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MELDUNG/468: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 02.12.11 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Knochenmarktransplantation: Gefahrensignale erkennen - Risiken minimieren
→  Genomweite Studie verbessert Verständnis der Blutbildung


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Wilhelm Sander-Stiftung - 01.12.2011

Knochenmarktransplantation: Gefahrensignale erkennen - Risiken minimieren

Blutkrebserkrankungen wie Leukämien werden in der Regel mit einer Knochenmarktransplantation behandelt. Das Immunsystem des Patienten soll durch die Stammzellen des Spenders im Kampf gegen den Krebs unterstützt werden. Leider tritt bei dieser Therapie häufig eine lebensbedrohende Nebenwirkung auf: die Graft-versus-Host Erkrankung (GvHD). Verursacht wird sie durch eine Gewebeintoleranz zwischen Stammzellspender und Patient. Das Forscherteam um PD Dr. Robert Zeiser am Uniklinikum Freiburg ist dabei, "Gefahrenmoleküle" zu identifizieren, die während der Therapie freigesetzt werden und das Risiko an GvHD zu erkranken erhöhen.

GvHD verursacht massive Gewebeschädigung insbesondere im Bereich der Haut, dem Darm und der Leber. Auslöser dafür ist eine starke Immunantwort der Zellen des Spenders gegen verschiedene Gewebe des Patienten. Beteiligt an dieser Immunreaktion sind Signalstoffe, die dem Immunsystem signalisieren, dass eine schwere Gewebeschädigung stattgefunden hat.

In einer ersten Projektphase konnte Robert Zeiser zusammen mit Forscherkollegen zeigen, dass es durch die mit der Bestrahlungstherapie einhergehende Schädigung von Empfängergewebe zur lokalen Freisetzung des Gefahrensignals Adenosintriphosphat (ATP) in den Gewebezwischenraum kommt. Der Nachweis erfolgte Im Mausmodell mithilfe manipulierter Zellen, die auf ihrer Oberfläche das Enzym Luziferase tragen. Die Luziferase reagiert mit freiem ATP und setzt dabei kleine Lichtblitze frei - ähnlich wie bei Glühwürmchen. Die Häufigkeit der Lichtsignale messen die Forscher, um so Rückschlüsse auf das Vorkommen des Gefahrensignals ziehen zu können. Parallel zu den Untersuchungen im Mausmodell konnte auch bei Patienten, die wegen einer Leukämie eine Stammzelltransplantation erhalten hatten und daraufhin eine GvHD entwickelten, nachgewiesen werden, dass sich ATP im Bauchraum - also außerhalb der Zellen - anreichert.

Die Arbeitsgruppe will nun in einer zweiten Projektphase die Frage klären, ob neben ATP auch andere Gefahrenmoleküle an der Entstehung der GvHD beteiligt sind. "Für eine mögliche klinische Anwendung unserer Erkenntnisse müssen wir prüfen, ob bei einer Neutralisation der Gefahrenmoleküle der eigentlich gewünschte Effekt der Knochenmarkstransplantation trotzdem erhalten beleibt - nämlich die Abwehr des Tumors durch die Spenderzellen", gibt Zeiser einen Ausblick auf weitere Schritte.

Kontakt (Projektleitung):
PD Dr. med. Robert Zeiser
Oberarzt am Universitätsklinikum Freiburg
Innere Medizin I, Abteilung: Hämatologie / Onkologie
robert.zeiser@uniklinik-freiburg.de
http://www.uniklinik-freiburg.de

Weitere Informationen zur Stiftung:
http://www.wilhelm-sander-stiftung.de/

Die Wilhelm Sander-Stiftung fördert die Fortsetzung dieses Forschungsprojekt mit rund 200.000 Euro, nachdem die erste Phase bereits mit 80.000 Euro unterstützt wurde. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 190 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution890

Quelle: Wilhelm Sander-Stiftung, Sylvia Kloberdanz, 01.12.2011


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Helmholtz Zentrum München / Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 01.12.2011

Genomweite Studie verbessert Verständnis der Blutbildung

Neuherberg, 30.11.2011. Welche Gene zur Bildung von Blutplättchen beitragen, aber auch ein neuer Regulator für die Aufnahme von Eisen aus der Nahrung und neue Erklärungsansätze für die Vererbung von Bluterkrankheiten sind die Ergebnisse einer groß angelegten internationalen Studie unter maßgeblicher Beteiligung des Helmholtz Zentrums München. Die Ergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe des renommierten Fachjournals Nature veröffentlicht.

