulierbaren Risikos der Überlastung und der für Herzpatienten gänzlich ungeeigneten Zielsetzung nicht indiziert. Aus diesem Grunde sprechen wir bei Patienten mit einer chronischen Herzkrankheit lieber von "Sport- und Bewegungstherapie". Dieser Begriff hebt den therapeutischen Einsatz von Sport und Bewegung hervor und macht die Abgrenzung zum Sport mit herzgesunden Personen deutlich.


Phasen der Rehabilitation bei chronischen Herzerkrankungen

Die kontrollierte und überwachte Sport- und Bewegungstherapie in stationären und ambulanten Herzgruppen ist entsprechend dem Hamburger Modell der Infarkt-Nachbehandlung seit mehreren Jahrzehnten ein anerkannter und wesentlicher Teil der "Therapiestraße", die in der Akut-Klinik mit der Frühmobilisation (Phase I) beginnt, in der Rehabilitationsklinik (Phase II) im Rahmen der Anschlussheilbehandlung (AHB) oder der Anschlussrehabilitation (AR) fortgeführt und dann in der ambulanten Herzgruppe (Phase III) im Prinzip lebenslang praktiziert wird (Abbildung 1;1-7).


Abb. 1: Hamburger Modell der Infarkt-Nachbehandlung
RehaPhase I
RehaPhase II

RehaPhase III
Akut-Klinik
Stationäre oder ambulante Rehabilitation in Reha-Klinik
oder ambulanter Einrichtung (AHB bzw. AR)
Ambulante Herzgruppe (Verordnung durch Hausarzt)

An einer stationären oder ambulanten Herzgruppe können Patienten

mit einer KHK (ohne oder mit stabiler Angina pectoris, nach Herzinfarkt, nach Bypass-Operation, nach Ballondilatation und Stent-Implantation),
nach operativer Korrektur angeborener oder erworbener Vitien bzw. Herzklappenfehler,
nach Herztransplantation,
nach Myokarditis, mit (nicht obstruktiven) Kardiomyopathien,
nach Schrittmacherimplantation
und mit hypertensiver Herzkrankheit

teilnehmen(7). Die KHK ist nach wie vor die mit Abstand häufigste chronische Herzkrankheit bei Teilnehmern in stationären und ambulanten Herzgruppen.

In den letzten Jahren haben sich an vielen Orten ambulante Rehabilitationsverfahren im Rahmen der Phase II bei ausgewählten Patienten etabliert (Abbildung 1). Für diese Form der Rehabilitation sollten die von der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen e.V. (DGPR) erhobenen Qualitätsstandards genauso Gültigkeit haben wie für die stationäre Rehabilitation in einer Rehabilitationsklinik(8,9). Voraussetzung ist das Vorhandensein eines erfahrenen, aufeinander abgestimmten interdisziplinären Teams, das eine umfassende Betreuung gewährleistet. Die ambulante Rehabilitation in der Phase II kann vor allem für diejenigen Patienten eine sinnvolle Alternative sein, für die die stationäre Rehabilitation aus beruflichen und privaten Gründen nicht infrage kommt. Ein derartiges Angebot in Form der sogenannten teilstationären Rehabilitation existiert bereits in vielen von der DGPR anerkannten Rehabilitationskliniken. Die Planung und Durchführung weiterer ambulanter Rehabilitationsangebote der Phase II sollte in enger Abstimmung mit der DGPR erfolgen.


Auswirkungen körperlicher Aktivität auf die Herzgesundheit - Studien zur Primärprävention

Seit der berühmten Paffenbarger-Studie aus dem Jahre 1978 wissen wir, dass körperliche Aktivität eine koronarprotektive Wirkung entfalten kann10. In dieser Studie konnte eindrucksvoll gezeigt werden, dass durch einen zusätzlichen wöchentlichen Kalorienverbrauch von 2000-3000 kcal durch Sport und körperliche Aktivität die Rate der kardialen Ereignisse um etwa 50 Prozent reduziert wird. Daraus lässt sich errechnen, dass ein relativ hoher täglicher Kalorienmehrverbrauch durch körperliche Aktivität in der Größenordnung von 300-400 kcal entsprechend ca. 30 Minuten Dauerlauf bzw. Jogging erforderlich ist, um einen positiven Effekt am Herzen zu erreichen. Deshalb wurde vor allem die regelmäßige Durchführung eines allgemeinen aeroben Ausdauertrainings (eingesetzte Muskulatur > 1/6 der Gesamtmuskulatur, Belastung 60-70 Prozent der maximalen kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit) als kardioprotektiv wirksame körperliche Aktivität in Betracht gezogen.

