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MELDUNG/668: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 13.03.13 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→ Dynamische neue Verbindungen
→ Ausreiseverbot für Darmkrebszellen
→ Biochemie: Ein Ausknopf für den Zellalarm



Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau - 12.03.2013

Dynamische neue Verbindungen

Forscherteam der Universität Freiburg entschlüsselt, welches Signal die erste Zellwanderung im Embryo aktiviert

Ein Freiburger Forschungsteam hat die molekularen Kontrollmechanismen aufgezeigt, durch die sich die zuerst fest zusammenhängenden Zellen des Embryos eines Zebrafisches so verändern, dass sie die erste große Zellwanderung ihrer Entwicklung beginnen können. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Abteilung Entwicklungsbiologie des Instituts für Biologie I, dem Zentrum für Biosystemanalyse und dem Exzellenzcluster BIOSS Centre for Biological Signalling Studies der Universität Freiburg unter der Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Driever haben ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Developmental Cell" veröffentlicht.

Für die Biomedizin ist es wichtig, die Wanderungsbewegungen von Zellen zu verstehen. Bei gesunden Menschen und Tieren sind die Bewegungen einzelner Zellen zum Beispiel essentiell für die Heilung von Wunden. Bei einer Krebserkrankung kann es dagegen tödlich sein, wenn die Krebszellen im Körper wandern und Metastasen bilden. Besonders gut können Zellwanderungen in Modellorganismen wie dem Zebrafisch untersucht werden, da sich deren Embryonen im Wasser entwickeln und die Bewegung jeder einzelnen Zelle im Mikroskop betrachtet werden kann.

Nach der Befruchtung des Eies und den folgenden Zellteilungen müssen die ersten Zellen des Embryos fest zusammenkleben, da sich sonst der Embryo in mehrere Teile aufspalten kann. Kurze Zeit später beginnen die Zellen zu wandern, um die Keimblätter des Embryos zu bilden. Dazu müssen sich die festen Verbindungen auflösen. Die Freiburger Biologinnen und Biologen konnten zeigen, dass der Stammzellfaktor Oct4 die Bildung eines Signals, des Epidermalen Wachstumfaktors (EGF), kontrolliert. EGF steuert den Transport des wichtigsten Zellverbindungsproteins E-Cadherin von der Zellmembran ins Zellinnere. Dadurch wird die Aktivität von E-Cadherin an der Zellmembran reguliert und die Zellen beginnen dynamisch neue Verbindungen einzugehen und zu wandern.

Das Projekt wurde im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 850 "Kontrolle der Zellmotilität bei Morphogenese, Tumorinvasion und Metastasierung" durchgeführt. Aus der Arbeit ergeben sich wichtige Aspekte für die Untersuchung, wie sich Krebsmetastasen bilden: Die Komponenten EGF und E-Cadherin sind auch an dem so genannten Epithel-zu-Mesenchym-Übergang beteiligt, der Metastasen auslösen kann. Interessant für die Erforschung von Krebsstammzellen ist zudem die Frage, wie sich Oct4 an deren Regulation beteiligt.

Originalveröffentlichung:
Sungmin Song, Stephanie Eckerle, Daria Onichtchouk, James A. Marrs, Roland Nitschke, Wolfgang Driever.
Pou5f1-dependent EGF expression controls E-cad endocytosis, cell adhesion, and zebrafish epiboly movements.
Developmental Cell Vol. 24, p 486-501
DOI: 10.1016/j.devcel.2013.01.016

Kontakt:
Prof. Dr. Wolfgang Driever
Institut für Biologie I
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
E-Mail: driever@biologie.uni-freiburg.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.pr.uni-freiburg.de/pm/2013/pm.2013-03-12.66-en

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image196946
Gruppen rot und grün markierter Zellen des Zebrafisch während der ersten Wanderungsbewegung.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution69

Quelle: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, Rudolf-Werner Dreier, 12.03.2013

Raute

Deutsche Krebshilfe e. V. - Bonn, 12. März 2013

Ausreiseverbot für Darmkrebszellen

Forscher untersuchen, warum Tumorzellen in andere Organe übersiedeln

Heidelberg (gb) - Die Haupttodesursache bei Darmkrebs sind Zweittumoren - ausgelöst von Krebszellen, die den Darm verlassen und sich meist in der Leber ansiedeln. Wie und warum sie das tun, ist noch unklar. Eine Reihe kleiner Moleküle könnte helfen, Licht in das Dunkel zu bringen - die sogenannten Mikro-RNAs. Während sie in gesunden Zellen eine Vielzahl lebenswichtiger Prozesse regeln, unterstützen manche Mikro-RNAs in Krebszellen offenbar das bösartige Wachstum. Wie das im Detail funktioniert, wollen Forscher aus Heidelberg nun aufklären. Ihr Ziel: Ein Ausreiseverbot für bösartige Zellen. Ihre Ausbreitung im Körper soll verhindert werden. Die Deutsche Krebshilfe fördert das Forschungsvorhaben mit 190.000 Euro.

