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Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg - 02.11.2011

Manche Tumorzellen sind gefährlicher als andere

Nur bestimmte Darmkrebsstammzellen fördern die Entstehung von Metastasen: Wissenschaftlern um Prof. Dr. Hanno Glimm in der Abteilung von Prof. Dr. Christof von Kalle vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen NCT) und Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist es gelungen, Unterkategorien von krebsauslösenden Zellen, den sogenannten Tumor-initiierenden Zellen (TIC) bei Darmkrebs zu definieren. Wie die Forscher jetzt gemeinsam mit Kollegen des Universitätsklinikums Heidelberg in der internationalen Fachzeitschrift Cell Stem Cell beschrieben, treiben nur bestimmte Zellen das Tumorwachstum und die Tumorausbreitung voran.

Bösartige Tumoren wie der Darmkrebs bestehen aus ganz unterschiedlichen Zellen. Neben der großen Masse an Tumorzellen gibt es Bindegewebszellen, Blutgefäße, Immunzellen und Tumorstammzellen. Wissenschaftler diskutieren seit längerem, ob die sogenannten Tumorstammzellen, ähnlich wie die Stammzellen in normalem Gewebe, den Charakter der Erkrankung bestimmen und die lebensbedrohlichen Metastasen bilden. Bei vielen Untersuchungen fiel immer wieder auf, dass sich die meisten Zellen im Tumorgewebe selten teilen und auch nicht in andere Gewebe aussiedeln. Da die meisten Krebspatienten, deren Erkrankung nicht geheilt werden kann, an den Folgen der Metastasen sterben, ist die erfolgreiche Zerstörung der auslösenden "Tumorstammzellen" zentral für einen Behandlungserfolg. Dies gilt unabhängig davon, ob der größte Teil des restlichen Tumors unter der Behandlung schnell oder langsam abstirbt.

"Wir müssen herausfinden, welche Zellen auf welchen Wegen die Metastasenbildung vorantreiben. Denn dieses Wissen ist insbesondere wichtig, um in der Zukunft die Behandlungserfolge auch bei denjenigen Darmkrebspatienten weiter verbessern zu können, in deren Körper sich der Krebs bereits ausgebreitet hat und eine Operation nicht mehr möglich oder sinnvoll ist", erklärt Hanno Glimm von der Abteilung Translationale Onkologie seine Fragestellung.

Das Team markierte menschliche Darmkrebsstammzellen mit einem genetischen "Barcode" und transplantierte sie in Mäuse, deren Immunsystem ausgeschaltet war. Die Mäuse entwickelten daraufhin Tumoren, die auch Metastasen bildeten. Nun verfolgten die Forscher die markierten Darmkrebszellen im primären Tumorgewebe, in der Blutbahn, im Knochenmark und in den Metastasen. Sie fanden heraus, dass in jeder Tochtergeschwulst nur wenige und oft die gleichen der ursprünglich vorhandenen Barcodes auftauchten, diese Metastasen also nur aus einer begrenzten Anzahl von Darmkrebsstammzellen stammten. Diese Aktivität ließ sich noch weiter in funktionelle Unterkategorien einteilen. Als besonders wichtige Gruppe fielen den Forschern dabei die Langzeittumor-initiierenden Zellen (LT-TIC) ins Auge: Sie zirkulieren im Blut und reichern sich im Knochenmark an. Sie behalten dabei jedoch ihre Tumor-initiierenden Eigenschaften bei und sind somit an der Ausbildung von Metastasen beteiligt.

"Unsere Entdeckung erlaubt es uns, neue Therapien gezielt gegen die Tumor-initiierenden Zellen beim Darmkrebs zu entwickeln", freut sich Christof von Kalle. "Wenn es uns in ferner Zukunft gelingen könnte, diese metastasierenden Zellen wirksam auszuschalten, könnten wir Patienten mit metastasiertem Kolonkarzinom besser helfen."

Darmkrebs ist eine der häufigsten Krebserkrankungen in den westlichen Ländern. Jährlich erkranken in Deutschland rund 68.740 Menschen an Darmkrebs und ca. 27.225 Menschen sterben daran. Neben den Lebens- und Ernährungsgewohnheiten tragen insbesondere genetische Faktoren zur Entstehung dieser Krebsart bei.

Kontaktdaten:

Prof. Dr. med. Hanno Glimm
Abteilung für Translationale Onkologie
Nationales Zentrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg
Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 460
69120 Heidelberg
E-Mail: hanno.glimm@nct-heidelberg.de
www.nct-heidelberg.de

Prof. Dr. med. Christof v. Kalle
Abteilung für Translationale Onkologie
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 460
69120 Heidelberg
E-Mail: christof.kalle@nct-heidelberg.de

Sebastian M. Dieter, Claudia R. Ball, Christopher M. Hoffmann, Ali Nowrouzi, Friederike Herbst, Oksana Zavidij, Ulrich Abel, Anne Arens, Wilko Weichert, Karsten Brand, Moritz Koch, Jürgen Weitz, Manfred Schmidt, Christof v. Kalle, Hanno Glimm.
Distinct Types of Tumor-Initiating Cells Form Human Colon Cancer Tumors and Metastases.
Cell Stem Cells 2011
Online: Oct 4; 357-65.
DOI 10.1016/j.stem.2011.08.010

Zu dieser Mitteilung finden Sie Anhänge unter:
http://idw-online.de/de/attachment11990
Pressemitteilung als PDF

Über das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg:
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums, des Universitätsklinikums Heidelberg, der Thoraxklinik Heidelberg und der Deutschen Krebshilfe. Letztere fördert das NCT als onkologisches Spitzenzentrum. Ziel des NCT ist die Verknüpfung von vielversprechenden Ansätzen aus der Krebsforschung mit der Versorgung der Patienten von der Diagnose über die Behandlung, die Nachsorge sowie der Prävention. Die interdisziplinäre Tumorambulanz ist das Herzstück des NCT. Hier profitieren die Patienten von einem individuellen Therapieplan, den fachübergreifende Expertenrunden, die sogenannten Tumorboards, zeitnah erstellen. Die Teilnahme an klinischen Studien eröffnet den Zugang zu innovativen Therapien. Das NCT ist somit eine richtungsweisende Plattform zur Übertragung neuer Forschungsergebnisse aus dem Labor in die Klinik.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution1453

Quelle: Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg, Alenka Tschischka, 02.11.2011


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2011