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MELDUNG/224: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 29.10.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Bioinformatik-Strategie erfolgreich bei der Strukturaufklärung von Membranproteinen
→  Mehr Durchblick im OP
      Neue Dimension in der Röntgendiagnostik
→  Fortschritte bei der Gewebekultivierung von Hornhauttransplantaten

Raute

Technische Universität München - 28.10.2010

Bioinformatik-Strategie erfolgreich bei der Strukturaufklärung von Membranproteinen

Membranproteine sind der Schlüssel zu einer Vielzahl biologischer Funktionen. Doch obwohl sie eine hohe biologische und pharmazeutische Bedeutung besitzen, gelang es bisher nur in wenigen Fällen, ihre genaue Struktur und Funktionsweise aufzuklären. Mit einem neuen bioinformatischen Ansatz gelang es nun Forschern der Columbia University, New York, und der Technischen Universität München (TUM), über die Analyse von verwandten Proteinen die Struktur eines wichtigen Ionenkanals aufzuklären. Über ihre Ergebnisse berichtet die aktuelle Ausgabe des Journals Nature.

Proteine sind molekulare Maschinen, die Stoffe transportieren, chemische Reaktionen katalysieren, Ionen pumpen und Signalstoffe erkennen. Sie setzen sich aus einer Vielzahl von Aminosäuren zusammen. Die Abfolge der einzelnen Aminosäuren, die Aminosäuresequenz, ist bei einer Vielzahl von Proteinen bekannt. Doch welche Aufgaben ein Protein in der Zelle ausführen kann, entscheidet der dreidimensionale Aufbau des Proteins. Die Bestimmung dieser so genannten Tertiärstruktur stellt Forscher vor große Herausforderungen. Deshalb gibt es bei der Strukturanalyse einen enormen Nachholbedarf. Um hier voranzukommen, investierte das National Institute of General Medical Sciences (NIGMS) der Nationalen Gesundheitsinstitute der Vereinigten Staaten (NIH) im Rahmen der Proteinstrukturinitiative in den letzten zehn Jahren mehr als 500 Millionen Dollar, da es sich davon entscheidende Fortschritte für die Medizin und die Biologische Forschung erhofft.

TUM-Informatikprofessor Burkhard Rost und Marco Punta, Carl von Linde Junior Fellow am Institute for Advanced Study (TUM-IAS) der TU München, beteiligen sich an diesem Großprojekt. Sie sind an das New York Consortium on Membrane Proteine Structure (NYCOMPS) angeschlossen, das zu einem der neun geförderten Membran-Forschungszentren gehört. Im besonderen Fokus der NYCOMPS-Wissenschaftler stehen Membranproteine. Der Grund: In der pharmakologischen Forschung nehmen sie eine Schlüsselrolle ein. Wenn Arzneiwirkstoffe in die Zellen eintreten, interagieren diese normalerweise zuerst mit Membranproteinen. Die Kenntnis der Proteinstruktur ist notwendig, um diese Wechselwirkung auf molekularer Ebene zu verstehen.

Allerdings ist die experimentelle Strukturaufklärung gerade für die so wichtigen Membranproteine extrem schwierig. Viele Membranproteine lassen sich nur schwer in Bakterien herstellen, auch die Reinigung und das Kristallisieren sind eine große Herausforderung. Die Folge: Einerseits sind etwa 25 Prozent aller Proteine Membranproteine, andererseits beträgt ihr Anteil an der Gesamtzahl der Proteine, deren Struktur aufgeklärt werden konnte, weniger als ein Prozent. Somit sind die Membranproteinstrukturen 25-fach unterrepräsentiert; eigentlich sollten sie auf Grund ihrer medizinischen Bedeutung besser bekannt sein.

Da die experimentelle Analyse eines Membranproteins teilweise mehrere Jahre dauert, nutzen die NYCOMPS-Wissenschaftler eine bioinformatische Methode, das sogenannte Homology Modeling. Die grundlegende Annahme dieser Methode ist, dass Proteine mit gemeinsamen evolutionären Vorfahren sich sowohl in ihren Aminosäuresequenzen als auch in ihrer dreidimensionalen Struktur gleichen. Kann eines dieser verwandten Proteine experimentell bestimmt werden, lassen sich die restlichen vorhersagen.

Im Fall des bakteriellen Membranproteins TehA konnten sie alle Puzzleteile zusammenfügen. "In einem aufwändigen Screening haben wir durch den Vergleich Zehntausender Aminosäuresequenzen verwandte Membranproteine von TehA gesucht. In einem mehrstufigen Auswahlprozess wählten wir 43 verwandte Proteine von 38 verschiedenen Organismen aus", sagt der TUM-Bioinformatiker Marco Punta.

