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MELDUNG/298: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 24.02.11 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Forschung an Systemen zur gezielten und steuerbaren Medikamentenfreisetzung in der Krebstherapie
→  Molekularer Mechanismus der Bildung von neuronalen Verschaltungen aufgeklärt
→  Rostocker forschen an einer neuen Stent-Generation Verbundforschungsförderung
      für weltweit gefragte Biomedizinprodukte


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Technische Universität Dresden - 23.02.2011

Forschung an Systemen zur gezielten und steuerbaren Medikamentenfreisetzung in der Krebstherapie

Internationale Fachzeitschrift veröffentlicht Ergebnisse

Ein Forscherteam der TU Dresden erforscht erfolgreich neue Materialien, welche vor allem für Anwendungen in der Krebstherapie vielversprechend sind. Weltweit erstmals ist es ihnen gelungen metallorganische Gerüstverbindungen (MOFs, metal-organic frameworks) mit magnetischen Partikeln zu verbinden. In einer solchen Verbindung bilden Moleküle ein hochporöses Netzwerk, dessen Hohlräume mit verschiedenen Stoffen gefüllt werden können. "Theoretisch könnten dort Medikamente eingelagert werden", sagt Martin Lohe, Doktorand an der Professur für Anorganische Chemie I der TU Dresden. Er hat die neuen Erkenntnisse zusammen mit Physiker- und Chemikerkollegen entwickelt.

Mit den zusätzlichen magnetischen Partikeln können die MOF-Verbindungen im Körper nicht nur an die richtige Stelle transportiert werden, zum Beispiel dorthin, wo der Tumor sitzt. Mittels magnetischer Wechselfelder wie denen in einem MRT werden die Partikel auch erwärmt und können als eine Art Fernsteuerung genutzt werden. Medikamente werden von warmen Partikeln schneller freigesetzt, wodurch eine gewisse Steuerung der Medikamentendosierung von außerhalb ermöglicht wird. Noch ist der Einsatz der MOFs in der Krebstherapie Zukunftsmusik. Martin Lohe rechnet, dass bis dahin noch mindestens fünf bis zehn Jahren vergehen. Denn bisher sind nur sehr wenige, für den Menschen unbedenkliche und stabile MOFs bekannt. "Ein erster wichtiger Schritt ist mit unserer Erkenntnis jedoch getan", sagt er. Die hergestellten Materialien können Modell für zukünftige Weiterentwicklungen sein.

Neben der Anwendung in der Medizin können die neuen magnetischen Strukturen auch in der chemischen Industrie zum Einsatz kommen. Hier dienen die MOFs als Katalysatoren, also Hilfsmittel bei der Herstellung von Chemikalien. Dank der magnetischen Eigenschaften lassen sich die Partikel nach dem Produktionsprozess aus Flüssigkeiten schnell und einfach abtrennen. Sie können so mehrmals verwendet werden. "Das ist umweltfreundlich und nachhaltig", sagt Martin Lohe.

Die Ergebnisse der Dresdner sind jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Chemical Communications erschienen. In der monatlich erscheinenden chemischen Nachrichtenzeitschrift Chemistry World der britischen Royal Society of Chemistry wurde die Arbeit als "research highlight" vorgestellt. Auch in den USA hat die Forschung von Martin Lohe Interesse geweckt. Das Crystal Growth & Design Network der American Chemical Society ehrt die Dresdner Gruppe und ihre Erkenntnisse als "Structure of the Week".

Der Beitrag in der Chemistry World ist im Internet verfügbar.
http://www.rsc.org/chemistryworld/News/2011/February/04021102.asp

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution143

Quelle: Technische Universität Dresden, Mathias Bäumel, 23.02.2011


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Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 23.02.2011

Molekularer Mechanismus der Bildung von neuronalen Verschaltungen aufgeklärt

Neuherberg, 23.02.2011. Wissenschaftler am Helmholtz Zentrum München haben herausgefunden, wie sensorische und motorische Fasern* bei der Nervenbildung der Gliedmaßen interagieren: beide Typen von Nervenfasern können diesen Prozess anführen. Damit leisten die Forscher einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Entstehung neuronaler Netzwerke während der Embryonalentwicklung und finden einen neuen Erklärungsansatz für neurodegenerative Störungen (PLoS Biology, Februar 2011).

