Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → FAKTEN

MELDUNG/426: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 28.09.11 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Warum sich Schmerzen ausbreiten
→  DEGAM fördert Nachwuchs für die Allgemeinmedizin
→  Glykobiologie: Erforschung komplexer Zuckerstrukturen gewinnt an Bedeutung
→  Leberkrebs: Arzneimitteltransporter aktivieren - Chemotherapie-Resistenz brechen


*


Universitätsklinikum Heidelberg - 26.09.2011

Warum sich Schmerzen ausbreiten

Millionen-Förderung für die Erforschung neuer diagnostischer und therapeutischer Ansätze bei chronischen Muskel- und Gelenkschmerzen / Forschungsverbund unter Federführung der Heidelberger Universitätsklinik für Psychosomatik

Was tut sich in Muskeln, Gelenken, Nerven und Haut, wenn Schmerzen nicht mehr abklingen, sondern sich im Gegenteil ausbreiten? Wie kommt es, dass einige Patienten eine Ausbreitung ihrer Schmerzen erfahren, während bei anderen Menschen die Beschwerden z.B. auf den Rücken beschränkt bleiben?

Diesen Fragen gehen Wissenschaftler aus Heidelberg, Mannheim, Mainz und Marburg nun gemeinsam im Rahmen eines neuen Forschungsverbundes (LOGIN) auf den Grund. Ihr Ziel ist es, die Ausbreitung chronischer Schmerzen aufzuklären und so neue Ansatzpunkte für Diagnostik und Therapie zu identifizieren. Koordinator des Gemeinschaftsprojektes, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 3,5 Millionen Euro gefördert wird, ist Professor Dr. Wolfgang Eich, Spezialist für chronische Schmerzen am Universitätsklinikum Heidelberg.

Etwa jeder Vierte in Deutschland leidet unter anhaltenden Schmerzen der Muskeln und Gelenke in Rücken, Nacken, Schultern oder Beinen, sogenannten chronischen muskuloskelettalen Schmerzen. Chronisch sind diese Schmerzen dann, wenn sie trotz Einnahme von Medikamenten oder Krankengymnastik nach drei Monaten noch unverändert andauern. Teils fangen sie in einer umschriebenen Stelle des Körpers an und breiten sich im Laufe der Zeit aus, so dass Schmerzen im Knie, der Hüfte, den Schultern oder Armen hinzukommen. Betroffene sind in ihren alltäglichen Bewegungen - z. B. bei der Arbeit - erheblich eingeschränkt.

Ungeklärt ist bisher die Frage, warum zum Beispiel Kreuzschmerzen ohne erkennbaren Grund andauern und warum plötzlich auch an anderen Stellen des Körpers Schmerzen hinzukommen. Ausbreitung kann dabei auf zweierlei Art und Weise verstanden werden, nämlich zeitlich und örtlich. Wenn sich Schmerzen zeitlich ausdehnen, wenn sie also über Monate andauern, spricht man von chronischen Schmerzen. Wenn sie sich örtlich und von einem Körperteil zum nächsten ausbreiten spricht man von Generalisierung. Chronifizierung und Generalisierung sind die beiden bislang nicht verstandenen Mechanismen, die eine Therapie erschweren.

"In unseren Projekten untersuchen wir mit einer breiten Palette an Methoden, wie es dazu kommt, dass Schmerzen nicht abklingen, sondern sich sogar ausbreiten", erklärt Professor Eich, Leiter der Sektion für Integrierte Psychosomatik an der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik des Universitätsklinikums Heidelberg. Der Forschungsverbund umfasst sieben eng vernetze Projektgruppen mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

Genaue Einteilung chronischer Schmerzen erlaubt gezielte Therapie

Ein wichtiges Ziel der Verbundprojekte ist es, die Schmerzen bestimmten Auslösern und Entstehungsmechanismen zuzuordnen, um für jede Gruppe geeignete Behandlungsansätze zu entwickeln. Zudem wollen die Wissenschaftler erforschen, wer besonders gefährdet ist, Schmerzen an vielen Stellen des Körpers zu entwickeln, und warum. "Solange wir die Mechanismen und Auslöser chronischer Schmerzen nicht ausreichend verstehen, bleiben Therapien unspezifisch und nur bedingt erfolgreich", so Eich.