Wissenschaftlern der Columbia Universität gelang es nun, die Tertiärstruktur des Membranproteins TehA des Bakteriums Haemophilus influenzae experimentell mittels Kristallstrukturanalyse bestimmten. Mit einer Auflösung von 0,12 Nanometern (1,2 Ångstrøm) ist die Struktur eine der besten Kristallstrukturen, die jemals für ein Membranprotein erzielt wurde. Darüber hinaus eröffnete das Experiment eine Überraschung: Das TehA-Membranprotein weist eine bislang völlig unbekannte Faltung auf.

Nachdem die "TehA-Familie" bekannt war, konnten die Informatiker der Columbia University die Strukturen der einzelnen Proteine ableiten. Beispielhaft realisierten sie das für das pflanzliche Membranprotein SLAC1. Durch den Vergleich mit der experimentell ermittelten Proteinstruktur von TehA konnten sie eine Strukturvorhersage von SLAC1 treffen - ganz ohne Experiment, nur mit Hilfe von bioinformatischen Methoden.

"Durch dieses Verfahren haben wir eine hohe Durchsatzrate in der Strukturbestimmung. In kürzerer Zeit können wir mehr Proteine identifizieren - das war unser Ziel vor allem für die Membranproteine. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass wir mit unserer Strategie auch bei den Membranproteinen richtig liegen", so Burkhard Rost. Letztlich werden die dreidimensionalen Strukturen erfasst, um - mit Hilfe von Mutagenese-Tests - die Funktion der Proteine zu bestimmen.

Obwohl die Membranproteine TehA und SLAC1 nur entfernt miteinander verwandt sind - die Übereinstimmung der Aminosäuresequenz liegt nur bei 19 Prozent vor - war die vorhergesagte SLAC1-Tertiärstruktur so gut, dass eine neue Hypothese über die Funktion des SLAC1-Membranproteins vorgelegt werden konnte.

SLAC1 befindet sich in den Spaltöffnungen (Stomata) der Pflanze Arabidopsis thaliana. Spaltöffnungen kontrollieren den Austausch von Wasserdampf und dem für die Photosynthese wichtigen Kohlendioxid zwischen der Pflanze und ihrer Umgebung. Dabei spielt auch das Membranprotein SLAC1 als Teil eines Anionenkanals eine Rolle: Es beeinflusst den Turgordruck - den Druck der Zellflüssigkeit auf die Zellwand - und darüber den Gasaustausch der Pflanzenzelle als Reaktion auf Umwelteinflüsse wie Trockenheit und hohe Kohlendioxid-Konzentrationen.

Ungeklärt war, wie die Ionen im Kanal transportiert werden. Insbesondere war mitten im Kanal eine Aminosäure entdeckt worden, die den Weg blockiert. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass diese Aminosäure aus dem Weg klappt, wenn der Kanal durch das Andocken eines weiteren Proteins aktiviert wird.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.rostlab.org
(Website des Instituts)
http://www.nycomps.org
(Website es Forschungskonsortiums)
http://www.nature.com/nature/journal/v467/n7319/full/nature09487.html
(Originalpublikation)

Original-Publikation:
Chen Y.-h. et al.
Homologue structure of the SLAC1 anion channel for closing stomata in leaves
Nature 467: 1074-1080, 2010
DOI: 10.1038/nature09487

Kontakt:
Prof. Dr. Burkhard Rost
Technische Universität München
Institut für Informatik
Boltzmannstr. 3, 85748 Garching, Germany
E-Mail: rost@in.tum.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image127825
Durch Homology Modelling ermittelte Struktur des SLAC1-Anionen-Kanals

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution73

Quelle: Technische Universität München, Dr. Ulrich Marsch, 28.10.2010

Raute

Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK - 28.10.2010

Mehr Durchblick im OP

Neue Dimension in der Röntgendiagnostik

28. Oktober 2010 - In Deutschland werden jährlich rund 1,2 Millionen komplexe chirurgische Operationen durchgeführt. Um das Komplikationsrisiko zu verringern und Folgeeingriffe zu vermeiden, kontrollieren die Ärzte schon während des Eingriffs das Operationsergebnis durch Röntgendiagnostik. Der chirurgische Eingriff wird dazu unterbrochen. Bisher gibt es kein System, das nahtlos in den Ablauf der Operation integriert werden kann und die erforderliche dreidimensionale Bildaufnahme bei freiem Zugang zum Patienten gewährleistet. Die Lösung könnte ORBIT (Offener Röntgenscanner für die Bildgeführte Interventionelle Therapie) heißen. An ihr arbeiten Professor Erwin Keeve und sein interdisziplinäres Team vom Berliner Zentrum für Mechatronische Medizintechnik, einer Einrichtung des Fraunhofer IPK und der Charité Berlin. Das Vorhaben wird gemeinsam mit Klinikern um Professor Bodo Hoffmeister und Professor Norbert Haas sowie "Ziehm Imaging", einem der weltweit führenden Spezialisten für mobile röntgenbasierte Bildgebung realisiert. Mit dem neuen ORBIT-Röntgensystem soll die Lage von Instrumenten, Implantaten und Frakturfragmenten deutlich besser als bisher während des Eingriffs kontrolliert werden. So ließen sich viele belastende und kostspielige Folgeoperationen vermeiden.