Bei der Nervenbildung in den Gliedmaßen wirken während der Embryonalentwicklung sensorische und motorische Nervenfasern zusammen. Das Team um Dr. Andrea Huber Brösamle vom Institut für Entwicklungsgenetik des Helmholtz Zentrums München hat nun herausgefunden, wie diese Zusammenarbeit auf molekularer Ebene funktioniert: der Oberflächenrezeptor Neuropilin-1 ist sowohl in motorischen und sensorischen Nervenfasern vorhanden und kontrolliert deren Interaktion zum richtig gesteuerten Wachstum.

"Wir konnten beobachten, dass sowohl motorische als auch sensorische Fasern die Führung übernehmen können, wenn es darum geht, die Spinalnerven von Armen und Beinen zu bilden", so die Erstautorinnen der Studie, Rosa-Eva Hüttl und Heidi Söllner, Doktorandinnen in der Gruppe von Huber Brösamle. Diese Erkenntnis hat die Forscherinnen insofern überrascht, als bisher angenommen wurde, dass motorische Nerven stets den korrekten Weg festlegen. Zugleich schaffen sie ein Modell, um strukturelle Anpassungen nach Traumata und bei neurodegenerativen Erkrankungen des Menschen verstehen zu können: "Herauszufinden, inwieweit Neuropilin-1 auch die Nervenfaserbildung im ,Gehirn beeinflusst, ist unser nächstes Ziel", so Huber Brösamle.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.helmholtz-muenchen.de/presse-und-medien/pressemitteilungen/pressemitteilungen-2011/pressemitteilung-2011/article/14261/9/index.html

Original-Publikation:
Huettl R.E. et al. (2011)
Npn-1 contributes to axon-axon interactions that differentially control sensory and motor innervation of the limb.
PLoS Biol 9(2): e1001020.
doi:10.1371/journal.pbio.1001020

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image135809
Immunhistochemische Färbung von motorischen (in grün) und sensorischen Nervenfasern (in rot) wie sie ins Füßchen des Mausembryos einwachsen. Wildtyp (a) und nachdem Neuropilin 1 in den sensorischen Nervenzellen eliminiert wurde (b). Deutlich zu sehen: die Fasern erreichen das Füßchen nicht mehr in gebündeltem Zustand, zudem haben die sensorischen die motorischen Fasern überholt (Pfeile).

* Hintergrund
Nervenstränge haben unter anderem motorische und sensorische Fasern. Die sensorischen Fasern übertragen Signale über körperliche Empfindungen (z. B. Schmerz), während motorische Fasern die Kontraktion und Bewegung der Muskeln steuern.

Das Helmholtz Zentrum München
ist das deutsche Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt. Als führendes Zentrum mit der Ausrichtung auf Environmental Health erforscht es chronische und komplexe Krankheiten, die aus dem Zusammenwirken von Umweltfaktoren und individueller genetischer Disposition entstehen. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 1.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens auf einem 50 Hektar großen Forschungscampus. Das Helmholtz Zentrum München gehört der größten deutschen Wissenschaftsorganisation, der Helmholtz-Gemeinschaft an, in der sich 16 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit etwa 30.000 Beschäftigten zusammengeschlossen haben.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution44

Quelle: Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Susanne Eichacker, 23.02.2011


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Universität Rostock - 23.02.2011

Rostocker forschen an einer neuen Stent-Generation Verbundforschungsförderung für weltweit gefragte Biomedizinprodukte

Wirtschaftsminister Jürgen Seidel hat heute in Rostock den Startschuss für das bislang größte Verbundforschungsprojekt im Rahmen der 2007 neu ausgerichteten Landesförderung gegeben. An dem Vorhaben des 1998 gegründeten Medizintechnikunternehmens CORTRONIK GmbH in Warnemünde sind insgesamt fünf Forschungspartner aus Mecklenburg-Vorpommern beteiligt.
Es geht um die Entwicklung eines medikamentenbeschichteten Stents, der sich nach einer gewissen Zeit im Gefäß selbst rückstandslos auflöst. "Das ist eine weltweite gefragte Neuentwicklung und ein großer Schritt für die Herzmedizin", sagte Wirtschaftsminister Jürgen Seidel. Die Laufzeit des Projektes beträgt drei Jahre. Das Projektvolumen für das Unternehmen beträgt rund 8 Millionen Euro, für Hochschulen und Forschungseinrichtungen 2,6 Millionen Euro.