Kleine Moleküle mit großer Wirkung: Mikro-RNAs spielen in fast allen Lebewesen eine wichtige Rolle. Dies wurde seit ihrer Entdeckung vor knapp 20 Jahren durch US-Forscher in den letzten Jahren immer deutlicher. Sie bestimmen, in welcher Menge ein bestimmtes Eiweiß hergestellt wird. Wie bei einem Kochrezept ist eine zu geringe Menge einer Zutat wirkungslos, eine Prise zu viel kann das Gericht schon ungenießbar machen. Mikro-RNAs ermöglichen sozusagen das Feintuning der Eiweißproduktion und stellen die richtige Balance innerhalb der Zelle sicher. Beim Menschen sind bis heute über 700 verschiedene Mikro-RNAs entdeckt worden.

Doch die kleinen Moleküle tun nicht nur Gutes: "Wir vermuten, dass bestimmte Mikro-RNAs Krebszellen so umprogrammieren können, dass sich diese im Körper verbreiten", erklärt Professor Dr. Heike Allgayer vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Bei der Untersuchung von Patientengewebe entdeckten sie und ihr Team, dass bestimmte Mikro-RNAs in unterschiedlichen Mengen in gesundem Darmgewebe, Tumorgewebe und umherwandernden Krebszellen vorhanden sind - für die Wissenschaftler ein direkter Hinweis auf deren Einfluss auf das Krebsgeschehen. "Mikro-RNAs könnten beispielsweise die Produktion eines krebshemmenden Stoffes hemmen, der eigentlich das Auswandern in andere Organe verhindert", so Allgayer weiter.

Die Heidelberger Forscher untersuchen nun, welche Prozesse von den verdächtigen Mikro-RNAs in Darmkrebszellen reguliert werden. In weiteren Versuchen klären sie, ob sie das Ausbreiten der Krebszellen verhindern können, indem sie die Mikro-RNAs blockieren. "Mit unseren Erkenntnissen wollen wir dazu beitragen, Krebszellen zukünftig gezielt von der Ausbreitung im Körper abzuhalten", hofft Allgayer.

"Eine Krebserkrankung wird lebensbedrohlich, wenn sich die bösartigen Zellen von ihrem Ursprungstumor lösen und über die Blut- oder Lymphbahnen in andere Organe gelangen", betont Gerd Nettekoven, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krebshilfe. "Das Verständnis dieser Prozesse ist eine wichtige Voraussetzung für neue Therapien gegen Krebs."

Hintergrundinformation: Krebsforschung
Die Fortschritte in der Krebsforschung haben dazu beigetragen, neue und immer wirkungsvollere Therapien gegen Krebs zu entwickeln und bestehende Behandlungsansätze weiter zu optimieren. Diese Erfolge sind auch der Deutschen Krebshilfe zu verdanken - die gemeinnützige Organisation ist der bedeutendste private Förderer der Krebsforschung in Deutschland. Allein im Jahr 2011 investierte die Deutsche Krebshilfe rund 32 Millionen Euro in die onkologische Forschung. Bei der Forschungsförderung gilt es, im Sinne einer optimalen Patientenversorgung vielversprechende Ergebnisse aus der Forschung schnell und effizient in die klinische Prüfung und Anwendung zu bringen um die Überlebenschancen und die Lebensqualität krebskranker Menschen stetig zu verbessern.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution500

Quelle: Deutsche Krebshilfe e. V., Christiana Tschoepe, 12.03.2013
Projektnr.: 109558

Raute

Ludwig-Maximilians-Universität München - 12.03.2013

Biochemie - Ein Ausknopf für den Zellalarm

Zellen reagieren auf Stressfaktoren mit Alarmsignalen, die Reparaturmechanismen in Gang setzen. Wer diesen zellulären Notruf wieder abstellt, war bisher unbekannt. Nun wurden entsprechende Enzyme identifiziert - fehlen sie, ist eine schwere neurodegenerative Erkrankung die Folge.

Schrillt ein Alarm, ist promptes Handeln gefragt - auch in der Zelle: Wenn unser Erbgut etwa durch Strahlung geschädigt wird, müssen die Schäden schnell beseitigt werden, entweder durch Reparatur oder durch die Einleitung des programmierten Zelltods. Verantwortlich dafür sind komplexe Signalwege, darunter die sogenannte ADP-Ribosylierung. Diese chemische Modifizierung vieler Proteine im Zellkern ist zurzeit das schnellste nach der Beschädigung der DNA messbare Signal.