Weitere Studien von Paffenbarger(11), Sesso(12) und Slattery(13) konnten jedoch nachweisen, dass auch ein geringerer Kalorienverbrauch von ca. 1.000 kcal pro Woche das Mortalitätsrisiko der körperlich Aktiven gegenüber den Inaktiven um ca. 30-40 Prozent senken kann(14). Leon und Mitarbeiter(15) konnten 1987 im "Multiple Risk Factor Intervention Trial" zeigen, dass die Mortalitätsrate bei Männern mit mittlerem Aktivitätsniveau dreimal niedriger lag als bei Männern mit sitzender bzw. inaktiver Lebensweise. Das mittlere Aktivitätsniveau war als mindestens 30 Minuten körperliche Aktivität von mittlerer Intensität pro Tag definiert (z. B. Gartenarbeit, Reparaturarbeiten im Haus, Spaziergänge). Die Mortalitätsraten der Gruppe mit dem höchsten Aktivitätsniveau (z. B. intensives Lauftraining) unterschieden sich nicht signifikant von den Mortalitätsraten der Gruppe mit mittlerem Aktivitätsniveau. Neuere Studien von Leon(16), Andersen(17), Manson(18), Lee(19-24), Pratt(25) und Löllgen(26) bestätigten, dass neben einem sportlichen Training, das die beste Prognose ermöglicht, auch andere moderate körperliche Aktivitäten, z. B. als erhöhte Alltagsaktivität durchgeführt, die Inzidenz einer KHK und die kardiovaskuläre Mortalität signifikant senken.

Die Studien von Blair(27-29), Ming Wei(30,31), Myers(32) und Mora(33) untersuchten die Auswirkung der mittels Ergometrie gemessenen kardiorespiratorischen Leistungsfähigkeit (Fitness) auf die Inzidenz der KHK sowie das Mortalitätrisiko. Dabei wurde eine niedrige körperliche Fitness als unabhängiger Risikofaktor für die Entstehung einer Herzerkrankung und die dadurch bedingte Mortalität identifiziert. Das Erkrankungs- und Mortalitätsrisiko sank mit zunehmender Leistungsfähigkeit. Die Zunahme der körperlichen Fitness um 1 MET ("Metabolic Equivalent", entsprechend etwa 15 Watt) führte zu einer Abnahme der Mortalität um zwölf Prozent(33). Die Gruppen mit den höchsten Fitnesswerten hatten die beste Prognose, aber auch schon Personen mit mittlerer Leistungsfähigkeit hatten einen signifikanten kardioprotektiven Nutzen(14,34).

Kardiorespiratorische Leistungsfähigkeit bzw. Fitness und körperliche Aktivität stehen in einem engen kausalen Zusammenhang. Nur durch regelmäßige körperliche Aktivität lässt sich die Fitness verbessern oder erhalten. Inaktivität führt zwangsläufig zu einer schlechten Leistungsfähigkeit. Somit geben diese Studien weitere wichtige Hinweise auf den Wert körperlicher Aktivität für Leistungsfähigkeit, Herzgesundheit und -erkrankung sowie Mortalität. Die Aussage, dass sowohl Trainingsbelastungen als auch andere moderate (Alltags-)Aktivitäten eine Herz und Kreislauf schützende Wirkung haben, eröffnet für die Sport- und Bewegungstherapie und den Alltag der Patienten große Spielräume für die individuelle Gestaltung von Sport und Bewegung. So kann jeder Patient entsprechend seiner Belastbarkeit und seinen Neigungen die Bewegungsformen wählen, die zu ihm passen.


Auswirkungen körperlicher Aktivität auf die Herzerkrankung - Studien zur Sekundärprävention

Neben den Studien zur Bedeutung körperlicher Aktivität in der Primärprävention, aus denen wichtige Schlussfolgerungen für die Betreuung von Patienten mit einer manifesten Herzerkrankung gezogen werden können, gibt es auch eine gesicherte Datenlage für die Effekte der stationären und ambulanten Sport- und Bewegungstherapie mit Herzpatienten im Rahmen der Sekundärprävention.