Neben der federführenden CORTRONIK GmbH sind das Warnemünder Institut für Implantattechnologie und Biomaterialien e.V., die Hochschule Wismar mit dem Institut für Oberflächen- und Dünnschichttechnik, die Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt Mecklenburg-Vorpommern GmbH Rostock sowie die Universität Rostock mit dem Institut für Biomedizinische Technik und die Universität Greifswald mit dem Institut für Pharmakologie und dem Institut für Pharmazie in das Verbundvorhaben "TheraNova - Neuartige Transkatheter-Therapien - Innovative Technologien, Materialien und Prozesse" eingebunden.
"Ebenso wichtig wie finanzielle Mittel sind verlässliche Partner, die die Anwendung von neu zu entwickelnden Verfahren und Produkten ermöglichen.
Die CORTRONIK GmbH hat solche Partner. Die beiden Universitäten, eine Hochschule des Landes und zwei Forschungseinrichtungen sind in dem Verbund vertreten", so Seidel weiter. "Nach und nach wurden Medizinprodukte entwickelt, internationale Märkte erobert und die Kapazitäten erweitert.
Heute hat die CORTRONIK GmbH 152 Mitarbeiter. Mit dem neuen Projekt sollen weitere hochwertige Arbeitsplätze entstehen", betonte der Wirtschaftsminister. "Genau das ist Sinn und Zweck unserer Verbundforschungsförderung. Wir wollen den Fachkräften im Land Perspektiven aufzeigen, hierzu gehören attraktive und wissensbasierte Jobs in Mecklenburg-Vorpommern."

Der erste Metallstent, der Medikamente abgibt und sich komplett auflöst. Das Projekt der CORTRONIK GmbH beinhaltet die Entwicklung neuartiger Stents (Gefäßstützen) für das Herz-Kreislauf-System, die zum einen biologisch abbaubar und zum anderen medikamentenbeschichtet sind. Bei diesen neuen Gefäßstützen sorgen auf die Implantatoberfläche aufgebrachte und im Körper abgegebene Medikamente dafür, dass Verletzungen, die durch die Einführung selbst geschehen können, an Ort und Stelle behandelt werden. Darüber hinaus lösen sich die implantierten Stents nach einer bestimmten Zeit selbst auf. Das Implantat übernimmt nach dem Einsatz eine Stützfunktion und baut sich später, wenn das Gefäß gekräftigt ist, selbstständig wieder ab. Weitere Schwerpunkte liegen zudem in der Entwicklung spezieller Fertigungsverfahren (Laser-Mikrobearbeitung, Gasphasenabscheidung) und Prüfmethoden für diese Modelle.

Das Warnemünder Institut für Implantattechnologie und Biomaterialien e.V. (www.iib-ev.de) ist als einer der fünf Verbundpartner im Projekt für die Etablierung von Prüf- und Analyseverfahren für die neuartigen Transkatheter-Therapieplattformen verantwortlich. Das Teilprojekt der Hochschule Wismar (www.fz-wismar.de) verfolgt die Prozessentwicklung zur Fertigung mikroporöser Oberflächenschichten für vaskuläre Stents mit Medikamentenbeschichtung. Die Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt Mecklenburg-Vorpommern GmbH in Rostock (www.slv-rostock.de) arbeitet dabei an einem innovativen Verfahren zur Herstellung neuartiger Stents mit speziellen metallischen Legierungen und Kunststoffen. Die Hauptaufgabe besteht unter anderem in der Schaffung neuer, extrem feiner Stentstrukturen im Bereich von wenigen 10 Mikrometern (µm). Ziel der gemeinsamen Forschergruppe an der Universität Rostock (www.ibmt.med.uni-rostock.de) und der Universität Greifswald (www.medizin.uni-greifswald.de/pharmako und www.uni-greifswald.de/~pharma) ist die Grundlagenentwicklung im Bereich abbaubarer Stentplattformen und Ballonkatheter mit aktiven Beschichtungen.

