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GESUNDHEIT/1053: Yoga in der Schwangerschaft - Entspannt und voller Energie (Securvital)


Securvital 2/12 April-Juni 2012 Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen

Yoga in der Schwangerschaft

Entspannt und voller Energie

Von Petra Peschel



Schwangerschaft ist ein körperliches und emotionales Wechselspiel. Je näher die Geburt rückt, umso stärker erleben viele Frauen einerseits Kraft und Zuversicht, andererseits aber auch Schwangerschaftsbeschwerden und innere Unruhe. Mit Yoga-Übungen unter erfahrener Anleitung bleiben werdende Mütter im Gleichgewicht.

Viele Frauen erleben die Schwangerschaft als eine von Glücksmomenten geprägte Lebensphase, in die sich durchaus auch gemischte Gefühle einschleichen: Wie verändert sich mein Körper? Werde ich eine gute Mutter sein? Wird alles gut gehen? "Geburt, das war für mich eine große Unbekannte", erzählt die 31-jährige Gymnasiallehrerin Anna Lietsch aus Konstanz, die im Mai 2011 ihr erstes Kind zur Welt gebracht hat.

In der Schwangerschaft sah sich Anna vor unzähligen Fragen: "Wie soll ich bloß liegen mit dem riesigen Bauch? Dazu kam innere Unruhe und nächtliches Sodbrennen. Beides war wirklich schlafraubend. Ich wusste damals auch nicht, was genau der Beckenboden eigentlich ist." Dabei wird gerade der Beckenboden besonders gefordert. Dieses Geflecht aus Muskeln, Bändern und Bindegewebe, einer Hängematte gleich, muss Stabilität bieten, um die Gebärmutter und das heranwachsende Kind zu tragen. Gleichzeitig muss es elastisch sein, um das Becken für die Geburt zu öffnen.


Energie für die Geburt

Zuversichtlich in den Geburtsprozess gehen, im richtigen Moment die Muskulatur aktivieren und wieder loslassen können - Anna hat das bei ihren Yoga-Übungen für Schwangere gelernt: "Ich wusste, wie ich mich unter den stärker werdenden Wehen bewegen und Wehenpausen nutzen kann. Mit den Yoga-Übungen war es, als hätte ich eine kleine Anleitung in der Schwangerschaft für meine Beschwerden und für die Geburt selbst. Ich fühlte mich nicht mehr hilflos ausgeliefert. Das hat mir viel Angst genommen."

Nicht jede Schwangere kommt automatisch auf die Idee, Yoga zu machen. Auch wenn vier bis fünf Millionen Menschen in Deutschland Yoga praktizieren - der Begriff löst teilweise noch Verwirrung aus: "Manche Frauen denken an religiöse Praktiken, andere an Hochleistungssport", erzählt die Hebamme und Schwangeren-Yogalehrerin Heike Riefler aus Gomaringen.

Doch weder Auspowern noch Bewegung in Perfektion sind das Ziel beim Yoga. Im Gegenteil: Vor Übereifer wird gewarnt. Auch beim Yoga sind Verletzungen etwa durch Überdehnung nicht ausgeschlossen. Deshalb wird empfohlen, nicht auf eigene Faust mit Yoga zu beginnen, sondern unter Anleitung von erfahrenen und gut ausgebildeten Yoga-Kursleitern.


Stressabbau

"Von den Teilnehmern meiner Kurse höre ich immer wieder, dass sie gern jeden Tag etwas für sich tun möchten, um den Belastungen des Alltags entgegenzuwirken, der Nervosität, den Rückenschmerzen und dem Stress", hat die Berliner Yogalehrerin und Buchautorin Anna Trökes beobachtet. Entspannung, Stress abbauen, zur Ruhe kommen, Burnout vorbeugen, Regeneration, Vitalität, ein positiveres Lebensgefühl - das sind tiefer gehende Ziele beim Yoga.

