Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → FAKTEN

MELDUNG/212: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 11.10.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Universitätsklinikum Jena: Neubau für einzigartiges Konzept der Sepsisforschung
→  "Es ist ein Junge!" - 200 Jahre Universitätsfrauenklinik Leipzig
→  Bakterium Yersinia pestis eindeutig als Ursache der großen Pestepidemie des Mittelalters identifiziert

Raute

Universitätsklinikum Jena - 04.10.2010

Neubau für einzigartiges Konzept der Sepsisforschung

Jena. Mit einer feierlichen Grundsteinlegung gaben am 04.10.2010 der Staatssekretär im Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Professor Thomas Deufel, und der Jenaer Sepsisforscher Professor Konrad Reinhart den offiziellen Startschuss für den Bau eines weiteren Forschungsgebäudes auf dem Jenaer Beutenberg Campus. Nach seiner für Ende 2011 geplanten Fertigstellung wird der Neubau das Zentrum für Innovationskompetenz (ZIK) "SEPTOMICS" beherbergen.

"Das neue Gebäude wird ideale Bedingungen für die Umsetzung des weltweit einzigartigen Forschungskonzeptes von SEPTOMICS bieten, in dem sich interdisziplinäre Arbeitsgruppen ausschließlich der Sepsisforschung widmen", so Prof. Dr. Konrad Reinhart, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Jena und Vorstandssprecher des Zentrums. SEPTOMICS ist eine gemeinsame Initiative der Friedrich-Schiller-Universität Jena, des Universitätsklinikums Jena und des Hans-Knöll-Instituts. Als ein Zentrum für integrierte Sepsisforschung will SEPTOMICS durch die Verknüpfung modernster interdisziplinärer Grundlagenforschung mit einer exzellenten klinischen Expertise Erkenntnislücken schließen, um bisher fehlende Sepsis-Diagnostika und -Therapeutika zu entwickeln.

Der Forschungsneubau wird zunächst zwei Nachwuchsgruppen und die Geschäftsstelle des Zentrums beherbergen. Die Arbeitsgruppen erforschen zum einen, wie aus harmlosen Besiedungspilzen aggressive Sepsiserreger werden und wie eine Pilzsepsis frühzeitig diagnostiziert werden kann, und zum anderen, was die zellulären Reaktionen des Patienten auf bakterielle Sepsiserreger sind und welche neuen diagnostischen und therapeutischen Ansätze sich daraus ergeben. Damit werden zum ersten Mal die bisher getrennten Bereiche der Erreger- und Wirtsantwortforschung komplementär bearbeitet. Beide Gruppen kooperieren eng mit der Paul-Martini-Gruppe für Klinische Sepsisforschung am Universitätsklinikum, die Patientenproben bereitstellt und Ergebnisse in klinischen Studien überprüft. Eine dritte Nachwuchsgruppe für Bioinformatik zur Auswertung der gewonnenen hochdimensionalen molekularen und klinischen Daten ist geplant.

SEPTOMICS wurde bis jetzt mit mehr als 5 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Die Bausumme für das Forschungsgebäude mit 700 m² Nutzfläche beträgt 5,4 Millionen Euro; 1,4 Millionen Euro finanziert das Land Thüringen, 4 Millionen sind EFRE-Mittel. Diese Investitionen ermöglichen neben der Realisierung des Bauvorhabens eine erweiterte Laborgrundausstattung für molekular- und zellbiologische Arbeitsräume, mit der auf zwei Etagen Experimente mit Infektionserregern der Sicherheitsstufe 2 durchgeführt werden können. Außerdem stehen den Forschern hochmoderne Geräte wie ein konfokales Laserscanning-Mikroskop, ein In-vivo-Imaging-System, ein Multiplex-Analysegerät und ein Durchflusszytometer zur Verfügung. Die Technologieplattform soll zukünftig u.a. noch um ein Proteomics-Labor erweitert werden. Büro- und Seminarräume auf beiden Etagen dienen der Auswertung der Ergebnisse und dem wissenschaftlichen Austausch, Büros für die Bioinformatik-Gruppe sind ebenfalls vorgesehen. Die Geschäftsstelle wird in zwei großzügigen Büros untergebracht.