In einer Metaanalyse konnten O‹Connor und Mitarbeiter(35) 1989 nachweisen, dass die Mortalität der körperlich aktiven Herzinfarktpatienten im Vergleich zu den inaktiven um etwa 20 Prozent gesenkt war. Eine neuere Metaanalyse von Joliffe(36) im Rahmen der Cochrane Database ergab 2002, dass eine ambulante Sport- und Bewegungstherapie bei Patienten mit einer KHK die kardiale Mortalität um 31 Prozent senkte. 2005 konnten Clark und Mitarbeiter(37) in einer weiteren großen Metaanalyse zeigen, dass mit einem umfangreichen Programm der Sekundärprävention eine Reduktion der Gesamtmortalität um 47 Prozent erreicht wurde. Dieser Effekt trat aber erst nach der Durchführung eines Trainingsprogramms von 24 Monaten ein. Nach zwölf Monaten war der Effekt noch gering ausgeprägt. Schließlich fand Müller-Fahrnow(38) heraus, dass die kontinuierliche Teilnahme an einer ambulanten Herzgruppe eine signifikante Reduktion des Mortalitätsrisikos bewirkte.

Buchwalsky(39) ermittelte in seiner Langzeitstudie mit Patienten ambulanter Herzgruppen neben einer Reduktion der kardialen Morbidität um 54 Prozent eine dadurch bedingte Senkung der Behandlungskosten um ca. 47 Prozent. Inzwischen wurde auch die klinische Effektivität körperlicher Aktivität bei chronischer Herzinsuffizienz nachgewiesen. Piepoli(40) wies bei dieser Patientengruppe 2004 in einer Metaanalyse eine Reduktion der Gesamtmortalität um 35 Prozent sowie der Hospitalisierungsrate um 28 Prozent nach und bestätigte damit die Ergebnisse von Belardinelli aus dem Jahre 1999(41).


Wirkungsmechanismen körperlicher Aktivität

Die in den oben angeführten Studien nachgewiesenen positiven Auswirkungen der körperlichen Aktivität auf die Herzgesundheit bzw. -erkrankung gründen sich auf die folgenden wissenschaftlich nachgewiesenen Wirkungsmechanismen auf Herz, Kreislauf, Atmung, Skelettmuskulatur, kardiale Risikofaktoren und Gefäßsystem:

Herz(6,14, 42-45):
Senkung der Herzfrequenz in Ruhe und unter Belastung durch erhöhten Vagotonus;
Erhöhung des Schlagvolumens;

Atmung(14, 42-46):
Senkung der Atemfrequenz in Ruhe und unter Belastung;
Stärkung der Atemmuskulatur;
Verbesserung der Sauerstoffaufnahme;

Skelettmuskulatur(14, 42-45, 48-51):
Steigerung der Muskelmasse;
Steigerung des oxidativen Metabolismus;
Fasershift von anaeroben schnellen Typ-I-Fasern zu langsamen aeroben Typ-II-Fasern;
Anti-inflammatorischer Effekt im Muskel (z.B. auch bei Herzinsuffizienz);

Risikofaktoren:

Adipositas (14, 42-45, 52):
- Senkung des Körpergewichts durch erhöhten Kalorienverbrauch

Diabetes mellitus Typ 2(14, 42-45, 52-55):
Verbesserung der Glukosetoleranz durch Senkung des Körpergewichts und Erhöhung der Insulinsensitivität in den Muskelzellen
Fasershift Typ I zu Typ II (vgl. Skelettmuskulatur);

Arterielle Hypertonie(14, 41-44, 51, 55-58):
Senkung des Blutdrucks in Ruhe und unter Belastung durch erhöhten Vagotonus und Gewichtsabnahme;

Fettstoffwechselstörungen (14, 42-45, 52, 60-62):
Senkung der Trigyzeride und des LDL-Cholesterins;
Erhöhung des HDL-Cholesterins;

Fließeigenschaften des Blutes (14, 42-45, 63-65):
Senkung Thrombozytenaggreation und -adhäsion;
Senkung des Fibrinogengehaltes;

Endothelfunktion(14, 42-45, 60, 66):
Verbesserung der koronaren endothelabhängigen Vasodilatation durch vermehrte Freisetzung von Stickstoffmonoxid (NO);
Verbesserung der Myokardperfusion;
Verbesserung der ischämiefreien maximalen Leistungsfähigkeit.