Bereits einfache Yogaübungen haben große Heilwirkungen auf den Organismus. Dabei geht es insbesondere um innere Achtsamkeit und den Wechsel von Anspannung und Entspannung, nicht um Körperkraft und Akrobatik. Das gilt für alle, für Yoga-Anfänger und Fortgeschrittene, für Männer ebenso wie für Frauen. Bei den Yoga-Übungen für Schwangere werden spezielle Aspekte berücksichtigt. "Wir lockern bei den Schwangeren gezielt den Beckenbereich", erklärt die Schwangeren-Yogalehrerin Heike Riefler. "Positionen wie die tiefe Hocke weiten den Beckenausgangsraum und sind auch als Gebärposition effektiv. Frauen, die aufrecht gebären, weisen oft weniger Dammverletzungen auf."

Heike Riefler weiß aus Erfahrung, dass eine Geburt, die sich oft über viele Stunden hinziehen kann, gerade für Erstgebärende Schwerstarbeit ist: "Oft sind nicht die gefürchteten Schmerzen problematisch, sondern den Frauen fehlt Kondition. Mit den Körperübungen im Yoga, den Asanas, werden sie beweglicher, kräftiger und ausdauernder. Schwangere, die regelmäßig üben, haben nach meiner Erfahrung vergleichsweise kürzere Geburtszeiten und positivere Geburtserlebnisse."

Während der Schwangerschaft in ihrer Komplexität erfährt der mütterliche Körper viele Veränderungen. Rund die Hälfte aller Schwangeren gerät bei wachsender körperlicher Fülle unter Belastung regelmäßig in Atemnot. "Ruhe und innere Einkehr können helfen, vegetative Funktionen wie den Blutdruck oder Puls auszugleichen", sagt Professor Christian J. Thaler, Chef vom Hormon- und Kinderwunschzentrum am Universitätsfrauenklinikum München-Großhadern. "Funktionen wie der Schlaf oder die Verdauung können ebenfalls günstig beeinflusst werden."

Yoga schlägt eine Brücke zwischen Naturheilkunde und klassischer Schulmedizin. Viele Gynäkologen wie Christian Thaler sind überzeugt, dass sich mit ganzheitlichen Übungsmethoden in der Schwangerschaft die Seele beruhigen und Körperenergien wecken lassen. Der Mediziner sagt aber auch: "Beim Yoga mit Schwangeren sollte individuell sichergestellt sein, dass bei den besonderen Lagerungen, Bewegungen oder Yoga-Haltungen keine negativen Auswirkungen auf die Schwangerschaft entstehen."


Atemübungen

Yoga in der Schwangerschaft ist deswegen frei von Extremen: "Es gibt Schwangere, die können bis kurz vor der Geburt fast alle Übungen machen, andere benötigen ein ruhigeres Vorgehen", beobachtet Susanne von Somm, freiberufliche Gesundheitstrainerin und Yogalehrerin in Konstanz, in ihren Kursen. Sie bildet als Dozentin, unter anderem der renommierten Organisation Yoga Vidya, Hebammen, Therapeuten und Yogalehrende in Schwangeren- und Rückbildungsyoga aus. "Grundsätzlich gilt: Yoga in der Schwangerschaft ist individuelles Yoga", sagt sie. Hierfür bilden die vom Hatha-Yoga abgeleiteten sanften Stilrichtungen wie Sivananda- und Vini-Yoga oft die Basis.

"Ein wichtiges Element ist, dass Schwangere lernen, wie der Atem durch die Wehen trägt, wie viel Kraft und Gelassenheit das lange Ausatmen schenkt". Diese Erfahrung macht man in jeder Yoga-Übungsstunde intensiver als in der üblichen Schwangerschaftsgymnastik."


Hebammen bieten Yoga an

Tatsächlich reagiert das Nervensystem positiv auf solche Atemübungen. Geist und Körper können entspannen, Schmerz verringert sich. Aus Sicht von Christiane Jaschiniok, Tanz- und Bewegungstherapeutin in Berlin, baut Yoga auf diese Weise Stress ab. "Es verfeinert die Körperwahrnehmung", betont Christiane Jaschiniok. "Das ist wichtig, um unter der Geburt entspannt bleiben zu können."

Bundesweit bieten schätzungsweise zehn Prozent aller Hebammen, die Schwangerschaftsvorsorge bzw. Geburtsvorbereitungskurse durchführen, auch Schwangeren-Yoga an. Und es werden immer mehr. Gute Informationsquellen über Kurse bieten die Landesverbände des Deutschen Hebammenverbandes (www.hebammenverband.de), die für jeden Landkreis eine Hebammenliste führen, und der Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands (www.bfhd.de).