Professor Dr. Siegfried Mense, Centrum für Biomedizin und Medizintechnik Mannheim (CBTM), und sein Team untersuchen mit anatomischen und physiologischen Methoden die Mechanismen die dazu führen, dass sich chronische Rückenschmerzen in andere Körperregionen ausbreiten. Den Zusammenhang von chronischen Schmerzen und Depression sowie die Rolle körpereigener Signalstoffe der Schmerzverarbeitung (Endocannabinoide), untersucht Professor Dr. Beat Lutz, Universitätsklinikum Mainz.

Wie beeinflussen Depressionen oder soziales Umfeld das Schmerzempfinden?

Für ein genaueres Verständnis der normalen Abläufe der Schmerzentstehung und -verarbeitung sind Studien mit gesunden Probanden unerlässlich: So untersucht Professor Dr. Martin Schmelz, Universitätsklinikum Mannheim, den Einfluss bestimmter Proteine in Nerven (Nervenwachstumsfaktoren) auf die Empfindlichkeit gegenüber Schmerzen. Das Team um Professor Dr. Rolf-Detlef Treede, CBTM, prüft mit Hilfe spezieller Reizverfahren, wie sich die Tiefenschmerzwahrnehmung bei gesunden Probanden und Schmerzpatienten mit und ohne generalisiertem Schmerz unterscheidet.

Ziel der Studie von Professor Dr. Herta Flor, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim, ist es u.a., die vom Gehirn ausgehende Schmerzhemmung bei Patienten mit chronischem Rückenschmerz und generalisiertem Schmerz (Fibromyalgie) zu erfassen. Auch der Einfluss von Endocannabinoiden, Wachstumsfaktoren und Psychotherapie wird dabei berücksichtigt. Das Team um Professor Eich beschäftigt sich mit der Rolle psychischer Erkrankungen wie Ängsten oder Depressionen bei der Wahrnehmung und Verarbeitung von Schmerz und welche Auswirkungen dies auf Schmerz-Biomarker hat. Wie sich der individuelle Umgang mit Rückenschmerzen oder das soziale Umfeld der Patienten auf die Ausweitung der Schmerzen auswirken und was einzelne Patienten davor bewahrt eine Ausbreitung ihrer Schmerzen zu erfahren, ist Forschungsgegenstand von Professor Dr. Annette Becker, Universität Marburg.


Weitere Informationen im Internet:
www.login-verbund.de/
www.klinikum.uni-heidelberg.de/Psychosomatik-des-Bewegungssystems.5547.0.html

Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der größten und renommiertesten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international bedeutsamen biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung neuer Therapien und ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 10.000 Mitarbeiter und sind aktiv in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 Departments, Kliniken und Fachabteilungen mit ca. 2.000 Betten werden jährlich rund 550.000 Patienten ambulant und stationär behandelt. Derzeit studieren ca. 3.600 angehende Ärzte in Heidelberg; das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland.
www.klinikum.uni-heidelberg.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung 137 / 2011:
http://idw-online.de/de/institution665

Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg, Dr. Annette Tuffs, 26.09.2011


*


Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V. - 27.09.2011

DEGAM fördert Nachwuchs für die Allgemeinmedizin

Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) hat eine Nachwuchsakademie gegründet mit dem Ziel, frühzeitig Medizinstudierende für die Allgemeinmedizin zu begeistern. Bewerben können sich ab sofort Studierende, die im fünften oder einem höheren Semester sind. Die Bewerbungsfrist endet am 15. Januar 2012. Das Konzept sieht vor, einmal jährlich etwa 12 Studierende auszuwählen. Es ist eine Förderdauer von drei bis vier Jahren geplant - bereits im April 2012 sollen die ersten Studierenden in die Akademie aufgenommen werden. Die Förderung des allgemeinmedizinischen Nachwuchses sieht die DEGAM als eine ihrer zentralen Aufgaben an. Die Nachwuchsakademie ist eingebettet in ein mehrstufiges Programm, welches unter anderem eine beitragsfreie DEGAM-Mitgliedschaft für Medizinstudierende, eine Summerschool sowie eine individuelle Unterstützung durch Mentoren umfasst.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.degam.de
ausführliche Informationen zur Nachwuchsakademie sowie die Bewerbungsunterlagen

