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MELDUNG/183: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 26.08.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Für die Spannkraft der Organe: Elastin-Projekt in Halle
→  Merlin: zauberhafter Schalter neuronaler Netzwerke
      Neue Rolle des Merlin-Proteins aufgedeckt

Raute

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg - 25.08.2010

Für die Spannkraft der Organe: Elastin-Projekt in Halle

Elastin ist eines der wichtigsten Proteine der extrazellulären Matrix von Wirbeltieren. Als Kernprotein der elastischen Fasern verleiht es Organen wie der Haut, der Lunge, Gefäßen, elastischen Bändern und Knorpel Elastizität und Spannkraft und ist daher bedeutsam für deren dauerhafte Funktionsfähigkeit. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert ein dreijähriges Vorhaben, das sich Strukturuntersuchungen an diesem wichtigen Protein widmen soll, als 'Eigene Stelle'. Projektverantwortliche ist Dr. Andrea Heinz vom Institut für Pharmazie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Nach ihrer Promotion an der University of Otago (Neuseeland) kehrte Andrea Heinz 2008 in ihre Heimatstadt Halle zurück und arbeitete zunächst auf Basis eines Postdoc-Stipendiums der Landesgraduiertenförderung Sachsen-Anhalts am Institut für Pharmazie. Hier begann sie, sich in der Arbeitsgruppe von Professor Reinhard Neubert dem Strukturprotein Elastin zu widmen. Die Arbeitsgruppe verfügt über eine mehrjährige Expertise auf dem Gebiet der strukturellen Charakterisierung Elastins unter Nutzung leistungsstarker massenspektrometrischer Methoden.

In den vergangenen beiden Jahren erforschte Andrea Heinz, in welcher Weise das sehr resistente und langlebige Protein durch biologisch relevante Enzyme gespalten wird und welche Spaltprodukte dabei entstehen. Untersuchungen der letzten Jahre haben nämlich gezeigt, dass Elastin nicht nur strukturelle Bedeutung für die extrazelluläre Matrix hat, sondern auch eine wichtige Rolle bei verschiedenen physiologischen Prozessen spielt. So können Spaltprodukte, die während des Abbaus von Elastin entstehen, diverse Zellaktivitäten wie die Expression verschiedener Enzyme sowie Zellwachstum, -beweglichkeit und -tod beeinflussen. Der Abbau Elastins im Gewebe und der damit einhergehende Funktionsverlust sowie die Freisetzung bioaktiver Peptide stehen deshalb auch mit dem Auftreten verschiedener pathologischer Zustände und schwerwiegender Erkrankungen wie Arteriosklerose, Lungenemphysem, Hautalterung und dem Krebsgeschehen in Verbindung. "Es ist daher von großer Wichtigkeit, sowohl diese Abbauprozesse als auch die Wirkungen der Elastin-Spaltprodukte eingehend zu untersuchen und zu verstehen", sagt die Nachwuchsforscherin Heinz.

Im Rahmen des nun von der DFG geförderten Projektes wird die 29-Jährige weitere strukturelle Untersuchungen an humanem Elastin aus verschiedenen Geweben vornehmen. Bislang ist bekannt, dass elastische Fasern in verschiedenen Geweben sehr unterschiedlich strukturiert sind. "Auf molekularer Ebene wissen wir jedoch nur sehr wenig über die Quervernetzung. Wir wollen daher unter anderem neue analytische Methoden zur Charakterisierung des Quervernetzungsmusters von Elastin entwickeln." Insgesamt soll ein Verständnis der Struktur Elastins dazu beitragen, Therapien gegen Erkrankungen des elastischen Gewebes zu entwickeln, zum Beispiel mithilfe von Gefäßprothesen oder Arzneien, die den Abbau elastischer Fasern unterdrücken oder verlangsamen.

Ansprechpartnerin:
Dr. Andrea Heinz
Institut für Pharmazie, Institutsbereich Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie
E-Mail: andrea.heinz@pharmazie.uni-halle.de
Internet: http://www.elastin-forschung.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution167

Quelle: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Dipl.-Journ. Carsten Heckmann, 25.08.2010

Raute

Leibniz-Institut für Altersforschung / Fritz-Lipmann-Institut e.V. (FLI) - 25.08.2010

Merlin - zauberhafter Schalter neuronaler Netzwerke

Forscher des Fritz-Lipmann-Instituts Jena und der Universitätskliniken Jena und Bonn konnten eine neue Rolle des Merlin-Proteins aufdecken, dessen Verlust zu Hirntumoren führt: Aktives Merlin hemmt die Reifung und Vernetzung von Nervenzellen während der Gehirnentwicklung.

Wissenschaftlich bekannt wurde das Merlin-Protein durch seine Rolle als sogenannter Tumorsuppressor: Es kontrolliert als Stop-Signal die ungehinderte Vermehrung von Zellen, z.B. in verletzten Geweben. Fällt Merlin aus, wie in der erblichen Erkrankung Neurofibromatose Typ 2, entstehen gutartige Nerventumore im Gehirn und Rückenmark. Schwerhörigkeit, Schwindel und Augenerkrankungen sind meist die Folge. Was ist aber die normale, physiologische Funktion des Merlin-Proteins?