Regulation der Blutplättchen-Bildung: 68 neue Gene

Größe und Anzahl der Blutplättchen* werden unter anderem von 68 neu identifizierten Genen beeinflusst. Die von diesen Genen kodierten Proteine interagieren in einem komplexen Netzwerk miteinander. Dies zeigt die bisher größte genomweite Assoziationsstudie zur Bildung von Blutplättchen, an der das Helmholtz Zentrum München maßgeblich beteiligt ist. "Möglicherweise haben wir zugleich neue Targets gefunden, um bessere und sicherere Blutplättchenhemmer zur Behandlung von Herzinfarkt- und Schlaganfallpatienten zu entwickeln", sagt Dr. Christian Gieger, Senior-Koautor vom Institut für Genetische Epidemiologie am Helmholtz Zentrum München.

Zusammenhänge mit Bluterkrankheit

Die von Christian Gieger zusammen mit Willem H. Ouwehand von der Universität Cambridge und Nicole Soranzo vom Wellcome Trust Sanger Institut geleitete Forschergruppe konnte zeigen, dass einige der neu identifizierten Gene mit Genen überlappen, die zu vererbten Bluterkrankheiten führen. Dies lässt vermuten, dass nicht nur die bisher bekannten, sondern auch einige der neu gefundenen Gene eine Rolle bei ihrer Entstehung spielen. Damit könnte die Studie direkte klinische Relevanz besitzen.

Neuer Regulator für Eisenaufnahme aus der Nahrung

Einige der identifizierten Gene wurden durch die Forschergruppe systematisch in Modellorganismen wie dem Zebrafisch und der Fruchtfliege funktionell untersucht. Dabei zeigte sich, dass das menschliche ARHGEF3-Gen** ein bisher unbekannter, wichtiger Regulator bei der Aufnahme von Eisen aus der Nahrung ist. Auch bei Zebrafischen verhindert eine reduzierte Genaktivität nicht nur die Produktion von Blutplättchen, sondern auch die von roten Blutkörperchen, da die blutbildenden Zellen kein Eisen binden können. "Diese Studie ist ein Musterbeispiel dafür, wie genomweite Assoziationsstudien erfolgreich neue biologische Funktionen aufdecken können", so Gieger.

Weitere Informationen

Original-Publikation:
Gieger C. et al. (2011):
New gene functions in megakaryopoiesis and platelet.
Nature, doi:10.1038/nature10659

Fachlicher Ansprechpartner
Dr. Christian Gieger
Institut für Genetische Epidemiologie
Helmholtz Zentrum München -
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH)
Ingolstädter Landstraße 1, 85764 Neuherberg
E-Mail: christian.gieger@helmholtz-muenchen.de

Weitere Informationen finden Sie unter

http://www.nature.com/nature/journal/vaop/ncurrent/full/nature10659.html
Link zur Originalpublikation

http://www.helmholtz-muenchen.de/presse-und-medien/pressemitteilungen/pressemitteilungen-2011/pressemitteilung-2011/article/15562/index.html
Link zur Originalpressemitteilung

Das Helmholtz Zentrum München
verfolgt als deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 1.900 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 17 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 31.000 Beschäftigten angehören.
www.helmholtz-muenchen.de

Hintergrund
* Blutplättchen oder Thrombozyten sind Zellen, die im Blut zirkulieren und entscheidend für die Blutgerinnung und Wundheilung sind. Eine außergewöhnlich hohe oder niedrige Anzahl der Blutplättchen kann zu Erkrankungen führen. Eine Erhöhung der Anzahl der Blutplättchen oder eine Erhöhung deren Größe kann zu einem erhöhtem Risiko für eine Thrombose, deren möglicher Folgen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall führen. Eine sehr geringe Anzahl von Blutplättchen erhöht das Risiko von Blutungen.
** Das ARHGEF3-Gen kodiert für den Rho-Guanine-Nukleotid-Exchange-Faktor (GEF) 3, der in Blutplättchen vorkommt, aber auch in leukämischen und neuronalen Gewebe vorkommt.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution44

Quelle: Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Susanne Eichacker, 01.12.2011


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Dezember 2011