Die SECURVITA Krankenkasse hat als erste Krankenkasse mit den Hebammenverbänden eine Vereinbarung über verschiedene Zusatzleistungen abgeschlossen, darunter neben Gruppenkursen mit Tai Chi oder Qi Gong auch für Yoga in der Schwangerschaft. Für die Versicherten der SECURVITA rechnen die Hebammen unmittelbar mit der Krankenkasse ab, auch die Rufbereitschaftspauschale von 250 Euro. Darüber hinaus zahlt die SECURVITA Krankenkasse noch ein erweitertes Geburtshilfehonorar: Betreuende Hebammen erhalten 50 Euro extra je Geburt.


Die eigene Mitte

Yoga wirkt nicht nur auf körperlicher, sondern auch auf seelischer und geistiger Ebene, meint die 30-jährige Christina Huber, die in Kürze ihr erstes Kind erwartet. "Wir verbinden uns mit dem Ungeborenen. Man kommt wieder in seine eigene Mitte. Schwangerschaft und Geburt sind etwas ganz Natürliches und nicht etwa eine Krankheit. Diese Einstellung wurde für mich durch Yoga noch einmal gestärkt."

Nach der Geburt stehen wiederum Veränderungen an. Muskeln, Bänder und Bindegewebe regenerieren sich nach den Beanspruchungen in der Schwangerschaft. Außerdem braucht das Leben mit dem Neugeborenen braucht außerdem eine neue Ordnung, die auch der jungen Mutter Selbstvertrauen verleiht. Rückbildungs-Yoga hilft dabei.

In der Zeit der Schwangerschaft, bei der Geburt und auch in den Wochen danach braucht die Schwangere sowohl kraftvolle Stabilität wie auch entspannte Leichtigkeit. Regelmäßige Bewegungs- und Entspannungsübungen des Yoga können sie dabei unterstützen.

Für die Yogalehrerin Susanne von Somm, selbst Mutter einer 7-jährigen Tochter, hat Yoga insgesamt viel bewegt: "Für mich war es eine lebensverändernde Erfahrung, alleine durch das Erleben von Wertschätzung in einem geschützten Raum, in dem jeder so sein darf, wie er ist. Für mich war das der große Moment des Ankommens bei mir selbst."


Weitere Infos:

Deutscher Hebammenverband
Gartenstraße 26, 76133 Karlsruhe
Tel. 0721 / 981890
www.hebammenverband.de

Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands
Kasseler Str. 1a, 60486 Frankfurt
Tel. 069 / 79 53 49 71
www.bfhd.de

Internetsuche nach Hebammen und Yogakursen für Schwangere:
www.hebammensuche.de, www.babyclub.de

BDY (Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland)
Jüdenstr. 37, 37073 Göttingen
Tel. 0551 / 4883808
www.yoga.de

BYV (Bund der Yoga Vidya Lehrer)
Wällenweg 42, 32805 Bad Meinberg
Tel. 05234 / 870
www.yoga-vidya.de

3HO (Verein zur Förderung des Menschen durch Yoga)
Breitenfelder Straße 8, 20251 Hamburg
Tel. 040 / 479099
www.3ho.de


Empfehlenswerte Informationen

Patricia Thielemann-Kapell: Yoga in der Schwangerschaft (mit DVD).
Gräfe und Unzer 2011, 82 Seiten, 19,99 EUR

Berufsverband Deutscher Yogalehrer: Der Weg des Yoga - Handbuch für Übende und Lehrende.
Via Nova 2007, 392 Seiten, 29,80 EUR

Birgit Laue: 1000 Fragen an die Hebamme. Empfohlen vom Deutschen Hebammenverband.
Gräfe & Unzer 2008, 560 Seiten, 19,90 EUR

Francoise Barbira Freedman: Yoga in der Schwangerschaft.
Dorling Kindersley Verlag 2007, 160 Seiten, 14,90 EUR

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Quelle:
Securvital 2/2012 - April-Juni 2012, Seite 9-11
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen
Herausgeber: SECURVITA GmbH -
Gesellschaft zur Entwicklung alternativer Versicherungskonzepte
Redaktion: Norbert Schnorbach (V.i.S.d.P.)
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Internet: www.securvita.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2012