Durch die Konzeption, die Ausstattung und durch die direkte bauliche Anbindung an das Forschungszentrum Beutenberg des Uniklinikums werden mit dem Neubau die räumlichen und technischen Voraussetzungen geschaffen, die für die Umsetzung der ehrgeizigen Forschungsziele des Zentrums für Innovationskompetenz SEPTOMICS notwendig sind.

Der Thüringer Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur Christoph Matschie nannte Jena einen bedeutenden Standort der Sepsisforschung. "Ich wünsche allen Beteiligten viel Erfolg in ihrer Forschungsarbeit. Dies wird den Ruf Jenas und Thüringens als medizinischen Forschungsstandort weiter stärken."

Weitere Informationen finden Sie unter:
http://www.septomics.de

Kontakt:
Prof. Dr. Konrad Reinhart
Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin
Universitätsklinikum Jena
E-Mail: Konrad.Reinhart[at]med.uni-jena.de
Dr. Janina Hahn, Geschäftsstelle ZIK SEPTOMICS
E-Mail: janina.hahn[at]hki-jena.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution1461

Quelle: Universitätsklinikum Jena, Dr. Uta von der Gönna, 04.10.2010

Raute

Universitätsklinikum Leipzig AöR - 08.10.2010

"Es ist ein Junge!"

200 Jahre Universitätsfrauenklinik Leipzig - 200 Jahre Hingabe, Forschung und Engagement für die Frau

9. Oktober 1810, 1:00 Uhr: Prof. Dr. Christian Gottlieb Jörg vermerkt mit akkurater Schrift im ansonsten leeren Journal, dass soeben, "halb ein Uhr" Maria Dorothea Bauerin aus Mehlis im Gothaschen von einem gesunden Jungen entbunden wurde. Der Knabe, Johann August Ludwig Bauer, getauft am 14. Oktober und am 18. Oktober mit seiner Mutter nach Hause entlassen, war das erste Kind, das in der neuen Gebäranstalt an der Universität Leipzig das Licht der Welt erblickte. 200 Jahre später stehen in den zahlreichen Geburtenbücher mehr als 500.000 Kinder, die an der Universitätsfrauenklinik geboren wurden.

Die verwitwete und kinderlose Appellationsrätin Rahel Amalia Augusta Trier hatte in ihrem Testament verfügt, dass der Universität ein Grundstück ein Grundstück mit dazugehörigen Gebäuden zur Eröffnung eines "Hebammen-Instituts" vermacht werden soll. Dank der Geldspenden weiterer Leipziger Bürger konnte das Institut eingerichtet und am 7. Oktober 1810 mit sechs Betten eröffnet werden. Jörg, der erste Ordinarius für Geburtshilfe in Leipzig, leitete das Institut, das 16 Jahre nach der Gründung schon einen anderen, größeren Standort benötigte, 46 Jahre. Sein Nachfolger, Karl Siegmund Credé ist untrennbar mit der Leitung der Nachgeburtsperiode (Credé'scher Handgriff) und der Credé'schen Augenprophylaxe zur Verhinderung der gefürchteten Neugeborenenblennorrhoe durch Gonokokkeninfektion verbunden. Credé widmete sich auch der sich rasch entwickelnden Gynäkologie. Dieser Teil des Fachgebietes wurde durch Credés Nachfolger, Paul Zweifel, weiter ausgebaut, der in Leipzig neue gynäkologische Operationsverfahren einführte. Deutschlands namhaftester Gynäkologe, Walter Stoeckel, folgte Zweifel als Ordinarius und setze einen weiteren Neubau der Frauenklinik durch, wurde aber selbst nicht mehr Nutznießer seiner Bemühungen, da er 1926, zwei Jahre vor der Inbetriebnahme, an die Charité berufen wurde. Hugo Sellheim nutzte die hervorragenden Bedingungen in Leipzig, um die Geburtsmedizin weiter zu entwickeln. Auf Sellheim folgte Robert Schröder, der der Leipziger Frauenklinik seinen unverkennbaren Stempel aufdrückte. Sein Nachfolger, Norbert Aresin, widmete sich besonders der Ehe- und Sexualberatung und förderte die Etablierung der Mikrobiologie und Zystologie. Er richtete auch die erste neonatologische Intensivstation der damaligen DDR ein. 1974 übernahm Karl Bilek die Leitung der Klinik. Er legte den Schwerpunkt auf die frühzeitige Erkennung fetaler Wachstumsstörungen sowie der Frühgeburtlichkeit. Unter seiner Leitung entwickelte sich die Universitätsfrauenklinik zu einem wichtigen Zentrum der in-vitro-Fertilisation. Wichtige Forschungsschwerpunkte lagen auch auf dem Gebiet der gynäkologischen Onkologie. Diese Tradition setze auch der derzeitige Direktor der Frauenklinik, Prof. Dr. Dr. Michael Höckel fort. Er entwickelte auf der Basis einer neuen Theorie zur Ausbreitung solider Tumoren eine neue Operationsmethode zur Entfernung des Gebärmutterhalskrebses, die Totale mesometriale Resektion (TMMR), die trotz Verzichts auf eine anschließende Strahlentherapie die 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit um etwa 15 Prozent gegenüber der herkömmlichen Wertheim-Operation erhöht.