Weltweiter Zukunftsmarkt

Seit mehr als 20 Jahren werden Stents als minimal invasive Alternative in der Gefäßchirurgie eingesetzt, um verschlossene Arterien zu behandeln. Der Stent, ein strukturiertes Röhrchen aus Metalllegierungen oder Polymeren, wird mittels eines Ballonkatheters im betroffenen Bereich der Arterie expandiert, um den Blutfluss wieder herzustellen. Alle heute zugelassenen Stents haben den Nachteil, dass ein permanenter Grundkörper im Gefäß verbleibt und potenziell zu Entzündungsreaktionen und somit ernsthaften Komplikationen führen kann. Bezüglich der auflösbaren (resorbierbaren) Stents existieren nur sehr wenige klinische Daten und Studien. Die Kombination aus sowohl biologisch komplett abbaubaren als auch arzneimittelbeschichteten Metallstents ist eine Neuentwicklung.

Der Weltmarkt für Medizintechnologien hat nach Schätzungen ein Volumen von 220 Mrd. Euro. Deutschland ist nach den USA und Japan der drittgrößte nationale Markt in diesem Bereich. Der Bedarf des Gesundheitsmarktes an innovativen Therapieverfahren und neuen Medizinprodukten ist enorm. Gerade die Bereiche der biofunktionalisierenden Implantatoberflächen und bioabsorbierbaren Materialien haben ein sehr großes Marktpotenzial. In der modernen Kardiologie und Radiologie gewinnt gerade der Anteil an minimalinvasiven und patientenschonenden Therapieverfahren rasant an Bedeutung. Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems sind mit ca. 50 Prozent eine der häufigsten Todesursachen. Laut Deutscher Herzstiftung werden in Deutschland etwa 270.000 Stents pro Jahr bei Herzpatienten eingesetzt.

Seit 2004 konnte die Cortronik GmbH den Absatz von konventionellen Stents durchschnittlich um 15 Prozent jährlich steigern. Im vergangenen Jahr produzierte das Rostocker Unternehmen einige hunderttausend Stents. "Für die Schaffung von zukunftsorientierten Arbeitsplätzen wurde in der laufenden EU-Förderperiode erstmals die Forschungsförderung aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) ermöglicht", sagte Wirtschaftsminister Seidel. In der EU-Förderperiode 2007 bis 2013 steht ein hohes und verstärktes Fördermittelbudget für Forschung und Entwicklung in Höhe von insgesamt 155 Millionen Euro aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) zur Verfügung. Im Zeitraum von 2008 bis 2010 wurden 204 Verbundprojekte in Forschung und Entwicklung gefördert. Von 2007 bis 2010 wurden insgesamt 91,2 Millionen Euro für 516 Forschungsprojekte (Gesamtzahl: Verbundvorhaben und einzelbetriebliche Vorhaben im Bereich Forschung, Entwicklung und Innovation) und 11 Netzwerkvorhaben bewilligt.

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:

http://idw-online.de/de/image135799
CORTRONIK GmbH Produktion von medikamentenbeschichteten Stents bei der CORTRONIK GmbH Rostock-Warnemünde.

http://idw-online.de/de/image135800
Ansicht eines superelastischen Nickel-Titan-Stents

Universität Rostock
Medizinische Fakultät
Institut für Biomedizinische Technik
Direktor: Prof. Dr.-Ing. Klaus-Peter Schmitz
Friedrich-Barnewitz-Straße 4, 18119 Rostock
E-Mail: klaus-peter.schmitz@uni-rostock.de
www.ibmt.med.uni-rostock.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution210

Quelle: Universität Rostock, Ingrid Rieck, 23.02.2011


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Februar 2011