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MELDUNG/020: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 11.12.09 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Charakterisierung von Krebsvorläuferzellen beim Multiplen Myelom
→  Neuer Mutationstyp beim erblichen Dickdarmkrebs entdeckt

Raute

Wilhelm Sander-Stiftung - 10.12.2009

Charakterisierung von Krebsvorläuferzellen beim Multiplen Myelom

Viele Krebsarten scheinen in ihrer Zusammensetzung uneinheitlicher zu sein als man lange dachte. Neue Forschungsergebnisse legen nahe, dass beim Multiplen Myelom, einer Krebserkrankung des blutbildenden Systems, der "Proliferationspool", aus dem der Großteil oder alle Krebszellen entstehen, vermutlich in unreiferen Krebsvorläuferzellen besteht, die - im Gegensatz zu den eigentlichen Tumorzellen - resistent sind gegen herkömmliche chemotherapeutische Behandlung. Die Chemotherapie-Resistenz dieser vermuteten Vorläuferzellen könnte die hohe Rückfallrate bei dieser Erkrankung erklären.

Die Wilhelm Sander-Stiftung fördert für zwei Jahre ein Projekt am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, in dessen Mittelpunkt die Isolierung und genauere Charakterisierung von Krebsvorläuferzellen beim Multiplen Myelom steht. Darauf aufbauend soll dann ein System entwickelt werden, wie man Krebsvorläuferzellen gezielt abtötet, ohne gesunde Zellen zu beeinträchtigen.

Das Multiple Myelom oder Plasmozytom ist weltweit die zweithäufigste Krebsart des blutbildenden Systems. Von zentraler Bedeutung bei dieser Erkrankung sind Plasmazellen, die als letzte Reifungsstufe von Immunzellen im Rahmen der Infektabwehr große Mengen von Antikörpern bilden und ausschütten können. Während im gesunden Organismus das blutbildende System eine Vielzahl unterschiedlicher Plasmazellen hervorbringt, kommt es beim Multiplen Myelom auf noch nicht abschließend geklärte Weise zur bösartigen Vermehrung eines einzelnen Plasmazellklons im Knochenmark. Die betroffenen Patienten leiden u.a. unter Knochenbrüchigkeit, Nierenversagen und Blutarmut. Obwohl viele Patienten auf Chemotherapie zunächst ansprechen, erleben fast alle Patienten einen Rückfall ihrer Erkrankung. Hochdosischemotherapie und neue therapeutische Konzepte, die sich auf die bösartigen Plasmazellen richten, haben zwar die Überlebenszeit verlängert, die Erkrankung gilt jedoch in der Regel auch heute noch als unheilbar. Ein Grund hierfür könnte sein, dass zwar durch die gängigen Verfahren die bösartigen Plasmazellen ausreichend abgetötet werden, nicht aber deren unreifere Krebsvorläuferzellen.

Zur Verbesserung der Therapie des Multiplen Myeloms setzt die Hamburger Forschungsgruppe auf neue Erkenntnisse über diese Vorläuferzellen. Der Patienten-individuelle Antikörper, welcher von den bösartigen Plasmazellen ausgeschüttet wird, findet sich an der Zelloberfläche der Vorläuferzellen und kann zu deren Identifizierung herangezogen werden. Ein am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf etabliertes Verfahren ermöglicht es, kleine Eiweiße ("Epitop-Mimics") zu generieren, die an diesen tumorspezifischen Antikörper binden und so als "Markierungswerkzeug" dienen können. So können die Vorläuferzellen aus Patientenblut isoliert und genauer analysiert werden. In diesem Zusammenhang soll insbesondere geklärt werden, welche genaue Rolle den mutmaßlichen Vorläuferzellen bei Entstehung und Fortschreiten der Erkrankung zukommt. Gelingt es, die Vorläuferzellen im Reagenzglas zuverlässig zu markieren, könnte darauf aufbauend ein System entwickelt werden, mit dem man Krebsvorläuferzellen im Patienten gezielt abtötet, ohne gesunde Zellen zu schädigen.

Kontakt:
Dr. Mascha Binder / Prof. Dr. Martin Trepel
II. Medizinische Klinik
Onkologie und Hämatologie
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Martinistraße 52, 20246 Hamburg
E-Mail m.binder@uke.de

Die Wilhelm Sander-Stiftung fördert dieses Forschungsprojekt mit über 200.000 €.
Stiftungszweck der Stiftung ist die medizinische Forschung, insbesondere Projekte im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden dabei insgesamt über 190 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

Weitere Informationen zur Stiftung:
http://www.wilhelm-sander-stiftung.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution890

Quelle: Wilhelm Sander-Stiftung, Bernhard Knappe, 10.12.2009

Raute

Goethe-Universität Frankfurt am Main - 09.12.2009

Neuer Mutationstyp beim erblichen Dickdarmkrebs entdeckt

Interdisziplinäres Forscherteam an der Goethe-Uni gewinnt Preis für Gastroenterologie