Auch die eigentliche Geburtsmedizin hat an der heutigen Frauenklinik immer noch einen sehr hohen Stellenwert. Als sächsisches Perinatalzentrum ist man hier auf die Betreuung komplizierter Schwangerschaften, die vorgeburtliche Diagnostik von kindlichen Fehlbildungen sowie die Betreuung von Frühgeborenen spezialisiert. Im vergangenen Jahr wurden hier mehr als 2000 Geburten betreut und in diesem Jahr liegt die Zahl der Geburten bereits wieder bei 1590. Das Universitäre Kinderwunschzentrum führt die lange Tradition der in-vitro-Fertilisation und der Betreuung ungewollt Kinderloser fort und das Universitäre Brustzentrum bündelt die umfangreiche medizinische Kompetenz des Universitätsklinikums Leipzig auf dem Gebiet das Mammakarzinoms. Die Hebammenausbildung wird seit Jahrzehnten von der Medizinischen Berufsfachschule des Universitätsklinikums Leipzig sichergestellt. Die hier ausgebildeten Hebammen sind gefragte Fachkräfte in ganz Deutschland.

Gefeiert wird der Geburtstag der Frauenklinik am kommenden Sonnabend, dem 16. Oktober 2010 mit einem Festsymposium. Im Hörsaal 9 des neuen Hörsaalgebäudes der Universität treffen sich zahlreiche Mediziner als aller Welt, um das Jubiläum gemeinsam zu begehen. Viele von ihnen wurden in Leipzig ausgebildet und haben den Ruf des Trierschen Instituts in ihre jeweilige Heimat getragen. Aus Anlass des Jubiläums erscheint eine Festschrift, die auch über den Buchhandel zu beziehen sein wird (ISBN: 978-3-942360-02-9)

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.frauenklinik-leipzig.de
http://www.brustzentrum-leipzig.de
http://www.geburtsmedizin-leipzig.de
http://www.mbfs.uniklinikum-leipzig.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image126393
Appellationsrätin Rahel Amalia Augusta Trier

http://idw-online.de/pages/de/image126394
Der 1. Eintrag im 1. Geburtsbuch der neuen Klinik

Zu dieser Mitteilung finden Sie Anhänge unter:
http://idw-online.de/pages/de/attachment5251
Kurze Darstellung der Geschichte des Trierschen Instituts

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution1298

Quelle: Universitätsklinikum Leipzig AöR, Dipl.-Journ. Heiko Leske, 08.10.2010

Raute

Johannes Gutenberg-Universität Mainz - 08.10.2010

Bakterium Yersinia pestis eindeutig als Ursache der großen Pestepidemie des Mittelalters identifiziert

Der "Schwarze Tod" wurde durch zumindest zwei bisher unbekannte Varianten von Yersinia pestis hervorgerufen

Anthropologen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) belegen anhand neuester Untersuchungen, dass tatsächlich das Bakterium Yersinia pestis im Mittelalter den "Schwarzen Tod" über Europa gebracht hat. Der Ursprung der Epidemie war bisher rätselhaft und es wurde immer wieder über andere Erreger als mögliche Ursache, insbesondere für den nordeuropäischen Raum, spekuliert. Wie das internationale Team um die Mainzer Wissenschaftlerinnen anhand von DNA- und Proteinanalysen an Pestskeletten eindeutig zeigt, ist Yersinia pestis für den Schwarzen Tod im 14. Jahrhundert und die folgenden, während 400 Jahren immer wieder aufflammenden Epidemien auf dem europäischen Kontinent verantwortlich. Die Untersuchung alter Erbsubstanz aus Massengräbern in fünf Ländern zeigt außerdem, dass zumindest zwei Varianten von Yersinia pestis, die beide bisher unbekannt waren, als Krankheitserreger aufgetreten sind. "Unsere Befunde lassen vermuten, dass die Pest über mindestens zwei Kanäle nach Europa eingeschleppt wurde und dann jeweils eine individuelle Route genommen hat", sagt Dr. Barbara Bramanti vom Institut für Anthropologie.