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution1230

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V., Dr. med. Isabelle Otterbach, 27.09.2011


*


Baden-Württemberg Stiftung - 27.09.2011

Glykobiologie - Erforschung komplexer Zuckerstrukturen gewinnt an Bedeutung

Baden-Württemberg Stiftung stellt 3,5 Mio. für Forschungsprojekte zur Verfügung

Wichtige Schwerpunkte des Forschungsbereichs der Baden-Württemberg Stiftung sind Themen der Gesundheit und Medizin. Jetzt startet die Stiftung ein neues Forschungsprogramm zur Glykobiologie. Die Identifikation und Erforschung von komplexen Zuckerstrukturen hilft, neue Wege für Diagnostik und Therapien zu erschließen. Wissenschaftler aus Tübingen, Stuttgart, Freiburg, Karlsruhe, Heidelberg, Mannheim, Konstanz und Hohenheim forschen in insgesamt zehn Projekten für die Dauer von drei Jahren. Das Programm wurde mit 3,5 Mio. Euro ausgestattet.

Stuttgart, 27. September 2011 - Lebenswissenschaftliche Forschung ist für den Wissens- und Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg von großer Bedeutung. Die Baden-Württemberg Stiftung engagiert sich in dem für die Lebenswissenschaften wichtigen Feld der Glykobiologie.

Zuckermoleküle spielen eine wichtige Rolle bei Krebs, kardiovaskulären Erkrankungen und Immunreaktionen. Sie sind außerdem ein wichtiger Bestandteil für innovative Biomaterialien, die in Implantaten und Prothesen Verwendung finden: Werden die Oberflächen der eingesetzten Materialien gezielt durch Zuckerstrukturen modifiziert, sind sie besser verträglich für den menschlichen Körper. Erst durch wichtige technische Neuerungen der letzten Zeit wie massenspektrometrische Techniken oder Array-Technologien ist die Erforschung komplexer Zuckerstrukturen in den Fokus biowissenschaftlicher Forschung gerückt. Ziel der Baden-Württemberg Stiftung ist es, dieses neue Forschungsfeld im Land zu verankern und damit die Chancen von Wissenschaft und Wirtschaft im internationalen Wettbewerb zu stärken.

Christoph Dahl, Geschäftsführer der Baden-Württemberg Stiftung, erklärte: "Die lebenswissenschaftliche Forschung unterstützen wir mit zahlreichen Programmen. Damit tragen wir dazu bei, innovative Forschung voranzutreiben und Baden-Württemberg noch besser für die Zukunft zu rüsten."

Zehn Forschungsprojekte im Land beteiligt

Ein Projekt am Interfakultären Zentrum für Biochemie der Universität Tübingen erforscht z.B. Tumorviren, die verschiedene Arten von Glykanrezeptoren auf Zelloberflächen erkennen und dadurch eine kausale Rolle bei der Entstehung des "Merkel Cell Carcinoma", einer bestimmten Art von Hautkrebs, spielen. Langfristiges Ziel ist es, die Bindung des Virus an die Glykanrezeptoren und damit den Hautkrebs zu verhindern.

An den Universitäten Stuttgart und Konstanz arbeiten Forscher gemeinsam daran, Verfahren zu entwickeln, die die Verträglichkeit und langlebige Integration von Titanimplantaten verbessern. Mit Hilfe von Zuckerstrukturen sollen neuartige Titanoberflächen geschaffen werden, die als Kontaktfläche zwischen Knochen und Implantat, z.B. bei einer Hüftprothese, dienen.

Im Mittelpunkt eines Projekts der Universität Freiburg steht die Entwicklung eines schnellen und einfachen Diagnoseverfahrens für die chronisch-lymphatische Leukämie (B-CLL) - die häufigste Leukämieerkrankung bei Erwachsenen. Untersucht werden in diesem Forschungsprojekt Zuckerreste auf molekularer Ebene, die eine wichtige Rolle spielen bei der B-Zellentwicklung, die wiederum die Entstehung und den Verlauf der Krankheit entscheidend beeinflusst.

