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FORSCHUNG/3296: Metabolomics in der Hirnforschung - Hunderte von Substanzen sagen, wie es der Nervenzelle geht (idw)


Universität Luxemburg / Université du Luxembourg - 18.05.2015

Metabolomics in der Hirnforschung: Hunderte von Substanzen sagen, wie es der Nervenzelle geht


Forscher des Luxembourg Centre for Systems Biomedicine (LCSB) der Universität Luxemburg ist es gelungen, für bestimmte Regionen des Gehirns Stoffwechselprofile zu bestimmen, mit denen sich neurodegenerative Prozesse genauer beschreiben lassen. Das LCSB-Team um Dr. Manuel Buttini hat dazu das Metabolom von Gehirngeweben analysiert. Unter dem Metabolom verstehen Wissenschaftler die Gesamtheit - oder zumindest einen großen Teil - aller Stoffwechselprodukte, die ein Gewebetyp zu einem bestimmten Zeitpunkt und unter spezifischen Bedingungen produziert.

"Unsere Ergebnisse, die wir an Mäusen erzielt haben, sind sehr vielversprechend", sagt Manuel Buttini: "Sie eröffnen die Möglichkeit, neurodegenerative Erkrankungen wie zum Beispiel Parkinson, besser zu verstehen und Ansätze für neue Therapieverfahren zu entwickeln". Außerdem lässt sich mit Metabolitprofilen, wie wir sie erstellt haben, die Wirkung neuer therapeutischer Wirkstoffe besser erforschen als mit gängigen Methoden. Ihre Ergebnisse haben die Forscher jetzt im "American Journal of Pathology" veröffentlicht (Am J Pathol 2015, 185: 1-14;
http://dx.doi.org/10.1016/j.ajpath.2015.02.016).

Neurodegenerative Prozesse wie Parkinson sind durch spezifische Veränderungen der Gehirnzellen gekennzeichnet: Die Gestalt der Zellen ändert sich ebenso wie ihre Funktion und die zugrunde liegenden Stoffwechselprozesse. Bisher konnten Wissenschaftler immer nur einige der zahlreichen Aspekte herausgreifen, um die Mechanismen der Krankheit zu beschreiben und besser zu verstehen. Mit der Untersuchung des Metaboloms haben die LCSB-Forscher einen wesentlich umfassenderen Ansatz möglich gemacht: Sie können jetzt Hunderte von Substanzen analysieren, die Nervenzellen in den höheren, mittleren und tiefer liegenden Hirnregionen von Mäusen produzieren. Dabei betrachten sie sowohl gesunde Gehirne, als auch solche, bei denen neurodegenerative Prozesse stattfinden.

"Für die Untersuchungen der Metabolitprofile haben wir Verfahren der Gaschromatografie in Kombination mit Massenspektrometrie eingesetzt. Diese eignen sich besonders für die Analyse komplexer Gewebeproben", erklärt Dr. Christian Jäger, einer der drei Hauptautoren der Studie. Mit diesen Metabolismus-Studien, bei denen das LCSB zu den weltweit führenden Institutionen gehört, können sowohl bereits bekannte als auch noch unbekannte Substanzen in den Gewebeproben erfasst werden. Anschließend haben die LCSB-Wissenschaftler bioinformatische Verfahren wie das so genannte Machine learning eingesetzt, um daraus metabolische Profile für die einzelnen Hirnregionen abzuleiten.

Federführend dabei war der zweite Hauptautor, Dr. Enrico Glaab: "Es hat sich gezeigt, dass Veränderungen bei einer Vielzahl von Substanzen charakteristisch für einen bestimmten Zustand der Gehirnzellen in einer der Hirnregionen sind." Durch den Vergleich mit mikroskopischen Zelluntersuchungen konnten die LCSB-Forscher dann sehr genau beschreiben, welche metabolomischen Profile für bestimmte Entwicklungsstadien neurodegenerativer Prozesse charakteristisch sind. "Nur die enge Zusammenarbeit von Experten aus völlig verschiedenen Fachgebieten wie sie am LCSB durchgeführt wird - in diesem Fall Neurobiologie, Biochemie, Molekularbiologie und Bioinformatik-, hat den erfolgreichen Ablauf unserer Studie ermöglicht." sagt Dr. Alessandro Michelucci, der dritte Hauptautor dieser Arbeit.

"Unsere Erkenntnisse sind zum einen wichtig für die Entdeckung besserer Therapieverfahren im Bereich Neurodegeneration", sagt Dr. Manuel Buttini, "und zum anderen auch für die Entwicklung neuer Medikamente gegen Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer: Mit Metabolitprofilen bekommt man bei der Erprobung potenzieller Wirkstoffe viel genauere Aussagen über deren Effekte auf die kranken Nervenzellen, als das mit mikroskopischen Verfahren oder durch die Analyse einzelner Biomoleküle möglich ist."


Weitere Informationen finden Sie unter

http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0002944015001509
Link zur wissenschaftlichen Publikation

http://www.lcsb.lu
Homepage des Luxembourg Centre for Systems Biomedicine

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1085

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität Luxemburg - Université du Luxembourg, Britta Schlüter, 18.05.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Mai 2015

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