Die Arbeiten, veröffentlicht in dem Wissenschaftsjournal PLoS Pathogens, liefern nun einen Ansatz, um die Infektionswege dieser Krankheit im Detail historisch zu rekonstruieren.

Barbara Bramanti forscht seit einigen Jahren im Rahmen eines DFG-Projekts über die großen Seuchen, die in Europa grassierten und ihre möglichen Selektionskonsequenzen. Für die jetzt veröffentlichte Arbeit wurden 76 menschliche Skelette aus mutmaßlichen Pestgruben aus England, Frankreich, Deutschland, Italien und den Niederlanden untersucht. Während andere Erkrankungen wie beispielsweise Lepra an deformierten Knochen auch lange Zeit nach dem Tod gut erkannt werden können, besteht das Problem bei der Suche nach Pestopfern darin, dass diese Krankheit innerhalb von wenigen Tagen zum Tod führen kann und keine sichtbaren Spuren hinterlässt. Wenn man Glück hat, konnte sich DNA des Erregers in der Zahnpulpa bzw. Proteinspuren in Knochen über lange Zeit erhalten. Und selbst dann ist seine Entdeckung schwierig und kann durch eventuelle Kontaminationen verfälscht werden. Das Team um Bramanti ist mit den Analysen der alten Erbsubstanz, auch "alte DNA" oder "aDNA" genannt, fündig geworden: Zehn Individuen aus Frankreich, England und den Niederlanden zeigten ein Yersinia-pestis-spezifisches Gen. Weil die Proben aus dem italienischen Parma und aus Augsburg kein Ergebnis brachten, wurden sie - erfolgreich - einer anderen Methode unterzogen, der Immunochromatographie, auf der beispielsweise auch Schwangerschaft-Schnelltests basieren.

Nachdem die Infektion mit Y. pestis eindeutig nachgewiesen war, haben Stephanie Hänsch und Barbara Bramanti anhand einer Analyse von ca. 20 Markern untersucht, ob eine der bekannten Bakterienvarianten "Orientalis" oder "Medievalis" vorliegt. Aber weder die eine noch die andere Variante wurde gefunden, stattdessen zwei unbekannte Formen, die älter sind und sich von den modernen Erregern in Afrika, Amerika, dem Nahen Osten und dem Gebiet der früheren Sowjetunion unterscheiden. Eine dieser beiden Formen, die vermutlich wesentlich zu dem katastrophalen Verlauf der Seuche im 14. Jh. beigetragen haben, ist heute mit großer Wahrscheinlichkeit ausgestorben. Die andere scheint Ähnlichkeiten mit Formen zu zeigen, die vor kurzem in Asien isoliert worden sind.

Hänsch und Bramanti zeichnen in ihrer Rekonstruktion der Ereignisse eine Ausbreitungsroute, die von der anfänglichen Einschleppung des Erregers im November 1347 aus Asien nach Marseille über Westfrankreich nach Nordfrankreich bis England verläuft. Weil im niederländischen Bergen op Zoom ein anderer Typ von Y. pestis gefunden wurde, gehen die beiden Wissenschaftlerinnen davon aus, dass die südlichen Niederlande nicht direkt von England oder Frankreich aus infiziert wurden, sondern von den nördlichen Niederlanden aus. Dies wäre eine andere Infektionsroute, die aus Norwegen kommend über Friesland ihren Weg in die Niederlande genommen hätte. Weitere Untersuchungen sind nötig, um den gesamten Ablauf des Seuchenzugs zu entschlüsseln. "Die Geschichte dieser Pandemie", so Hänsch, "ist komplizierter, als man bisher gedacht hat."

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.uni-mainz.de/presse/40354.php
http://dx.plos.org/10.1371/journal.ppat.1001134

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution218

Quelle: Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Petra Giegerich, 08.10.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Oktober 2010