Ziele der Sport- und Bewegungstherapie

Aufgabe einer strukturierten und geplanten Sport- und Bewegungstherapie ist die Einbeziehung der oben genannten Erkenntnisse in ein therapeutisches Konzept, in das die Patienten entsprechend ihrer Belastbarkeit integriert werden.

Während der Frühmobilisation im Akutkrankenhaus und der ersten Tage nach der immer früher erfolgenden Verlegung in die Rehabilitationsklinik werden die Patienten im Rahmen einer Einzelbehandlung durch Atemübungen, leichte Gymnastik und Gehübungen mobilisiert. Dabei ist der Bewegungstherapeut auch als Gesprächspartner gefordert, damit die Patienten ihre Erlebnisse, Ängste und Sorgen äußern und verarbeiten können.

Sobald wie möglich nehmen die Patienten dann an den ihrer individuellen Belastbarkeit entsprechenden stationären Herzgruppen teil. Nur wenn ein Patient noch nicht belastbar genug für eine Gruppenteilnahme ist, wird er weiter auf seinem Krankenzimmer einzeln mobilisiert.

Die Ziele dieser stationären Sport- und Bewegungstherapie unterscheiden sich nicht von denen in den ambulanten Herzgruppen(44,67). Folgende Ziele lassen sich voneinander abgrenzen:

Somatische Ziele:
Verbesserung von krankheitsbedingten Bewegungseinschränkungen und Anleitung zur eigenständigen Durchführung der Übungs- und Trainingsformen;
Steigerung und Stabilisierung der kardiopulmonalen Belastbarkeit durch Übung und/oder Training;
Beeinflussung der somatischen Risiko- und Schutzfaktoren (Adipositas, Hypertonie, Fettstoffwechselstörung, Diabetes mellitus) durch Übung und/oder Training;
Verbesserung der Körperwahrnehmung und Selbsteinschätzung.

Psychosoziale Ziele:
Unterstützung der Krankheitsverarbeitung (Coping);
Entwicklung von Stressbewältigungsstrategien und Verbesserung der Entspannungsfähigkeit;
Förderung der individuellen psychosozialen Schutzfaktoren;
Förderung von Selbstvertrauen und sozialer Kompetenz;
emotionaler und sozialer Rückhalt durch die Gruppe;
Vermittlung von Freude und Spaß an Bewegung;
Verbesserung der allgemeinen Befindlichkeit.

Edukative Ziele:
Verbesserung des Wissens über die Erkrankung und ihre Risikofaktoren;
Entwicklung einer gesundheitsorientierten Handlungskompetenz;
Anpassung des Ess-, Ernährungs- und Genussverhaltens;
Motivation zu einem gesundheitsbewussten Lebensstil (regelmäßige körperliche Aktivität, herzgesunde fettarme Ernährung, Nichtrauchen, Stressbewältigung);
Motivation zu regelmäßiger körperlicher Aktivität unter Berücksichtigung der individuellen Belastbarkeit;
Motivation zur langfristigen Teilnahme an einer ambulanten Herzgruppe.

Der positiv und konstruktiv ausgerichtete Ansatz des Aufbaus von Schutzfaktoren im Sinne einer Salutogenese sollte dabei noch mehr Berücksichtigung finden. Bei diesem Konzept, das an den Möglichkeiten und Ressourcen der Patienten orientiert ist, stehen die Erfolgserlebnisse im Mittelpunkt. Das auf eine Vermeidungsstrategie ausgerichtete Risikofaktorenmodell (Verbote) reicht für die Motivation des Patienten allein oft nicht aus. Lebensstil-Veränderungen sollen Spaß machen und die Freude am Genießen erhalten oder sogar steigern. Nur wenn der veränderte Lebensstil (z. B. die regelmäßige körperliche Aktivität) als Steigerung der Lebensqualität und Lebensfreude erlebt wird, kann er langfristig in den Alltag integriert werden(68-71).


Kriterien für die Verordnung der Sport- und Bewegungstherapie

Bevor die Sport- und Bewegungstherapie in entsprechenden nach Belastbarkeit unterteilten Gruppen verordnet werden kann, muss zunächst die Herz-Kreislauf-Belastbarkeit ermittelt werden. Außerdem müssen andere Aspekte wie eventuelle astbarkeit ermittelt werden. Außerdem müssen andere Aspekte wie eventuelle Begleiterkrankungen (Multimorbidität), Altersveränderungen und die Einstellung zur Sport- und Bewegungstherapie berücksichtigt werden.