FRANKFURT. Etwa fünf Prozent aller Darmkrebsfälle beruhen auf erblichen Gendefekten, die unter dem Namen Lynch-Syndrom zusammengefasst werden. Ursache ist das Fehlen oder die eingeschränkte Funktion eines Proteins. Es korrigiert Kopierfehler, die unweigerlich bei der Weitergabe der Erbinformation von Mutterzelle zu Tochterzelle entstehen. Auf diese Weise sammeln sich im Erbgut Defekte, die bei bis zu 80 Prozent der Betroffenen zur Entwicklung von Karzinomen des Dickdarms führen. Ein interdisziplinäres Forscherteam am Klinikum der Goethe-Universität hat nun einen neuen Typ von Keimbahnmutationen beim Lynch-Syndrom entdeckt. Die herausragende wissenschaftliche Arbeit wurde mit dem diesjährigen Preis der Rhein-Main-Arbeitsgemeinschaft für Gastroenterologie ausgezeichnet.

Dr. Angela Brieger, die am Biomedizinischen Forschungslabor der Medizinischen Klinik I schon seit einigen Jahren das Lynch-Syndrom erforscht, hat sich auf die Untersuchung der Ursachen des vielfältigen Tumorspektrums in Lynch-Syndrom-Familien spezialisiert. Neben Dickdarmkrebs können die Betroffenen nämlich auch bösartige Tumoren in anderen Organen entwickeln; beispielsweise in der Gebärmutterschleimhaut oder dem Dünndarm. Ob ein defektes Reparatur-Protein für die Tumorentstehung verantwortlich ist, ist für die Therapie von großer Bedeutung, denn Tumoren des Lynch-Syndroms sprechen auf einige der gängigen Chemotherapeutika nicht an.

Dass die bisher bekannten Protein-Defekte nicht die einzige Ursache für das Lynch-Syndrom sein können, vermutete Angela Brieger, als sie eine Familie mit ungewöhnlichem Tumorspektrum identifizierte. In dieser Familie fand sie gehäuft Brustkrebs, der sonst nicht als assoziiertes Karzinom des Lynch-Syndroms auftritt. Die Betroffenen sprachen auf die hierfür gängigen Therapieansätze nicht an. In Zusammenarbeit mit Dr. Claus Meyer vom Diagnostikzentrum für akute Leukämie konnte die Biologin das Rätsel jedoch lösen, indem sie fehlerhafte Chromosomen aufspürte. In der Leukämie-Forschung gehört diese Methode zur Routine. Bei der Diagnostik des Lynch-Syndroms fand sie jedoch bislang keine Anwendung, weil man sich auf den Nachweis defekter Reparaturproteine beschränkte.

Die beiden Wissenschaftler identifizierten bei allen betroffenen Familienmitgliedern ein mutiertes Chromosom 3, dem ein bislang nicht beschriebener, großer Abschnitt fehlte. Das hat zur Folge, dass fünf wichtige Proteine in den Tumoren nicht mehr funktionsfähig sind. Brieger und Meyer konnten bei den Mutationsträgern dieser Familie sogar ein völlig neues Genprodukt nachweisen, das nur durch den Wegfall des Chromosomenabschnitts entstehen kann. Wie die beiden Forscher vermuten, könnte dieses Protein die Entstehung der Tumoren zusätzlich begünstigen. Dies gilt es in weiteren Untersuchungen zu klären. Brieger und Meyer gehen davon aus, dass dieser neue Typ einer Keimbahnmutation kein Einzelfall beim Lynch-Syndrom ist. Durch ihre neue Methodik der Analyse des Erbgutes sind die Wissenschaftler sich sicher, künftig noch weitere ungeklärte Lynch-Syndrom Veränderungen detektieren zu können.

Informationen:
Dr. Angela Brieger
Medizinische Klinik I, Universitätsklinik
a.brieger@em.uni-frankfurt.de

Dr. Claus Meyer
Diagnostikzentrum für akute Leukämie, Universitätsklinik
claus.meyer@em.uni-frankfurt.de

Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt am Main. 1914 von Frankfurter Bürgern gegründet, ist sie heute eine der zehn größten Universitäten Deutschlands. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein einzigartiges Maß an Eigenständigkeit. Rund um das historische Poelzig-Ensemble im Frankfurter Westend entsteht derzeit für rund 600 Millionen Euro der schönste Campus Deutschlands. Mit über 50 seit 2000 eingeworbenen Stiftungs- und Stiftungsgastprofessuren nimmt die Goethe-Universität den deutschen Spitzenplatz ein. In drei Forschungsrankings des CHE in Folge und in der Exzellenzinitiative zeigte sie sich als eine der forschungsstärksten Hochschulen.

Herausgeber:
Der Präsident
Abteilung Marketing und Kommunikation
Postfach 11 19 32, 60054 Frankfurt am Main

Redaktion:
Dr. Anne Hardy
Referentin für Wissenschaftskommunikation
E-Mail: hardy@pvw.uni-frankfurt.de
Internet: www.uni-frankfurt.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution131

Quelle: Goethe-Universität Frankfurt am Main, Dr. Anne Hardy, 09.12.2009

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Dezember 2009