Weitere Projekte beschäftigen sich u.a. mit der Bedeutung von Zuckerstrukturen für Stoffwechselerkrankungen oder allergischen Reaktionen. Andere wollen neue Analysemethoden entwickeln wie innovative Enzymtests oder eine verbesserte Massenspektromie-Analytik, die für die Grundlagenforschung der Biowissenschaften von grundlegender Bedeutung ist.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.bwstiftung.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution900

Quelle: Baden-Württemberg Stiftung, Julia Kovar, 27.09.2011


*


Wilhelm Sander-Stiftung - 27.09.2011

Leberkrebs: Arzneimitteltransporter aktivieren - Chemotherapie-Resistenz brechen

Die Arbeitsgruppe um Dr. Anne Nies am Dr. Margarete Fischer-Bosch-Institut für Klinische Pharmakologie in Stuttgart untersucht molekulare Grundlagen der Aufnahme von Medikamenten in die Leber. Insbesondere wollen die Forscher aufklären, welche Proteine als sogenannte Arzneimitteltransporter den Übertritt von Chemotherapeutika in das erkrankte Lebergewebe fördern oder behindern. Ziel der Arbeiten ist es, die Chemotherapie von Leberkrebspatienten zu verbessern.

Leberkrebs (hepatozelluläres Karzinom, abgekürzt HCC) ist weltweit eine der häufigsten Todesursachen durch bösartige Erkrankungen. In Deutschland erkranken jährlich etwa 6.000 Menschen an diesem Tumor. Am häufigsten entsteht HCC, wenn die Leber bereits durch eine Entzündung geschädigt ist. Leberentzündungen treten insbesondere nach Infektion mit Hepatitis-B-Viren oder Hepatitis-C-Viren auf. Da Leberkrebs oft erst in fortgeschrittenem Stadium zu Beschwerden führt, wird er häufig auch erst in einem späten Krankheitsstadium diagnostiziert. Die Lebenserwartung von Patienten mit fortgeschrittenem HCC liegt bei einigen Monaten.

Um das unkontrollierte Wachstum der Krebszellen zu verhindern, werden häufig Chemotherapeutika eingesetzt. Eine vollständige Heilung scheitert jedoch in vielen Fällen daran, dass einige Krebszellen nicht auf die verabreichten Medikamente ansprechen. Insbesondere bei Leberkrebs ist diese Chemotherapie-Resistenz ausgeprägt. Die häufigste Ursache der Resistenz ist, dass die Medikamente nicht in ausreichender Menge in die Krebszellen hineingelangen beziehungsweise aktiv ausgeschleust werden. Sowohl für eine Aufnahme von Substanzen in Zellen als auch für deren Auswärtstransport sind bestimmte Proteine, sogenannte Arzneimitteltransporter, verantwortlich. Sie sind gleichsam als Pförtner in der Zellhülle enthalten und kontrollieren den Substanzfluss.

In einem von der Wilhelm-Sander-Stiftung geförderten Projekt wollen die Forscher um Dr. Nies aufklären, welche Arzneimitteltransporter in Leberkrebsgewebe aktiv sind und ob ihr Vorkommen von bestimmten Faktoren wie zum Beispiel Alter oder Geschlecht des Patienten abhängt. Die Untersuchungen sollen zu einem besseren Verständnis der Chemotherapie-Resistenz bei Leberkrebs beitragen und haben das Ziel, die Behandlung durch Chemotherapie zu verbessern.

Die Wilhelm Sander-Stiftung
fördert dieses Forschungsprojekt mit rund 100.000 Euro. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 190 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.
Weitere Informationen zur Stiftung:
http://www.wilhelm-sander-stiftung.de

Kontakt (Projektleitung): Priv.-Doz. Dr. Anne Nies Dr. Margarete Fischer-Bosch-Institut für Klinische Pharmakologie Auerbachstrasse 112, 70376 Stuttgart E-Mail: anne.nies@ikp-stuttgart.de http://www.ikp-stuttgart.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution890

Quelle: Wilhelm Sander-Stiftung, Sylvia Kloberdanz, 27.09.2011


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2011