Das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK betreibt angewandte Forschung und Entwicklung auf den Gebieten zukunftsorientierter Technologien für den Produktionsprozess und das Management von Unternehmen. Zu den Aufgaben des Fraunhofer IPK gehört es, für industrielle und öffentliche Auftraggeber Basisinnovationen in funktionsfähige Anwendungen zu überführen.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://bzmm.charite.de
http://www.ipk.fraunhofer.de

Ansprechpartner für weitere Informationen
Prof. Dr.-Ing. Erwin Keeve
Berliner Zentrum für Mechatronische Medizintechnik -
eine gemeinsame Einrichtung der Fraunhofer-Gesellschaft und der Charité Berlin
Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik
Bereich Medizintechnik
Pascalstr. 8-9, 10587 Berlin
E-Mail: erwin.keeve@ipk.fraunhofer.de

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Medieninfo zum Download

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
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Quelle: Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK, Steffen Pospischil M.A., 28.10.2010

Raute

Eberhard Karls Universität Tübingen - 28.10.2010

Forscher der Universität Tübingen beim Innovationswettbewerb Medizintechnik erfolgreich

Fortschritte bei der Gewebekultivierung von Hornhauttransplantaten

Beim diesjährigen Innovationswettbewerb Medizintechnik des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wurden Wissenschaftler der Universität Tübingen mit ihrem Projekt als eines von 15 Gewinnerprojekten ausgezeichnet: Privatdozent Dr. Lothar Just und Dr. Timo Schmidt vom Zentrum für Regenerative Medizin der Universität Tübingen arbeiten an einer neuen Bioreaktortechnologie, mit der die Gewebekultivierung für die Medizin verbessert wird.

In Deutschland benötigen jährlich 6.000 bis 8.000 Menschen einen Hornhautersatz, um ihre Sehkraft wieder zu erlangen. Es stehen jedoch viel zu wenige Spenderhornhäute zur Verfügung. Dies liegt unter anderem daran, dass während der notwendigen Kultivierung der Gewebe in Bioreaktoren etwa 15 Prozent der Spenderhornhäute an Qualität verlieren und nicht verwendet werden können. Lothar Just und Timo Schmidt haben daher eine grundlegend neue Bioreaktortechnologie für die Kultivierung und Züchtung von Geweben entwickelt. Im Gegensatz zu anderen Techniken wird den Zellen bei diesem Verfahren das Nährmedium als feiner Nebel in Form von Aerosolen zugeführt. Die Tröpfchen werden von einem Ultraschallzerstäuber erzeugt und sollen das kultivierte Gewebe schonend und vor allem besser mit Nährmedium und Sauerstoff versorgen. Diese neue Technik soll nun genutzt werden, um die Qualität von Hornhauttransplantaten, die vor der Transplantation am Auge zur notwendigen Qualitätskontrolle vorkultiviert werden müssen, zu verbessern. Die Wissenschaftler wollen nun gemeinsam mit Medizinern der Tübinger Universitäts-Augenklinik, Forschern aus Hannover und Industriepartnern aus Göttingen und Soest einen entsprechenden Bioreaktor für die Kultivierung von Hornhauttransplantaten und künstlichen Hornhäuten entwickeln. Somit könnte zukünftig mehr Patienten geholfen werden.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) lobte in diesem Jahr zum zwölften Mal den "Innovationswettbewerb Medizintechnik" aus. Besonders innovative, originelle und wegweisende Forschungs- und Entwicklungsideen der Medizintechnik werden ausgewählt und vom BMBF gefördert. Die Ideen zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich für praktische medizinische Anwendungen eignen und zugleich die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft fördern. Das BMBF fördert die diesjährigen 15 Gewinnerprojekte mit mehr als 9,1 Millionen Euro.

Kontakt:
PD Dr. Lothar Just
Universität Tübingen
Zentrum für Regenerationsbiologie und Regenerative Medizin (ZRM)
Anatomisches Institut
Österbergstr. 3, 72076 Tübingen
Ljust@anatom.unituebingen.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution81

Quelle: Eberhard Karls Universität Tübingen, Michael Seifert, 28.10.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Oktober 2010