Die Feststellung der Herz-Kreislauf-Belastbarkeit erfolgt durch Anamnese, körperliche Untersuchung und die Anwendung technischer Untersuchungsverfahren. Neben dem EKG gehören dazu vor allem das Belastungs-EKG, die Echokardiographie, das Langzeit-EKG und auch die Langzeit-Blutdruckmessung.


Abb. 2: Beispiel für die Ermittlung des Richt- bzw.
Trainingspulses im Belastungs-EKG (Fahrradergometrie sitzend)


Herzfrequenz
2 min.
2 min.
2 min.
2 min.
1 min.
Ruhe 25 Watt
50 Watt
75 Watt
100 Watt
125 Watt
­ 64
­ 72
­ 84
­ 96 (Dauer-)Belastbarkeit
­112 124 maximale Leistungsfähigkeit

Richtpuls: 96-104 (60-70 Prozent der max. Leistungsfähigkeit)
Belastbarkeit: mind. 75 Watt
bei 75 kg: mind. 1 Watt/kg KG
bei 100 kg: unter 1 Watt/kg KG


Das Belastungs-EKG sollte in Form einer Ergometrie im Sitzen durchgeführt werden (Abbildung 2). Die Belastungssteigerung erfolgt dabei stufenweise um 25 Watt pro zwei Minuten bis zum Erreichen der Ausbelastungsfrequenz von 200 pro Minute (ab dem 60. Lebensjahr: 180 pro Minute) minus Lebensalter oder dem Auftreten folgender Abbruchkriterien:

- Angina pectoris;
- ausgeprägte Atemnot;
- allgemeine körperliche Erschöpfung;
- Ischämiezeichen im EKG;
- fehlender Blutdruckanstieg;
- hypertone Kreislaufdysregulation (> 230 mm Hg);
- gravierende Herzrhythmus- und Reizleitungsstörungen;
- Erreichen der vorausgeplanten Belastungsgrenze.

Das Ergebnis ist die jeweils maximale ergometrische Leistungsfähigkeit, die von der Dauerbelastbarkeit unterschieden werden muss. Letztere beträgt ca. 60-70 Prozent der maximalen ergometrischen Leistungsfähigkeit. Die Herzfrequenz, die auf dieser Wattstufe der Dauerbelastbarkeit gemessen wird, ergibt den sogenannten Richt- bzw. Trainingspuls (vgl. Beispiel in Abbildung 2). Dieser Richtpuls schützt die Patienten vor Überlastung, die z. B. bei Erreichen der maximalen ergometrischen Leistungsfähigkeit auftreten kann, und liefert ihnen einen optimalen Trainingsbereich sowie eine Orientierung bei ihren körperlichen Aktivitäten außerhalb der organisierten Sporttherapie. Auch für den Therapeuten/Übungsleiter ist diese Information für die Belastungsüberprüfung anhand der Pulskontrolle sehr wichtig.

Deshalb wäre es wünschenswert, wenn das BelastungsEKG auch von den niedergelassenen Ärzten nach diesem standardisierten Verfahren durchgeführt werden würde. Nur dadurch ließen sich Missverständnisse im Hinblick auf die Begriffe "maximale Leistungsfähigkeit", "(Dauer-)Belastbarkeit" und "Richt- bzw. Trainingspuls" ausräumen. In den ambulanten Herzgruppen sind Übungsleiter und Arzt auf verbindliche und aussagekräftige Daten über die einzelnen Gruppenteilnehmer angewiesen.

In der Sporttherapiestunde können Therapeut/Übungsleiter und Patienten den gemessenen Belastungspuls mit dem ergometrisch ermittelten Trainingspuls vergleichen und dementsprechend die Belastung steuern. Das Messen mit der Hand will geübt sein und beinhaltet auch dann noch Ungenauigkeiten. Schon allein die Tatsache, dass erst nach dem Ende einer Belastung per Hand gemessen werden kann, verfälscht das Ergebnis, weil währenddessen schon die Erholungsphase begonnen hat. Durch die Verwendung von Pulsuhren lässt sich dieses Problem am besten lösen(72).


Literatur bei den Verfassern

Prof. Klaus-Dieter Kolenda und Stefan Maurer, Kiel


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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 11/2009 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2009/200911/h091104a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de


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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt November 2009
62. Jahrgang, Seite 53 - 57
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz Bartmann (V.i.S.d.P.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Januar 2010