"Die ADP-Ribosylierung agiert sozusagen als Notruf und beeinflusst alle weiteren Schritte, die für die Beseitigung und Reparatur der Schäden verantwortlich sind", sagt Professor Andreas Ladurner vom Adolf-Butenandt-Institut der LMU, der mit seinem Team die Mechanismen erforscht, die diesen zellulären Alarm auslösen. Mittlerweile konnten viele Moleküle identifiziert werden, die durch die ADP-Ribosylierung zur Schadensstelle gerufen werden und das Alarmsignal weitergeben. Genauso wichtig ist allerdings auch, dass nach erfolgtem Einsatz der Alarm abgestellt wird und die zelluläre Maschinerie wieder normal arbeiten kann. "Welche Enzyme dies bewirken war bisher völlig unbekannt", so Ladurner, der mit seinem Team diese Lücke nun schließen konnte.

In der Fachzeitschrift Nature Structural & Molecular Biology weisen die Forscher erstmals nach, dass drei menschliche Proteine der sogenannten Macrodomain-Familie die ADP-Ribosylierung rückgängig machen. Mithilfe von Röntgenstrukturanalysen konnten sie erklären wie diese Enzyme funktionieren und ähnlich arbeitende Proteine in vielen anderen Organismen identifizieren.

Überraschend war für die Forscher, dass andere Mitglieder der Macrodomain-Familie die Modifizierung zwar erkennen, aber nicht entfernen. Das bedeutet, dass Mitglieder derselben Familie zunächst dafür verantwortlich sind, dass die ADP-Ribosylierung als Alarmsignal erkannt wird, während später andere Verwandte aus der Familie - die neuen Enzyme - dieses Signal beseitigen und signalisieren, dass das Problem behoben ist.

Fehlendes Enzym verursacht tödliche Erbkrankheit

Da die ADP-Ribosylierung in viele zelluläre Stressmechanismen eingreift, sind Veränderungen oder Fehler bei diesem Prozess auch medizinisch relevant. "In einer weiteren Studie, die wir gemeinsam mit englischen und amerikanischen Kollegen durchführten, konnten wir für mehrere Familien im Iran erstmals nachweisen, dass eine erbliche Krankheit, die bei Kindern zu einer progressiven Neurodegeneration bis hin zum Tod führt, auf das Fehlen eines der neu identifizierten Enzyme zurückzuführen ist", sagt Dr. Gyula Timinszky, einer der korrespondierenden Autoren der im Fachjournal EMBO Journal veröffentlichten Studie und Gruppenleiter in Ladurners Team.

Die Wissenschaftler vermuten, dass auch andere neurodegenerative Erkrankungen auf Defekte in der zellulären ADP-Ribosylierung zurückzuführen sind. Nachdem die neuen Enzyme und ihre Struktur identifiziert werden konnten, sollen nun die Mechanismen der ADP-Ribosylierung weiter aufgeklärt und im zellulären und klinischen Zusammenhang besser verstanden werden. "Kurz gesagt: Wir können erst jetzt die Enzyme benennen, die unser Arbeitsfeld seit 30 Jahren gesucht hat. Nun werden sich diese Signalwege ganz anders erforschen lassen", schließt Ladurner. (göd)

Publikationen:

"A family of macrodomain proteins reverses cellular mono-ADP-ribosylation" Gytis Jankevicius, Markus Hassler, Barbara Golia, Vladimir Rybin, Martin Zacharias, Gyula Timinszky, Andreas G Ladurner
Nature Structural & Molecular Biology
Advance Online Publication 10.3. 2013
doi:10.1038/nsmb.2523

"Deficiency of terminal ADP-ribose protein glycohydrolase TARG1/C6orf130 in neurodegenerative disease"
Reza Sharifi, Rosa Morra, C Denise Appel, Michael Tallis, Barry Chioza, Gytis Jankevicius, Michael A Simpson, Ivan Matic, Ege Ozkan, Barbara Golia, Matthew J Schellenberg, Ria Weston, Jason G Williams, Marianna N Rossi, Hamid Galehdari, Juno Krahn, Alexander Wan, Richard C Trembath, Andrew H Crosby, Dragana Ahel, Ron Hay, Andreas G Ladurner, Gyula Timinszky, R Scott Williams, Ivan Ahel
The EMBO Journal (2013)
doi:10.1038/emboj.2013.51

Kontakt:
Prof. Dr. Andreas Ladurner
Chair of the Department of Physiological Chemistry
Adolf Butenandt Institute for Physiological Chemistry
Faculty of Medicine
andreas.ladurner@med.uni-muenchen.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution114

Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München, Luise Dirscherl, 12.03.2013

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. März 2013