Zur Beantwortung dieser Frage untersuchten die Forscher um Dr. Helen Morrison vom Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena, zusammen mit Kollegen der Universitätskliniken Jena und Bonn, das Gehirn heranwachsender Mäuse. Hier konnten sie das Merlin-Protein, wie bereits früher bekannt, in den Zellen entdecken, die die Nervenzellen stützen und umgeben (Gliazellen und Schwann-Zellen). Erstmalig spürten sie Merlin aber in den Nervenzellen selbst auf, so auch in den Purkinjezellen des Kleinhirns. In reifenden Purkinjezellen war Merlin im Zellkörper (Soma), dessen feinen Verästelungen (Dendriten) und auch dem langen Axon-Fortsatz zu finden. "Dieser überraschende Befund beflügelte uns, der genauen Funktion von Merlin in den Nervenzellen nachzuspüren", so die Forschungsgruppenleiterin Morrison.

Hierfür kamen verhaltensauffällige Mäuse zum Einsatz, deren Purkinjezellen aufgrund von Entwicklungsstörungen verkleinerte und weniger verzweigte Dendriten aufweisen. Die Forscher fanden, dass in den Dendriten dieser Nervenzellen die Anzahl der Merlin-Proteine deutlich reduziert war. Der gleiche Befund trat auch in Nervenzellen normaler, bereits ausgewachsener Mäuse auf. "Wir vermuteten daher, dass Merlin bei der Entwicklung der Dendriten eine Rolle spielt", sagt A. Schulz, Mitarbeiter am FLI und medizinischer Doktorand am Universitätsklinikum Jena. Er analysierte die Merlin-Proteine der Mäusenerven in enger Kooperation mit Prof. Stephan Baader vom Institut für Anatomie der Universität Bonn.

In primären Nervenzellen, die im Labor gezüchtet wurden, bestätigte sich der Verdacht: Wurde die Produktion von Merlin experimentell erhöht, kam es zu einer deutlichen Abnahme des Dendritenwachstums. Umgekehrt führte die Hemmung von Merlin zur vermehrten Bildung dieser komplexen Nervenzellfortsätze. "Wir konnten aber auch auf biochemischer Ebene bestätigen, dass Merlin die Entwicklung der Dendriten reguliert", so Morrison. Schon früher zeigte sie mit ihren Kollegen, dass Merlin-Proteine durch Abspalten einer speziellen Phosphatgruppe aktiviert werden. In den Nervenzellkulturen konnte sie nun nachweisen, dass ausschließlich aktiviertes Merlin das Wachstum der Dendriten hemmt.

Die stark verästelten Dendriten stellen über Synapsen den Kontakt zu anderen Nervenzellen her und empfangen deren Nervensignale. Durch seinen Einfluss auf die Dendritenausbildung ist Merlin damit direkt an der Verschaltung solcher neuronalen Netzwerke beteiligt. Wie wichtig die Funktion der Dendriten ist, erkennt man auch daran, dass verschiedene Erkrankungen aus deren Fehlfunktion entstehen oder damit zusammenhängen. So werden in Patienten, die an Autismus, Schizophrenie, oder Depressionen leiden, häufig veränderte Dendritenstrukturen beobachtet. Ist Merlin also möglicherweise auch an der Ausprägung autistischer Syndrome beteiligt? "Zumindest wurde schon früher beschrieben, dass Mutationen des für Merlin kodierenden Neurofibromatose 2-Gens mit autistischen Erkrankungen einhergehen", bestätigt Prof. P. Herrlich, Genetiker und Direktor des Fritz-Lipmann-Instituts. Mit den neuen Erkenntnissen zu Merlins Regulation der Nervenzellen bekommt das FLI weiteren Aufwind in der Erforschung neurodegenerativer Erkrankungen.

Kontakt:
Dr. Helen Morrison
Leibniz-Institut für Altersforschung / Fritz-Lipmann-Institut (FLI)
Beutenbergstr. 11, D-07745 Jena
E-Mail: helen@fli-leibniz.de

Originalveröffentlichung:
Merlin inhibits neurite outgrowth in the CNS.
Schulz A, Geissler KJ, Kumar S, Leichsenring G, Morrison H, Baader SL
J Neurosci. 2010, 30, 10177-86

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder:


http://idw-online.de/pages/de/image122933
Immunhistochemische Darstellung von Merlin in zahlreichen zellverbindenden Fortsätzen einer neuronalen Primärzellkultur

http://idw-online.de/pages/de/image122934
Immunhistochemische Darstellung von Merlin (grün) in den verzweigten Purkinjezellen sowie Merlin-freie Bergmann-Gliazellen (rot) im Kleinhirn einer 9 Tage alten Maus

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution517

Quelle: Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut e.V. (FLI), Dr. Eberhard Fritz, 25.08.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. August 2010